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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 18. November 2014(1)

Rechtssache C-559/13

Finanzamt Dortmund-Unna

gegen

Josef Grünewald

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs [Deutschland])

„Freier Kapitalverkehr – Direkte Besteuerung – Einkommensteuer – Abzugsfähigkeit der einem Elternteil im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge gezahlten Renten – Ausschluss für gebietsfremde Steuerpflichtige“





1.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs (Deutschland) ist der Gerichtshof erneut aufgerufen, zur Vereinbarkeit einer nationalen Regelung, nach der nur die gebietsansässigen Steuerpflichtigen berechtigt sind, von ihren steuerpflichtigen Einkünften die Versorgungsleistungen abzuziehen, die infolge einer Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erbracht werden, mit den Bestimmungen des Unionsrechts über den freien Kapitalverkehr Stellung zu nehmen.

2.        Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer in Deutschland gebietsfremden natürlichen Person, Herrn Grünewald, und der deutschen Steuerverwaltung über deren Weigerung, den Abzug der Versorgungsleistungen, die er an seine Eltern im Rahmen einer Übertragung der Anteile an einer Personengesellschaft (einem Gärtnereibetrieb) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zahlt, von den von ihm in Deutschland erzielten Einkünften zuzulassen.

3.        Der Gerichtshof hat sich mit der Frage der Vereinbarkeit der in Rede stehenden nationalen Steuervorschriften mit den Normen des Unionsrechts über den freien Kapitalverkehr in der Tat bereits befasst. Im Urteil Schröder(2) hat der Gerichtshof nämlich bereits die Unvereinbarkeit einer nationalen Regelung mit dem Unionsrecht festgestellt, die hinsichtlich der Möglichkeit, die an einen Elternteil im Rahmen einer Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gezahlten Renten abzuziehen, soweit die Verpflichtung zur Zahlung dieser Renten auf dem in Rede stehenden Geschäft beruht, zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen unterscheidet.

4.        Gleichwohl zweifelt der Bundesfinanzhof aus einer Reihe von Gründen, die in dem Vorlagebeschluss dargestellt und hier im Folgenden gewürdigt werden, daran, dass die vom Gerichtshof im Urteil Schröder gefundene Lösung die Rechtslage im Unionsrecht endgültig geklärt hat und daher eine erschöpfende Antwort auf die bei ihm anhängige streitige Rechtsfrage geben kann. Zudem fragt sich das vorlegende Gericht, ob nicht möglicherweise zwingende Gründe des Allgemeininteresses bestehen, die die in Rede stehende nationale Regelung rechtfertigen können. In diesem Zusammenhang hat dieses Gericht daher entschieden, dem Gerichtshof die Frage mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen erneut vorzulegen.

I –    Nationaler rechtlicher Rahmen

5.        Obwohl der nationale rechtliche Rahmen bereits in der Rechtssache Schröder(3) dargestellt wurde, halte ich es für notwendig, ihn hier im Folgenden detailliert in Erinnerung zu rufen, da sowohl der Bundesfinanzhof als auch die deutsche Regierung vortragen, dass der Vorlagebeschluss, der zu der Vorabentscheidung in der Rechtssache Schröder geführt habe, die nationalen Vorschriften unzureichend dargestellt habe und dass sich dies auf die vom Gerichtshof in dieser Rechtssache gefundene Lösung ausgewirkt haben könnte. Ich werde deshalb zunächst den einschlägigen rechtlichen Rahmen bezüglich der Einkommensteuer, sodann die rechtliche Regelung der vorweggenommenen Erbfolge im deutschen Recht und schließlich die steuerliche Behandlung der Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge darstellen.

6.        Was erstens den maßgeblichen rechtlichen Rahmen bezüglich der Einkommensteuer betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das deutsche Einkommensteuergesetz (im Folgenden: EStG)(4) zwischen Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, unterscheidet. Erstere sind unbegrenzt einkommensteuerpflichtig. Letztere hingegen sind nur beschränkt einkommensteuerpflichtig, d. h. beschränkt auf die in Deutschland erzielten Einkünfte. Zu den steuerpflichtigen Einkünften der begrenzt Steuerpflichtigen gehören solche aus einem inländischen Gewerbebetrieb(5).

7.        Gemäß § 10 Abs. 1 EStG können unter bestimmten Voraussetzungen auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind(6), als „Sonderausgaben“ in Abzug gebracht werden.

8.        § 50 EStG enthält Sondervorschriften für beschränkt steuerpflichtige Personen. Nach Abs. 1 dürfen beschränkt Steuerpflichtige Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur insoweit abziehen, als sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Für diese Steuerpflichtigen ist hingegen die Anwendung von § 10 EStG und damit der Abzug von Sonderausgaben ausgeschlossen.

9.        Was zweitens die vorweggenommene Erbfolge im deutschen Recht betrifft, beinhaltet diese eine Vermögensübertragung, mit der ein oder mehrere Erblasser mit Rücksicht auf eine zukünftige Erbfolge einem oder mehreren zukünftigen Erben ihr Vermögen, insbesondere ihren Betrieb oder unbewegliches Vermögen, übertragen. Typischerweise bedingt sich der Übergeber im Rahmen einer solchen Übertragung ausreichende Mittel für seinen eigenen Unterhalt aus, die in regelmäßigen Rentenzahlungen (sogenannten „Privatversorgungsrenten“) bestehen können. Die deutsche Rechtsprechung sieht die Ratio der vorweggenommenen Erbfolge in der Überlegung, wonach dieses den Mitgliedern der folgenden Generation erlaubt, vor Eintritt des Erbfalls in den Genuss einer ertragbringenden Wirtschaftseinheit zu kommen, die ihnen ermöglicht, zumindest teilweise für die eigenen materiellen Bedürfnisse zu sorgen, aber auch den Unterhalt des Übergebers sicherstellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs behält sich der Übergeber durch die Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge deshalb in Gestalt der wiederkehrenden Versorgungsleistungen Erträge vor, die in Wirklichkeit von seinem eigenen Vermögen stammen, die aber nunmehr vom Übernehmer erwirtschaftet werden müssen(7).

10.      Im Vertrag über die Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, der in der Rechtsprechung als Schenkung qualifiziert wird, wird die Höhe der Renten nicht nach dem Wert des übertragenen Vermögens, sondern nach den Unterhaltsbedürfnissen des Übergebers und der Beitragsfähigkeit des Schuldners bemessen(8). Dieser Gesichtspunkt unterscheidet einen solchen Vertrag von entgeltlichen und synallagmatischen Vermögensübertragungen, bei denen die eventuell vereinbarten wiederkehrenden Leistungen stattdessen die finanzielle Gegenleistung für die übertragenen Vermögenswerte darstellen.

11.      Was drittens die steuerliche Behandlung der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge getätigten Vermögensübertragungsgeschäfte anbelangt, wenn die Zahlung von privaten Versorgungsleistungen durch den Übernehmer an den Übergeber vereinbart wird, werden diese Leistungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weder als Veräußerungsentgelt des Übergebers noch als Anschaffungskosten des Übernehmers behandelt, sondern werden für steuerliche Zwecke als Sonderausgaben und wiederkehrende Leistungen klassifiziert(9). Diese Einordnung hat ihre Grundlage in der Ratio der rechtlichen Regelung der vorweggenommenen Erbfolge, wie sie oben in Nr. 9 dargestellt wurde. Gemäß § 10 EStG sind die privaten Versorgungsleistungen somit für die gebietsansässigen Steuerpflichtigen bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens als Sonderausgaben in ihrer Eigenschaft als dauernde Last vollständig abziehbar, wenn sie abänderbar sind. Gebietsfremde Steuerpflichtige können dagegen solche Versorgungsleistungen nicht in Abzug bringen, da § 50 EStG ausdrücklich vorsieht, dass § 10 EStG auf beschränkt Steuerpflichtige nicht anwendbar ist.

12.      Wegen der Ratio der rechtlichen Regelung der vorweggenommenen Erbfolge, wie sie oben in Nr. 9 dargestellt wurde und die beinhaltet, dass der Vorbehalt der Erträge in Form wiederkehrender Leistungen zugunsten des Übergebers zu einem „Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit“(10) führt, korrespondiert außerdem mit dem Abzug der privaten Versorgungsleistung seitens des Übernehmers/Schuldners eine Besteuerung der Leistungen als „sonstige Einkünfte“ beim unbeschränkt steuerpflichtigen Übergeber/Gläubiger (sogenanntes „Korrespondenzprinzip“).

II – Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefrage

13.      Mit Vertrag vom 17. Januar 1989 erwarben Herr Grünewald, Revisionsbeklagter vor dem vorlegenden Gericht, und sein Bruder im Rahmen einer Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrem Vater zu je 50 % einen Gesellschaftsanteil an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die als Gärtnereibetrieb tätig war. Im Rahmen dieses Geschäfts verpflichteten sich die Brüder, an den Vater bzw. die Eltern eine im oben genannten Übertragungsvertrag näher bezeichnete private Versorgungsleistung zu zahlen.

14.      Zwischen 1999 und 2002 erzielte Herr Grünewald, der weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat, sondern in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnt, dank der oben genannten Beteiligung gewisse Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit. Im selben Zeitraum erzielte er auch andere Einkünfte in Deutschland.

15.      Da es Herrn Grünewald als beschränkt einkommensteuerpflichtig ansah, versagte ihm das Finanzamt Dortmund-Unna, Revisionskläger vor dem vorlegenden Gericht, gestützt auf § 50 EStG den Abzug der an den Vater gezahlten privaten Versorgungsleistungen.

16.      Herr Grünewald erhob gegen die Entscheidung des Finanzamts Dortmund-Unna Klage beim Finanzgericht Münster, das dieser stattgab. Das Finanzamt Dortmund-Unna legte daher beim vorlegenden Gericht Revision ein und beantragte die Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts Münster sowie die Abweisung der von Herrn Grünewald beim Finanzgericht Münster erhobenen Klage.

17.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass das Finanzamt Herrn Grünewald auf der Grundlage des nationalen Rechts den Abzug der in Rede stehenden privaten Versorgungsleistungen als Sonderausgaben, die von einem beschränkt Steuerpflichtigen wie Herrn Grünewald nicht in Abzug gebracht werden könnten, zu Recht verweigert habe. Allerdings bemerkt das Gericht unter Verweis auf das oben genannte Urteil Schröder, dass noch Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit einer solchen steuerlichen Regelung mit dem Unionsrecht bestünden.

18.      Der Bundesfinanzhof äußert insbesondere eine Reihe von Zweifeln an der Anwendbarkeit des Urteils Schröder auf den bei ihm anhängigen Fall. Erstens habe der Vorlagebeschluss in dieser Rechtssache das in der nationalen Regelung bestehende „Korrespondenzprinzip“(11) zwischen dem Abzug der Versorgungsleistungen zugunsten des Schuldners und der Besteuerung beim Empfänger nicht ausreichend aufgezeigt. Zweitens sei die Finanzverwaltung der Meinung, der Gerichtshof habe sich in diesem Urteil nur zur Situation einer entgeltlichen Übertragung geäußert, die im Fall einer vorweggenommenen Erbfolge nicht anzunehmen sei. Außerdem wäre in diesem Fall die Zahlung eventueller Versorgungsleistungen nicht voll abziehbar, sondern wäre in Anschaffungskosten (in Raten abzugsfähig) und in Zinsen (sofort abzugsfähig) aufzuteilen. Drittens habe das Urteil Schröder Einkünfte aus privater Vermietung betroffen und nicht wie im vorliegenden Fall mitunternehmerische gewerbliche Einkünfte.

19.      Das vorlegende Gericht macht also zwei Gesichtspunkte aus, die für die Analyse im Unionsrecht relevant sind. Zum einen äußert das Gericht Zweifel an der Feststellung des Finanzgerichts Münster bezüglich des Vorliegens eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Erzielung von gewerblichen Einkünften aus der Beteiligung an der Personengesellschaft und den von Herrn Grünewald gezahlten privaten Versorgungsleistungen. Das Finanzgericht habe nämlich nicht berücksichtigt, dass die privaten Versorgungsleistungen am Versorgungsbedürfnis der Empfänger (d. h. der Eltern des Klägers) orientiert seien, was eine Zuordnung zur persönlichen Lebenssphäre des Klägers ermöglichen würde. Zum anderen fragt sich das vorlegende Gericht, ob die in Rede stehende Regelung nicht durch das Territorialitätsprinzip, d. h. zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten, gerechtfertigt sein könnte.

20.      Im Licht dieser Erwägungen hat das vorlegende Gericht mit Beschluss vom 14. Mai 2013 das bei ihm anhängige Verfahren ausgesetzt, um dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Steht Art. 63 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach welcher private Versorgungsleistungen gebietsfremder Steuerpflichtiger, die im Zusammenhang mit einer Übertragung von ertragbringendem inländischen Vermögen im Zuge einer sogenannten vorweggenommenen Erbfolge stehen, nicht abzugsfähig sind, während entsprechende Zahlungen bei unbeschränkter Steuerpflicht abzugsfähig sind, allerdings der Abzug eine korrespondierende Steuerpflicht beim (unbeschränkt steuerpflichtigen) Leistungsempfänger zur Folge hat?

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

21.      Die Vorlageentscheidung ist am 30. Oktober 2013 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen. Die deutsche und die französische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der mündlichen Verhandlung, die am 16. September 2014 stattgefunden hat, haben das Finanzamt Dortmund-Unna, die deutsche und die französische Regierung sowie die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben.

22.      Mit Schreiben vom 18. Februar 2014 hat die deutsche Regierung gemäß Art. 16 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs beantragt, die vorliegende Rechtssache in der Großen Kammer zu behandeln.

IV – Rechtliche Würdigung

23.      Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die einem gebietsansässigen, nicht aber einem gebietsfremden Steuerpflichtigen gestattet, die im Rahmen einer Übertragung von ertragbringendem inländischen Vermögen im Zuge einer vorweggenommenen Erbfolge gezahlten Versorgungsleistungen abzuziehen, und die vorsieht, dass mit diesem Abzug eine entsprechende Steuerpflicht zulasten des Empfängers der Versorgungsleistungen, der in diesem Staat unbeschränkt steuerpflichtig ist, korrespondiert.

A –    Zur anzuwendenden Verkehrsfreiheit

24.      Vorab ist zu bemerken, dass Art. 63 Abs. 1 AEUV alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten generell verbietet.

25.      In Ermangelung einer Definition des Begriffs „Kapitalverkehr“ im Vertrag hat der Gerichtshof der Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 88/361 Hinweischarakter zuerkannt, wobei die in diesem Anhang enthaltene Liste laut seiner Einleitung nicht erschöpfend ist(12).

26.      Hierzu ist in ständiger Rechtsprechung entschieden worden, dass es sich bei Schenkungen und Erbschaften, die unter die Rubrik XI des Anhangs I der Richtlinie 88/361 fallen, mit Ausnahme der Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, um Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 AEUV handelt(13). Abgesehen von diesen speziellen Fällen fällt daher die steuerliche Behandlung von Erbschaften und Schenkungen unabhängig davon, ob es sich um Geldbeträge, um bewegliche oder um unbewegliche Sachen handelt, unter die Bestimmungen des AEUV über den Kapitalverkehr(14).

27.      Außerdem ist festzustellen, dass der Gerichtshof in dem oben erwähnten Urteil Schröder bereits anerkannt hat, dass Vermögensübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, in den Anwendungsbereich von Art. 63 AEUV fallen(15). Der Umstand, dass im vorliegenden Fall der Gegenstand der Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Anteile an einer Personengesellschaft und keine unbeweglichen Sachen wie in dem Fall sind, in dem das Urteil Schröder ergangen ist, ist meiner Meinung nach an sich kein Gesichtspunkt, der sich auf die Frage, welche Verkehrsfreiheit auf die in Rede stehende nationale Regelung anzuwenden ist, auswirkt(16).

28.      Eine Situation, in der eine in Deutschland ansässige Person im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Anteile an einer Personengesellschaft deutschen Rechts, die in Deutschland eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübt, an den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Sohn überträgt, stellt jedoch ein Geschäft dar, das einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist und grundsätzlich unter den Begriff des Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV fällt.

B –    Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

29.      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass zu den Maßnahmen, die nach Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten sind, insbesondere solche gehören, die Gebietsfremde davon abhalten können, in einem Mitgliedstaat Investitionen zu tätigen oder zu halten(17) oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten(18).

30.      Nach der im Ausgangsverfahren streitigen Regelung unterliegt eine natürliche Person, die in Deutschland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, nach § 49 EStG hinsichtlich ihrer in diesem Mitgliedstaat erzielten Einkünfte, wozu Einkünfte aus einer in Deutschland ausgeübten industriellen oder gewerblichen Tätigkeit zählen, der Einkommensteuer(19). Anders als ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger kann ein gebietsfremder Steuerpflichtiger nach § 50 EStG von diesen Einkünften eine private Versorgungsleistung, wie sie Herr Grünewald im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an seinen Vater oder seine Eltern zahlt, nicht als Sonderausgabe im Sinne des § 10 Abs. 1 EStG abziehen.

31.      Diese den Gebietsfremden vorbehaltene ungünstigere steuerliche Behandlung hinsichtlich der privaten Versorgungsleistungen könnte diese jedoch vom Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder dem Halten von Anteilen deutscher Gesellschaften, die gewerbliche Tätigkeiten in Deutschland ausüben, abhalten(20). Sie könnte auch in Deutschland Ansässige davon abhalten, als Begünstigte einer vorweggenommenen Erbfolge Personen zu benennen, die in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland wohnen(21).

32.      Aus alledem ist abzuleiten, dass eine Regelung, die eine solche für die gebietsfremden Steuerpflichtigen ungünstige Behandlung vorsieht, eine grundsätzlich von Art. 63 AEUV verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

C –    Zum Vorliegen einer eventuellen Rechtfertigung der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

33.      Es ist allerdings zu prüfen, ob eine nationale Steuerregelung wie die im Ausgangsverfahren streitige als mit den Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden kann, obwohl sie eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

34.      Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt nämlich Art. 63 AEUV „nicht das Recht der Mitgliedstaaten, … die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln …“. Da sie von dem fundamentalen Grundsatz des freien Kapitalverkehrs abweicht, ist diese Bestimmung allerdings eng auszulegen und wird selbst durch Art. 65 Abs. 3 AEUV eingeschränkt, wonach die in Abs. 1 genannten Maßnahmen „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 63 [AEUV] darstellen [dürfen]“(22).

35.      Es ist daher zu prüfen, ob eine nationale Regelung wie die in Rede stehende, die gebietsansässige von gebietsfremden Steuerpflichtigen unterscheidet, eine gemäß Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV erlaubte Ungleichbehandlung beinhaltet oder eine von Abs. 3 dieses Artikels verbotene willkürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung darstellt. Hierzu geht aus ständiger Rechtsprechung hervor, dass eine nationale Regelung dieser Art nur in zwei Fällen für mit den Bestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden kann: wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist(23). Darüber hinaus darf sie, um gerechtfertigt zu sein, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels erforderlich ist(24).

1.      Zur Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Situationen

36.      Nach ständiger Rechtsprechung, die auf das Urteil Schumacker(25) zurückgeht, befinden sich Gebietsansässige und Gebietsfremde im Hinblick auf die direkten Steuern in einem Staat in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation, da das Einkommen, das ein Gebietsfremder im Hoheitsgebiet eines Staates erzielt, meist nur einen Teil seiner Gesamteinkünfte darstellt, deren Schwerpunkt an seinem Wohnort liegt, und die persönliche Steuerkraft des Gebietsfremden, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergibt, leichter an dem Ort beurteilt werden kann, an dem der Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen und seiner Vermögensinteressen liegt und der in der Regel der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der betroffenen Person ist(26).

37.      Versagt ein Mitgliedstaat Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen, die er Gebietsansässigen gewährt, ist dies im Allgemeinen nach der Rechtsprechung nicht diskriminierend(27).

38.      Ein gebietsfremder Steuerpflichtiger kann daher dem Mitgliedstaat, in dem er lediglich einen geringen Teil seiner Einkünfte erzielt, grundsätzlich nicht zum Vorwurf machen, dass er ihm einen von seiner persönlichen Lage und seinem Familienstand abhängigen Steuervorteil, wie den Abzug der von ihm geschuldeten Unterhaltsleistungen, verweigert, da diese Pflicht dem Mitgliedstaat obliegt, in dem er ansässig ist. Die Verpflichtung, die persönliche Lage und den Familienstand eines gebietsfremden Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, obliegt nur dann dem Quellenmitgliedstaat, wenn der Steuerpflichtige sein gesamtes oder fast sein gesamtes zu versteuerndes Einkommen aus diesem Staat bezieht(28).

39.      Gleichwohl befinden sich nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung Gebietsansässige und Gebietsfremde in Bezug auf Aufwendungen wie Betriebsausgaben, die unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängen, aus der die in einem Mitgliedstaat zu versteuernden Einkünfte erzielt wurden, in einer vergleichbaren Lage, so dass die Gefahr besteht, dass sich eine nationale Regelung, die Gebietsfremden bei der Besteuerung den Abzug solcher Aufwendungen verweigert, Gebietsansässigen aber gewährt, hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt und damit eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beinhaltet(29).

40.      Im Licht der in den vorherigen Nummern dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze ist zu ermitteln, ob die Situation eines gebietsfremden Steuerpflichtigen wie Herrn Grünewald, der im Rahmen einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge private Versorgungsleistungen zahlt, mit der eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen wie Herrn Grünewalds Bruder, der aus demselben Grund dieselben Vermögenswerte erhält und dieselben privaten Versorgungsleistungen zahlt, vergleichbar ist oder nicht.

41.      Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass im vorliegenden Fall aus dem Vorlagebeschluss nicht eindeutig hervorgeht, welchen Teil der Gesamteinkünfte von Herrn Grünewald die von diesem in Deutschland in den in Rede stehenden Steuerzeiträumen erzielten Einkünfte ausmachen.

42.      Wenn das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass Herr Grünewald in diesen Zeiträumen den Großteil seiner Gesamteinkünfte in Deutschland erzielte, müsste man zu dem Ergebnis kommen, dass seine Situation mit der des gebietsansässigen Steuerpflichtigen vergleichbar ist, so dass eine unterschiedliche steuerliche Behandlung hinsichtlich des Abzugs der privaten Versorgungsleistungen grundsätzlich nicht zulässig wäre.

43.      Sollte das vorlegende Gericht hingegen feststellen, dass die von Herrn Grünewald in Deutschland erzielten Einkünfte nicht den Großteil seiner Gesamteinkünfte ausmachten, dann wäre seine Situation mit der des gebietsansässigen Steuerpflichtigen vergleichbar, wenn die entrichteten privaten Versorgungsleistungen nach der oben in Nr. 39 genannten Rechtsprechung als Aufwendungen qualifiziert werden müssten, die mit der Tätigkeit, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt wurden, in unmittelbarem Zusammenhang stehen.

44.      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass unter Betriebsausgaben, die mit den Einkünften in dem Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, in unmittelbarem Zusammenhang stehen, Aufwendungen zu verstehen sind, die einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Leistung, aufgrund deren die Besteuerung in diesem Staat erfolgt, aufweisen und die von dieser nicht getrennt werden können(30).

45.      Im Fall Schröder hat der Gerichtshof jedoch bereits ausdrücklich entschieden, dass, soweit die Verpflichtung, eine private Versorgungsleistung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu zahlen, auf der Übertragung der in Rede stehenden Vermögensgegenstände auf den Übernehmer beruht, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, diese Rente eine unmittelbar mit der Nutzung dieser Gegenstände zusammenhängende Aufwendung darstellt, so dass sich der gebietsfremde Steuerpflichtige, der verpflichtet ist, diese Versorgungsleistungen zu zahlen, insoweit in einer Lage befindet, die mit derjenigen eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen vergleichbar ist(31).

46.      Auf den vorliegenden Fall angewandt, bedeutet diese Herangehensweise, dass, falls das vorlegende Gericht feststellen sollte, wie es offenbar der Fall ist(32), dass Herrn Grünewalds Verpflichtung, die private Versorgungsleistung zu zahlen, auf der Übertragung des Anteils an der Personengesellschaft im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an ihn beruht, aus der zumindest zum Teil die in Deutschland zu versteuernden Einkünfte stammen, diese Versorgungsleistungen als Aufwendungen anzusehen wären, die mit der Tätigkeit, aus der diese zu versteuernden Einkünfte erzielt wurden, unmittelbar zusammenhängen, und die Lage von Herrn Grünewald als mit der eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen wie der des Bruders vergleichbar angesehen werden müsste.

47.      Allerdings verweist der Bundesfinanzhof in seinem Vorlagebeschluss auf eine Reihe von Gründen, die oben in Nr. 18 genannt werden und die die Anwendbarkeit der im Urteil Schröder gefundenen Lösung in Zweifel ziehen könnten. Keiner dieser Gründe überzeugt mich aber.

48.      Der Bundesfinanzhof verweist erstens auf mögliche Lücken im Vorlagebeschluss, der den Fall Schröder eingeleitet hat und der insbesondere nicht das „Korrespondenzprinzip“(33) zwischen dem Abzug der Versorgungsleistungen durch den Schuldner und der Besteuerung beim Empfänger aufgezeigt habe. Hierzu bin ich wie die Kommission der Meinung, dass, auch wenn der dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht in diesem Fall vorgelegte nationale rechtliche Rahmen lückenhaft gewesen sein sollte, ein eventuell fehlender Verweis auf das „Korrespondenzprinzip“ nichts an der unionsrechtlichen Würdigung der diskriminierenden steuerlichen Behandlung des gebietsfremden Steuerpflichtigen ändert. Zum einen spielt dieses Prinzip für die Qualifizierung der privaten Versorgungsleistungen nach der in den vorherigen Nummern genannten Rechtsprechung als Aufwendungen, die mit der Tätigkeit „unmittelbar zusammenhängen“, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt wurden, keine Rolle. Zum anderen besteht kein Grund – und abgesehen von den Erwägungen unten in Nrn. 66 ff. zu den zwingenden Gründen des Allgemeinwohls nennen weder das vorlegende Gericht noch die deutsche Regierung einen –, der steuerlichen Behandlung der privaten Versorgungsleistungen beim Empfänger eine Wirkung dahin zu verleihen, dass sie eine unterschiedliche steuerliche Behandlung dieser Versorgungsleistung beim Schuldner verursacht, je nachdem, ob dieser ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger ist oder nicht.

49.      Was zweitens die These der deutschen Finanzverwaltung anbelangt, auf die der Bundesfinanzhof Bezug nimmt, wonach sich der Gerichtshof im Urteil Schröder nur zu einer Situation geäußert habe, die eine entgeltliche Übertragung und nicht eine vorweggenommene Erbfolge betroffen habe, so dass in einem der ersten Situation entsprechenden Fall die Unterscheidung zwischen dem Abzug der Anschaffungskosten und der Zinsen relevant werden würde, komme ich nicht um die Feststellung umhin, dass diese These ziemlich überraschend ist. Beim einfachen Lesen des Urteils des Gerichtshofs im Fall Schröder und den Schlussanträgen von Generalanwalt Bot hierzu erweist sich ohne Zweifel, dass sich der Gerichtshof in diesem Urteil genau wie im vorliegenden Fall mit einer unentgeltlichen Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge beschäftigt hat(34). Die deutsche Regierung hat im Übrigen eindeutig in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die beiden Fälle faktisch vergleichbar seien.

50.      Drittens bin ich in Bezug auf die Zweifel des Bundesfinanzhofs hinsichtlich der Quelle der steuerpflichtigen Einkünfte der Meinung, dass der Umstand, dass Gegenstand der Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge im vorliegenden Fall Anteile an einer Personengesellschaft sind, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, und nicht wie im Fall Schröder unbewegliche Sachen, für die unionsrechtliche Würdigung irrelevant ist. Es handelt sich nämlich in beiden Fällen um Vermögensgegenstände, mit denen Einkünfte in Deutschland erzielt werden, und die Tatsache, dass diese Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit anstatt aus einer Vermietung von Immobilien stammen, macht bei ihrer Behandlung aus steuerlicher Sicht für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedliche steuerliche Behandlung von gebietsfremden Steuerpflichtigen, keinen Unterschied.

51.      In seinem Vorlagebeschluss scheint der Bundesfinanzhof dem Finanzgericht vorzuwerfen, nicht bedacht zu haben, dass die privaten Versorgungsleistungen am Versorgungsbedürfnis der Empfänger ausgerichtet sind, was eine Zuordnung zur persönlichen Lebenssphäre des Übernehmers ermöglichen würde, so dass sie von seinem Wohnsitzstaat berücksichtigt werden müssten, ohne dass der Staat, in dem die Einkünfte erzielt werden, zum Abzug verpflichtet wäre(35).

52.      Auch die deutsche Regierung trägt in ihren Erklärungen vor, die privaten Versorgungsleistungen müssten wie im deutschen Recht als private Abzüge qualifiziert werden, da sie auf familiären Bindungen beruhten(36). Diese Klassifizierung der privaten Versorgungsleistungen im nationalen Recht müsse auch für die unionsrechtliche Beurteilung der steuerlichen Behandlung der privaten Versorgungsleistungen maßgeblich sein. Da das Regime der direkten Steuern nicht harmonisiert sei, müssten der Gesetzgeber und die nationalen Gerichte nämlich die Möglichkeit haben, über die Rechtsnatur der steuerlichen Abzüge zu bestimmen.

53.      Was die vom Bundesfinanzhof hervorgehobene Tatsache betrifft, wonach die privaten Versorgungsleistungen am Versorgungsbedürfnis der Empfänger orientiert seien, hat der Gerichtshof im Urteil Schröder unter Zurückweisung ähnlicher von der deutschen Regierung vorgebrachter Argumente entschieden, dass dieser Umstand das Vorliegen eines unmittelbaren Zusammenhangs im Sinne der Rechtsprechung nicht in Frage stellt, da sich dieser unmittelbare Zusammenhang nicht aus einer Korrelation zwischen der Höhe der fraglichen Aufwendung und derjenigen der zu versteuernden Einkünfte, sondern daraus ergibt, dass die Aufwendung mit der Tätigkeit zur Erzielung dieser Einkünfte untrennbar verbunden ist(37).

54.      Was hingegen das Argument der deutschen Regierung bezüglich der notwendigen Berücksichtigung der Qualifizierung der in Rede stehenden Abzüge im nationalen Recht betrifft, bemerke ich, dass die Qualifizierung einer Aufwendung oder eines Abzugs im nationalen Recht (gleichgültig, ob diese als persönlich, beruflich oder anders eingestuft wird), auch wenn sie auf nationaler Ebene die Bedeutung hat, die ihr der Gesetzgeber und die nationalen Gerichte zuschreiben wollen, keinesfalls dazu verwendet werden kann, eine Diskriminierung zwischen europäischen Bürgern je nach ihrem Wohnsitz unter Verstoß gegen das Unionsrecht zu rechtfertigen.

55.      Hierzu ist ferner darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung zwar richtig ist, dass die Mitgliedstaaten die Zuständigkeiten im Bereich der direkten Besteuerung behalten haben, sie ihre Befugnisse jedoch unter Beachtung der Verpflichtungen ausüben müssen, die sie im Unionsrecht übernommen haben(38).

56.      Hilfsweise macht die deutsche Regierung geltend, dass im vorliegenden Fall kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Aufwendungen, deren Abzug begehrt werde, und den steuerpflichtigen Einkünften bestehe. Der Umstand, dass Herr Grünewald den Gesellschaftsanteil ohne die Verpflichtung, die Rente zu zahlen, nicht hätte bekommen können, sei nämlich nicht ausreichend, um das Vorliegen eines „unmittelbaren Zusammenhangs“ zwischen den Renten und den Einkünften aus der gewerblichen Tätigkeit zu begründen. Entscheidend für die Feststellung eines solchen Zusammenhangs sei der Umstand, dass die geltend gemachten Aufwendungen gerade durch die in Deutschland steuerbare wirtschaftliche Tätigkeit, d. h. durch den Betrieb des Unternehmens, getragen worden seien oder damit in untrennbarem Zusammenhang stünden.

57.      Im selben Sinne kann der Zusammenhang zwischen den Renten und den in Rede stehenden gewerblichen Einkünften nach Ansicht der französischen Regierung nicht als unmittelbar qualifiziert werden, da die Renten nicht speziell mit diesen gewerblichen Einkünften in Zusammenhang stünden. Die französische Regierung bezieht sich auf zwei kürzlich ergangene Urteile des Gerichtshofs, Kommission/Finnland(39) und Kommission/Deutschland(40), in denen der Gerichtshof den Sinn und die Tragweite des Begriffs „unmittelbarer Zusammenhang“ präzisiert habe.

58.      Hierzu ist jedoch zu bemerken, dass kein Grund besteht, das, was der Gerichtshof im Urteil Schröder ausgeführt hat, nicht zu bestätigen, und zwar, dass, wenn das vorlegende Gericht feststellt, dass die Verpflichtung, die private Versorgungsleistung zu zahlen, auf der Übertragung der Vermögenswerte, aus denen die Einkünfte erzielt werden, beruht, d. h. sich daraus ergibt oder darin ihren Ursprung hat, die Aufwendung zur Erfüllung dieser Verpflichtung eine unmittelbar mit der Verwaltung dieser Vermögenswerte verbundene Aufwendung darstellt(41).

59.      Im vorliegenden Sachverhalt scheint es jedoch vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen, dass die Verpflichtung, die privaten Versorgungsleistungen zu zahlen, genau wie im Fall Schröder auf der Übertragung der Gesellschaftsanteile beruht, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt werden. Die Übertragung der Anteile und die Einkünfte sind nämlich Teil ein- und desselben Vertrags und stehen in einem Austauschverhältnis. Der Bundesfinanzhof selbst erklärt in seinem Vorlagebeschluss, dass aus § 2 dieses Vertrags hervorgehe, dass vereinbart worden sei, dass die Renten als „Gegenleistung“ zu zahlen seien. Dies zeigt, dass Herr Grünewald, wenn er nicht die Verpflichtung, dem Vater die Rente zu zahlen, akzeptiert hätte, nicht die Anteile an der Personengesellschaft erhalten hätte.

60.      Auf der anderen Seite ergibt sich das Vorliegen eines „unmittelbaren Zusammenhangs“ in Fällen der Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aus der Charakterisierung der rechtlichen Regelung der vorweggenommenen Erbfolge durch den Bundesfinanzhof selbst. Wie nämlich aus Nr. 9 oben hervorgeht, handelt es sich nach seiner Rechtsprechung bei privaten Versorgungsleistungen um aus dem übertragenen Vermögenswert stammende Einkünfte, die sich der Übergeber ausbedingt, aber vom Übernehmer erwirtschaftet werden müssen. Daher entspricht die Rente im Wesentlichen zumindest einem Teil der aus dem übertragenen Gegenstand erzielten Einkünfte. Dies zeigt, dass die Aufwendung, deren Abzug begehrt wird (die private Versorgungsleistung), und die steuerpflichtigen Einkünfte (die aus dem Gesellschaftsanteil erzielten Gewinne) nicht nur unmittelbar zusammenhängen, sondern regelrecht zusammenfallen.

61.      Was die von der französischen Regierung angeführten Urteile anbelangt, war der Gerichtshof in der Rechtssache Kommission/Finnland dazu aufgerufen, die Vereinbarkeit der finnischen Besteuerungsregelung für an Pensionsfonds ausgezahlte Dividenden, die für gebietsfremde Fonds diskriminierend war, mit Art. 63 AEUV zu prüfen(42). Aus diesem Urteil lässt sich meiner Meinung nach jedoch nicht ableiten, wie es die französische Regierung offenbar tut, dass der Gerichtshof beabsichtigt hätte, sich auf ein einziges Kriterium, die Absicht des Gesetzgebers, zu beziehen – das das in der früheren Rechtsprechung entwickelte Kriterium der Untrennbarkeit zwischen Aufwendungen und Einkünften ersetzt habe –, um das Vorliegen eines unmittelbaren Zusammenhangs zu ermitteln. In den Rn. 41 bis 43 dieses Urteils hat der Gerichtshof nämlich kein neues Kriterium entwickelt, sondern lediglich das Argument der finnischen Regierung, wonach die Situationen gebietsansässiger und gebietsfremder Fonds wegen des Fehlens eines unmittelbaren Zusammenhangs nicht vergleichbar seien, zurückgewiesen und dabei festgestellt, dass der Gesetzgeber selbst mit der in Rede stehenden nationalen Regelung einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der abzugsfähigen Aufwendung (d. h. den Rückstellungen für die Sicherung der Pensionsverbindlichkeiten) und den steuerpflichtigen Einkünften (d. h. den Dividenden) geschaffen hat, um dem speziellen Zweck der Fonds(43), der für gebietsansässige und gebietsfremde Fonds gleich ist, Rechnung zu tragen.

62.      In der Rechtssache Kommission/Deutschland hingegen war der Gerichtshof aufgerufen, die Vereinbarkeit der deutschen Steuerregelung, wonach gebietsfremde Pensionsfonds von den Dividenden und den in Deutschland bezogenen Zinsen bestimmte Aufwendungen, die nach Ansicht der Kommission als unmittelbar mit ihnen in Zusammenhang stehend angesehen werden mussten, nicht abziehen durften, mit Art. 63 AEUV zu beurteilen. Anders als die französische Regierung offenbar geltend macht, hat der Gerichtshof allerdings in diesem Urteil nicht den im Urteil Schröder gewählten Ansatz geändert, auf den er sich im Gegenteil sogar gestützt hat(44), sondern sich darauf beschränkt, die Klage der Kommission abzuweisen, weil diese der ihr obliegenden Pflicht, die Vertragsverletzung zu beweisen, nicht nachgekommen war. Insbesondere hat der Gerichtshof die Kommission dafür gerügt, keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Darlegung vorgelegt zu haben, dass die Aufwendungen (Bankgebühren und Transaktionskosten sowie Aufwendungen für Personal), die nach ihrem Vortrag einen unmittelbaren Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Einkünften (den Dividenden und Zinsen) hatten, für die Erzielung dieser Einkünfte spezifisch notwendig waren. Mit anderen Worten hat die Kommission, wenn man die Terminologie des Urteils Schröder verwendet, nicht hinreichend dargelegt, dass diese Ausgaben auf der Tätigkeit, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt werden, beruhten oder durch sie verursacht wurden.

63.      Die deutsche Regierung macht ferner geltend, dass, wenn auch der Wohnsitzstaat von Herrn Grünewald für die Zwecke des persönlichen Abzugs die von diesem gezahlten privaten Versorgungsleistungen berücksichtigen sollte, die Gefahr bestünde, dass es zu einem doppelten Abzug dieser Versorgungsleistungen käme und Gebietsfremde im Vergleich zu Gebietsansässigen günstiger behandelt würden. Dass eventuell eine solche Gefahr besteht, was im vorliegenden Fall ziemlich theoretisch erscheint, vermag jedoch keine diskriminierende Behandlung gebietsfremder Steuerpflichtiger zu rechtfertigen. Sowohl die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Steuern auf Versicherungsprämien(45), die zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft war, als auch die Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799(46) sehen nämlich den Austausch von Informationen zwischen den betroffenen Steuerbehörden vor, so dass das deutsche Finanzministerium den Wohnsitzstaat des beschränkt Steuerpflichtigen über den von ihm gestellten Antrag auf Abzug informieren kann, um den doppelten Abzug zu verhindern(47).

64.      Schließlich macht die französische Regierung hilfsweise geltend, dass, falls der Gerichtshof eine nationale Regelung, die den gebietsfremden Steuerpflichtigen daran hindert, die gezahlten privaten Versorgungsleistungen abzuziehen, für mit Art. 63 AEUV unvereinbar halten sollte, dann der Abzug nicht von den Gesamteinkünften vorgenommen werden sollte, die von ihm in dem Staat erzielt würden, in dem er gebietsfremd sei, sondern nur von dem Teil der Einkünfte, die unmittelbar aus der mit den Renten in Zusammenhang stehenden Tätigkeit stammten, also im vorliegenden Fall ausschließlich von den Einkünften, die Herr Grünewald in Deutschland aus der Beteiligung an der Personengesellschaft erzielt habe.

65.      Insoweit meine ich allerdings in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung, dass, soweit der gewählte Ansatz keine Diskriminierung zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen mit sich bringt, es Sache der nationalen Steuerbehörden ist, über die genauen Modalitäten zu entscheiden, nach denen die Abzüge zugeordnet werden können, oder darüber, was die Bemessungsgrundlage ist, auf der diese vorgenommen werden können.

2.      Zum Vorliegen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses

66.      Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Beschränkung der Freiheit des Kapitalverkehrs zulässig sein, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist(48). Während in der Rechtssache Schröder ein zwingender Grund des Allgemeininteresses weder von der deutschen Regierung angeführt noch vom vorlegenden Gericht in Betracht gezogen worden war(49), werden in der vorliegenden Rechtssache hingegen zwei geltend gemacht.

a)      Zur ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten

67.      Das vorlegende Gericht fragt sich vor allem, ob die Tatsache, dass dem gebietsfremden Steuerpflichtigen die Möglichkeit verweigert wird, die Renten, die er schuldet, in Abzug zu bringen, damit gerechtfertigt werden kann, dass eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gemäß dem Territorialitätsprinzip bewahrt werden soll. Unter Bezug auf das oben genannte Korrespondenzprinzip(50), aus dem folge, dass die unionsrechtliche Bewertung der in Rede stehenden Regelung nicht erfolgen könne, ohne die steuerliche Situation des Empfängers der Rente zu berücksichtigen, fragt sich das Gericht, ob dem Herkunftsstaat der Einkünfte nicht gestattet werden könne, seine Steuergesetzgebung mittels eines Abzugsverbots gegenüber dem gebietsfremden Steuerpflichtigen zu bewahren, wenn eine Besteuerung des Empfängers aus objektiven Gründen nicht möglich sei, wie z. B. in dem Fall, in dem dieser seinen Wohnsitz außerhalb des nationalen Staatsgebiets habe.

68.      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten ein vom Gerichtshof anerkanntes legitimes Ziel ist, und zum anderen, dass aus ständiger Rechtsprechung hervorgeht, dass in Ermangelung unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen die Mitgliedstaaten befugt bleiben, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen(51).

69.      Jedoch ist im vorliegenden Fall erstens zu bemerken, dass weder aus dem Vorlagebeschluss noch aus irgendeinem anderen Teil der Akte hervorgeht, dass die von Herrn Grünewald dem Vater als Empfänger gezahlten Renten in Deutschland nicht besteuert werden können. Es gibt nämlich keinen Hinweis darauf, dass der Vater seinen Wohnsitz außerhalb des deutschen Staatsgebiets hat oder dass die Renten aus irgendeinem anderen Grund nicht bei ihm besteuert werden könnten. Es scheint sich daher um ein hypothetisches Argument zu handeln, das – selbstverständlich vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht – in keinem Fall geeignet wäre, konkret im vorliegenden Ausgangsverfahren die von Herrn Grünewald erlittene Diskriminierung zu rechtfertigen.

70.      Zweitens und in jedem Fall, wie bereits oben in Nr. 48 ausgeführt, kann unabhängig vom Korrespondenzprinzip(52) die steuerliche Behandlung des Empfängers der Renten keine Diskriminierung des gebietsfremden Steuerpflichtigen rechtfertigen. Die in Rede stehende Regelung, insbesondere § 50 EStG, versagt allgemein jedweden Abzug als „Sonderausgabe“, falls der Schuldner beschränkt steuerpflichtig ist. Somit wird dem gebietsfremden Steuerpflichtigen der Abzug der privaten Versorgungsleistungen in jedem Fall und unabhängig sowohl vom Wohnsitz des Gläubigers als auch von der Tatsache, dass diese Renten beim Empfänger besteuert werden, verweigert. Diese Regelung bezweckt keineswegs, die ausgewogene Verteilung der Besteuerungsbefugnis zu wahren, und kann – selbst wenn dem so wäre – jedenfalls nicht als zu diesem Zweck verhältnismäßige Maßnahme angesehen werden.

b)      Zur Kohärenz des nationalen Steuersystems

71.      Indem sie sich ausdrücklich auf dieselben Argumente stützt, auf die der Bundesfinanzhof verwiesen hat, um seine Zweifel hinsichtlich des Grundes bezüglich der ausgewogenen Verteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten auszudrücken, macht die deutsche Regierung als Rechtfertigungsgrund für die in Rede stehende steuerliche Behandlung auch die Notwendigkeit geltend, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten. Wegen des Korrespondenzprinzips und des daraus folgenden Transfers steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen Schuldner und Gläubiger der Renten(53) müsse der Generationennachfolgeverbund, in dessen Rahmen sich die vorweggenommene Erbfolge vollziehe (im vorliegenden Fall die Eltern und die zwei Söhne), als steuerliche Einheit angesehen und daher einheitlich besteuert werden(54). Wenn der Abzug der privaten Versorgungsleistungen in Deutschland gestattet wäre, ohne dass diese Renten gleichzeitig beim Empfänger besteuert würden, dann käme die steuerliche Einheit in den Genuss eines doppelten Vorteils, und dies würde nach der Ansicht der deutschen Regierung die Kohärenz des nationalen Steuersystems gefährden.

72.      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren, als zwingenden Grund des Allgemeininteresses anerkennt(55). Allerdings hängt die Zulässigkeit eines solchen Rechtfertigungsgrundes von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung ab, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss(56). Außerdem fehlt es an einem solchen unmittelbaren Zusammenhang u. a. dann, wenn es um verschiedene Steuern oder die steuerliche Behandlung verschiedener Steuerpflichtiger geht(57).

73.      Im vorliegenden Fall ist es jedoch offensichtlich, dass die fragliche steuerliche Behandlung verschiedene Steuerpflichtige betrifft, und zwar einerseits den Schuldner der privaten Versorgungsleistungen, der, wenn er gebietsansässig ist, diese Renten abziehen kann, und andererseits den Empfänger, bei dem die Renten in Einklang mit dem Korrespondenzprinzip besteuert werden.

74.      Die deutsche Regierung meint jedoch, dass der von der Rechtsprechung geforderte unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Steuervorteil und der Erhebung trotzdem vorliegen kann, obwohl es sich um verschiedene Steuerpflichtige handelt, da der „Generationennachfolgeverbund“ wegen des Korrespondenzprinzips als steuerliche Einheit behandelt werden müsse.

75.      Dies überzeugt mich keineswegs.

76.      Erstens scheint mir dies nämlich in einem offensichtlichen Widerspruch zu dem zu stehen, was die deutsche Regierung selbst vorgetragen hat – und was in den Nrn. 56 ff. oben erörtert worden ist –, wonach kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Aufwendungen, deren Abzug begehrt werde (d. h. den beim Empfänger besteuerten privaten Versorgungsleistungen), und den steuerpflichtigen Einkünften bestehe. Wenn man nämlich argumentiert, dass zwischen den abzugsfähigen Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einkünften kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe, frage ich mich, wie man argumentieren kann, dass dieser Zusammenhang zwischen dem Steuervorteil und der Erhebung bestehe.

77.      Zweitens widerspricht dies der Praxis der deutschen Steuerbehörden, die nach der in Rede stehenden Steuerregelung den Generationennachfolgeverbund nicht immer als eine steuerliche Einheit behandeln, sondern nur, wenn der Steuerschuldner seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Nur in diesem Fall gibt es nämlich eine Korrespondenz zwischen der Besteuerung der Renten und ihrem Abzug. Dagegen wird nach § 50 EStG dem gebietsfremden Steuerpflichtigen der Abzug der privaten Versorgungsleistungen in jedem Fall verweigert, gleichgültig, ob die Renten in Deutschland besteuert werden oder nicht.

78.      Außerdem hat die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass, wenn der Empfänger der Renten im Ausland wohnt – ein Fall, der, wie gesehen, im Ausgangsverfahren eher hypothetisch zu sein scheint –, dem Schuldner, der gebietsansässiger Steuerpflichtiger ist, der Abzug der privaten Versorgungsleistungen gewährt wird, auch wenn die Renten in Deutschland nicht besteuert werden, vorausgesetzt, er legt eine Bescheinigung des Mitgliedstaats vor, in dem der Empfänger der Renten wohnt, aus der hervorgeht, dass diese in jenem Mitgliedstaat besteuert werden.

79.      Daher ergibt sich meiner Meinung nach aus diesen Erwägungen, dass das Korrespondenzprinzip keine Grundlage irgendeiner Kohärenz bildet, die, wie die deutsche Regierung geltend macht, im nationalen Steuersystem bewahrt werden müsste und die die diskriminierende Behandlung des gebietsfremden Steuerpflichtigen rechtfertigen könnte.

80.      Daraus folgt, dass meiner Meinung nach keiner der vorgebrachten zwingenden Gründe des Allgemeininteresses die Beschränkung der Freiheit des Kapitalverkehrs rechtfertigen kann.

V –    Ergebnis

81.      Aus den dargestellten Gründen schlage ich daher dem Gerichtshof vor, die Frage des Bundesfinanzhofs wie folgt zu beantworten:

Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die einem gebietsansässigen, nicht aber einem gebietsfremden Steuerpflichtigen gestattet, die im Rahmen einer Übertragung von ertragbringendem inländischen Vermögen im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge gezahlten privaten Versorgungsleistungen abzuziehen, soweit die Verpflichtung zur Zahlung dieser Leistungen auf der Übertragung des Vermögens beruht, auch wenn diese Regelung vorsieht, dass mit diesem Abzug eine entsprechende Steuerpflicht zulasten des Empfängers der Versorgungsleistungen, der in diesem Staat unbeschränkt steuerpflichtig ist, korrespondiert.


1 – Originalsprache: Italienisch.


2 – C-450/09 (EU:C:2011:198).


3 – Vgl. Rn. 5 bis 7 des Urteils Schröder (EU:C:2011:198) sowie Nrn. 13 bis 23 der Schlussanträge von Generalanwalt Bot (EU:C:2010:761) in dieser Rechtssache.


4 – In der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (BGBl. 2002 I, S. 4210).


5 – Vgl. §§ 1 und 49 EStG.


6 – Wie sie in §§ 4 bzw. 9 EStG definiert werden.


7 – Urteile des Bundesfinanzhofs vom 5. Juli 1990, GrS, 4/89 bis 6/89, Abschnitt C.II.1.C, und vom 12. Mai 2003, GrS, 1/00, Abschnitt C.II.3.


8 – Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. Juli 1990, GrS, 4/89 bis 6/89, Abschnitt C.I.1.


9 – Urteile des Bundesfinanzhofs vom 5. Juli 1990, GrS, 4/89 bis 6/89, Abschnitt C.II.1.C, und vom 12. Mai 2003, GrS, 1/00, Abschnitt C.II.1.C.


10 – Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31. März 2004, X R 66/98, Abschnitt II.3 und die dort angeführte Rechtsprechung.


11 – Vgl. oben, Nr. 12.


12 – Vgl. Urteil Welte (C-181/12, EU:C:2013:662, Rn. 19).


13 – Vgl. Urteile Welte (EU:C:2013:662, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 26).


14 – Urteile Kommission/Spanien (C-127/12, EU:C:2014:2130, Rn. 53) und Mattner (C-510/08, EU:C:2010:216, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15 – Im angeführten Urteil Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 27) hat der Gerichtshof entschieden, dass die Übertragung von in einem Mitgliedstaat belegenen Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat unter Art. 63 AEUV fällt.


16 – Hierzu hat der Gerichtshof zum einen nämlich bereits festgestellt, dass die Übertragung von Anteilen an einer gebietsansässigen Gesellschaft zwischen einer gebietsansässigen und einer gebietsfremden Person eine Kapitalbewegung darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil Glaxo Wellcome, C-182/08, EU:C:2009:559, Rn. 43). Zum anderen stellt sich die Frage einer eventuellen Anwendung der Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 AEUV, auf die im Übrigen keiner der Beteiligten Bezug genommen hat, meiner Meinung nach in der vorliegenden Rechtssache nicht. Für die Feststellung, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit fällt, ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen (vgl. Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation C-35/11, EU:C:2012:707, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die in Rede stehende nationale Regelung betrifft jedoch eindeutig die steuerliche Behandlung der privaten Versorgungsleistungen, die im Rahmen eines Geschäfts im Wege der vorweggenommenen Erbfolge geschuldet werden, und insbesondere die Möglichkeit, diese Versorgungsleistungen als „Sonderausgaben“ in Abzug zu bringen, und zwar unabhängig von der Tatsache, dass dieses Geschäft die Übertragung von Gesellschaftsanteilen zum Gegenstand hat oder nicht (dieser Gesichtspunkt unterscheidet die in Rede stehende Steuerregelung von der, die Gegenstand des Urteils Scheunemann, C-31/11, EU:C:2012:481, vgl. insbesondere Rn. 21, war). Selbst wenn die in Rede stehende Regelung zu Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit führen können sollte, insbesondere wenn der Gegenstand der Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge in Gesellschaftsanteilen besteht, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf ihre Entscheidungen auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, wären derartige Auswirkungen im Licht ihres Gegenstands folglich nichts anderes als die unvermeidliche Folge einer eventuellen Beschränkung des freien Kapitalverkehrs und rechtfertigen damit keine eigenständige Prüfung der Regelung im Hinblick auf Art. 49 AEUV (vgl. in diesem Sinne Urteil Glaxo Wellcome EU:C:2009:559, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen ist auch festzustellen, dass im vorliegenden Fall aus dem Vorlagebeschluss nicht eindeutig hervorgeht, welche Rolle die Beteiligungen, die Gegenstand der Übertragung sind, bei der Führung der Gesellschaft haben.


17 – Urteile Halley (C-132/10, EU:C:2011:586, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 30).


18 – Urteile Kommission/Finnland (C-342/10, EU:C:2012:688, Rn. 28) und Kommission/Deutschland (C-600/10, EU:C:2012:737, Rn. 14).


19 – Vgl. in Bezug auf Einkünfte aus der Vermietung von unbeweglichen Sachen Urteil Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 31).


20 – Vgl. entsprechend zum Erwerb von unbeweglichen Sachen Urteil Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 31). In Bezug auf das Abhalten vom Erwerb von Gesellschaftsanteilen vgl. Urteile Haribo Lakritzen Hans Riegel (C-436/08 und C-437/08, EU:C:2011:61, Rn. 52 und 53) und Glaxo Wellcome (EU:C:2009:559, Rn. 57 und 58).


21 – Vgl. Urteil Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 32).


22 – Vgl. Urteile Kommission/Deutschland (C-211/13, EU:C:2014:2148, Rn. 45 und 46) und Welte (EU:C:2013:662, Rn. 42 und 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23 – Urteil Kommission/Finnland (EU:C:2012:688, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24 – Urteile Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Kommission/Deutschland (EU:C:2014:2148, Rn. 47).


25 –      C-279/93 (EU:C:1995:31).


26 – Urteile Schumacker (EU:C:1995:31, Rn. 31 und 32) und Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


27 – Dies in Anbetracht der objektiven Unterschiede zwischen der Situation der Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden sowohl hinsichtlich der Einkunftsquelle als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft sowie der persönlichen Lage und des Familienstands. Vgl. Urteil Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


28 – Urteil Schumacker (EU:C:1995:31, Rn. 32). Vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Bot in der Rechtssache Schröder (EU:C:2010:761, Nrn. 44 und 45).


29 – Urteile Kommission/Finnland (EU:C:2012:688, Rn. 37) und Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30 – Vgl. Urteil Centro Equestre da Lezíria Grande (C-345/04, EU:C:2007:96, Rn. 25).


31 – Vgl. Urteil Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 46).


32 – Vgl. unten, Nr. 59.


33 – Siehe oben, Nr. 12.


34 – Vgl. Rn. 9, 12 und auch 42 und 43 des Urteils Schröder (EU:C:2011:198), und noch offensichtlicher Nrn. 20 bis 23 der Schlussanträge von Generalanwalt Bot in dieser Rechtssache (EU:C:2010:761).


35 – Vgl. die in Fn. 25 angeführte Rechtsprechung.


36 – Die deutsche Regierung macht insbesondere geltend, dass die persönliche Natur der privaten Versorgungsleistungen aus der Natur des Vertragstypus, der zum Familien- und Erbrecht gehöre, aus dem Ziel der Übertragung, das in der wirtschaftlichen Sicherung der alternden Eltern bestehe, aus dem Umstand, dass die Rente nicht nach dem Wert der Gegenleistung, sondern nach dem Versorgungsbedürfnis des Übergebers und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners der Leistungen bemessen werde, und aus der Tatsache folge, dass sich die Parteien von der Idee leiten ließen, den übertragenen Betrieb in den Händen der Familie zu halten.


37 – Vgl. Urteil Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 43).


38 – Vgl. Urteile Schumacker (EU:C:1995:31, Rn. 21), Itelcar (C-282/12, EU:C:2013:629, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Conijn (C-346/04, EU:C:2006:445, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).


39 – C-342/10, EU:C:2012:688.


40 –      C-600/10, EU:C:2012:737.


41 – Vgl. oben, Nr. 45, und Urteil Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 45, 46 und 49).


42 – Während die gebietsansässigen Fonds die Rückstellungen für die Sicherung ihrer Pensionsverbindlichkeiten steuerlich abziehen durften, was faktisch auf eine Steuerbefreiung der bezogenen Dividenden hinauslief, hatten gebietsfremde Fonds diese Möglichkeit nicht. Vgl. Urteil Kommission/Finnland (EU:C:2012:688, Rn. 25 und 26).


43 – Diesen Zweck sah der Gerichtshof darin, Kapital durch Investitionen, die insbesondere ein Einkommen in Form von Dividenden hervorbringen, anzusammeln, um die künftigen Verpflichtungen dieser Fonds aus den Versicherungsverträgen zu sichern, vgl. Urteil Kommission/Finnland (EU:C:2012:688, Rn. 42).


44 –      Urteil Kommission/Deutschland (EU:C:2012:737, Rn. 17).


45 – ABl. L 336, S. 15.


46 – ABl. L 64, S. 1.


47 – Vgl. in diesem Sinne auch die Urteile Centro Equestre da Lezíria Grande (EU:C:2007:96, Rn. 36) und van Caster (C-326/12, EU:C:2014:2269, Rn. 55).


48 – Vgl. unter vielen anderen Urteil DMC (C-164/12, EU:C:2014:20, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).


49 – Vgl. Urteil Schröder (EU:C:2011:198, Rn. 48).


50 – Vgl. oben, Nr. 12.


51 – Vgl. Urteil DMC (EU:C:2014:20, Rn. 46 und 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


52 – In seinem Vorlagebeschluss verweist der Bundesfinanzhof auf das Urteil Schempp (C-403/03, EU:C:2005:446). Dieser Verweis scheint mir jedoch insoweit irrelevant, als dieser Fall die Nichtabzugsfähigkeit von Unterhaltsleistungen in einem Mitgliedstaat betraf, die in einem anderen Staat gezahlt wurden, und daher das Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Steuerregelungen betraf (vgl. insbesondere Rn. 35), wohingegen die Frage der Abzugsfähigkeit der privaten Versorgungsleistungen und der korrespondierenden Besteuerung beim Empfänger ausschließlich das deutsche Steuersystem betrifft.


53 – Vgl. oben, Nrn. 10 und 12.


54 – Die deutsche Regierung behauptet auch, dass der Gerichtshof in ähnlichen Fällen, wie z. B. bei Konzernen, verschiedene Personen als eine steuerliche Einheit anerkannt habe. Sie verweist insbesondere auf das Urteil Papillon (C-418/07, EU:C:2008:659).


55 – Vgl. u. a. Urteile Manninen (C-319/02, EU:C:2004:484, Rn. 42) und Papillon (EU:C:2008:659, Rn. 43).


56 – Vgl. u. a. Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C-190/12, EU:C:2014:249, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).


57 – Vgl. Urteil DI. Finanziaria di Diego della Valle & C. (C-380/11, EU:C:2012:552 Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hierzu verweise ich auch auf Nrn. 35 ff. meiner Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Portugal (C-493/09, EU:C:2011:344).