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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 18. Dezember 2014(1)

Rechtssache C-560/13

Finanzamt Ulm

gegen

Ingeborg Wagner-Raith als Rechtsnachfolgerin der verstorbenen Maria Schweier

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs [Deutschland])

„Nicht unterbreitete Vorfrage – Freier Kapitalverkehr – Art. 73c EG-Vertrag – Art. 57 EG – Stillhalteklausel – Drittstaat – Überseeische Länder und Gebiete (ÜLG) – Regelung eines Mitgliedstaats, die eine pauschale Besteuerung von Einkünften aus ausländischen Investmentfonds vorsieht, die keine detaillierte Bekanntmachung der Gewinne für die Anleger bereitstellen (‚schwarze Fonds‘) – Erbringung von Finanzdienstleistungen – Direktinvestitionen“





I –    Einleitung

1.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen fragt der Bundesfinanzhof (Deutschland) nach der Bedeutung des Ausdrucks „Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen [oder] der Erbringung von Finanzdienstleistungen“ in Art. 73c EG-Vertrag und ab dem 1. Mai 1999 in Art. 57 Abs. 1 EG(2).

2.        Diesem Ersuchen liegt ein Rechtsstreit zwischen Frau Wagner-Raith als Rechtsnachfolgerin von Frau Schweier und dem Finanzamt Ulm wegen der Besteuerung von Kapitalerträgen aus Beteiligungen an Investmentfonds mit Sitz auf den Kaimaninseln für die Steuerjahre 1997 bis 2003 zugrunde.

3.        Es ist unstreitig, dass während des gesamten in Rede stehenden Zeitraums die Besteuerung der Inhaber von Beteiligungen an Investmentfonds in Deutschland durch das Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen(3) (im Folgenden: AuslInvestmG) geregelt war, das drei Kategorien von ausländischen Investmentfonds unterschied, die, je nachdem, inwieweit diese Fonds die Bestimmungen des AuslInvestmG beachteten, allgemein als „weiße“, „graue“ und „schwarze“ Fonds bezeichnet wurden.

4.        So wurde nach § 17 Abs. 3 AuslInvestmG ein Fonds als zur ersten Kategorie gehörig angesehen, wenn die ausländische Kapitalanlagegesellschaft entweder der deutschen Aufsichtsbehörde ihre Absicht angezeigt hatte, ausländische Investmentanteile in Deutschland öffentlich zu vertreiben, oder wenn diese Anteile an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel oder zum geregelten Markt zugelassen waren und ein in Deutschland ansässiger Vertreter bestellt wurde und wenn bestimmte Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten erfüllt wurden. In diesem Fall wurden die Anteilsinhaber in der Regel ebenso nach dem „Transparenzprinzip“ besteuert wie Inhaber von Anteilen an einem von einer deutschen Kapitalanlagegesellschaft gebildeten Fonds, d. h., als hätten sie die Erträge aus der Beteiligung an dem Sondervermögen unmittelbar selbst erzielt(4). Besteuerungsgrundlage waren die tatsächlichen Gewinnausschüttungen sowie bestimmte ausschüttungsgleiche Einkünfte(5).

5.        Erfüllte eine ausländische Kapitalanlagegesellschaft zwar nicht die Anforderungen von § 17 Abs. 3 AuslInvestmG, wies sie aber die tatsächlich erfolgten Gewinnausschüttungen sowie bestimmte „als ausgeschüttet zu behandelnde Erträge“ durch die Vorlage von Unterlagen nach und bestellte sie zudem einen in Deutschland ansässigen Vertreter gemäß § 18 Abs. 2 AuslInvestmG, gehörte der Fond zur Kategorie der sogenannten „grauen“ Fonds. Bei diesen erfolgte die Besteuerung der Anteilsinhaber gemäß § 18 Abs. 1 AuslInvestmG grundsätzlich wie bei den „weißen“ Fonds.

6.        Erfüllte eine ausländische Investitionsgesellschaft weder die Voraussetzungen von § 17 Abs. 3 AuslInvestmG noch jene des § 18 Abs. 2 dieses Gesetzes, wurde der Fonds als „schwarzer“ Fonds angesehen; die Besteuerung der Inhaber von Anteilen dieses Fonds erfolgte nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG. Danach galt ein pauschaler Betrag als ausgeschüttet und dem Inhaber der Anteile zugeflossen. Dieser pauschale Betrag belief sich auf 90 % des Mehrbetrags zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis des Investmentanteils, mindestens aber auf 10 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises; fehlte es an der Festsetzung eines solchen Rücknahmepreises, war der Börsen- oder Marktpreis anzusetzen. Dieser pauschale Betrag war zwingend und konnte nicht durch einen Gegenbeweis anhand von Buchhaltungsunterlagen zu den erzielten, aber nicht an die Anteilsinhaber ausgeschütteten Erträge widerlegt werden.

7.        Der Rechtsstreit hat sich an ebendieser Anwendung der pauschalen Besteuerung der Kapitalerträge aus den „schwarzen“ Fonds entzündet.

8.        Frau Schweier, die Inhaberin eines Depots bei der LGT Bank in Liechtenstein AG (im Folgenden: LGT Bank) war, das u. a. Beteiligungen an Investmentfonds umfasste, die ihren Sitz auf den Kaimaninseln hatten, gab beim Finanzamt Ulm eine Steuererklärung für ihre Einnahmen in den Jahren 1997 bis 2003 ab und fügte, gestützt auf § 18 Abs. 3 AuslInvestmG, die Unterlagen bei, die die LGT Bank ihr zur Verfügung gestellt hatte.

9.        Das Finanzamt änderte die Steuerbescheide für die in Rede stehenden Jahre und setzte die Höhe der Kapitalerträge von Frau Schweier aus dem Depot bei der LGT Bank für jedes dieser Jahre, insgesamt auf einen Betrag in Höhe von 623 000 Euro, fest.

10.      Frau Schweier legte gegen diese Entscheidung Einspruch ein und berief sich auf die Unvereinbarkeit der pauschalen Besteuerung nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG mit der Kapitalverkehrsfreiheit; sie beantragte die Schätzung ihrer tatsächlichen Einkünfte gemäß § 18 Abs. 1 dieses Gesetzes durch das Finanzamt und stellte ihm die dafür erforderlichen Unterlagen und Berechnungen zur Verfügung.

11.      Nachdem das Finanzamt den Einspruch zurückgewiesen hatte, erhob Frau Schweier Klage vor dem Finanzgericht Baden- Württemberg, das dieser Klage im Wesentlichen stattgab, indem es entschied, dass § 18 Abs. 3 AuslInvestmG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Infolgedessen änderte das Gericht die Berechnung der Höhe der von Frau Schweier in jedem der betroffenen Steuerjahre erzielten Kapitalerträge auf der Grundlage der von Frau Schweier ermittelten tatsächlichen Gewinne. Der von ihm festgestellte Gesamtbetrag belief sich auf etwa 285 000 Euro.

12.      Das Finanzamt legte Revision beim Bundesfinanzhof ein und machte geltend, § 18 Abs. 3 AuslInvestmG falle unter die Stillhalteklausel des Art. 57 Abs. 1 EG, was den Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern betreffe. Nach Ansicht des Finanzamts ist diese Vorschrift auf einen Rechtsstreit wie den des Ausgangverfahrens anzuwenden, denn die Situationen, die das AuslInvestmG erfasse, beträfen entweder Finanzdienstleistungen oder den Begriff der Direktinvestition im Sinne von Art. 57 Abs. 1 EG.

13.      Während das AuslInvestmG nach Ansicht des Bundesfinanzhofs die in Art. 57 Abs. 1 EG genannten zeitlichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt, da dieses Gesetz seit dem 31. Dezember 1993 im Wesentlichen unverändert bestehe und im vorliegenden Fall Anteile an Investmentfonds betreffe, deren Verwaltungsgesellschaften ihren Sitz in einem Drittland hätten, scheine die materielle Voraussetzung nicht erfüllt zu sein, was zur Zurückweisung der Revision des Finanzamts führen müsse. Es bestehe kein Zweifel, dass, wenn Art. 57 Abs. 1 EG im Ausgangsverfahren nicht anwendbar sei – wozu er tendiere –, die in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG vorgesehene pauschale Besteuerung in Verbindung zum einen damit, dass es einem Anleger nicht möglich sei, die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte nachzuweisen, wenn ein Investmentfonds die Voraussetzungen von § 17 Abs. 3 desselben Gesetzes nicht erfülle, und zum anderen mit der Tatsache, dass kein Vertreter gemäß § 18 Abs. 2 dieses Gesetzes bestellt worden sei, offensichtlich mit der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG nicht vereinbar sei und nicht nach Art. 58 EG oder mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden könne. Folglich ist es nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nach der Rechtsprechung Cilfit u. a.(6) nicht erforderlich, eine Frage zur Auslegung der Art. 56 EG und 58 EG vorzulegen.

14.      Da jedoch hinsichtlich des Umfangs des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 57 Abs. 1 EG einige Zweifel verbleiben könnten, insbesondere nach dem Urteil VBC-Vorsorgekasse(7) betreffend die Auslegung des Begriffs Direktinvestition, hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.       Steht die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG einer nationalen Regelung (hier: § 18 Abs. 3 AuslInvestmG), wonach für inländische Beteiligte an ausländischen Investmentfonds unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zu den Ausschüttungen fiktive Einnahmen in Höhe von 90 v. H. der Differenz zwischen dem ersten und dem letzten Rücknahmepreis des Jahres, mindestens aber 10 v. H. des letzten Rücknahmepreises (oder des Börsen- oder Marktwerts) anzusetzen sind, bei Beteiligungen an Drittländerfonds deshalb nicht entgegen, weil die seit dem 31. Dezember 1993 im Wesentlichen unveränderte Regelung im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Sinne der Stillhalteklausel des Art. 57 Abs. 1 EG steht?

Sofern die erste Frage nicht bejaht wird:

2.       Stellt die Beteiligung an einem solchen Investmentfonds mit Sitz in einem Drittland stets eine Direktinvestition im Sinne des Art. 57 Abs. 1 EG dar oder ist die Antwort hierauf davon abhängig, ob die Beteiligung dem Anleger aufgrund von nationalen Vorschriften des Sitzstaates des Investmentfonds oder aus anderen Gründen die Möglichkeit gibt, sich effektiv an der Verwaltung oder der Kontrolle des Investmentfonds zu beteiligen?

15.      Zu diesen Fragen haben die deutsche und die italienische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Frau Wagner-Raith, die deutsche Regierung und die Kommission haben darüber hinaus in der Sitzung vom 20. November 2014 mündlich verhandelt. Die übrigen Beteiligten waren in dieser Sitzung nicht vertreten.

II – Würdigung

A –    Zum Umfang des Vorabentscheidungsersuchens

16.      Wie sich eindeutig aus dem Wortlaut und der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens ergibt, fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof nur nach der Auslegung von Art. 57 Abs. 1 EG unter Ausschluss von Art. 56 EG, von dem bekannt ist, dass er alle Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern verbietet.

17.      Das vorlegende Gericht, das die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerregelung als mit der in der zuletzt genannten Vorschrift vorgesehenen Kapitalverkehrsfreiheit offensichtlich nicht vereinbar betrachtet, ist ganz klar der Ansicht, dass es nicht notwendig sei, in dieser Hinsicht dem Gerichtshof eine Frage vorzulegen.

18.      Die Antwort des Gerichtshofs muss deshalb von dem Postulat ausgehen, dass die in Rede stehende, für Anleger, die Anteile an sogenannten „schwarzen“ Investmentfonds halten, geltende Steuerregelung grundsätzlich gegen Art. 56 EG verstößt.

19.      Wie ich bereits feststellen konnte, gestattet sich der Gerichtshof manchmal in dem Bestreben, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, und trotz der von diesem Gericht vorgenommenen Begrenzung des Vorabentscheidungsersuchens, entweder in Anbetracht des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalts und der während des Verfahrens von den Beteiligten vorgebrachten Argumente zu prüfen, ob eine unionsrechtliche Vorschrift, die nicht Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens ist, gleichwohl auf den jeweiligen Fall anwendbar sein kann, oder die vorgelegten Fragen neu zu formulieren, um von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien eine oder mehrere Vorschriften des Unionsrechts in dessen Auslegung einzubeziehen(8).

20.      Dieser Ansatz, dem zu folgen die Kommission in diesem Fall übrigens vorschlägt, so legitim und lobenswert er sein mag, muss dennoch mit der Rechtsprechungslinie in Einklang gebracht werden, nach der es allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, den Gegenstand und den Inhalt der Fragen zu bestimmen, die es dem Gerichtshof vorlegen will(9). Zum anderen muss er sich auch nach der Rechtsprechung richten, die im Übrigen vom vorlegenden Gericht zitiert wird, nach der es zulässig ist, dass ein nationales Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, nicht systematisch gehalten ist, dem Gerichtshof Fragen zu einer unionsrechtlichen Vorschrift vorzulegen, die es in einem bei ihm anhängigen Rechtsstreit anzuwenden hat, insbesondere wenn es zu der in Rede stehenden Rechtsfrage eine gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofs gibt oder die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt(10).

21.      In einem Fall wie demjenigen der vorliegenden Rechtssache, in dem der Gerichtshof, obwohl ihm ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt wurde, vom vorlegenden Gericht jedoch nicht den Auftrag erhalten hat, auf alle vor diesem Gericht aufgeworfenen Rechtsfragen zu antworten, muss der Gerichtshof meines Erachtens Zurückhaltung zeigen und sich auf die ihm zur Auslegung von Art. 57 EG gestellten Fragen beschränken und darf den Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens nicht auf die Frage erstrecken, die bewusst nicht vorgelegt wurde, d. h. diejenige nach der Auslegung von Art. 56 EG.

22.      Wie ich nämlich in Nr. 19 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Fonnship und Svenska Transportarbetareförbundet(11) ausgeführt habe, folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieser es sich bis heute systematisch versagt, den Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens über den vom vorlegenden Gericht festgelegten Rahmen hinaus zu ändern oder auszuweiten, wenn dieses Gericht es ausdrücklich oder stillschweigend ablehnt, dem Gerichtshof eine (zusätzliche) Frage nach der Auslegung des Unionsrechts zu unterbreiten, die eine der Parteien des Ausgangsrechtsstreits ausdrücklich gestellt hat.

23.      Diese Orientierung wurde durch das Urteil Fonnship und Svenska Transportarbetareförbundet(12) nicht entkräftet, da der Gerichtshof (Große Kammer) sich darauf beschränkt hat, auf die Frage zu antworten, die das letztinstanzliche nationale Gericht an ihn gerichtet hatte.

24.      Auch wenn sich die Verfahrensproblematik der vorliegenden Rechtssache in einem anderen Kontext stellt als diejenige, die der Rechtssache Fonnship und Svenska Transportarbetareförbundet zugrunde lag, unterscheidet sie sich doch nicht in dem Maße, dass dem Gerichtshof vorzuschlagen wäre, sich mit der Frage, die ihm nicht vorgelegt wurde, zu befassen.

25.      Zunächst muss der Umstand, dass die von diesem Gericht nicht vorgelegte Frage logischerweise grundsätzlich eine Vorfrage für die Prüfung der Frage, die es an den Gerichtshof gerichtet hat, darstellt, während es in der Rechtssache Fonnship und Svenska Transportarbetareförbundet um die umgekehrte Situation ging, meines Erachtens keine besonderen Folgen haben.

26.      Wie ich bereits gesagt habe und wie es auch die italienische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs in ihren schriftlichen Erklärungen verstanden haben, ist es durchaus vorstellbar, dass der Gerichtshof sich für die Beantwortung der Vorlagefrage darauf beschränkt, von dem Postulat oder der Prämisse auszugehen, dass die fragliche Steuerregelung gegen Art. 56 EG verstößt, wobei es dann, wenn die dem Gerichtshof vorgelegte Frage beantwortet ist, dem vorlegenden Gericht obliegt, in seiner endgültigen Entscheidung, sofern erforderlich, die Würdigung zu bestätigen, die es in seinem Vorabentscheidungsersuchen hinsichtlich der Anwendung von Art. 56 EG in Betracht gezogen hat.

27.      So betrachtet ist die Situation übrigens nicht weit entfernt von jener, mit der der Gerichtshof im Urteil Pedro IV Servicios(13) konfrontiert war. In dieser Rechtssache wurde dem Gerichtshof ein Ersuchen um Auslegung von Freistellungsverordnungen zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen und von vertikalen Vereinbarungen zwischen Unternehmen vorgelegt, obwohl das vorlegende Gericht nicht die notwendige Vorfrage gestellt hatte, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen tatsächlich gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen.

28.      Nachdem er im Wesentlichen festgestellt hatte, dass nichts dagegen sprach, auf die vorgelegten Fragen zur Auslegung der Gruppenfreistellungsverordnungen zu antworten, ohne dass es erforderlich wäre, eine wirtschaftlich und rechtlich komplexe Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen von Art. 81 Abs. 1 EG vorzunehmen, und im Hinblick auf die Rechtsprechung Cilfit u. a. (EU:C:1982:335)(14) hat sich der Gerichtshof darauf beschränkt, auf die Fragen zu antworten, die ihm vorgelegt worden waren.

29.      Es trifft zu, dass im Gegensatz zu den Situationen, die den Rechtssachen Pedro IV Servicios zum einen und Fonnship und Svenska Transportarbetareförbundet zum anderen zugrunde lagen, in denen die nationalen Gerichte nicht präzisiert hatten, wie sie die dem Gerichtshof nicht vorgelegten Fragen zu entscheiden beabsichtigten, das vorlegende Gericht in seiner Begründung des Vorabentscheidungsersuchens unmissverständlich seine Absicht darlegt, die Auffassung des Finanzamts und der deutschen Regierung, wonach die Regelung in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG mit Art. 56 EG vereinbar oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei, zurückzuweisen.

30.      Meines Erachtens ist daraus nicht zu schließen, dass das vorlegende Gericht eine ausdrückliche Bestätigung des Gerichtshofs für die Antwort sucht, die es auf die diesem nicht unterbreitete Frage vorschlägt, da das vorlegende Gericht, indem es sich ausdrücklich auf den den nationalen Gerichten, einschließlich der letztinstanzlichen Gerichte, seit dem Urteil Cilfit u. a eingeräumten Ermessensspielraum beruft, rundheraus die Ansicht vertritt, es sei offensichtlich, dass § 18 Abs. 3 AuslInvestmG die in Art. 56 EG verankerte Kapitalverkehrsfreiheit in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs beschränke.

31.      Vielmehr sehe ich in dieser Haltung offener Zusammenarbeit den Willen, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Beteiligten, denen die Vorlageentscheidung zugestellt wird, und schließlich dem Gerichtshof selbst die Möglichkeit zu geben, der vom vorlegenden Gericht vertretenen Auslegung zu widersprechen, sollte das von diesem Gericht für die nicht unterbreitete Frage vorgeschlagene Ergebnis auf einer offensichtlich falschen Auslegung des Unionsrechts oder eindeutig unrichtigen rechtlichen Prämissen beruhen.

32.      In einem solchen Fall wäre es meines Erachtens in der Tat im Hinblick auf die Notwendigkeit, eine einheitliche Auslegung des Unionsrechts und den Schutz von Einzelpersonen sicherzustellen, überaus wichtig, dass der Gerichtshof solche Fehler eines letztinstanzlichen Gerichts berichtigen könnte, auch wenn sie eine Frage beträfen, die ein solches Gericht absichtlich nicht an den Gerichtshof gerichtet hat(15).

33.      Dies ist jedoch in der vorliegenden Rechtssache nicht der Fall.

34.      Die Beurteilung des vorlegenden Gerichts ist nämlich keineswegs offensichtlich falsch. Vielmehr ist ihr zuzustimmen, denn die abschreckende Wirkung der in Rede stehenden Steuerregelung steht völlig außer Zweifel, wie auch die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt.

35.      Während nämlich im vorliegenden Fall Beteiligungen an nationalen Investmentfonds niemals pauschal besteuert werden, werden ausländische Fonds pauschal besteuert, „schwarze“ Fonds sogar zwingend, ohne dass die Anteilsinhaber den Beweis der tatsächlichen Höhe der erzielten Einkünfte erbringen können. Wie die Situation der von Frau Wagner-Raith erzielten Kapitalerträge aber zeigt, ist die Bemessungsgrundlage – sowohl für den gesamten Zeitraum 1997 bis 2003 als auch für jedes Steuerjahr einzeln betrachtet – bei der Pauschalbesteuerung erheblich höher als die Bemessungsgrundlage, die bei „weißen“ und „grauen“ Fonds die tatsächlichen Einkünfte zugrunde legt.

36.      Überdies hat der Gerichtshof vor Kurzem in seinem Urteil van Caster(16) entschieden, dass die deutsche Regelung, die die im vorliegenden Fall in Rede stehende Steuerregelung ab dem Jahr 2003 ersetzt hat, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.

37.      So hat der Gerichtshof, gestützt auf seine Rechtsprechung, entschieden, dass die Kapitalverkehrsfreiheit einer nationalen Regelung wie derjenigen, die dem genannten Urteil zugrunde lag, entgegensteht, wonach, wenn ein ausländischer Investmentfonds die in dieser Regelung vorgesehenen, unterschiedslos für inländische und ausländische Fonds geltenden Verpflichtungen zur Bekanntmachung und Veröffentlichung bestimmter, in dieser Regelung vorgesehener Angaben nicht erfüllt, die Erträge, die der Steuerpflichtige aus diesem Investmentfonds erzielt, pauschal zu besteuern sind, da diese Regelung es dem Steuerpflichtigen nicht ermöglicht, Unterlagen oder Informationen beizubringen, mit denen sich die tatsächliche Höhe dieser Einkünfte nachweisen lässt(17).

38.      Es besteht kein Zweifel, dass eine solche Beurteilung auf die durch § 18 Abs. 3 AuslInvestmG eingeführte Regelung zumindest übertragbar ist.

39.      Schließlich dürfte diese Beurteilung nicht durch den dem Ausgangsverfahren eigenen Umstand entkräftet werden, dass Frau Schweier Anteile an Investmentfonds erworben hat, die in einem der überseeischen Länder und Gebiete (im Folgenden: ÜLG) niedergelassen waren, das zum Vereinigten Königreich gehört, im konkreten Fall auf den Kaimanninseln(18), die nach der Beitrittsakte des Vereinigten Königreichs(19) zunächst in der Liste in Anhang IV des EWG-Vertrags und dann in derjenigen in Anhang II zum EG-Vertrag aufgeführt waren.

40.      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Grundlagen des rechtlichen Status der ÜLG seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Wesentlichen unverändert geblieben sind(20). Diese Gebilde sind, obwohl rechtlich und/oder verfassungsmäßig an einen Mitgliedstaat gebunden, vom räumlichen Anwendungsbereich der Verträge ausgeschlossen, wie sich nach dem EWG-Vertrag aus Art. 227 Abs. 3 und nach dem EG-Vertrag aus Art. 299 Abs. 3 ergab, während gleichzeitig das „besondere Assoziierungssystem, das im Vierten Teil [dieser jeweiligen Verträge] festgelegt ist“, für sie gilt. Dies trifft auch unter der Ägide des AEU-Vertrags(21) weiterhin zu.

41.      Das Ziel dieser Spezialregelung ist es, die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der ÜLG sicherzustellen und enge Wirtschaftsbeziehungen zwischen ihnen und der gesamten Gemeinschaft (Europäischen Union) herzustellen(22).

42.      Ein solches besonderes System der Assoziierung von Ländern und Gebieten, die mit bestimmten Mitgliedstaaten verbunden, aber außereuropäisch sind, wirft eine Reihe von Problemen hinsichtlich ihrer Gleichstellung mit Mitgliedstaaten oder Drittländern auf, wenn es um die Frage geht, ob die allgemeinen Vorschriften der Verträge auf sie anwendbar sind. Auf diese Probleme hat der Gerichtshof keine eindeutige Antwort gegeben, wahrscheinlich wegen des hybriden Charakters dieser Einheiten und des Sui-generis-Charakters des Assoziierungsbands zwischen den ÜLG und der Union(23).

43.      Zumindest hinsichtlich der Anwendung der im Unionsrecht anerkannten grundlegenden Verkehrsfreiheiten stellt der Gerichtshof als Ausgangspunkt seiner Argumentation fest, dass die allgemeinen Bestimmungen des Unionsrechts wegen des besonderen Systems der Assoziierung auf die ÜLG nicht ohne ausdrückliche Verweisung anwendbar sind(24).

44.      Obwohl der vierte Teil der aufeinanderfolgenden Verträge keine Vorschrift über die Kapitalverkehrsfreiheit enthält, hat der Gerichtshof gleichwohl nicht daraus geschlossen, dass diese Vorschriften auf die ÜLG nicht anwendbar sind. Da sich diese Freiheit nämlich auch auf Drittländer erstreckt, wäre es zumindest unpassend, dass auf Gebilde, für die eine besondere Assoziierungsregelung gilt, die zu engen wirtschaftlichen Beziehungen mit der Union führen soll, eine Freiheitsregelung, die spezifisch auf alle Drittländer ausgedehnt wurde, nicht angewandt werden kann. Deshalb hat der Gerichtshof in seinem Urteil Prunus und Polonium hinsichtlich der Besteuerung von Direktinvestitionen, die in Frankreich von einer Gesellschaft mit Sitz auf den britischen Jungferninseln durchgeführt wurden, entschieden, dass die ÜLG sich auf die Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV in ihrer Eigenschaft als Drittländer berufen können(25), auch wenn es meines Erachtens korrekter gewesen wäre, zu sagen, dass die ÜLG sich im Hinblick auf den Sui-generis-Charakter ihres Status auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen können, die derjenigen, die Drittländern gewährt wird, gleichwertig ist.

45.      Hinsichtlich der Einstufung einer nationalen Maßnahme als Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten und den ÜLG ist die Beurteilung des Gerichtshofs im Urteil Prunus und Polonium (EU:C:2011:276), in dem er die Anwendung von Art. 63 AEUV auf die ÜLG erstreckt, zutreffend, soweit keine spezielle, der Tragweite von Art. 63 AEUV zumindest gleichwertige Bestimmung für diesen Kapitalverkehr gilt.

46.      Dies war in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht, d. h. dem Zeitpunkt der grundsätzlichen Liberalisierung des Kapitalverkehrs auch gegenüber Drittländern gemäß Art. 73b EG-Vertrag, und dem 2. Dezember 2001 nicht der Fall, da keine auf der Grundlage des vierten Teils des EG-Vertrags erlassene Entscheidung des Rates eine Regelung über den freien Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und den ÜLG vorsah, die der für Drittstaaten geltenden Regelung gleichwertig war. Der 2. Dezember 2001 war dagegen der Tag, an dem der Beschluss 2001/822/EG des Rates vom 27. November 2001 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Gemeinschaft (Übersee-Assoziationsbeschluss)(26) in Kraft trat, zu dessen Art. 47 Abs. 1 der Gerichtshof vor Kurzem im Urteil X und TBG(27) ausgeführt hat, dass er eine besonders große Tragweite hat, die der Bedeutung von Art. 56 EG in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den Drittländern nahekommt.

47.      Zwar fallen die in der Rechtssache des Ausgangsverfahrens von Frau Schweier durchgeführten Investitionen, die, wie ich bereits ausgeführt habe, den Zeitraum 1997 bis 2003 umfassten, zum Teil unter Art. 73b EG-Vertrag und zum Teil unter Art. 47 Abs. 1 des Übersee-Assoziationsbeschlusses, doch ändert das nichts am restriktiven Charakter der Regelung in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG im Hinblick auf diese Vorschriften.

48.      Nach all diesen Überlegungen schlage ich vor, dass der Gerichtshof davon absieht, die vom vorlegenden Gericht nicht unterbreitete, Art. 56 EG betreffende Frage zu prüfen.

B –    Zu den Vorlagefragen und der Auslegung von Art. 57 Abs. 1 EG

49.      Das vorlegende Gericht möchte mit seinen beiden Fragen im Wesentlichen wissen, ob die Stillhalteklausel in Art. 57 Abs. 1 EG, die sich speziell auf die Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber Drittländern bezieht, auf eine Steuerregelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende anwendbar ist.

50.      Der erste Satz dieser Vorschrift lautet: „Art. 56 EG berührt nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher … Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen [oder] der Erbringung von Finanzdienstleistungen … bestehen.“

51.      Für die Anwendung dieser Vorschrift, die den Mitgliedstaaten erlaubt, Beschränkungen des Kapitalverkehrs beizubehalten, müssen somit drei Kriterien kumulativ erfüllt sein: ein Kriterium persönlicher Art, d. h., die in Rede stehende nationale Maßnahme betrifft ein Drittland oder mehrere Drittländer oder ist auf diese anwendbar, ein zeitliches Kriterium, d. h., die in Rede stehenden Beschränkungen bestanden am 31. Dezember 1993, und ein sachliches Kriterium, d. h., dass die betroffenen Kapitalbewegungen im Zusammenhang mit einem der abschließend in Art. 57 Abs. 1 Satz 1 EG aufgezählten Geschäfte stehen(28).

52.      Diese Vorschrift gilt auch im Kontext von Kapitalbewegungen zwischen den Mitgliedstaaten und den ÜLG, und zwar auch nach dem 2. Dezember 2001. Nach Art. 47 Abs. 2 des Übersee-Assoziationsbeschlusses können die Mitgliedstaaten u. a die in Art. 57 EG genannten Maßnahmen im Einklang mit den dort genannten Bedingungen mutatis mutandis anwenden(29).

1.            Zu den zeitlichen und persönlichen Kriterien von Art. 57 Abs. 1 EG

53.      Weder das vorlegende Gericht noch die Beteiligten, die schriftliche Erklärungen abgegeben haben, haben den geringsten Zweifel daran, dass die ersten beiden Kriterien erfüllt sind.

54.      So braucht man sich nicht mit der Erfüllung des zeitlichen Kriteriums aufzuhalten, denn wie das vorlegende Gericht und die Kommission bemerkt haben, bestand die in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG vorgesehene Steuerregelung schon im Jahr 1969 und war seitdem keinen wesentlichen Änderungen unterzogen worden(30).

55.      Das persönliche Kriterium ist auch erfüllt, da, wie ich soeben ausgeführt habe, die Voraussetzungen in Art. 57 Abs. 1 EG auf alle Fälle – sei es unmittelbar, sei es über Art. 47 Abs. 2 des Übersee-Assoziationsbeschlusses – auf die ÜLG anwendbar sind, ob sie nun als Drittländer angesehen oder diesen nur gleichgestellt werden.

56.      Außerdem ist die Erfüllung des persönlichen Kriteriums von Art. 57 Abs. 1 EG meines Erachtens auch nicht aufgrund des Umstands zu verwerfen, dass das Depot der Anteile von Frau Schweier an den fraglichen Investmentfonds sowie der darauf entfallenden Erträge bei einem Geldinstitut besteht, das nach aller Wahrscheinlichkeit in einem Vertragsstaat des am 2. Mai 1992 unterzeichneten Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum(31) (im Folgenden: EWR-Abkommen), im vorliegenden Fall dem Fürstentum Liechtenstein, liegt, gegenüber dem sich die Mitgliedstaaten seit dem 1. Mai 1995, dem Zeitpunkt, zu dem das EWR-Abkommen für dieses Fürstentum in Kraft getreten ist, bekanntlich nicht mehr auf Art. 57 Abs. 1 EG berufen können(32).

57.      Wenn es nämlich unabhängig von den in der nationalen Regelung aufgestellten Kriterien den Mitgliedstaaten, jedes Mal, wenn Kapitalbewegungen mit einem Drittland über das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder eines Vertragsstaats des EWR-Abkommens laufen, verwehrt wäre, Art. 57 Abs. 1 EG geltend zu machen, würde dieser Vorschrift der Großteil ihrer praktischen Wirksamkeit genommen. Keine der Parteien des Ausgangsverfahrens und keiner der Beteiligten haben übrigens etwas anderes vertreten.

58.      Überdies hängt, wie dem Vorlagebeschluss zu entnehmen ist, die Anwendung von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG vor allem vom Sitz der Verwaltungsgesellschaft der Investmentfonds ab, im vorliegenden Fall den Kaimanninseln, und nicht vom Ort, an dem sich das Depot der Beteiligungen befindet(33).

59.      Wie ich bereits ausgeführt habe, ist somit die Bedeutung des sachlichen Kriteriums von Art. 57 Abs. 1 EG der Kern des Anliegens des vorlegenden Gerichts.

2.            Zum sachlichen Kriterium des Art. 57 Abs. 1 EG

60.      Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof ganz speziell nach der Bedeutung des Ausdrucks „Kapitalverkehr … im Zusammenhang mit Direktinvestitionen [oder] der Erbringung von Finanzdienstleistungen“, um feststellen zu können, ob die Steuerregelung in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nach Art. 57 Abs. 1 EG im Hinblick auf die Situation im Ausgangsverfahren rechtlich wirksam aufrechterhalten werden kann.

61.      Die erste Frage, die den Begriff „Erbringung von Finanzdienstleistungen“ betrifft, ist meines Erachtens zu bejahen, was dazu führen müsste, wenn der Gerichtshof diese Ansicht teilt, dass auf die zweite Frage zu den „Direktinvestitionen“ nicht zu antworten ist. Auf alle Fälle können die Zweifel des vorlegenden Gerichts zu diesem letzten Punkt schnell zerstreut werden.

a)            Zum Ausdruck „Erbringung von Finanzdienstleistungen“ im Sinne von Art. 57 Abs. 1 EG

62.      Mit der ersten Frage soll ermittelt werden, ob die Steuerregelung in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG in einer Situation wie derjenigen im Ausgangsverfahren deshalb aufrechterhalten werden kann, weil sie möglicherweise auf einen Kapitalverkehr im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 57 Abs. 1 EG angewendet wird.

63.      Unter Hinweis darauf, dass der Gerichtshof diesen Ausdruck noch nicht definiert habe, vertritt das vorlegende Gericht die Ansicht, dass im Hinblick auf die Notwendigkeit, Art. 57 Abs. 1 EG eng auszulegen, nur solche Normen, die sich an die Finanzdienstleister der Drittländer selbst richteten und die die Voraussetzungen oder die Art und Weise der Leistungserbringung regelten, im Zusammenhang mit dem genannten Ausdruck stünden, und Vorschriften des nationalen Rechts, die die Besteuerung der Anleger zum Gegenstand hätten, jedenfalls ausgeschlossen seien.

64.      Während die Kommission dieser Auslegung zustimmt, weisen die deutsche und die italienische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs sie zurück. Diese drei Beteiligten tragen im Wesentlichen vor, dass zum einen der Begriff der Erbringung von Finanzdienstleistungen Maßnahmen umfassen könne, die sich an den Empfänger der genannten Leistung richteten, und dass zum anderen im vorliegenden Fall ein enger Zusammenhang zwischen dem Gegenstand der nationalen Maßnahme, nämlich der Besteuerung der Inhaber von Beteiligungen an ausländischen Investmentfonds, und dem Verhalten der Fonds, die die Anforderungen der §§ 17 Abs. 3 und 18 Abs. 2 AuslInvestmG nicht erfüllten, bestehe. Mit anderen Worten beträfen die nationalen Steuervorschriften die Erbringung von Finanzdienstleistungen, da für die Investmentfonds zumindest indirekt ein Anreiz geschaffen werde, die in den genannten Rechtsvorschriften festgesetzten nationalen Transparenzregeln einzuhalten.

65.      Ich erinnere zunächst daran, dass ich in meinen Schlussanträgen Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company(34) bereits Gelegenheit hatte, einige Erwägungen zum Begriff „Erbringung von Finanzdienstleistungen“ in Art. 57 Abs. 1 EG darzulegen.

66.      Wie ich in diesen Schlussanträgen erläutert habe, ist mangels einer Definition des in Rede stehenden Begriffs die Annahme korrekt, dass es sich bei den betroffenen Dienstleistungen um solche von Finanzinstituten, wie Banken, Versicherungsgesellschaften, Kapitalanlagegesellschaften und anderen Instituten ähnlicher Art, handelt. Ein Investmentfonds (oder genauer dessen Verwaltungsgesellschaft) gehört ohne jeglichen Zweifel zu dieser Kategorie.

67.      Ferner bin ich weiterhin der Auffassung, dass der Anwendungsbereich von Art. 57 Abs. 1 EG in Anbetracht des Wortlauts dieser Vorschrift allein Kapitalbewegungen im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen umfasst, und nicht umgekehrt die Erbringung von Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit Kapitalbewegungen. Diese Unterscheidung ist entscheidend. Tatsächlich fallen nur nationale Maßnahmen, deren Gegenstand zumindest in erster Linie Kapitalbewegungen sind, in den Anwendungsbereich von Art. 57 Abs. 1 EG. Nationale Maßnahmen, deren Gegenstand in erster Linie die Erbringung von Finanzdienstleistungen ist, fallen nicht darunter, denn sie müssen unter dem Blickwinkel der Vorschriften des Vertrags zur Dienstleistungsfreiheit geprüft werden, die sich bekanntlich weder auf die Beziehungen zu Drittstaaten noch auf die Beziehungen zu den ÜLG erstrecken(35).

68.      Wenn somit Art. 57 Abs. 1 EG seinem Wortlaut nach den Kapitalverkehr im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen betrifft, können meines Erachtens nationale Maßnahmen, deren Gegenstand die Voraussetzungen oder Modalitäten der Erbringung von Dienstleistungen betrifft, nicht in seinen Anwendungsbereich einbezogen werden. In diesem Fall würde eine solche Maßnahme ganz einfach nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften über die Kapitelverkehrsfreiheit und somit von Art. 57 Abs. 1 EG fallen, sondern in den der Vorschriften über Dienstleistungen.

69.      Art. 57 Abs. 1 EG kann nicht dahin ausgelegt werden, dass er nur die allgemeine Abgrenzung wiederholt, die der Vertrag zwischen dem Anwendungsbereich der Vorschriften betreffend die Erbringung von Dienstleistungen, seien es auch nur „Finanzdienstleistungen“, und jenen, die sich auf Kapitalbewegungen beziehen, vornimmt. Der Vorbehalt in diesem Artikel muss, obwohl er, auch wenn es der deutschen Regierung missfallen mag, eng auszulegen ist(36), dennoch seine praktische Wirksamkeit bewahren können.

70.      Deshalb erfasst Art. 57 Abs. 1 EG Kapitalbewegungen, die mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen „im Zusammenhang“ stehen, d. h., sie nach sich ziehen(37).

71.      In der Rechtssache Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (EU:C:2013:710), die die Besteuerung von Beteiligungen eines Investmentfonds eines Drittlands am Gesellschaftskapital polnischer Gesellschaften in Polen betraf, zogen die betreffenden Kapitalbewegungen keine Finanzdienstleistung von Seiten des Investmentfonds zugunsten der betroffenen Gesellschaften nach sich. Im Übrigen habe ich in meinen Schlussanträgen auch präzisiert, dass die streitige nationale Maßnahme auch keine Kapitalbewegungen im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen des Investmentfonds an seine Anteilsinhaber betraf, seien diese in einem Mitgliedstaat ansässig oder in einem Drittland. Art. 57 Abs. 1 EG war somit nicht anwendbar(38).

72.      Der Gerichtshof brauchte diese Problematik nicht zu prüfen, da die Anwendung der „Stillhalteklausel“ in Art. 57 Abs. 1 EG zu Recht allein schon aus dem Grund abgelehnt wurde, dass die in dieser Rechtssache in Rede stehenden polnischen Vorschriften das zeitliche Kriterium des genannten Artikels nicht erfüllten(39).

73.      In der vorliegenden Rechtssache ziehen die in Rede stehenden Kapitalbewegungen, nämlich der Erwerb von Anteilen an in den ÜLG ansässigen Investmentfonds, von denen der Anleger Dividenden bezieht, die der streitigen pauschalen Besteuerung unterliegen, meines Erachtens zwangsläufig die Erbringung von Finanzdienstleistungen durch die betreffenden Investmentfonds zugunsten des Anlegers nach sich. Ohne diese Dienstleistungen hätte der Erwerb dieser Beteiligungen ganz einfach keinen Sinn, insbesondere im Fall eines nicht institutionellen Anlegers, dem auf diese Art und Weise eine breite Palette von Anlagemöglichkeiten zur Verfügung steht, die ihm im Allgemeinen nicht zur Verfügung stünden, wenn er sich entschlösse, direkt auf dem Kapitalmarkt zu investieren. Im Übrigen optimieren und erhöhen gerade diese Finanzdienstleistungen den Gewinn, der der nationalen Besteuerung unterliegt.

74.      Der Umstand, dass die nationale Maßnahme in erster Linie den Anleger betrifft und nicht den Leistungserbringer als solchen, ändert nichts an dieser Feststellung, da das entscheidende Kriterium von Art. 57 Abs. 1 EG der Kausalzusammenhang zwischen den Kapitalbewegungen und der Erbringung der Finanzdienstleistungen ist, und nicht der persönliche Anwendungsbereich der streitigen nationalen Maßnahme oder ihr Verhältnis zum Erbringer anstatt zum Empfänger solcher Dienstleistungen. Ziehen die Kapitalbewegungen zwangsläufig eine solche Erbringung von Dienstleistungen nach sich, muss Art. 57 Abs. 1 EG Anwendung finden, sofern die anderen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.

75.      Überdies deutet entgegen dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung nichts darauf hin, dass die Steuerregelungen der Mitgliedstaaten vom Anwendungsbereich des Art. 57 Abs. 1 EG oder nunmehr des Art. 64 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen sind. Der Beweis dafür ist, dass der Gerichtshof in seinen Urteilen Holböck(40), Prunus und Polonium (EU:C:2011:276), Welte (EU:C:2013:662) sowie Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (EU:C:2014:249) die Anwendbarkeit dieser Bestimmung im Kontext nationaler Steuermaßnahmen sehr wohl geprüft hat.

76.      Folglich bin ich der Ansicht, dass auf die erste Vorlagefrage zu antworten ist, dass eine nationale Regelung wie § 18 Abs. 3 AuslInvestmG, die seit dem 31. Dezember 1993 nicht grundlegend verändert wurde und die unter bestimmten Voraussetzungen eine pauschale Besteuerung der inländischen Inhaber von Beteiligungen an Investmentfonds mit Sitz in Drittländern oder in diesen Drittländern gleichgestellten ÜLG vorsieht, sich auf den Kapitalverkehr im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 73c EG-Vertrag und, ab dem 1. Mai 1999, im Sinne von Art. 57 Abs. 1 EG bezieht.

77.      Unter diesen Umständen brauchte die zweite Frage, die nur für den Fall einer negativen Antwort auf die erste Frage gestellt wird, nicht geprüft zu werden.

78.      Deshalb prüfe ich die zweite Frage des vorlegenden Gerichts nur hilfsweise für den Fall, dass der Gerichtshof dem Vorschlag, den ich soeben formuliert habe, nicht zustimmen sollte.

b)            Zum Begriff „Direktinvestition“ im Sinne von Art. 57 Abs. 1 EG

79.      Wie ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company(41) ausgeführt habe, stützt sich der Gerichtshof, da der Begriff der Direktinvestition im EG-Vertrag nicht definiert ist, bis heute auf die Definitionen in der Nomenklatur des Anhangs I zur Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages(42) und die zugehörigen Begriffsbestimmungen(43).

80.      Gemäß diesen Definitionen betrifft der Begriff der Direktinvestitionen Investitionen durch natürliche oder juristische Personen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die die Mittel bereitstellen, und den Unternehmen, für die die Mittel zum Zweck einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind(44).

81.      Auf der Grundlage dieser Definitionen unterscheidet der Gerichtshof beim Kapitalverkehr zwischen „Direktinvestitionen“ in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch den Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen, und „Portfolioinvestitionen“, d. h. dem Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen(45).

82.      Auch wenn diese beiden Arten von Investitionen unter den Begriff der Kapitalbewegungen fallen, so sind doch nur „Direktinvestitionen“, einschließlich der Ausschüttung der sich daraus ergebenden Dividenden, Gegenstand der in Art. 57 Abs. 1 EG zugelassenen Ausnahme(46).

83.      Während das vorlegende Gericht a priori geneigt ist, dieser Grenzziehung zwischen Direktinvestitionen und Portfolioinvestitionen für die Anwendung von Art. 57 Abs. 1 EG zu folgen, indem es davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall die Situation der Inhaber von Anteilen an Investmentfonds grundsätzlich nicht unter die erste Kategorie fällt, fragt es sich jedoch, ob der Gerichtshof in seinem Urteil VBV – Vorsorgekasse(47) vom 7. Juni 2012 diese Rechtsprechung nicht nuanciert oder sogar entkräftet hat.

84.      Ich habe ein solches Argument, das von der polnischen Regierung geltend gemacht worden war, auf das eine Antwort des Gerichtshofs jedoch nicht erforderlich war, in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company(48) bereits geprüft und zurückgewiesen.

85.      Ich beschränke mich deshalb im Wesentlichen darauf, auf die Überlegungen dazu in den genannten Schlussanträgen hinzuweisen. Insbesondere ist daran zu erinnern, dass das Urteil VBV – Vorsorgekasse (EU:C:2012:327) zwar Beschränkungen betraf, denen eine juristische Person (eine berufliche Vorsorgekasse), und zwar ein in Österreich niedergelassener institutioneller Anleger, beim Erwerb von Anteilscheinen eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Kapitalanlagefonds unterlag – ein Geschäft, das der Gerichtshof im Vorfeld seiner Argumentation als „Direktinvestition“ bezeichnet hat –, der Gerichtshof aber nicht zu Art. 64 Abs. 1 AEUV, der Art. 57 Abs. 1 EG ersetzt, sondern nur zu Art. 63 AEUV befragt wurde. Nun hat Art. 63 AEUV zwar einen sehr weiten Anwendungsbereich und kann eine gewisse „Unschärfe“ bei der Verwendung der Bezeichnungen für die verschiedenen Kategorien von Kapitalbewegungen hinnehmen, doch gilt dies nicht für die Kategorien, die in Art. 64 Abs. 1 AEUV aufgeführt sind, der, wie ich bereits ausgeführt habe, als Ausnahme von einer im Unionsrecht vorgesehenen Freiheitsregelung nach der Rechtsprechung(49) eng auszulegen ist. Der Gerichtshof, dem keine Frage zur Auslegung von Art. 64 Abs. 1 AEUV vorgelegt worden war, hatte offensichtlich nicht die Absicht, den Anwendungsbereich des Begriffs der Direktinvestition im Sinne dieser Vorschrift zu erweitern.

86.      Den Ausführungen der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen folgend kann zwar nicht völlig ausgeschlossen werden, dass ein Inhaber von Anteilen an einem Investmentfonds tatsächlich an der Verwaltung oder Kontrolle der Verwaltungsgesellschaft dieses Fonds teilnimmt, so dass entsprechend der dem jeweiligen Einzelfall eigenen Umstände der Schluss gezogen werden könnte, dass es sich um eine Direktinvestition handelt.

87.      Die im Urteil VBV – Vorsorgekasse (EU:C:2012:327) wiedergegebenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände lassen leider nicht mit Gewissheit den Schluss zu, dass dies beim Erwerb der Anteilscheine an dem in Luxemburg ansässigen Kapitalanlagefonds durch die österreichische Vorsorgekasse der Fall war.

88.      Auf alle Fälle scheint es jedoch in Anbetracht der Art und des Umfangs der von Frau Schweier durchgeführten Investitionen zumindest gewagt, anzunehmen, dass sie Anteile erworben hat, die ihr ermöglicht hätten, ein Kontrollrecht über die Investmentfonds zu erhalten, deren Verwaltungsgesellschaften auf den Kaimaninseln ansässig sind. Es ist im Gegenteil im Hinblick auf die Informationen in den Akten viel wahrscheinlicher, dass Frau Schweier als private Anlegerin nur an einem von diesen Fonds errichteten gemeinsamen Portfolio mit der alleinigen Absicht beteiligt war, eine Finanzanlage vorzunehmen. Es steht aber fest, dass die Steuerregelung in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG auf die Durchführung solcher Portfolioinvestitionen Anwendung findet.

89.      Somit bin ich der Ansicht, dass das Urteil VBV – Vorsorgekasse (EU:C:2012:327) keinen Einfluss auf die Auslegung des in Art. 57 Abs. 1 EG genannten Begriffs der Direktinvestition hat und dass im Hinblick auf die gesamten rechtlichen und tatsächlichen Informationen in den Akten die in dieser Vorschrift genannte Ausnahme nicht geltend gemacht werden kann, da der Sachverhalt in der Rechtssache des Ausgangsverfahrens nicht den „Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen“ betrifft.

III – Ergebnis

90.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Bundesfinanzhofs wie folgt zu antworten:

Eine nationale Regelung wie § 18 Abs. 3 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen, die seit dem 31. Dezember 1993 nicht grundlegend verändert wurde und die unter bestimmten Voraussetzungen eine pauschale Besteuerung der inländischen Inhaber von Beteiligungen an Investmentfonds mit Sitz in Drittländern oder in diesen Drittländern gleichgestellten überseeischen Ländern und Gebieten vorsieht, bezieht sich auf Kapitalverkehr im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 73c Abs. 1 EG-Vertrag und, ab dem 1. Mai 1999, im Sinne von Art. 57 Abs. 1 EG.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Außer wenn es aus Gründen der zeitlichen Anwendung der Verträge notwendig ist, werde ich mich in den folgenden Ausführungen dieser Schlussanträge der Einfachheit halber nur auf Art. 57 Abs. 1 EG beziehen, da der Inhalt der beiden Artikel unverändert ist.


3 – BGBl. 1998 I S. 2820.


4 – Gemäß dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (im Folgenden: KAGG) in seiner bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung.


5 – Vgl. § 38 b KAGG.


6 – 283/81, EU:C:1982:335, Rn. 21.


7 – C-39/11, EU:C:2012:327.


8 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Fonnship und Svenska Transportarbetareförbundet (C-83/13, EU:C:2014:201, Nr. 17 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


9 – Vgl. u. a. Urteile Kerafina-Keramische und Finanz-Holding und Vioktimatiki (C-134/91 und C-135/91, EU:C:1992:434, Rn. 16), Consiglio nazionale dei geologi und Autorità garante della concorrenza e del mercato (C-136/12, EU:C:2013:489, Rn. 29) sowie Belgian Electronic Sorting Technology (C-657/11, EU:C:2013:516, Rn. 28).


10 – Vgl. u. a. Urteile Cilfit u. a. (EU:C:1982:335, Rn. 21), Pedro IV Servicios (C-260/07, EU:C:2009:215, Rn. 36) und Boxus u. a. (C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09, EU:C:2011:667, Rn. 31).


11 – EU:C:2014:201.


12 – C-83/13, EU:C:2014:2053.


13 – EU:C:2009:215.


14 – Ebd. (Rn. 36).


15 – Vgl. in diesem Sinne meine Schlussanträge in der Rechtssache Fonnship und Svenska Transportarbetareförbundet (EU:C:2014:201, Nr. 22).


16 – C-326/12, EU:C:2014:2269.


17 – Ebd. (Rn. 58 und Tenor).


18 – Bis zum Jahr 2002 hatten die Kaimanninseln die Stellung eines „British dependent territory“ gemäß dem British Nationality Act 1981 (vgl. Anhang 6 dieses Gesetzes). Dieser Status wurde im Jahr 2002 gemäß dem British Overseas Territories Act vom 26. Februar 2002 in „British overseas territory“ umbenannt.


19 – Die Liste der ÜLG in Anhang IV des EWG-Vetrags wurde nämlich durch Art. 24 der Akte über die Beitrittsbedingungen des Königreichs Dänemark, Irlands und des Königreichs Großbritannien und Nordirland und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1972, L 73, S. 14), insbesondere unter Aufnahme der Kaimanninseln, geändert.


20 – Vgl. insoweit die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Prunus und Polonium (C-384/09, EU:C:2010:759, Nrn. 24 bis 29).


21 – Vgl. Art. 355 Abs. 2 AEUV.


22 – Vgl. Art. 131 Abs. 2 EWG-Vertrag und Art. 182 Abs. 2 EG-Vertrag sowie nunmehr Art. 198 Abs. 2 AEUV.


23 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Prunus und Polonium (EU:C:2010:759, Nrn. 31 bis 39).


24 – Urteile Prunus und Polonium (C-384/09, EU:C:2011:276, Rn. 29) und X und TBG (C-24/12 und C-27/12, EU:C:2014:1385, Rn. 45).


25 – EU:C:2011:276, Rn. 31. Der Gerichtshof spricht von „Drittstaaten“, es wäre aber passender in Anbetracht der fehlenden völkerrechtlichen Souveränität bei diesen Rechtsgebilden von Drittländern zu sprechen, was im Übrigen auch dem Wortlaut der Art. 73b und 73c EG-Vertrag, der Art. 56 EG und 57 EG sowie der Art. 63 AEUV und 64 AEUV entspricht.


26 – ABl. L 314, S. 1. Dieser Beschluss galt nach seinem Art. 63 bis zum 31. Dezember 2011.


27 – EU:C:2014:1385, Rn. 48.


28 – Vgl. u. a. in diesem Sinne meine Schlussanträge in der Rechtssache Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C-190/12, EU:C:2013:710, Nr. 53).


29 – Vgl. auch in diesem Sinne Urteil Prunus und Polonium (EU:C:2011:276, Rn. 32).


30 – Vgl. zuletzt zur Prüfung des zeitlichen Kriteriums, das Art. 57 Abs. 1 EG vorsieht, Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C-190/12, EU:C:2014:249, Rn. 47 bis 52).


31 – ABl. 1994, L 1, S. 3.


32 – Vgl. insoweit Urteil Ospelt und Schlössle Weissenberg (C-452/01, EU:C:2003:493, Rn. 31) bereits in Bezug auf Art. 73c EG-Vertrag.


33 – Zwar hat der Rechtsanwalt von Frau Wagner-Raith in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass das Depot der Fonds nur von der LGT Bank verwaltet werde, doch ergibt sich diese Angabe nicht aus dem Vorlagebeschluss und ändert nichts an dem Umstand, auf den das vorlegende Gericht hingewiesen hat, dass die Investmentfonds von einer auf den Kaimanninseln niedergelassenen Gesellschaft verwaltet werden; dieser Umstand hat u. a. zur Anwendung der streitigen nationalen Vorschrift geführt.


34 – EU:C:2013:710, Nrn. 73 bis 79.


35 – Betreffend die Nichtanwendung der Bestimmungen des Vertrags über die Dienstleistungsfreiheit gegenüber Drittländern vgl. Urteil Fidium Finanz (C-452/04, EU:C:2006:631, Rn. 25 und 47). Hinsichtlich der ÜLG ist zu betonen, dass der vierte Teil des Vertrags die Dienstleistungsfreiheit nicht nennt und dass der Übersee-Assoziationsbeschluss nur von einem langfristigen Ziel der schrittweisen Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs spricht, wobei den im Rahmen des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) eingegangenen Verpflichtungen Rechnung getragen werden muss.


36 – Vgl. Urteil Welte (C-181/12, EU:C:2013:662, Rn. 29).


37 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (EU:C:2013:710, Nr. 77).


38 – Ebd. (Nrn. 78 und 79).


39 – Vgl. Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (EU:C:2014:249, Rn. 53).


40 – C-157/05, EU:C:2007:297, Rn. 37 bis 45.


41 – EU:C:2013:710, Nrn. 60 und 61.


42 – ABl. L 178, S. 5.


43 – Vgl. u. a. Urteile Holböck (EU:C:2007:297, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Welte (EU:C:2013:662, Rn. 32).


44 – Vgl. u. a. Urteil Welte (EU:C:2013:662, Rn. 32).


45 – Vgl. insbesondere zu dieser Unterscheidung Urteile Orange European Smallcap Fund (C-194/06, EU:C:2008:289, Rn. 98 bis 102), Glaxo Wellcome (C-182/08, EU:C:2009:559, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Kommission/Portugal (C-212/09, EU:C:2011:717, Rn. 47).


46 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen (C-436/08 und C-437/08, EU:C:2011:61, Rn. 137 und 138) sowie Schlussanträge in der Rechtssache Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (EU:C:2013:710, Nr. 64).


47 – EU:C:2012:327.


48 – EU:C:2013:710, Nrn. 69 bis 72. Diese Schlussanträge wurden einige Tage, nachdem das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof eingegangen war, vorgetragen.


49 – Vgl. Urteil Welte (EU:C:2013:662, Rn. 29).