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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JÁN MAZÁK

vom 12. April 2011(1)

Verbundene Rechtssachen C-180/10 und C-181/10

Jarosław Słaby

gegen

Minister Finansów (C-180/10)

und

Emilian Kuć,

Halina Jeziorska-Kuć

gegen

Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie (C-181/10)

(Vorabentscheidungsersuchen des Naczelny Sąd Administrazcyjny [Polen])

„Mehrwertsteuer – Steuerpflichtiger – Wirtschaftliche Tätigkeit – Verkauf eines Grundstücks, das als landwirtschaftliches Grundstück erworben und anschließend in ein Baugrundstück umgewandelt wurde“






1.        Ist eine Person, die nach und nach Parzellen verkauft, die ursprünglich Teil eines zum Zweck der Nutzung als landwirtschaftliche Fläche erworbenen Grundstücks waren, dessen Zweckbestimmung im örtlichen Bebauungsplan später aber dahin geändert wurde, dass es neu als Grundstück für die Errichtung von Ferienunterkünften oder für eine Bebauung zu Wohn- und Dienstleistungszwecken ausgewiesen wurde, als mehrwertsteuerpflichtig anzusehen?

2.        Die Antwort auf diese Frage ist sowohl für Herrn Słaby (Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C-180/10) als auch für Herrn Emilian Kuć und Frau Halina Jeziorska-Kuć (Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C-181/10) von Bedeutung, die bei den zuständigen Steuerbehörden eine verbindliche Steuerauskunft über die Mehrwertsteuerpflicht des Verkaufs von Grundstücken beantragt hatten.

3.        Was Herrn Słaby anbelangt, handelt es sich um den allmählichen Verkauf von Parzellen eines im Jahr 1996 erworbenen Grundstücks. Damals war dieses Grundstück in den Raumordnungsplänen als landwirtschaftliches Grundstück ausgewiesen. Herr Słaby soll es als natürliche Person, die keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübte, mit der Absicht erworben haben, dort einer landwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen, was er von 1996 bis 1998 getan haben soll. 1997, nach einer Änderung des Raumordnungsplans, wurde das fragliche Grundstück neu eingestuft und für eine Bebauung mit Ferienunterkünften vorgesehen. 1999 teilte Herr Słaby es in 64 Parzellen und begann, diese zu verkaufen. Die erste Parzelle wurde im Jahr 2000 verkauft.

4.        Im Fall von Herrn und Frau Kuć geht es um den gelegentlichen Verkauf von Parzellen, die zu ihrem landwirtschaftlichen Betrieb gehörten. Im Einzelnen handelte es sich um 13 Fälle des Verkaufs von Parzellen, wovon neun nach dem 1. Mai 2004 stattfanden, 14 gleichgelagerte Geschäfte erfolgten im Jahr 2005 und 20 im Jahr 2006. Herr und Frau Kuć hatten ihren landwirtschaftlichen Betrieb als landwirtschaftliches Grundstück erworben, das nicht für eine Bebauung zugelassen war, und sie nutzten dieses Grundstück für eine landwirtschaftliche Tätigkeit. Aufgrund dessen meldeten sie sich als Mehrwertsteuerpflichtige, die der Pauschalregelung unterliegen, an, nachdem sie im Jahr 2004 von den Steuerbehörden eine dahin gehende verbindliche Steuerauskunft erhalten hatten. Nach einer Änderung des örtlichen Bebauungsplans wurde ein Teil der landwirtschaftlichen Grundstücke für eine Bebauung zu Wohn- und Dienstleistungszwecken ausgewiesen.

5.        In beiden Fällen kamen die zuständigen Finanzbehörden zu dem Ergebnis, dass der Verkauf der Grundstücke der Mehrwertsteuer unterlag. Herr Słaby sowie Herr und Frau Kuć widersprachen dieser Auslegung und erhoben bei einem Verwaltungsgericht Klage.

6.        Der Naczelny Sąd Administrazcyjny (Oberster Verwaltungsgerichtshof) (Polen) hat dem Gerichtshof im Rahmen der gegen die verwaltungsgerichtlichen Urteile eingelegten Kassationsbeschwerden drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, wovon eine Herrn Słaby und zwei Herrn und Frau Kuć betreffen.

7.        Die Frage in der Rechtssache von Herrn Słaby gegen den Minister Finansów (Finanzminister) (Rechtssache C-180/10) lautet:

Ist eine natürliche Person, die auf einem Grundstück eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat und später wegen einer Änderung der Bebauungspläne, die aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen erfolgte, diese Tätigkeit eingestellt hat, das Vermögen in ein Privatvermögen umqualifizert hat, seine Aufteilung in kleinere Teile (mit Sommerhäusern bebaubare Grundstücke) vorgenommen hat und mit seinem Verkauf begonnen hat, aus diesem Grund ein Mehrwertsteuerpflichtiger im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG(2) sowie Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG(3), der zur Abrechnung von Mehrwertsteuer aufgrund einer Handelstätigkeit verpflichtet ist?

8.        Die beiden Fragen, die in dem Rechtsstreit von Herrn und Frau Kuć gegen den Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie (Direktor der Finanzkammer Warschau) (Rechtssache C-181/10) gestellt worden sind, lauten:

1.      Ist auf einen Pauschallandwirt im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2006/112, der zuvor für seine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzte Grundstücke verkauft, die im Bebauungsplan der Gemeinde für eine Bebauung zu Wohn- und Dienstleistungszwecken vorgesehen sind, jedoch als landwirtschaftliche Grundstücke (mehrwertsteuerfrei) erworben wurden, Art. 16 dieser Richtlinie anwendbar, wonach die Bestimmung von Vermögenswerten eines Unternehmens für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder für andere unternehmensfremde Zwecke nur dann einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist, wenn diese Vermögenswerte zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben?

2.      Ist ein Pauschallandwirt im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2006/112/EG, der für seine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzte Grundstücke verkauft, die im Bebauungsplan der Gemeinde für eine Bebauung zu Wohn- und Dienstleistungszwecken vorgesehen sind, jedoch als landwirtschaftliche Grundstücke (mehrwertsteuerfrei) erworben wurden, als Steuerpflichtiger anzusehen, der zur Abrechnung von Mehrwertsteuer auf diesen Verkauf nach der allgemeinen Regelung verpflichtet ist?

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 2006/112(4)

9.        Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112(5) unterliegen Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt, der Mehrwertsteuer.

10.      Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112(6) lautet:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

11.      Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.“

12.      Art. 296 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der Sonderregelung des Kapitels 1 auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Kapitel anwenden.“

 Nationales Recht

13.      Art. 15 des Gesetzes vom 11. März 2004 über die Steuer auf Waren und Dienstleistungen (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) lautet:

„(1) Steuerpflichtige sind juristische Personen, Organisationseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit und natürliche Personen, die selbständig eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Abs. 2 ausüben, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten der Erzeuger, Händler oder Dienstleistungserbringer einschließlich der Personen, die natürliche Ressourcen gewinnen, und der Landwirte, sowie die Tätigkeit der Personen, die freie oder diesen gleichgestellte Berufe ausüben, und zwar auch dann, wenn die Handlung einmalig unter Umständen vorgenommen wurde, die auf die Absicht hinweisen, die Handlung häufig vorzunehmen. Als wirtschaftliche Tätigkeit gelten auch Handlungen, die in der Nutzung von Waren oder immateriellen Vermögenswerten zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen bestehen.

…“

14.      Art. 43 des Mehrwertsteuergesetzes bestimmt:

„(1) Von der Steuer befreit sind:

(3) die Lieferung durch einen Pauschallandwirt von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die aus seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit stammen, und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen durch einen Pauschallandwirt;

(9) Lieferung unbebauter Grundstücke mit Ausnahme von Baugrundstücken, die für eine Bebauung bestimmt sind.

…“

 Würdigung

 Zur Vorlagefrage in der Rechtssache C-180/10

15.      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Definition des Begriffs „Steuerpflichtiger“ in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 auch eine Person wie Herrn Słaby erfasst, der ab dem Jahr 2000(7) nach und nach 64 Parzellen verkauft hat, die laut Bebauungsplan zum Bau von Ferienunterkünften bestimmt waren.

16.      Die faktische Situation von Herrn Słaby kann wie folgt beschrieben werden:

–        Er hat das fragliche Grundstück im Jahr 1996 als landwirtschaftliches Grundstück erworben;

–        dieses Grundstück wurde von 1996 bis 1998 tatsächlich landwirtschaftlich genutzt;

–        im Jahr 1997 wurde das Grundstück infolge einer Änderung des Raumordnungsplans als Grundstück für den Bau von Ferienunterkünften neu eingestuft;

–        im Jahr 1999, nach Beendigung der landwirtschaftlichen Tätigkeit auf dem genannten Grundstück und dessen Umklassifizierung in Privatvermögen, teilte Herr Słaby es in 64 Parzellen und begann, diese zu verkaufen.

17.      Da Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 den Begriff des Steuerpflichtigen durch Bezugnahme auf den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit definiert oder, mit anderen Worten, da die Ausübung einer solchen Tätigkeit die Einstufung als Steuerpflichtiger zur Folge hat(8), ist es für die Beantwortung der Vorlagefrage entscheidend, ob der nach und nach erfolgende Verkauf von Baulandparzellen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt.

18.      Der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ umfasst nach der Definition in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112 alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden und auch Leistungen, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfassen. Der Begriff „Nutzung“ bezieht sich entsprechend den Erfordernissen des Grundsatzes der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems auf alle diese Vorgänge ungeachtet ihrer Rechtsform(9).

19.      Meines Erachtens lässt sich kaum bestreiten, dass der Verkauf eines Baugrundstücks eine Art der Nutzung eines solchen körperlichen Gegenstands ist(10), insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass der Verkauf eines Baugrundstücks als Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt einer der Umsätze ist, der nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 der Mehrwertsteuer unterliegt.

20.      Es bleibt deshalb zu prüfen, ob der allmähliche Verkauf der Parzellen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt ist.

21.      Insoweit ist zu beachten, dass es sich bei der Frage, ob die in Rede stehende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt ist, um eine Tatsachenfrage handelt, die vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Umstände der Sache zu beurteilen ist(11). In Anbetracht des objektiven Charakters des Bereichs, auf den sich die Begriffe des Steuerpflichtigen und der wirtschaftlichen Tätigkeit erstrecken, sind im Rahmen dieser Beurteilung der Zweck und das Ergebnis der fraglichen Tätigkeit nicht relevant(12).

22.      Der Gerichtshof hat sich mit der Frage, ob die Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt ist, bereits in der Rechtssache van Tiem(13) beschäftigt. In diesem Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Nutzung einer Sache, die darin besteht, ein Erbbaurecht an einem Grundstück einzuräumen, als zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen anzusehen ist, auch wenn dieses Erbbaurecht für einen bestimmten Zeitraum eingeräumt worden ist.

23.      Im vorliegenden Fall besteht die Nutzung eines Gegenstands im allmählichen Verkauf von 64 Parzellen Bauland, bei denen es sich ursprünglich um ein landwirtschaftliches Grundstück gehandelt hatte. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass der Eigentümer des Grundstücks diesen Gegenstand geteilt hat, um ihn nach und nach parzellenweise zu verkaufen.

24.      Meines Erachtens spricht schon diese Tatsache, d. h. die Teilung eines Grundstücks, bevor es parzellenweise verkauft wird, dafür, dass der Eigentümer des Grundstücks in der Absicht gehandelt hat, hinsichtlich der in Rede stehenden Parzellen wiederholt Verkaufsgeschäfte durchzuführen und folglich daraus nachhaltig Einnahmen zu erzielen. Diese Schlussfolgerung beruht nicht auf dem Umfang des Verkaufs der Parzellen, sondern darauf, dass es sich um wiederholte Vorgänge handelt.

25.      Dieses Ergebnis gilt unabhängig davon, ob der Eigentümer eines Grundstücks dieses in der Absicht erworben hat, es weiterzuverkaufen. Die Anerkennung des auch vom nationalen Gericht erster Instanz übernommenen Arguments von Herrn Słaby, im vorliegenden Fall sei entscheidend, dass das nach und nach parzellenweise verkaufte Grundstück nicht in der Absicht des Weiterverkaufs erworben worden sei, würde letztlich darauf hinauslaufen, den Grundsatz der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Frage zu stellen, der verbietet, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden(14). Wie die Republik Polen nämlich zutreffend bemerkt hat, unterscheiden sich Umsätze, die darin bestehen, dass Baulandparzellen von einer Person verkauft werden, die diese Parzellen als landwirtschaftliches Grundstück mit der Absicht erworben hat, darauf eine landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, nicht von solchen, die von einer Person vorgenommen werden, die ein landwirtschaftliches Grundstück in der Absicht erworben hat, es nach einer Änderung des Raumordnungsplans weiterzuverkaufen.

26.      Somit wirkt sich die Absicht des Käufers beim Erwerb eines Grundstücks, das später geteilt und anschließend nach und nach weiterverkauft wird, nicht auf die Einstufung dieser Verkäufe als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112 aus.

27.      Da das vorlegende Gericht in seiner Frage die Tatsache betont hat, dass das in Rede stehende Grundstück vor seinem Verkauf gegenüber der Nutzung für eine landwirtschaftliche Tätigkeit durch seinen Eigentümer in Privatvermögen umgewandelt worden ist, ist noch zu ermitteln, ob Herr Słaby den allmählichen parzellenweisen Verkauf dieses Grundstücks nicht für private Zwecke durchgeführt hat. Wie sich nämlich aus der Rechtsprechung ergibt, handelt ein Steuerpflichtiger, der einen Umsatz für private Zwecke ausführt, nicht als Steuerpflichtiger, so dass ein solcher Umsatz nicht der Mehrwertsteuer unterliegt(15).

28.      Zwar handelt ein Mehrwertsteuerpflichtiger, der einen Gegenstand verkauft, von dem er einen Teil nicht seinem Unternehmen zugeordnet, sondern seiner privaten Nutzung vorbehalten hatte, nach der durch das Urteil Armbrecht(16) begründeten Rechtsprechung beim Verkauf dieses Teils nicht als Steuerpflichtiger. Ein solcher Umsatz unterliegt daher nicht der Mehrwertsteuer.

29.      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine solche Teilung von Gegenständen gegenüber Tätigkeiten vorgenommen wird, für die eine Person mehrwertsteuerpflichtig ist.

30.      Im vorliegenden Fall stufte Herr Słaby das Grundstück, das nach und nach parzellenweise verkauft wurde, gegenüber seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit als Privatvermögen ein. Herr Słaby wird aber nicht für seine landwirtschaftliche Tätigkeit als mehrwertsteuerpflichtig angesehen, sondern für den allmählichen Verkauf von Parzellen.

31.      Somit ist das Vorbringen von Herrn Słaby, er habe das verkaufte Grundstück als Privatvermögen eingestuft, im vorliegenden Fall nicht erheblich.

32.      Zusammenfassend ist es für die Feststellung, ob eine Person im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 mehrwertsteuerpflichtig ist, Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die Nutzung des in Rede stehenden Gegenstands in Form seiner allmählichen Veräußerung zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt, wobei die gesamten Umstände dieses Falles, insbesondere Hinweise auf die Absicht, diese Umsätze wiederholt durchzuführen, zu berücksichtigen sind. Insoweit ist es unerheblich, dass der in Rede stehende Gegenstand nicht mit Verkaufsabsicht erworben wurde oder dass er von seinem Eigentümer gegenüber einer anderen Tätigkeit als derjenigen, aufgrund deren die Person mehrwertsteuerpflichtig ist, als Privatvermögen eingestuft wurde.

 Zu den Vorlagefragen in der Rechtssache C-181/10

33.      Meines Erachtens ist in Anbetracht des Zusammenhangs zwischen der Vorlagefrage der Rechtssache C-180/10 und der zweiten Vorlagefrage der Rechtssache C-181/10 die Reihenfolge der Fragen umzukehren.

 Zur zweiten Frage

34.      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht, wie in der Rechtssache C-180/10, wissen, ob Herr und Frau Kuć für die 47 zwischen 2004 und 2006 im Zusammenhang mit dem Verkauf von Parzellen getätigten Umsätze als mehrwertsteuerpflichtig anzusehen sind.

35.      Herr und Frau Kuć verkauften wie Herr Słaby Parzellen, die sie ursprünglich als landwirtschaftliches Grundstück erworben hatten. Sie nutzten das fragliche Grundstück für landwirtschaftliche Zwecke, auch nachdem die Parzellen infolge einer Änderung des Raumordnungsplans als Grundstücke für die Bebauung zu Wohn- und Dienstleistungszwecken ausgewiesen worden waren. Im Gegensatz zu Herrn Słaby meldeten sie sich als Mehrwertsteuersteuerpflichtige an, die hinsichtlich ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit der Pauschalregelung unterlagen.

36.      Im Licht der in der Rechtssache C-180/10 vorgeschlagenen Antwort ist es auch in der vorliegenden Rechtssache Aufgabe des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die Nutzung des in Rede stehenden Gegenstands in Form seiner allmählichen Veräußerung zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt; dabei sind die gesamten Umstände der Sache zu berücksichtigen, insbesondere die Hinweise auf die Absicht, diese Umsätze wiederholt durchzuführen.

37.      Rein vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass das Vorbringen von Herrn und Frau Kuć, sie hätten keinerlei Absicht, in Zukunft weiterhin Parzellen zu verkaufen, nicht erheblich ist.

38.      Wenn das nationale Gericht am Ende seiner Beurteilung zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die in Rede stehenden Verkaufsumsätze zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen durchgeführt wurden, wären Herr und Frau Kuć nicht nur hinsichtlich ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig, sondern auch für die genannten Umsätze selbst.

39.      In diesem Fall wären Herr und Frau Kuć für die Umsätze aus dem Verkauf von Parzellen, die zu einer landwirtschaftlichen Liegenschaft gehören, nach der normalen Regelung mehrwertsteuerpflichtig, ungeachtet ihrer Eigenschaft als landwirtschaftliche Erzeuger, für die die Pauschalregelung nach Kapitel II des Titels XII der Richtlinie 2006/112 gilt. Dieses Ergebnis wird untermauert durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der andere Umsätze als die Lieferung landwirtschaftlicher Produkte und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, die von einem Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs getätigt werden, weiter unter die allgemeine Regelung der Richtlinie 2006/112 fallen(17).

 Zur ersten Frage

40.      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 der Richtlinie 2006/112, der bestimmt, dass die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, auf einen Pauschallandwirt im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie anwendbar ist, der Parzellen verkauft, die er für seine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt hat und die nach dem Bebauungsplan der Gemeinde für eine Bebauung zu Wohn- und Dienstleistungszwecken bestimmt sind, die aber als landwirtschaftliche Grundstücke (mehrwertsteuerfrei) erworben worden waren.

41.      In dieser Hinsicht bin ich der Auffassung, dass Art. 16 der Richtlinie 2006/112 nicht auf die von Herrn und Frau Kuć getätigten Geschäfte, mit denen sie Parzellen, die Teil ihrer landwirtschaftlichen Liegenschaft waren, nach und nach verkauft haben, anwendbar ist.

42.      Wenn, wie die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend ausgeführt hat, für Teile einer landwirtschaftlichen Liegenschaft, die integrierender Bestandteil des landwirtschaftlichen Betriebs eines Pauschallandwirts sind, die Bestimmung geändert wird und sie nicht länger für die landwirtschaftliche Produktion verwendet werden, um ihre allmähliche Veräußerung zu ermöglichen, handelt es sich immer noch um die Nutzung eines für das Unternehmen des in Rede stehenden Steuerpflichtigen bestimmten Gegenstands zu wirtschaftlichen Zwecken. Es handelt sich somit nicht um die Nutzung von Gegenständen für seinen privaten Bedarf oder für außerhalb seiner Geschäftstätigkeit liegende Zwecke, wie Art. 16 der genannten Richtlinie fordert.

 Ergebnis

43.      Aufgrund aller dieser Überlegungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Naczelny Sąd Administrazcyjny vorgelegten Vorabentscheidungsfragen wie folgt zu beantworten:

1.      Für die Feststellung, ob eine Person im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das Gemeinsame Mehrwertsteuersystem mehrwertsteuerpflichtig ist, ist es Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die Nutzung des in Rede stehenden Gegenstands in Form seiner allmählichen Veräußerung zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt, wobei die gesamten Umstände dieses Falles, insbesondere Hinweise auf die Absicht, diese Umsätze wiederholt durchzuführen, zu berücksichtigen sind. Insoweit ist es unerheblich, dass der in Rede stehende Gegenstand nicht mit Verkaufsabsicht erworben wurde oder dass er von seinem Eigentümer gegenüber einer anderen Tätigkeit als derjenigen, aufgrund deren die Person mehrwertsteuerpflichtig ist, als Privatvermögen eingestuft wurde.

2.      Die Person ist für die Umsätze aus dem Verkauf von Parzellen, die zu einer landwirtschaftlichen Liegenschaft gehören, nach der normalen Regelung mehrwertsteuerpflichtig, ungeachtet ihrer Eigenschaft als landwirtschaftlicher Erzeuger, für den die Pauschalregelung nach Kapitel II des Titels XII der Richtlinie 2006/112 gilt.

3.      Art. 16 der Richtlinie 2006/112 ist nicht auf einen Pauschallandwirt im Sinne von Art. 295 dieser Richtlinie anwendbar, der nach und nach aus einer Teilung einer landwirtschaftlichen Liegenschaft entstandene Parzellen verkauft, die für eine Bebauung zu Wohn- und Dienstleistungszwecken vorgesehen sind.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).


3 – Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).


4 – Zeitlich sind auf die Rechtssache C-180/10 sowohl die Sechste Richtlinie als auch die Richtlinie 2006/112, durch die sie ab dem 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt wurde, anwendbar. Ich werde mich in den vorliegenden Schlussanträgen nur auf die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 beziehen, da diese den betreffenden Bestimmungen der Sechsten Richtlinie im Wesentlichen entsprechen.


5 – Diese Bestimmung entspricht Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie.


6 – Diese Bestimmung entspricht Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie.


7 – In dieser Hinsicht gehe ich von der Hypothese aus, dass der Verkauf der Parzellen auch nach dem 1. Mai 2004 fortgesetzt wurde, auch wenn dies im Vorlagebeschluss nicht ausdrücklich erklärt wird. Andernfalls wäre es dem Gerichtshof nicht möglich, die Vorlagefrage zu beantworten.


8 – Vgl. entsprechend Urteil vom 3. März 2005, Fini H (C-32/03, Slg. 2005, I-1599, Randnr. 19).


9 – Urteile vom 21. April 2005, HE (C-25/03, Slg. 2005, I-3123, Randnr. 39), vom 26. Juni 2007, Hutchison 3G u. a. (C-369/04, Slg. 2007, I-5247, Randnr. 32), und vom 6. Oktober 2009, SPÖ Landesorganisation Kärnten (C-267/08, Slg. 2009, I-9781, Randnr. 20).


10 – Der Gerichtshof hat z. B. bereits als Nutzung eines körperlichen Gegenstands angesehen die Vermietung eines körperlichen Gegenstands (Urteil vom 26. September 1996, Enkler, C-230/94, Slg. 1996, I-4517, Randnr. 21) oder die Einräumung eines Erbbaurechts an einem Grundstück durch dessen Eigentümer für einen Dritten (Urteil vom 4. Dezember 1990, van Tiem, C-186/89, Slg. 1990, I-4363, Randnr. 19). Dagegen ist eine Tätigkeit, die in der Erteilung von Konzessionen besteht, die es den diese Konzessionen erhaltenden Wirtschaftsteilnehmern erlaubt, von den damit verbundenen Nutzungsrechten in der Weise Gebrauch zu machen, dass sie ihre Dienstleistungen auf dem Mobilfunkmarkt öffentlich gegen Entgelt anbieten, keine Nutzung eines körperlichen Gegenstands (Urteil vom 26. Juni 2007, T-Mobile Austria u. a., C-284/04, Slg. 2007, I-5189, Randnr. 44). Dies gilt ebenso für Tätigkeiten, die darin bestehen, Öffentlichkeitsarbeit, Informationstätigkeit, die Organisation von Veranstaltungen, die Lieferung von Werbematerial an andere Unterorganisationen einer politischen Partei und die Ausrichtung eines alljährlich stattfindenden Balls sicherzustellen (Urteil SPÖ Landesorganisation Kärnten, oben in Fn. 9 angeführt, Randnrn. 18 und 21).


11 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Enkler (oben in Fn. 10 angeführt, Randnrn. 24 und 30).


12 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Februar 2006, University of Huddersfield (C-223/03, Slg. 2006, I-1751, Randnr. 47), und T-Mobile Austria u. a. (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 35).


13–      Urteil oben in Fn. 10 angeführt.


14 – Urteil vom 16. September 2008, Isle of Wight Council u. a. (C-288/07, Slg. 2008, I-7203, Randnr. 42).


15 – Urteile vom 4. Oktober 1995, Armbrecht (C-291/92, Slg. 1995, I-2775, Randnrn. 16 und 17), und vom 8. März 2001, Bakcsi (C-415/98, Slg. 2001, I-1831, Randnr. 24).


16 – Oben in Fn. 15 angeführt.


17 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juli 2004, Harbs (C-321/02, Slg. 2004, I-7101, Randnrn. 31 und 36), und vom 26. Mai 2005, Stadt Sundern (C-43/04, Slg. 2005, I-4491, Randnr. 20).