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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 26. Mai 2011(1)

Rechtssache C-274/10

Europäische Kommission

gegen

Republik Ungarn

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Nationale Regelung, die die Erstattung eines Vorsteuerüberschusses nur so weit gestattet, als dieser den Steuerbetrag aus noch nicht bezahlten Umsätzen übersteigt – Grundsatz der Steuerneutralität“






1.        Die Mehrwertsteuer ist nach dem durch das Unionsrecht eingeführten gemeinsamen System eine Verbrauchsteuer, die auf jeder Stufe des Produktions- oder Vertriebsprozesses erhoben wird und in vollem Umfang vom Endverbraucher zu tragen ist.

2.        Damit die Wirtschaftsteilnehmer, die gleichzeitig mit dem Erhalt des Preises für ihre Waren oder Dienstleistungen die Mehrwertsteuer von ihren Kunden einziehen, nicht mit dieser belastet werden, sieht das gemeinsame Mehrwertsteuersystem eine Abzugsregelung vor, mit der ihnen gegenüber die „Neutralität“ der Steuer im Verhältnis gewährleistet werden soll.

3.        Die Wirtschaftsteilnehmer, auch „Steuerpflichtige“ genannt, können daher von der Steuer, die sie von ihren Kunden eingezogen und an den Mitgliedstaat abzuführen haben, diejenige Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen, mit der sie selbst zuvor beim Bezug der für die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit notwendigen Gegenstände und Dienstleistungen belastet wurden.

4.        Die vorliegende Vertragsverletzungsklage betrifft diejenigen Bestimmungen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, die Anwendung finden, wenn die Ansprüche des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug den von ihm geschuldeten Steuerbetrag übersteigen.

5.        Gemäß Art. 183 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates(2) können die Mitgliedstaaten, wenn der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer übersteigt, den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen oder ihn nach den von ihnen festgelegten Einzelheiten erstatten.

6.        Die Republik Ungarn ist der Meinung, sie sei auf der Grundlage dieser Vorschrift berechtigt gewesen, die Erstattung auf den Teil der Mehrwertsteuer zu beschränken, den der Steuerpflichtige effektiv entrichtet habe. Da die Europäische Kommission der Auffassung ist, dass diese Vorschrift den Mitgliedstaaten diese Möglichkeit nicht einräume, hat sie die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben.

7.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich darlegen, warum diese Klage meines Erachtens begründet ist.

8.        Ich werde ausführen, dass die im ungarischen Recht vorgesehene Beschränkung – entgegen dem Vorbringen der Kommission in ihren Schriftsätzen – dem Grundsatz der Neutralität, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, nicht widerspricht. Ich werde aber weiter darlegen, dass – wie auch die Kommission geltend gemacht hat – Art. 183 der Richtlinie 2006/112 im Licht der übrigen Bestimmungen dieser Richtlinie über das Vorsteuerabzugsrecht die Befugnis der Mitgliedstaaten eindeutig auf die Alternative beschränkt, den Überschuss zu erstatten oder auf den folgenden Zeitraum vorzutragen, und zwar ohne dabei zwischen entrichteter und bloß geschuldeter Mehrwertsteuer zu unterscheiden.

9.        Ein Mitgliedstaat kann also die Erstattung des Überschusses nicht auf den Teil der Mehrwertsteuer beschränken, den der Steuerpflichtige effektiv entrichtet hat, ohne damit den Spielraum, über den er nach der Richtlinie 2006/112 verfügt, zu überschreiten.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

10.      Gemäß Art. 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates(3) beruht das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist. Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.

11.      Titel VI („Steuertatbestand und Steueranspruch“) der Richtlinie 2006/112 enthält u. a. folgende Vorschriften:

Artikel 62

Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt

(1)      als ‚Steuertatbestand‘ der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;

(2)      als ‚Steueranspruch‘ der Anspruch auf Zahlung der Steuer, den der Fiskus kraft Gesetzes gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt an geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann.

...

Artikel 63

Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.

...

Artikel 65

Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag.

Artikel 66

Abweichend von den Artikeln 63, 64 und 65 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Steueranspruch für bestimmte Umsätze oder Gruppen von Steuerpflichtigen zu einem der folgenden Zeitpunkte entsteht:

a)      spätestens bei der Ausstellung der Rechnung;

b)      spätestens bei der Vereinnahmung des Preises;

c)      im Falle der Nichtausstellung oder verspäteten Ausstellung der Rechnung binnen einer bestimmten Frist nach dem Eintreten des Steuertatbestands.

...“

12.      Titel X der Richtlinie 2006/112 betrifft den Vorsteuerabzug. In Kapitel 1 („Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug“) heißt es in den Art. 167 und 168:

Artikel 167

Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.

Artikel 168

Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

...“

13.      In Kapitel 4 des Titels X der Richtlinie 2006/112 sind die Einzelheiten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug geregelt. Es enthält u. a. die folgenden Artikel:

Artikel 178

Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:

a)      für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferungen von Gegenständen und dem Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß den Artikeln 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 ausgestellte Rechnung besitzen;

...

Artikel 179

Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird.

...

Artikel 183

Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer, können die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den von ihnen festgelegen Einzelheiten erstatten.

Die Mitgliedstaaten können jedoch festlegen, dass geringfügige Überschüsse weder vorgetragen noch erstattet werden.“

14.      Kapitel 5 des Titels X der Richtlinie 2006/112 trägt die Überschrift „Berichtigung des Vorsteuerabzugs“. Es sieht in den Art. 184 und 185 vor:

Artikel 184

Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.

Artikel 185

(1)      Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.

(2)      Abweichend von Absatz 1 unterbleibt die Berichtigung bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung, Verlust oder Diebstahl sowie bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und Warenmuster im Sinne des Artikels 16.

Bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen.“

15.      Die Pflichten der Steuerpflichtigen hinsichtlich der Zahlung der Mehrwertsteuer sind in Titel XI der Richtlinie 2006/112 aufgeführt, der u. a. die folgenden Artikel enthält:

Artikel 206

Jeder Steuerpflichtige, der die Steuer schuldet, hat bei der Abgabe der Mehrwertsteuererklärung nach Artikel 250 den sich nach Abzug der Vorsteuer ergebenden Mehrwertsteuerbetrag zu entrichten. Die Mitgliedstaaten können jedoch einen anderen Termin für die Zahlung dieses Betrags festsetzen oder vorläufige Vorauszahlungen erheben.

...

Artikel 250

(1)      Jeder Steuerpflichtige hat eine Mehrwertsteuererklärung abzugeben, die alle für die Festsetzung des geschuldeten Steuerbetrags und der vorzunehmenden Vorsteuerabzüge erforderlichen Angaben enthält ...

Artikel 252

(1)      Die Mehrwertsteuererklärung ist innerhalb eines von den einzelnen Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraums abzugeben. Dieser Zeitraum darf zwei Monate nach Ende jedes einzelnen Steuerzeitraums nicht überschreiten.

(2)      Der Steuerzeitraum kann von den Mitgliedstaaten auf einen, zwei oder drei Monate festgelegt werden.

Die Mitgliedstaaten können jedoch andere Zeiträume festlegen, sofern diese ein Jahr nicht überschreiten.“

B –    Nationales Recht

16.      § 55 Abs. 1 des Gesetzes CXXVII von 2007 über die Mehrwertsteuer(4) bestimmt:

„Der Steueranspruch entsteht zu dem Zeitpunkt, zu dem der steuerbare Umsatz objektiv bewirkt wird (im Folgenden: Verwirklichung).“

17.      Gemäß § 56 des ungarischen Mehrwertsteuergesetzes wird „[d]ie geschuldete Steuer … zum Zeitpunkt der Verwirklichung festgesetzt, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist“.

18.      § 119 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet:

„Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Festsetzung der geschuldeten Steuer in Höhe der Vorsteuer (§ 120).“

19.      § 131 des ungarischen Mehrwertsteuergesetzes bestimmt:

„(1) Ein für die Zwecke der Mehrwertsteuer im Inland erfasster Steuerpflichtiger kann vom Gesamtsteuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den abzugsfähigen Vorsteuerbetrag abziehen, der während dieses Steuerzeitraums oder während eines oder mehrerer früherer Zeiträume entstanden ist.

(2) Ergibt sich nach Abs. 1 eine negative Differenz, kann ein für die Zwecke der Mehrwertsteuer im Inland erfasster Steuerpflichtiger

a)      diese Differenz im folgenden Steuerzeitraum als Abzugsposten vom Gesamtsteuerbetrag, den er nach Abs. 1 für diesen Steuerzeitraum schuldet, geltend machen oder

b)      die Erstattung der Differenz unter den Voraussetzungen und nach den Bestimmungen des § 186 bei den staatlichen Steuerbehörden beantragen.“

20.      § 186 dieses Gesetzes sieht vor:

„(1) Die Erstattung des gemäß § 131 Abs. 1 ermittelten – nach Maßgabe von Abs. 2 berichtigten – negativen Differenzbetrags kann frühestens zu dem im Gesetz XCII von 2003 [über das Steuersystem(5)] festgelegten Termin beantragt werden, wenn

a)      der für die Zwecke der Mehrwertsteuer im Inland erfasste Steuerpflichtige bei Einreichung seiner Erklärung nach § 184 einen entsprechenden Antrag bei den Steuerbehörden stellt; …

(2) Zahlt ein für die Zwecke der Mehrwertsteuer im Inland erfasster Steuerpflichtiger im Fall des Abs. 1 Buchst. a den Betrag, der auch eine Steuer in Höhe des Umsatzes enthält, der die Rechtsgrundlage für die Abwälzung der Steuer bildet, nicht unverzüglich vor dem in Abs. 1 genannten Termin oder erlischt seine Schuld vor diesem Zeitpunkt nicht auf andere Weise, ist die gesamte abzugsfähige Vorsteuer in Höhe dieses Umsatzes von dem gemäß § 131 Abs. 1 festgesetzten negativen Differenzbetrag – ausgedrückt als absoluter Betrag – bis zur maximalen Höhe dieses Betrags abzuziehen.

(3) § 131 Abs. 2 Buchst. a findet auf den Betrag, um den sich der gemäß § 131 Abs. 1 festgesetzte negative Differenzbetrag – ausgedrückt als absoluter Betrag – nach Maßgabe von Abs. 2 verringert, bis zur maximalen Höhe dieses Betrags Anwendung.

…“

21.      Aus § 37 Abs. 1 des Gesetzes XCII von 2003 über das Steuersystem geht hervor, dass dieser Termin der Frist für die Zahlung der Steuer entspricht:

„Die Steuer ist zu dem Zeitpunkt zu zahlen, der im Anhang des Gesetzes oder im Gesetz selbst angegeben ist (Fälligkeit) …“

22.      Anhang II Teil I Nr. 2 Buchst. a dieses Gesetzes lautet:

„Ein Steuerpflichtiger, der [Mehrwertsteuer] schuldet, hat den geschuldeten [Mehrwertsteuer]betrag

–        im Fall monatlicher Steuererklärungen vor dem 20. Tag des auf den laufenden Monat folgenden Monats,

–        im Fall vierteljährlicher Steuererklärungen vor dem 20. Tag des auf das Vierteljahr folgenden Monats,

–        im Fall jährlicher Steuererklärungen vor dem 25. Februar des auf das Steuerjahr folgenden Jahres

zu zahlen und kann die Erstattung dieses Betrags von diesem Zeitpunkt an beantragen.“

II – Verfahren und Anträge der Parteien

23.      Die Kommission richtete am 21. März 2007 eine Aufforderung zur Äußerung und am 8. Oktober 2009 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik Ungarn, in denen sie diesem Mitgliedstaat darlegte, aus welchen Gründen sie der Auffassung war, dass dessen Regelung gegen Art. 183 der Richtlinie 2006/112 verstoße. Sie forderte ihn außerdem auf, dieser Vorschrift nachzukommen.

24.      Da die Republik Ungarn, die sich gegen diese Einschätzung wendet, dies nicht tat, hat die Kommission mit Schriftsatz vom 20. Mai 2010 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie beantragt,

–                 festzustellen, dass die Republik Ungarn dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/112 verstoßen hat,

–        dass sie Steuerpflichtige, deren Steuererklärung für einen bestimmten Steuerzeitraum einen „Überschuss“ im Sinne von Art. 183 der Richtlinie 2006/112 ausweist, dazu verpflichtet, diesen Überschuss ganz oder teilweise auf den folgenden Steuerzeitraum vorzutragen, wenn sie dem Lieferer nicht den Gesamtbetrag für den entsprechenden Erwerb gezahlt haben, und

–        dass aufgrund dieser Verpflichtung bestimmte Steuerpflichtige, deren Steuererklärungen regelmäßig einen „Überschuss“ ausweisen, gezwungen sind, diesen Überschuss mehr als einmal auf den folgenden Steuerzeitraum vorzutragen,

–        der Republik Ungarn die Kosten aufzuerlegen.

25.      Die Republik Ungarn beantragt, die Klage der Kommission abzuweisen und dieser die Kosten aufzuerlegen.

III – Vorbringen der Parteien

A –    Kommission

26.      Die Kommission führt aus, dass § 186 Abs. 2 des ungarischen Mehrwertsteuergesetzes die Erstattung des Überschusses ausschließe, soweit die Vorsteuer aus Umsätzen stamme, für die die Gegenleistung einschließlich Mehrwertsteuer noch nicht gezahlt worden sei, und die Zahlungspflicht auch nicht auf andere Weise erloschen sei. Diese Beschränkung verstoße gegen Unionsrecht.

27.      Erstens missachte diese Beschränkung den Grundsatz der Steuerneutralität, so wie er vom Gerichtshof ausgelegt und konkretisiert worden sei. Art. 183 der Richtlinie 2006/112, insbesondere die Wendung „nach den von ihnen festgelegten Einzelheiten“, sei im Licht dieses ein tragendes Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellenden Grundsatzes auszulegen, nach dem der Zweck der Vorsteuerabzugsregelung darin bestehe, dass der Unternehmer von der von ihm im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit zu zahlenden oder bezahlten Mehrwertsteuer zur Gänze entlastet werde.

28.      Nach den Art. 62 und 63 dieser Richtlinie entstehe der Anspruch auf die zu zahlende Mehrwertsteuer unabhängig von der Zahlung der Gegenleistung für den betreffenden Umsatz zu dem Zeitpunkt, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht werde. Ein Lieferer von Gegenständen oder ein Erbringer von Dienstleistungen sei daher selbst dann verpflichtet, die Mehrwertsteuer an den Fiskus abzuführen, wenn er von seinen Kunden bis zum Ende des Steuerzeitraums noch nicht bezahlt worden sei. Da § 186 Abs. 2 des ungarischen Mehrwertsteuergesetzes in einem solchen Fall den Kunden daran hindere, die Erstattung der dem fraglichen Umsatz entsprechenden Mehrwertsteuer zu verlangen, bereichere er den Fiskus bis zur Bezahlung des Umsatzes und bringe das Mehrwertsteuersystem aus dem Gleichgewicht.

29.      Der Ausschluss der Erstattung des Überschusses an abzugsfähiger Mehrwertsteuer belaste die betroffenen Unternehmer. Einerseits mindere der Aufschub der Zahlung des Staates auf die Forderung des die Erstattung verlangenden Steuerpflichtigen vorübergehend den Wert der Gegenstände, über die dieser Steuerpflichtige verfüge, was seine Gewinnmöglichkeiten und seine Liquidität verringere und so zu einer Erhöhung seines Unternehmerrisikos führe. Andererseits erhöhe die Nichterstattung des Mehrwertsteuerüberschusses durch die Verringerung der Liquidität des Käufers von Gegenständen oder des Empfängers von Dienstleistungen gleichzeitig das Risiko, dass dieser Käufer oder dieser Empfänger die gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen nicht – oder nur mit Verzögerung – bezahlen könne. Daher steige durch diesen Ausschluss auch das Unternehmerrisiko des Lieferers von Gegenständen oder des Erbringers von Dienstleistungen, und dies führe sogar dazu, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Voraussetzung für die Erstattung verringere.

30.      Auch wenn das mit der Richtlinie 2006/112 eingeführte Mehrwertsteuersystem den Steuerpflichtigen verschiedene Belastungen auferlege, insbesondere die Pflicht, die Mehrwertsteuer unabhängig davon, ob der Kunde die Gegenleistung für den betreffenden Umsatz gezahlt habe, an den Staat abzuführen, so dass der Grundsatz der Steuerneutralität mit gewissen Einschränkungen in diesem System verwirklicht sei, müssten diese Einschränkungen eng ausgelegt werden. Der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 25. Oktober 2001, Kommission/Italien(6), u. a. entschieden, dass die Mitgliedstaaten keine Einzelheiten der Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses festlegen dürften, die so beschaffen seien, dass sie den Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil mit der Mehrwertsteuer belasteten.

31.      Art. 183 der Richtlinie 2006/112 sehe, so die Kommission, lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten die Verfahrensvorschriften für diese Erstattung festlegen könnten, damit sich diese Vorschriften richtig in die verschiedenen gesetzlichen Regelungen über das Verwaltungsverfahren einfügten. Dagegen gestatte dieser Artikel nicht, die Erstattung über den Umweg materiell-rechtlicher Voraussetzungen einzuschränken. Eine solche Beschränkung widerspreche dem Zweck dieses Artikels, führe zu einer nicht gerechtfertigten ungleichmäßigen Regulierung in den Mitgliedstaaten und verstoße gegen den Grundsatz der Steuerneutralität. Mit der fraglichen nationalen Regelung würden jedoch keine Formvorschriften erlassen, vielmehr werde versucht, die Erstattung der Mehrwertsteuer materiell-rechtlich zu beschränken.

32.      Zweitens legt die Kommission dar, dass diese nationale Regelung auch deshalb mit Art. 183 der Richtlinie 2006/112 unvereinbar sei, weil sie keinerlei zeitliche Begrenzung für den Vortrag des Überschusses auf den folgenden Steuerzeitraum enthalte.

33.      Dem Wortlaut dieses Artikels sei zu entnehmen, dass der Überschuss spätestens im übernächsten Steuerzeitraum nach seiner Entstehung erstattet werden müsse. Dagegen sei es nach der fraglichen nationalen Regelung möglich, dass der Steuerpflichtige den Mehrwertsteuerüberschuss mehrmals vortragen müsse, insbesondere wenn es sich um einen Steuerpflichtigen handele, der Umsätze tätige, deren Betrag an abzugsfähiger Vorsteuer den Betrag der Mehrwertsteuer regelmäßig übersteige. Dies sei insbesondere bei Steuerpflichtigen der Fall, die überwiegend Ausfuhrtätigkeiten nach den Art. 146 Abs. 1 Buchst. a und 169 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 verrichteten.

34.      Die im Streit stehende nationale Regelung stelle zudem nicht sicher, dass der Steuerpflichtige den Mehrwertsteuerüberschuss tatsächlich auch zurückerhalte. Stelle der Steuerpflichtige seine Tätigkeit wegen des Eintritts von Zahlungsunfähigkeit ein, ohne alle seine Käufe bezahlt zu haben, verbleibe der auf die unbezahlten Käufe entfallende Mehrwertsteuerüberschuss endgültig beim Staat.

B –    Republik Ungarn

35.      Nach Auffassung der Republik Ungarn verstößt die in ihrer Regelung vorgesehene Voraussetzung, dass nur die effektiv gezahlte Steuer erstattet werden kann, weder gegen den Grundsatz der Steuerneutralität noch gegen Art. 183 der Richtlinie 2006/112, der die Zuständigkeit für die Festlegung der Voraussetzungen für die Erstattung eindeutig den Mitgliedstaaten zuweise.

36.      Erstens stelle diese Voraussetzung für den Steuerpflichtigen keine gegen den Grundsatz der Steuerneutralität verstoßende Belastung dar.

37.      Unter „Mehrwertsteuerbelastung“ sei ausschließlich eine endgültige Belastung zu verstehen, d. h. eine Situation, in der der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer ohne ein Recht auf Vorsteuerabzug zu tragen habe. Eine vorläufige Mehrwertsteuerbelastung stelle lediglich eine Finanzierungs- bzw. Liquiditätsbelastung dar, die die Finanzlage des betreffenden Unternehmers nur vorübergehend beeinträchtige und nicht gegen den Grundsatz der Steuerneutralität verstoße.

38.      Hervorzuheben sei insoweit, dass das gemeinsame Mehrwertsteuersystem die Steuerpflichtigen vorübergehend mit dem Steuerbetrag belaste, indem es in den Art. 62 und 63 der Richtlinie 2006/112 vorsehe, dass der Mehrwertsteueranspruch nach Tätigung des Umsatzes und unabhängig von der Zahlung der Gegenleistung entstehe und auch die Erstattung eines abzugsfähigen Vorsteuerüberschusses frühestens nach Ablauf des betreffenden Steuerzeitraums stattfinde.

39.      Die im Streit stehende Voraussetzung bestimme daher ausschließlich den Zeitpunkt, ab dem die Erstattung möglich sei, ohne diese selbst in Frage zu stellen.

40.      Zudem bürde diese Voraussetzung dem Steuerpflichtigen kein finanzielles Risiko auf, da dieser seine Schuld noch nicht beglichen habe. Die Belastung werde tatsächlich allein vom Verkäufer getragen, sei jedoch auf Unionsvorschriften, insbesondere auf die Art. 62 und 63 der Richtlinie 2006/112, zurückzuführen. Da diese Belastung mit dem Grundsatz der Steuerneutralität vereinbar sei, könne die behauptete Belastung des Käufers von Gegenständen oder des Empfängers von Dienstleistungen durch die streitige nationale Regelung nicht als unzulässig angesehen werden.

41.      Die Zahlungsvoraussetzung, die in § 186 Abs. 2 des ungarischen Mehrwertsteuergesetzes für die Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses festgelegt worden sei, solle den Vorteil des Käufers von Gegenständen oder des Empfängers von Dienstleistungen, der, gäbe es diese Voraussetzung nicht, seine Lieferanten mit der vom Staat erstatteten Steuer bezahlen könnte und sich daher gegenüber einem Steuerpflichtigen, der seine Lieferanten vor der Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses bezahlt habe, in einer vorteilhafteren Lage befände, neutralisieren. Dagegen trage nach der Konzeption der Kommission zunächst der Staat die Steuerschuld aus dem Umsatz und gewähre den Steuerpflichtigen ein zinsloses Darlehen, insbesondere dann, wenn der Steuerzeitraum des Dienstleistungserbringers länger sei als der des Empfängers dieser Dienstleistung.

42.      Mit § 186 Abs. 2 des ungarischen Mehrwertsteuergesetzes solle verhindert werden, dass ein Steuerpflichtiger sich zur Erhöhung seiner Liquidität die Möglichkeit der Erstattung der Steuer, die auf einem Umsatz laste, den er nicht bezahlt habe und vielleicht sogar niemals bezahlen werde, zunutze mache. Wenn der Lieferer oder Dienstleistungserbringer die geschuldete Mehrwertsteuer nicht bezahlt habe, weil er sie entweder in einem anderen Steuerzeitraum erkläre oder – allgemeiner – bei Fälligkeit nicht bezahlen könne, sei der Erstattungsanspruch des Käufers in Wirklichkeit ein Darlehen des Staates, das dessen Haushalt belaste.

43.      Zweitens schränke die Auslegung des Grundsatzes der Steuerneutralität durch die Kommission auf ungerechtfertigte Weise den Gestaltungsspielraum ein, der den Mitgliedstaaten durch Art. 183 der Richtlinie 2006/112 eingeräumt worden sei. Wenn davon auszugehen wäre, dass jede mehrwertsteuerrechtliche Vorschrift, die in irgendeiner Weise die finanzielle Lage, die Liquidität oder die geschäftlichen Entscheidungen der Unternehmen betreffe, gegen den Grundsatz der Steuerneutralität verstoße, würde Art. 183 der Richtlinie 2006/112 seines Sinns entleert.

44.      Im Übrigen sei die ungarische Regelung insoweit nicht mit der im Urteil Kommission/Italien in Rede stehenden Regelung vergleichbar, als sie nicht in Frage stelle, dass ein Steuerpflichtiger den gesamten Mehrwertsteuerbetrag durch eine Zahlung flüssiger Mittel und innerhalb einer angemessenen Frist erlangen könne, sofern eine angemessene Frist für die Bezahlung des Umsatzes gesetzt worden sei. Darüber hinaus habe der Gerichtshof durch die Verwendung der Wendung „innerhalb einer angemessenen Frist“ in Randnr. 34 dieses Urteils anerkannt, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Frist für die Erstattung über einen gewissen Spielraum verfügten. Die einzelstaatlichen Erstattungsregelungen könnten den Steuerpflichtigen daher zwangsläufig vorübergehend mit der Finanzierung belasten, ohne gegen den Grundsatz der Steuerneutralität zu verstoßen.

45.      Was das Fehlen einer zeitlichen Begrenzung für den Vortrag des Mehrwertsteuerüberschusses auf den folgenden Steuerzeitraum angehe, so lasse sich weder den Vorschriften noch den Erwägungsgründen der Richtlinie 2006/112 ein Hinweis darauf entnehmen, dass der Mehrwertsteuerüberschuss nur ein einziges Mal vorgetragen werden könne.

46.      Zudem habe es der betreffende Steuerpflichtige selbst in der Hand, die in der streitigen nationalen Regelung aufgestellte Voraussetzung für die Gewährung der Erstattung zu erfüllen. Sobald er den Gegenstand oder die Dienstleistung bezahlt habe, stelle sich die Frage nach dem Vortrag auf einen späteren Steuerzeitraum nicht mehr.

47.      Schließlich sei hervorzuheben, dass ein Zahlungsziel von 90 bis 120 Tagen in der Handelspraxis als üblich angesehen werden könne. Unter diesen Voraussetzungen könne der mehrmalige Vortrag der Erstattung allein diejenigen Steuerpflichtigen beeinträchtigen, die eine monatliche Erklärung abgäben. Diejenigen Steuerpflichtigen, die ihre Steuer vierteljährlich erklärten, hätten den Preis und die auf ihren Vorumsätzen lastende Mehrwertsteuer in den meisten Fällen nämlich vermutlich im Verlauf des folgenden Steuerzeitraums bezahlt, so dass die Erstattung nach § 186 Abs. 2 des ungarischen Mehrwertsteuergesetzes nicht mehr ausgeschlossen sei.

IV – Würdigung

48.      Die Kommission beantragt, der Gerichtshof möge feststellen, dass die ungarische Regelung gegen die Richtlinie 2006/112 verstößt, weil einerseits die Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses der Voraussetzung unterliegt, dass die Steuer effektiv entrichtet worden ist, und andererseits die Erstattung des Überschusses in Höhe des noch nicht entrichteten Teils der Mehrwertsteuer nach dieser Voraussetzung unbeschränkt und nicht nur auf den folgenden Zeitraum vorgetragen werden kann.

49.      Vorab ist festzustellen, dass die zweite Rüge der Kommission lediglich aus der Anwendung der in der fraglichen ungarischen Regelung vorgesehenen Voraussetzung folgt, auf die sich die erste Rüge bezieht. Die Rechtmäßigkeit des Vortrags der Erstattung des noch nicht entrichteten Teils der Mehrwertsteuer bis zur Bezahlung durch den Steuerpflichtigen – und damit gegebenenfalls über den folgenden Steuerzeitraum hinaus – hängt daher davon ab, ob die von der Republik Ungarn vorgesehene Voraussetzung, wonach nur die entrichtete Mehrwertsteuer erstattet werden kann, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

50.      Die Frage, die es im Rahmen der vorliegenden Klage zu klären gilt, ist daher, ob ein Mitgliedstaat berechtigt ist, die Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses auf den Teil der Steuer zu beschränken, den der Steuerpflichtige bereits entrichtet hat.

51.      Die Republik Ungarn trägt vor, dass ihr die Befugnis, eine solche Voraussetzung aufzustellen, durch Art. 183 der Richtlinie 2006/112 eingeräumt worden sei, der vorsehe, dass die Mitgliedstaaten im Fall eines Mehrwertsteuerüberschusses diesen entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den von ihnen festgelegen Einzelheiten erstatten könnten.

52.      Es geht also darum, festzustellen, ob der Satzteil „nach den von ihnen festgelegen Einzelheiten“ in Art. 183 der Richtlinie 2006/112 einem Mitgliedstaat die Befugnis verleiht, die Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses auf den vom Steuerpflichtigen entrichteten Teil der Steuer zu beschränken.

53.      Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Vorschrift es einem Mitgliedstaat nicht gestattet, eine solche Voraussetzung aufzustellen, weil sie einerseits gegen den Grundsatz der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gegenüber den Steuerpflichtigen und andererseits gegen den Sinn und die Tragweite dieser Vorschrift verstoße.

54.      Die auf dem Grundsatz der Steuerneutralität beruhende Argumentation der Kommission überzeugt mich nicht. Dagegen teile ich ihren Standpunkt hinsichtlich des Sinns und der Tragweite von Art. 183 der Richtlinie 2006/112.

A –    Der Grundsatz der Steuerneutralität

55.      Im Gegensatz zur Kommission bin ich nicht überzeugt, dass die Beschränkung der Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses auf den vom Steuerpflichtigen bereits entrichteten Teil der Steuer tatsächlich gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verstößt, der, wie die Kommission bemerkt, ein grundlegendes Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist(7).

56.      Dieses Prinzip beinhaltet zweierlei. Erstens verlangt es, dass Wirtschaftsteilnehmer, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, sowie gleichartige und deshalb miteinander konkurrierende Waren oder Dienstleistungen mehrwertsteuerrechtlich gleichbehandelt werden, damit jede Verzerrung des Wettbewerbs vermieden wird. In dieser Hinsicht ist der Grundsatz der Steuerneutralität im Bereich der Mehrwertsteuer Ausdruck des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes(8).

57.      Der Grundsatz der Steuerneutralität bedeutet zweitens, dass der Steuerpflichtige vollständig von der Mehrwertsteuer für die zur Ausübung seiner besteuerten Tätigkeiten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen entlastet wird(9). Er wird im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem durch die Vorsteuerabzugsregelung verwirklicht, die im Hinblick auf diesen Grundsatz bereits ausgelegt worden ist.

58.      So steht der Grundsatz der Steuerneutralität nach der Rechtsprechung einerseits einer Vorsteuerabzugsregelung entgegen, die bewirkt, dass der von der Verwaltung beim Steuerpflichtigen erhobene Mehrwertsteuerbetrag höher ist als der eingezogene oder ihm von seinen Kunden geschuldete(10). Andererseits steht er einer nationalen Maßnahme entgegen, die den Steuerpflichtigen mit den Mehrwertsteuerkosten seiner wirtschaftlichen Tätigkeit belasten würde, ohne dass er sie abziehen könnte(11). Mit anderen Worten verlangt der Grundsatz der Steuerneutralität, dass die Regeln über den Vorsteuerabzug die vollständige Beseitigung der vom Steuerpflichtigen für die Herstellung seiner besteuerten Waren oder Dienstleistungen entrichteten Vorsteuer erlauben. Ziel ist es, zu verhindern, dass am Ende eine Steuerbelastung für den Steuerpflichtigen bestehen bleibt.

59.      Ich finde in der Rechtsprechung jedoch keinen Präzedenzfall, in dem der Gerichtshof entschieden hätte, dass der Grundsatz der Steuerneutralität einer Vorauszahlung der Mehrwertsteuer durch den Steuerpflichtigen und der damit verbundenen vorübergehenden Liquiditätsbelastung entgegenstünde.

60.      Aus dem von der Kommission angeführten Urteil Kommission/Italien lässt sich ein solcher Grundsatz meines Erachtens nicht herleiten. In diesem Urteil hatte der Gerichtshof über die Regelung eines Mitgliedstaats zu entscheiden, wonach der Mehrwertsteuerüberschuss, den eine Reihe von Steuerpflichtigen für das Jahr 1992 aufwiesen, durch die Zuteilung von ab dem 1. Januar 1994 begebenen und fünf oder zehn Jahre nach ihrer Emission fällig werdenden Staatsanleihen zu erstatten war.

61.      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Einzelheiten der Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses zwar über einen gewissen Spielraum verfügten(12), dass diese Einzelheiten aber nicht so beschaffen sein dürften, dass sie den Grundsatz der Steuerneutralität beeinträchtigten, indem sie den Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil mit der Mehrwertsteuer belasteten. Sie müssten es dem Steuerpflichtigen also erlauben, unter angemessenen Bedingungen den gesamten aus diesem Mehrwertsteuerüberschuss resultierenden Forderungsbetrag zu erlangen. Dies setze voraus, dass die Erstattung innerhalb einer angemessenen Frist durch eine Zahlung flüssiger Mittel oder auf gleichwertige Weise erfolge. Auf jeden Fall dürfe dem Steuerpflichtigen durch die gewählte Methode der Erstattung kein finanzielles Risiko entstehen(13).

62.      Im Urteil Kommission/Italien hat der Gerichtshof die fraglichen Einzelheiten der Erstattung also allein aus dem Grund beanstandet, dass sie keine Zahlung flüssiger Mittel innerhalb angemessener Frist darstellten(14).

63.      Wenn ich die allgemeine Systematik des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems betrachte, stelle ich im Übrigen fest, dass es, wie die ungarische Regierung hervorhebt, dem Steuerpflichtigen die Vorauszahlung dieser Steuer vorschreibt, und zwar nicht nur der Steuer, die auf den zur Ausübung seiner besteuerten Tätigkeiten bezogenen Gegenständen und Leistungen lastet, sondern in gewissem Umfang auch der Steuer, die er dem Fiskus schuldet.

64.      Wie ich dargelegt habe, wird die Mehrwertsteuer nach dem gemeinsamen System auf jeder Stufe des Produktions- und Vertriebszyklus erhoben, so dass der Steuerpflichtige sie grundsätzlich an seine Lieferer zu entrichten hat, um sie anschließend von der Mehrwertsteuer abzuziehen, die er dem Fiskus schuldet.

65.      Auch nach den Art. 63, 206 und 250 der Richtlinie 2006/112 schuldet der Steuerpflichtige bei Abgabe jeder Mehrwertsteuererklärung nicht nur die Steuer, die er effektiv von seinen Kunden eingezogen hat, sondern auch die Steuer, die diese ihm für Lieferungen von Gegenständen oder für Dienstleistungen, die er bereits bewirkt bzw. erbracht hat, schuldig bleiben. Nach Art. 63 der Richtlinie entsteht der Steueranspruch nämlich, wie gesagt, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.

66.      Soweit die Verbindlichkeiten der Steuerpflichtigen gegenüber dem Fiskus – wie dies meist der Fall ist – den Betrag der abgezogenen Vorsteuer übersteigen, haben die Steuerpflichtigen also möglicherweise eine Liquiditätsbelastung in Höhe des Teils der Mehrwertsteuer zu tragen, den sie beanspruchen können, aber noch nicht vereinnahmt haben.

67.      Ferner müsste der Steuerpflichtige, falls der Mitgliedstaat aufgrund der in Art. 183 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Option beschlösse, den Mehrwertsteuerüberschuss auf den folgenden Steuerzeitraum, der nach Art. 252 dieser Richtlinie bis zu einem Jahr dauern kann, vorzutragen, bis zum Ablauf des gesamten Zeitraums auf die Erstattung nicht nur der geschuldeten, sondern auch der bereits entrichteten Steuer warten.

68.      In einem solchen Fall hätte der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer vorauszuzahlen und die mit dieser Vorauszahlung verbundene Liquiditätsbelastung zu tragen; je nach Dauer des von dem Mitgliedstaat festgesetzten Steuerzeitraums könnte diese finanzielle Belastung für den Steuerpflichtigen schwerer wiegen als die Belastung durch die ungarische Regelung, die eine Erstattung ohne Vortrag der bereits entrichteten Steuer vorsieht.

69.      Die Kommission führt schließlich aus, dass, wenn der Steuerpflichtige seine Tätigkeiten wegen Zahlungsunfähigkeit einstelle, ohne alle seine Käufe bezahlt zu haben, der den unbezahlten Käufen entsprechende Mehrwertsteuerüberschuss endgültig beim Staat verbleibe.

70.      Auch diese Folge verstößt meines Erachtens nicht gegen den Grundsatz der Steuerneutralität. Dieser Grundsatz verbietet es nicht, dass sich der Staat bereichert, sondern dass der Steuerpflichtige endgültig mit der Vorsteuer für die Ausübung seiner besteuerten Tätigkeiten belastet wird. Dies ist jedoch nicht der Fall, solange der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer nicht abgeführt hat.

71.      Bei Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen liegt der Schaden eher bei seinen Lieferern, die nach dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem verpflichtet sind, die fällige Steuer an den Staat abzuführen, auch wenn sie sie nicht vereinnahmt haben. Dass der Lieferer eines Steuerpflichtigen, der seine Tätigkeit wegen Zahlungsunfähigkeit eingestellt hat, dem Fiskus eine Steuer schuldet, die er nicht wird einziehen können, ist jedoch auf die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, genauer gesagt der Art. 63, 206 und 250 der Richtlinie 2006/112, zurückzuführen. Außerdem ist dieser Fall in Art. 185 der Richtlinie 2006/112, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Berichtigung im Fall nicht oder nicht vollständig bezahlter Umsätze eröffnet, ausdrücklich geregelt.

72.      Nach alledem fällt es mir schwer, der Argumentation der Kommission, die ungarische Regelung verstoße deshalb gegen den Grundsatz der Steuerneutralität, weil sie Steuerpflichtige zur Vorauszahlung der geschuldeten Vorsteuer verpflichte, zu folgen.

73.      Wie wir im zweiten Teil meiner Analyse sehen werden, ermächtigten die Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 über die Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses die Republik Ungarn meines Erachtens zwar nicht zur Einführung der streitigen Voraussetzung.

74.      Allerdings sollen die konkreten Einzelheiten der Anwendung des Rechts auf Vorsteuerabzug die genauen Auswirkungen des Grundsatzes der Steuerneutralität auch gar nicht festlegen. Im Gegenteil hat sich ihre Auslegung, sofern sie sich nicht oder nicht hinreichend aus dem Wortlaut der Richtlinie 2006/112 ergibt, an diesem Grundsatz zu orientieren.

75.      In der vorliegenden Rechtssache verstößt die streitige Regelung meiner Ansicht nach nicht gegen den Grundsatz der Steuerneutralität, sondern gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2006/112, insbesondere gegen Art. 183 dieser Richtlinie.

B –    Sinn und Tragweite von Art. 183 der Richtlinie 2006/112

76.      Gegen die Argumentation der Republik Ungarn, Art. 183 der Richtlinie 2006/112 habe sie zur Einführung der streitigen Voraussetzung ermächtigt, spricht meines Erachtens in erster Linie der Wortlaut dieser Vorschrift. Es sei daran erinnert, dass Art. 183 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 bestimmt: „Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer, können die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den von ihnen festgelegten Einzelheiten erstatten.“

77.      Wenn ich diese Vorschrift betrachte, stelle ich einerseits fest, dass ihr Wortlaut den Mitgliedstaaten nur zwei Möglichkeiten bietet, nämlich entweder den Überschuss auf den folgenden Zeitraum vorzutragen oder ihn nach den von ihnen festzulegenden Einzelheiten zu erstatten.

78.      Andererseits betrifft der Satzteil „nach den von ihnen festgelegten Einzelheiten“ nur die Einzelheiten der Erstattung und nicht die Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags. Diese Auffassung wird auch durch die anderen Sprachfassungen bestätigt, in denen Art. 18 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie, dessen Wortlaut Art. 183 der Richtlinie 2006/112 aufgreift, erlassen wurde(15).

79.      Die von den Mitgliedstaaten festzulegenden Einzelheiten beziehen sich in Anbetracht des Wortlauts von Art. 183 der Richtlinie 2006/112 also lediglich auf die praktischen Voraussetzungen für die Erstattung des Überschusses und nicht auf die Festsetzung seiner Höhe. Hierbei kann es sich beispielsweise um die der Steuerverwaltung für die Erstattung gesetzte Frist(16), um Maßnahmen zur Verhütung von Steuerhinterziehung(17) oder aber um die Einführung einer Ausschlussfrist(18) handeln.

80.      Der Satzteil „nach den von ihnen festgelegten Einzelheiten“ kann jedoch schwerlich so gelesen werden, dass er den Mitgliedstaaten erlaubte, den in Art. 183 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 genannten Möglichkeiten eine dritte hinzuzufügen, die vorsähe, nur die effektiv entrichtete Mehrwertsteuer zu erstatten.

81.      Diese Analyse wird durch mehrere Anhaltspunkte in der Richtlinie 2006/112 bestätigt.

82.      So sieht Art. 183 Abs. 2 der Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten festlegen können, dass geringfügige Überschüsse weder vorgetragen noch erstattet werden. Hieraus lässt sich im Umkehrschluss ableiten, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten nicht die Befugnis übertragen wollte, die Erstattung auf die entrichtete Mehrwertsteuer zu beschränken.

83.      Wie bereits dargelegt, regelt Art. 183 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 den Fall, dass der Vorsteuerabzugsbetrag den Mehrwertsteuerbetrag übersteigt, sieht jedoch nicht vor, dass dieser Vorsteuerabzugsanspruch um die fällige, aber noch nicht entrichtete Mehrwertsteuer verringert wird. In Art. 168 dieser Richtlinie ist aber ausdrücklich geregelt, dass das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht nur die von ihm entrichtete, sondern auch die geschuldete Mehrwertsteuer betrifft.

84.      Ein weiterer bestätigender Anhaltspunkt findet sich in denjenigen Bestimmungen der Richtlinie 2006/112, die speziell die Berichtigung des Vorsteuerabzugs regeln. Insbesondere Art. 185 erfasst genau den Fall, dass Umsätze ganz oder teilweise nicht bezahlt worden sind.

85.      Die Bezugnahme auf unbezahlte Umsätze in Art. 185 der Richtlinie 2006/112 bestätigt in Anbetracht des Fehlens eines entsprechenden Vorbehalts in Art. 183 dieser Richtlinie im Umkehrschluss zudem, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber es den Mitgliedstaaten nicht ermöglichen wollte, die Erstattung effektiv nicht entrichteter Steuer auszuschließen.

86.      Diese Auslegung kann zwar, wie die Republik Ungarn geltend macht, dazu führen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, einem Steuerpflichtigen unentgeltlich Liquidität zuzuführen, wenn sich dessen Vorsteuerabzugsanspruch auf eine Steuer bezieht, die er noch nicht entrichtet hat. Diese Folge mag in Anbetracht der Regel, dass Steuerpflichtige die bloß fällige Mehrwertsteuer an den Staat abzuführen haben, wodurch Wirtschaftsteilnehmer zur Vorauszahlung noch nicht vereinnahmter Mehrwertsteuer gezwungen sein können, unlogisch erscheinen.

87.      Sie kann darüber hinaus – in Abhängigkeit von der Fähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer, bei ihren Lieferern von Gegenständen oder Erbringern von Dienstleistungen Zahlungsaufschübe zu erwirken, die von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung abhängen kann – zu einer Ungleichheit zwischen diesen Wirtschaftsteilnehmern führen.

88.      Gleichwohl glaube ich nicht, dass dieses Vorbringen der Republik Ungarn eine andere Auslegung von Art. 183 der Richtlinie 2006/112 rechtfertigen kann.

89.      Es ist nämlich bereits entschieden worden, dass die Mitgliedstaaten das gemeinsame Mehrwertsteuersystem anzuwenden haben, auch wenn sie es für vervollkommnungsfähig halten. Wie sich aus den Randnrn. 55 und 56 des Urteils vom 8. November 2001, Kommission/Niederlande(19), ergibt, dürfen die Mitgliedstaaten, selbst wenn die Auslegung, die einige von ihnen vorschlagen, es erlauben würde, bestimmte mit der Sechsten Richtlinie verfolgte Ziele, wie die Steuerneutralität, besser zu erreichen, nicht von den in dieser Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Bestimmungen abweichen(20).

90.      Ich bin deshalb der Auffassung, dass Art. 183 der Richtlinie 2006/112, wie die Kommission zu Recht ausführt, einen Mitgliedstaat nicht ermächtigt, die Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses auf die effektiv entrichtete Steuer zu beschränken. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die vorliegende Vertragsverletzungsklage für begründet zu erklären.

91.      Sofern der Gerichtshof meine Auffassung teilt, hat die Republik Ungarn nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Kosten des vorliegenden Verfahrens zu tragen.

V –    Ergebnis

92.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        die vorliegende Vertragsverletzungsklage für begründet zu erklären, soweit die Kommission der Republik Ungarn zur Last legt, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen zu haben,

–        dass sie Steuerpflichtige, deren Steuererklärung für einen bestimmten Steuerzeitraum einen „Überschuss“ im Sinne von Art. 183 der Richtlinie 2006/112 ausweist, dazu verpflichtet, diesen Überschuss ganz oder teilweise auf den folgenden Steuerzeitraum vorzutragen, wenn sie dem Lieferer nicht den Gesamtbetrag für den entsprechenden Erwerb gezahlt haben, und

–        dass aufgrund dieser Verpflichtung bestimmte Steuerpflichtige, deren Steuererklärungen regelmäßig einen „Überschuss“ ausweisen, diesen Überschuss mehr als einmal auf den folgenden Steuerzeitraum vortragen müssen,

–        der Republik Ungarn die Kosten aufzuerlegen.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Richtlinie vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).


3 – Richtlinie vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, 71, S. 1301).


4 – Általános forgalmi adóról szóló 2007. évi CXXVII. törvény (im Folgenden: ungarisches Mehrwertsteuergesetz).


5 –      Adózás rendjéről szóló 2003. évi XCII törvény.


6 – C-78/00, Slg. 2001, I-8195.


7 – Vgl. u. a. Urteile vom 5. März 2009, J D Wetherspoon (C-302/07, Slg. 2009, I-1467, Randnrn. 34 und 57), vom 29. Oktober 2009, NCC Construction Danmark (C-174/08, Slg. 2009, I-10567, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 22. Dezember 2010, Dankowski (C-438/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 37).


8 – Vgl. Urteile NCC Construction Danmark (Randnr. 44), und vom 3. März 2011, Kommission/Niederlande (C-41/09, Slg. 2011, I-0000, Randnr. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9 – Urteil vom 26. Mai 2005, Kretztechnik (C-465/03, Slg. 2005, I-4357, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10 – Urteile vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94, Slg. 1996, I-5339, Randnr. 28), und J D Wetherspoon (Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11 – Urteil vom 22. Februar 2001, Abbey National (C-408/98, Slg. 2001, I-1361, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12 – Für die Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses galt Art. 18 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie), dessen Wortlaut Art. 183 der Richtlinie 2006/112 aufgreift.


13 – Urteil Kommission/Italien (Randnrn. 33 und 34).


14 – Ebd. (Randnr. 36).


15 – Vgl. die französiche („Lorsque le montant des déductions dépasse celui de la TVA due pour une période imposable, les États membres peuvent soit faire reporter l'excédent sur la période suivante, soit procéder au remboursement selon les modalités qu'ils fixent“), die englische („Where, for a given tax period, the amount of deductions exceeds the amount of VAT due, the Member States may, in accordance with conditions which they shall determine, either make a refund or carry the excess forward to the following period“), die italienische („Qualora, per un periodo d'imposta, l'importo delle detrazioni superi quello dell'IVA dovuta, gli Stati membri possono far riportare l'eccedenza al periodo successivo, o procedere al rimborso secondo modalità da essi stabilite“) und die niederländische Sprachfassung („Indien voor een bepaald belastingtijdvak het bedrag van de aftrek groter is dan dat van de verschuldigde BTW, kunnen de lidstaten hetzij het overschot doen overbrengen naar het volgende tijdvak, hetzij het overschot teruggeven overeenkomstig de door hen vastgestelde regeling“).


16 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Italien (Randnrn. 32 bis 34), und vom 10. Juli 2008, Sosnowska (C-25/07, Slg. 2008, I-5129, Randnr. 17).


17 – Im Urteil vom 18. Dezember 1997, Molenheide u. a. (C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96, Slg. 1997, I-7281), hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass Maßnahmen, die es den nationalen Steuerbehörden ermöglichen, erstattungsfähige Mehrwertsteuerbeträge sicherungshalber dann zurückzubehalten, wenn der Verdacht von Steuerhinterziehungen besteht oder wenn diese Behörden eine Mehrwertsteuerforderung geltend machen, die sich nicht aus den Erklärungen des Steuerpflichtigen ergibt und von diesem bestritten wird, nicht gegen Art. 18 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie verstoßen (Randnrn. 41 bis 44).


18 – Im Urteil vom 21. Januar 2010, Alstom Power Hydro (C-472/08, Slg. 2010, I-0000), hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass Art. 18 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie einer Regelung eines Mitgliedstaats, die eine Ausschlussfrist von drei Jahren für die Einreichung eines Antrags auf Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses vorsieht, der von den Steuerbehörden dieses Staates zu Unrecht eingenommen wurde, nicht entgegensteht (Randnr. 22).


19 – C-338/98, Slg. 2001, I-8265.


20 – Urteil vom 6. Oktober 2005, Kommission/Frankreich (C-243/03, Slg. 2005, I-8411, Randnr. 35).