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SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

Juliane Kokott

vom 18. Februar 2016(1)

Rechtssache C-516/14

Barlis 06 – Investimentos Imobiliários e Turísticos SA

gegen

Autoridade Tributária e Aduaneira

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Arbitral Tributário [Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD] [Schiedsgericht in Steuersachen, Portugal])

„Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Richtlinie 2006/112/EG – Angaben in einer Rechnung zu Umfang und Art einer erbrachten Dienstleistung sowie dem Datum ihrer Erbringung – Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG – Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug – Erfordernis des Besitzes einer Rechnung, die den Anforderungen des Art. 226 der Richtlinie 2006/112/EG entspricht“





I –    Einleitung

1.        Normalerweise ist der Erhalt einer Rechnung kein Grund zur Freude. Ein bisschen anders ist es bei der Mehrwertsteuer. Denn hier berechtigt eine Rechnung unter bestimmten Umständen ihren Empfänger, sich vom Fiskus die Mehrwertsteuer, die in der Rechnung ausgewiesen ist, erstatten zu lassen (sogenannter Vorsteuerabzug).

2.        Allerdings sieht das Mehrwertsteuerrecht der Union auch vor, dass die Rechnung eine Reihe von Mindestangaben enthalten muss. Diese Angaben hielt die portugiesische Steuerverwaltung in einem Fall nicht für ausreichend, der Anlass für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen gab. Insbesondere die Bezeichnung der abgerechneten Leistungen als „juristische Dienstleistungen“, ohne nähere Erläuterungen, erfülle nicht die Anforderungen des Mehrwertsteuerrechts an den notwendigen Inhalt einer Rechnung. Nur eine ordnungsgemäße Rechnung berechtige aber zum Vorsteuerabzug.

3.        Der Gerichtshof wird vor diesem Hintergrund zweierlei zu klären haben. Nicht nur wird insbesondere die neue Frage zu beantworten sein, wie detailliert die Beschreibung einer Dienstleistung in einer Rechnung sein muss. Darüber hinaus wird der Gerichtshof ein weiteres Mal zu den Folgen einer mangelhaften Rechnung für das Recht auf Vorsteuerabzug Stellung nehmen müssen, um seine bisherige Rechtsprechung in diesem Bereich abzurunden.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

4.        Die Erhebung der Mehrwertsteuer in der Union wird durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(2) (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) geregelt. Vorgänger dieser Richtlinie ist die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage(3) (im Folgenden: Sechste Richtlinie). Soweit die Bestimmungen beider Richtlinien übereinstimmen, ist im vorliegenden Fall auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Sechsten Richtlinie zu beachten.

5.        Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie(4) sieht u. a. das folgende Recht auf Vorsteuerabzug vor:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

[…]“

6.        Im Kapitel „Einzelheiten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug“ ergänzt Art. 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie in seiner ursprünglichen Fassung(5), die im Ausgangsrechtsstreit Anwendung findet:

„Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:

a)      für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferungen von Gegenständen und dem [sic!] Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß den Artikeln 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 ausgestellte Rechnung besitzen;

[…]“

7.        Der u. a. in Bezug genommene Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft die Rechnungsangaben und bestimmt:

„Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:

[…]

6.      Menge und Art der gelieferten Gegenstände beziehungsweise Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen;

7.      das Datum, an dem die Gegenstände geliefert werden oder die Dienstleistung erbracht bzw. abgeschlossen wird, oder das Datum, an dem die Vorauszahlung im Sinne des Artikels 220 Nummern 4 und 5 geleistet wird, sofern dieses Datum feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist;

[…]“

8.        Die zitierten Bestimmungen des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechen im Wesentlichen Art. 22 Abs. 3 Buchst. b sechster und siebter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie in der Fassung, die sich aus ihrem Art. 28h(6) in der durch die Richtlinie 2001/115/EG geänderten Fassung(7) ergibt. Insbesondere die Entstehungsgeschichte dieser Vorgängervorschrift in der Sechsten Richtlinie wird deshalb auch im vorliegenden Verfahren zu beachten sein.

9.        Der 46. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie befasst sich als einziger mit Rechnungen und lautet wie folgt:

„(46) Die Verwendung elektronischer Rechnungstellung sollte den Steuerverwaltungen ermöglichen, ihre Kontrollen durchzuführen. Um ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, sollte daher ein harmonisiertes Verzeichnis der Angaben erstellt werden, die jede Rechnung enthalten muss; ferner sollten eine Reihe gemeinsamer Modalitäten für die elektronische Rechnungstellung, die elektronische Aufbewahrung der Rechnungen, die Erstellung von Gutschriften und die Verlagerung der Rechnungstellung auf Dritte festgelegt werden.“

B –    Nationales Recht

10.      Im portugiesischen Recht bestimmt Art. 36 Abs. 5 Buchst. b des Código do Imposto sobre o Valor Acrescentado (im Folgenden: CIVA), dass Rechnungen die „übliche Bezeichnung der […] erbrachten Dienstleistungen mit den zur Bestimmung des anwendbaren Steuersatzes erforderlichen Angaben“ enthalten müssen.

11.      Nur wenn eine Rechnung u. a. diesen Erfordernissen des Art. 36 Abs. 5 Buchst. b CIVA genügt, besteht gemäß Art. 19 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 6 CIVA ein Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer, die in der Rechnung angegeben ist.

12.      Die Portugiesische Republik hat im Verfahren vor dem Gerichtshof zudem vorgetragen, dass für den Zeitraum, der im Ausgangsrechtsstreit relevant ist, das portugiesische Recht einen ermäßigten Steuersatz für bestimmte anwaltliche Dienstleistungen vorsah, u. a. für solche an Rentner und Arbeitslose sowie allgemein bei Verfahren zum Personenstandsrecht. Diese Regelung, die in den unionsweit geltenden Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie zum ermäßigten Steuersatz nicht vorgesehen ist, beruhe auf dem Bestandsschutz, den Art. 113 der Mehrwertsteuerrichtlinie gewähre.

III – Ausgangsrechtsstreit

13.      Die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits, die Gesellschaft Barlis 06 – Investimentos Imobiliários e Turísticos SA, ist in der Hotelbranche tätig.

14.      In den Jahren 2008 bis 2010 nahm sie Dienstleistungen einer Anwaltskanzlei in Anspruch. Hierüber stellte die Anwaltskanzlei vier Rechnungen aus, welche die folgenden Beschreibungen der Dienstleistungen enthielten:

–        „Vom 1. Dezember 2007 bis zum heutigen Tag erbrachte juristische Dienstleistungen“ (Rechnung vom 26. August 2008),

–        „Honorare für von Juni bis zum heutigen Tag erbrachte juristische Dienstleistungen“ (Rechnung vom 17. Dezember 2008),

–        „Honorare für bis zum heutigen Tag erbrachte juristische Dienstleistungen“ (Rechnung vom 29. April 2009),

–        „Honorare für vom 1. November 2009 bis zum heutigen Tag erbrachte juristische Dienstleistungen“ (Rechnung vom 2. Juni 2010).

15.      Hinsichtlich der Mehrwertsteuer, die in diesen Rechnungen ausgewiesen wurde, machte die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits bei der portugiesischen Steuerverwaltung ein Recht auf Vorsteuerabzug in Höhe von insgesamt 8 689,49 Euro geltend.

16.      Die portugiesische Steuerverwaltung verweigerte nach einer Betriebsprüfung den Vorsteuerabzug, weil die Bezeichnungen der Dienstleistungen in den Rechnungen nicht den Anforderungen des Art. 36 Abs. 5 Buchst. b CIVA entsprächen. Daraufhin legte die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits ergänzende Dokumente vor, die eine ausführlichere Beschreibung der Dienstleistungen enthielten. Gleichwohl verweigerte die portugiesische Steuerverwaltung den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass die Rechnungen weiterhin die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllten.

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

17.      Das nunmehr mit dem Rechtsstreit befasste Tribunal Arbitral Tributário (Schiedsgericht in Steuersachen, Portugal) hält die Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie für streitentscheidend und hat daher dem Gerichtshof am 17. November 2014 gemäß Art. 267 AEUV die folgende Frage vorgelegt:

Erlaubt es die korrekte Auslegung des Art. 226 Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie, die auf einer Rechnung verwendete Bezeichnung „Erbringung juristischer Dienstleistungen ab einem bestimmten Datum bis zum heutigen Tag“ oder lediglich „Erbringung juristischer Dienstleistungen bis zum heutigen Tag“ als unzureichend einzustufen, wenn man berücksichtigt, dass die zuständige Behörde nach dem Grundsatz der Zusammenarbeit die ergänzenden Informationen anfordern kann, die sie zur Bestätigung der Erbringung und der detaillierten Merkmale der Leistungen für erforderlich erachtet?

18.      Zu dieser Frage haben vor dem Gerichtshof die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits, die Portugiesische Republik sowie die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 haben sich die Bundesrepublik Deutschland, die Portugiesische Republik und die Kommission geäußert.

V –    Rechtliche Würdigung

19.      Vor dem Hintergrund des Ausgangsrechtsstreits ersucht das vorlegende Gericht(8) letztlich um die Beantwortung zweier unterschiedlicher Fragen.

20.      Zum einen gilt es zu klären, ob Rechnungen wie die vorliegenden den Anforderungen des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie an den Inhalt einer Rechnung genügen (dazu sogleich unter A). Zum anderen sind die Folgen für das Recht auf Vorsteuerabzug zu bestimmen, falls die Angaben in den Rechnungen unzureichend sein sollten (dazu später unter B).

A –    Zu den Rechnungsangaben

21.      Als Erstes stellt sich somit die Frage, ob Rechnungen, wie sie im Ausgangsrechtsstreit vorliegen, den Anforderungen entsprechen, die Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie an den Inhalt einer Rechnung stellt.

22.      Der notwendige Inhalt einer Rechnung wird im vorliegenden Fall verbindlich und abschließend durch Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt. Denn die Vorschrift ist auf Rechnungen anzuwenden, die gemäß den Art. 220 und 221 der Mehrwertsteuerrichtlinie auszustellen sind. Die vorliegenden Rechnungen mussten nach Art. 220 Nr. 1 ausgestellt werden, weil Dienstleistungen an einen Steuerpflichtigen erbracht wurden. Über die Bestimmungen des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie hinaus darf das portugiesische Recht hingegen keine weiter gehenden Anforderungen an den Inhalt einer Rechnung stellen. Dies ergibt sich zum einen aus Art. 226 selbst, nach dem die Rechnungen „nur“ die dort aufgelisteten Angaben enthalten müssen, zum anderen aus Art. 273 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dem zufolge die Mitgliedstaaten für die Erhebung der Steuer keine weiteren Pflichten in Bezug auf die Rechnungstellung festlegen dürfen als diejenigen, die bereits in der Mehrwertsteuerrichtlinie enthalten sind.

23.      Wie die Portugiesische Republik zu Recht vorgetragen hat, reicht im vorliegenden Fall eine Auslegung nur der Nr. 6 des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie, auf die sich die Vorlagefrage konzentriert, nicht aus. Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort im Hinblick auf die Anforderungen des Unionsrechts(9) an den Inhalt einer Rechnung zu geben, ist darüber hinaus Nr. 7 der Vorschrift in die Untersuchung miteinzubeziehen.

24.      Nach diesen beiden Bestimmungen müssen die Rechnungen sowohl Angaben zu „Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen“ (Nr. 6) enthalten, als auch „das Datum, an dem […] die Dienstleistung erbracht bzw. abgeschlossen wird“ (Nr. 7).

1.      Umfang und Art der Dienstleistung

25.      Im Hinblick auf Nr. 6 des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie stellt sich die Frage, ob die in den vorliegenden Rechnungen verwandten Bezeichnungen, also die Formulierung „Erbringung juristischer Dienstleistungen“ innerhalb eines gewissen Zeitraums bzw. bis zu einem bestimmten Datum, die „Art“ (dazu sogleich unter a) und den „Umfang“ (dazu später unter b) der Dienstleistungen hinreichend bezeichnen.

a)      Zur Art der Dienstleistung

26.      Der Gerichtshof hat sich mit den Anforderungen des Art. 226 Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie an die Beschreibung der „Art“ einer Leistung bislang in einer einzigen Rechtssache beschäftigt, dort in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen. Bei Gegenständen erfordert Art. 226 Nr. 6 nämlich ebenso wie bei Dienstleistungen die Angabe ihrer „Art“. Aus der Rechtsprechung folgt nun, dass insoweit keine Verpflichtung besteht, die Ohrmarken gelieferter Tiere in einer Rechnung anzugeben(10), was eine zweifelsfreie Identifizierung jedes einzelnen gelieferten Gegenstands anhand der Rechnungsangaben ermöglichen würde.

27.      Daraus ist zunächst zu schließen, dass die Rechnungsangaben nach Art. 226 Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht sämtliche verfügbaren Informationen über einen gelieferten Gegenstand oder eine erbrachte Dienstleistung enthalten müssen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der nur von der „Art“ eines Gegenstands bzw. einer Dienstleistung spricht, nicht hingegen eine genaue Beschreibung des Gegenstands oder der Dienstleistung verlangt.

28.      Wenn somit nicht alle zur erbrachten Dienstleistung verfügbaren Informationen in einer Rechnung enthalten sein müssen, stellt sich jedoch die Frage, bis zu welchem Grad Informationen erforderlich sind, damit die „Art“ einer Dienstleistung hinreichend beschrieben wird. Ist also – bezogen auf den vorliegenden Fall – die Gesamtheit aller juristischen Dienstleistungen bereits eine solche Art, oder ist noch weiter zu unterscheiden zwischen verschiedenen Arten juristischer Dienstleistungen?

29.      Diese Frage lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik des Art. 226 Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie heraus beantworten. Sie muss deshalb im Hinblick auf den Zweck dieser Rechnungsangabe geklärt werden.

30.      Der jeweilige Zweck einer Rechnungsangabe hängt wiederum mit der Funktion zusammen, die eine Rechnung im Besteuerungssystem der Mehrwertsteuer zu erfüllen hat. Wie sich aus dem 46. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie ableiten lässt, dient die Rechnungstellung der Durchführung von Kontrollen durch die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten. Um solche Kontrollen zu ermöglichen, haben die Steuerpflichtigen nach Art. 244 der Mehrwertsteuerrichtlinie alle Rechnungen aufzubewahren, die sie erhalten haben, sowie Kopien aller Rechnungen, die sie selbst ausgestellt haben.

31.      Vor dem Hintergrund dieses Ziels hängt der Zweck jeder einzelnen Rechnungsangabe unmittelbar mit der Frage zusammen, was die Steuerverwaltungen auf der Grundlage einer Rechnung kontrollieren können sollen.

i)      Kontrolle der Entrichtung der zutreffenden Steuer

32.      Eine Rechnung dient zunächst dazu, die Entrichtung der Steuer durch den Aussteller der Rechnung zu kontrollieren.

33.      Dies folgt aus Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie. Danach kann der Empfänger einer Leistung sein Recht auf Vorsteuerabzug nur dann ausüben, wenn er eine Rechnung besitzt. Nach der Rechtsprechung dient dieses Erfordernis dazu, die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung sicherzustellen(11). Denn aufgrund dieser Regelung wird Vorsteuerabzug nur dann gewährt, wenn die Steuerverwaltung mit der Rechnung gleichzeitig auf ein Dokument zugreifen kann, das aufgrund der Pflichtangaben, die Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorschreibt, die notwendigen Informationen enthält, um auch die korrespondierende Zahlung der Mehrwertsteuer durch den Aussteller der Rechnung zu gewährleisten. Dieser Zugriff auf den Aussteller der Rechnung wird dabei durch Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie unterstützt. Danach schuldet der Aussteller die in der Rechnung ausgewiesene Steuer unabhängig davon, ob ein Steuertatbestand überhaupt verwirklicht, insbesondere ob eine Leistung überhaupt erbracht wurde(12). Dies erspart der Steuerverwaltung in einem solchen Fall einen entsprechenden Nachweis.

34.      Die Rechnung bildet so eine Art Versicherung für den Fiskus, indem sie den Vorsteuerabzug mit der Zahlung der Steuer in gewisser Weise verknüpft(13). Denn die Rechnung, ohne die ein Vorsteuerabzug nicht ausgeübt werden kann, gibt dem Fiskus zumindest die Möglichkeit, sich für den über den Vorsteuerabzug auszukehrenden Betrag beim Aussteller der Rechnung Deckung zu verschaffen, indem die Steuerverwaltung bei ihm die Entrichtung der korrespondierenden Steuer überprüft.

35.      Für diese Versicherungsfunktion sind allerdings nur bestimmte Angaben in der Rechnung erforderlich, insbesondere der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen, der die Leistung erbracht hat (Nr. 5 des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie), sowie ergänzend seine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer (Nr. 3). Einer Spezifizierung der „Art“ einer Leistung in der Rechnung bedarf es hingegen nicht, um die bloße Entrichtung der Steuer durch ihren Aussteller zu kontrollieren. Denn der Aussteller schuldet wie gesehen gemäß Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie in jedem Fall die in der Rechnung ausgewiesene Steuer, die ihr Empfänger als Vorsteuerabzug geltend macht. Eine Verbindung der Rechnung mit einer tatsächlich erbrachten Leistung ist hier gar nicht erforderlich.

36.      Der Umstand, dass somit zu den Pflichtangaben einer Rechnung gemäß Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie offenbar auch Angaben gehören, die für die Kontrolle der bloßen Entrichtung der Steuer nicht erforderlich sind, zeigt deutlich, dass sich die Funktion einer Rechnung hierin nicht erschöpfen kann. Zu diesen Angaben gehören nicht nur die Art gelieferter Gegenstände bzw. erbrachter Dienstleistungen (Nr. 6), sondern insbesondere auch die Angabe des Datums der Leistung (Nr. 7), der Bemessungsgrundlage der Steuer (Nr. 8), des anzuwendenden Steuersatzes (Nr. 9) bzw. einer anzuwendenden Steuerbefreiung (Nr. 11).

37.      Diese und weitere Angaben haben die Aufgabe – wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt(14) –, in der Rechnung „alle Informationen über die anzuwendende Mehrwertsteuerregelung“ aufzuführen.

38.      Den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten wird mit diesen zusätzlichen Angaben also die Kontrolle ermöglicht, ob der Aussteller der Rechnung für seine Leistung auch die zutreffende Steuer berechnet hat. Anhand dieser Angaben können die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten nämlich insbesondere überprüfen, ob der Aussteller den Ort der Leistung (Art. 31 ff. der Mehrwertsteuerrichtlinie), die Bemessungsgrundlage (Art. 72 ff.) und den Steuersatz (Art. 93 ff.) den rechtlichen Vorgaben entsprechend ermittelt hat, ob er zu Recht eine Steuerbefreiung (Art. 131 ff.) für anwendbar hielt oder berechtigterweise davon ausging, dass statt seiner der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (Art. 192a ff.).

39.      Für eine solche Kontrolle bedarf es nun auch einer Beschreibung der erbrachten Leistung in der Rechnung. Denn die zutreffende Steuer ist in vielerlei Hinsicht vom Inhalt der erbrachten Leistung abhängig, da sich auch die Sonderregelungen zum Ort der Leistung, zum Steuersatz, zu den Steuerbefreiungen usw. häufig am Inhalt einer Leistung orientieren. Die „Art“ einer Leistung muss deshalb in einer Rechnung mit einer Genauigkeit beschrieben sein, die zur Beurteilung der Anwendung des richtigen Steuersatzes, einer Steuerbefreiung oder einer sonstigen Sonderregelung geeignet ist(15).

40.      Nach diesen Maßstäben erscheint die vorliegend gewählte Bezeichnung „juristische Dienstleistungen“ ausreichend, um die zutreffende Berechnung der Steuer zu kontrollieren. Denn für mich ist keine Regelung des geltenden Mehrwertsteuerrechts der Union ersichtlich, welche die Bestimmung der zutreffenden Steuer von der Art einer juristischen Dienstleistung abhängig macht(16).

41.      Allerdings hat die Portugiesische Republik vorgetragen, dass eine detailliertere Beschreibung der Art der juristischen Dienstleistung im vorliegenden Fall deshalb erforderlich sei, weil das portugiesische Recht – abweichend von der Mehrwertsteuerrichtlinie, aber gedeckt von der Bestandsschutzklausel ihres Art. 113 – einen ermäßigten Steuersatz für bestimmte juristische Dienstleistungen vorsehe. Aus der allgemeinen Bezeichnung „juristische Dienstleistungen“ sei somit nicht ersichtlich, ob bei den Leistungen der Normalsatz oder der ermäßigte Steuersatz Anwendung finde.

42.      Falls dieser Vortrag zu dem im Ausgangsrechtsstreit anzuwendenden nationalen Recht zutrifft – die Klärung obliegt insoweit allein dem vorlegenden Gericht –, folgte daraus, dass im vorliegenden Fall die Art der Dienstleistung nicht hinreichend beschrieben wäre, um eine Kontrolle der zutreffenden Berechnung der Steuer zu ermöglichen.

43.      Dieses Ergebnis stünde zwar in einem gewissen Spannungsverhältnis mit dem vom Rat mit der Einführung der Bestimmungen zu den Pflichtangaben in einer Rechnung verbundenen Ziel, eine „harmonisierte Liste der Angaben, die jede Rechnung enthalten muss, aufzustellen“, um „ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten“(17). Denn vom Erbringer juristischer Dienstleistungen werden somit unterschiedlich detaillierte Angaben zur Art der Dienstleistung verlangt, je nachdem, ob sich der Leistungsort in Portugal oder in einem anderen Mitgliedstaat befindet.

44.      Allerdings ist dies letztlich nur die Folge des Bestehens unterschiedlicher Bestimmungen zu den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen in den Mitgliedstaaten. Dies betrifft nicht nur den hier von der Portugiesischen Republik vorgetragenen Fall eines Bestandsschutzes für ermäßigte Steuersätze gemäß Art. 113 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Auch die Anwendung der gemäß Art. 98 und Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie unionsweit festgelegten Tatbestände für ermäßigte Steuersätze steht im Belieben jedes Mitgliedstaats. Ursache etwaiger Reibungen im Rechnungs-Binnenmarkt sind deshalb nicht die Anforderungen an den Inhalt einer Rechnung, sondern die fehlende Harmonisierung im Bereich der ermäßigten Steuersätze.

45.      Sofern das vorlegende Gericht also feststellen sollte, dass im Ausgangsrechtsstreit das portugiesische Recht einen ermäßigten Steuersatz für bestimmte juristische Dienstleistungen vorsieht, genügte die allgemeine Formulierung „Erbringung juristischer Dienstleistungen“ in einer Rechnung nicht den Anforderungen, die Art. 226 Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie an die Angabe der „Art“ einer Dienstleistung stellt.

ii)    Kontrolle der Berechtigung zum Vorsteuerabzug

46.      Darüber hinaus dienen die Rechnung und ihr Inhalt nicht nur der Kontrolle der Entrichtung der zutreffenden Steuer durch ihren Aussteller. Wie sich ebenfalls aus der Entstehungsgeschichte des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt, soll die Rechnung zudem die Funktion erfüllen, den Vorsteuerabzug ihres Empfängers „zu rechtfertigen“(18).

47.      Auch der Empfänger einer Rechnung soll also im Hinblick auf seine Berechtigung zum Vorsteuerabzug von der Steuerverwaltung anhand der Rechnungsangaben kontrolliert werden können. Damit stellt sich die Frage, ob aus dieser Kontrollfunktion noch weiter gehende Anforderungen an die Genauigkeit der Beschreibung einer Dienstleistung in einer Rechnung folgen.

48.      Die Kontrolle der Berechtigung zum Vorsteuerabzug beginnt mit der Überprüfung, ob sich der Rechnungsempfänger überhaupt im Besitz einer Rechnung befindet. Dies bietet eine gewisse Gewähr dafür, dass die abgerechnete Leistung tatsächlich durchgeführt wurde(19), was eine Voraussetzung für das Bestehen des Rechts auf Vorsteuerabzug ist(20). Denn wie bereits dargelegt(21), schuldet der Aussteller gemäß Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie jede in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer. Aufgrund dessen besteht eine gewisse Hürde für den Aussteller, eine Rechnung über eine Leistung auszustellen, die gar nicht erbracht wurde. Für diese Kontrollfunktion der Rechnung ist jedoch die Angabe der Art einer Dienstleistung ebenso wenig erforderlich wie für die Kontrolle der bloßen Entrichtung der Steuer. Denn die Hürde für die Ausstellung einer Rechnung über eine inexistente Leistung beruht auf der Steuerschuld gemäß Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie, die wie gesehen nicht auf die Beschreibung der Leistung angewiesen ist(22).

49.      Darüber hinaus dient die Kontrolle, ob der Aussteller der Rechnung die Steuer in ihr auch zutreffend angegeben hat, wie sie bereits als Zweck einer Rechnung dargelegt wurde(23), spiegelbildlich der Überprüfung der zutreffenden Höhe des korrespondierenden Vorsteuerabzugs. Hieraus folgen aber ebenso wenig weiter gehende Anforderungen an die Beschreibung der Art einer Dienstleistung als die bereits festgestellten.

50.      Solche könnten sich aber ergeben, falls anhand der Rechnungsangaben eine weitere Voraussetzung des Vorsteuerabzugs kontrolliert werden soll, nämlich die tatsächliche oder beabsichtigte(24) Verwendung der bezogenen Leistungen für besteuerte Umsätze, die Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie verlangt.

51.      Sowohl die Portugiesische Republik als auch sinngemäß die Kommission haben dazu im vorliegenden Verfahren die Ansicht vertreten, die Beschreibung der Leistung in einer Rechnung müsse so detailliert sein, dass eine Überprüfung möglich ist, ob die Leistung für die wirtschaftliche Tätigkeit des Rechnungsempfängers bestimmt ist, aus der dann besteuerte Umsätze resultieren können, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.

52.      Ich kann mich dieser Sicht jedoch nicht anschließen.

53.      Zunächst ist es gar nicht möglich, eine Leistung in einer Rechnung so detailliert zu beschreiben, dass sich ihre private oder wirtschaftliche Natur bereits aus der Beschreibung der Leistung selbst ergibt. Wenn es beispielsweise um einen Bleistift geht, beantwortet die detaillierteste Beschreibung des Herstellers, Typs und der Eigenschaften und des Zustands des Bleistifts nicht die Frage, ob er tatsächlich privat oder im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet wird. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug kann insoweit auf der Grundlage einer Rechnung nicht kontrolliert werden, da grundsätzlich jeder Leistungsgegenstand sowohl für eine private als auch für eine wirtschaftliche Verwendung in Frage kommt. Dies gilt selbst für scheinbar offenkundig private Dienstleistungen, wie z. B. bei einem Kinobesuch, die im Einzelfall gleichwohl der Ausübung bestimmter wirtschaftlicher Tätigkeiten dienen können.

54.      Auch im vorliegenden Fall kann ich nicht erkennen, wie eine detailliertere, aber – dem Kontext einer Rechnung – angemessen knappe Beschreibung der „Erbringung juristischer Dienstleistungen“ eine eindeutige Antwort auf die Frage geben soll, ob diese für die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin des Ausgangsrechtsstreits verwendet werden. Selbst die von der Portugiesischen Republik alternativ vorgeschlagenen Beschreibungen wie etwa „Vertretung im Gerichtsverfahren X vor dem Gericht Y“ würden der Forderung nicht gerecht, eine solche Überprüfung zu ermöglichen. Denn für die Beurteilung der Berechtigung zum Vorsteuerabzug müsste man hier gleichwohl ermitteln, welchen Gegenstand das Gerichtsverfahren X hat.

55.      Bestehende Zweifel hinsichtlich der Verwendung einer Leistung für die wirtschaftliche Tätigkeit ihres Empfängers können somit im Rahmen einer Prüfung letztlich nur durch ergänzende Beweismittel vollständig ausgeräumt werden.

56.      Zwar wird es regelmäßig im Eigeninteresse des Rechnungsempfängers liegen, vom Aussteller der Rechnung eine möglichst detaillierte Beschreibung der Leistung anzufordern, um in Fällen einer Prüfung durch die Steuerverwaltung den Aufwand zu verringern, der durch das Beibringen ergänzender Beweismittel entsteht. Dieser Anreiz zugunsten einer detaillierteren Leistungsbeschreibung besteht jedoch, ohne dass unbestimmte Anforderungen an die Genauigkeit einer Leistungsbeschreibung – wie etwa „nach den Umständen des Einzelfalls“ – die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug bereits rechtlich versperren. Gerade weil die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie grundsätzlich vom Besitz einer Rechnung abhängt, welche die Anforderungen des Art. 226 erfüllt, dürfen die Anforderungen an den Inhalt einer Rechnung nicht übersteigert werden und müssen den Grundsatz der Rechtssicherheit wahren. Insbesondere wenn die Vorschriften des Unionsrechts nämlich finanzielle Konsequenzen haben – wie hier die Gewährung oder Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug –, muss ihre Anwendung für die Betroffenen nach der Rechtsprechung genau vorhersehbar sein(25).

57.      Somit haben sich unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle der Berechtigung des Rechnungsempfängers zum Vorsteuerabzug keine weiter reichenden Anforderungen zu den Rechnungsangaben zur Art einer Dienstleistung ergeben.

iii) Zwischenergebnis

58.       Im Ergebnis entspricht deshalb im vorliegenden Fall die Beschreibung der Dienstleistungen in den Rechnungen nur dann nicht den Anforderungen des Art. 226 Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie an die Angabe der „Art“ einer Dienstleistung, wenn das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass im Ausgangsrechtsstreit das portugiesische Recht einen ermäßigten Steuersatz nur für bestimmte juristische Dienstleistungen vorsieht.

b)      Zum Umfang der Dienstleistung

59.      Nicht nur die „Art“ einer Dienstleistung ist nach Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie in einer Rechnung anzugeben, sondern auch ihr „Umfang“. Es stellt sich somit die weitere Frage, ob die Angabe „Erbringung juristischer Dienstleistungen ab einem bestimmten Datum bis zum heutigen Tag“ bzw. lediglich „Erbringung juristischer Dienstleistungen bis zum heutigen Tag“ den Umfang der juristischen Dienstleistungen hinreichend beschreibt.

60.      Der Umfang einer Dienstleistung gibt ihre „Menge“ an, die gemäß Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie bei der Lieferung von Gegenständen zusätzlich zu ihrer „Art“ in einer Rechnung enthalten sein muss. Damit gibt die Rechnung Auskunft darüber, wie viel an Leistung erbracht wurde.

61.      Eine solche Angabe fehlt im vorliegenden Fall jedoch.

62.      Die Angabe des Umfangs der Dienstleistung wird auch nicht ersetzt durch die Angabe des Zeitraums, in dem Dienstleistungen erbracht wurden. Denn es ist nicht erkennbar, wie viele Dienstleistungen im jeweiligen Zeitraum erbracht wurden.

63.      Eine separate Angabe des Umfangs einer Dienstleistung kann allenfalls dann entfallen, wenn sich bereits aus der Beschreibung ihrer Art – bezogen auf den vorliegenden Fall zum Beispiel „Vertretung im Gerichtsverfahren X vor dem Gericht Y“ – ihr Umfang hinreichend ergibt. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Denn die Dienstleistungen wurden ihrer Art nach so unspezifisch als „juristische Dienstleistungen“ angegeben, dass sich ihr Umfang aus dieser Beschreibung nicht erkennen lässt.

64.      Somit entsprechen die Angaben im vorliegenden Fall insoweit nicht den Anforderungen des Art. 226 Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie, als sie den Umfang der erbrachten Dienstleistungen nicht angeben.

2.      Datum der Dienstleistung

65.      Des Weiteren ist zu prüfen, ob die Rechnungsangaben „Erbringung juristischer Dienstleistungen ab einem bestimmten Datum bis zum heutigen Tag“ bzw. lediglich „Erbringung juristischer Dienstleistungen bis zum heutigen Tag“ Art. 226 Nr. 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie genügen, wonach in einer Rechnung das Datum anzugeben ist, an dem „die Dienstleistung erbracht bzw. abgeschlossen wird“.

66.      Die umstrittenen Rechnungen enthalten nur die Angabe eines Zeitraums bzw. nur eines Enddatums für eine Mehrzahl juristischer Dienstleistungen, nicht aber einzelne Daten für einzelne erbrachte Dienstleistungen. Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt sich allerdings nicht, dass es nur Inhalt der Dienstleistung war, während eines gewissen Zeitraums generell für Beratungsleistungen zur Verfügung zu stehen(26); vielmehr ist davon auszugehen, dass über einzelne konkret erbrachte Dienstleistungen abgerechnet werden sollte.

67.      Zwar ist es gemäß Art. 223 der Mehrwertsteuerrichtlinie zulässig, über mehrere getrennte Dienstleistungen eine zusammenfassende Rechnung auszustellen. Dies beantwortet aber noch nicht die Frage, ob in dieser zusammenfassenden Rechnung das Datum jeder einzelnen Dienstleistung anzugeben oder die Angabe des Zeitraums, innerhalb dessen mehrere Dienstleistungen erbracht wurden, ausreichend ist.

68.      Wiederum ist auf den Zweck dieser Rechnungsangabe abzustellen. Wie gesehen dient die Rechnung u. a. der Kontrolle der Entrichtung der zutreffenden Steuer durch den Aussteller der Rechnung(27). Hierfür ist auch das Datum der Erbringung einer Dienstleistung erforderlich. Denn dieses Datum – und nicht etwa das Ausstellungsdatum der Rechnung – bestimmt grundsätzlich gemäß Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie, wann der Steuertatbestand im Sinne des Art. 62 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie verwirklicht wurde, und damit auch, welche Steuervorschriften in zeitlicher Hinsicht auf diesen Umsatz anzuwenden sind.

69.      Allerdings sieht Art. 64 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Sonderregelung für Dienstleistungen vor, die „zu aufeinander folgenden Abrechnungen Anlass“ geben, was vorliegend der Fall zu sein scheint. In dieser Konstellation ist der Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestands nicht das Datum der Erbringung jeder einzelnen Dienstleistung, sondern der Ablauf des Zeitraums, auf den sich die Abrechnung bezieht. Folglich sind in dieser Konstellation für die Kontrolle der Entrichtung der zutreffenden Steuer nicht die Daten aller erbrachten Dienstleistungen erforderlich, sondern nur die Angabe eines Zeitraums.

70.      Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Angabe „Erbringung juristischer Dienstleistungen ab einem bestimmten Datum bis zum heutigen Tag“ den Anforderungen des Art. 226 Nr. 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie genügt, die Angabe „Erbringung juristischer Dienstleistungen bis zum heutigen Tag“, die kein Datum für den Beginn des Abrechnungszeitraums angibt, hingegen nicht.

3.      Ergebnis

71.      Im Ergebnis entsprechen die vorliegenden Rechnungen erstens nicht den Anforderungen des Art. 226 Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie an die Angabe des „Umfangs“ einer Dienstleistung, zweitens dann nicht den Anforderungen dieser Vorschrift an die Angabe der „Art“ einer Dienstleistung, sofern im portugiesischen Recht ein ermäßigter Steuersatz nur für bestimmte juristische Dienstleistungen vorgesehen war, und drittens insoweit nicht den Anforderungen des Art. 226 Nr. 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie an die Angabe des „Datums“ einer Dienstleistung, soweit die Rechnungen keine Angabe über den Beginn des jeweiligen Abrechnungszeitraums enthalten.

B –     Zum Recht auf Vorsteuerabzug

72.      Als Zweites ist nun zu klären, welche Auswirkungen der Umstand, dass eine Rechnung nicht alle von Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie geforderten Angaben enthält, auf die Geltendmachung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch den Rechnungsempfänger hat.

73.      Insbesondere will das vorlegende Gericht wissen, ob es für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug ausreicht, wenn der Rechnungsempfänger, der den Vorsteuerabzug begehrt, die in der Rechnung fehlenden Angaben durch andere Dokumente ergänzt. Denn die Steuerverwaltung habe nach portugiesischem Recht die Möglichkeit, zusätzliche Informationen von dem Steuerpflichtigen anzufordern, der ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend macht. Solche ergänzenden Informationen habe die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits der portugiesischen Steuerverwaltung auch vorgelegt.

74.      Die Darstellung des Ausgangsrechtsstreits durch das vorlegende Gericht verstehe ich so, dass im vorliegenden Fall alle nach Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie bestehenden materiellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt sind. Allein die Rechnung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Damit ist zu prüfen, ob allein der Umstand, dass eine Rechnung nicht alle nach Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie erforderlichen Angaben enthält, die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs hindert.

1.      Voraussetzungen der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug

75.      Zur Beantwortung dieser Frage ist Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie auszulegen, der die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug regelt. Nach dieser Vorschrift muss der Steuerpflichtige, um sein nach Art. 168 Buchst. a bestehendes Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine „gemäß den Artikeln 220 bis 236 […] ausgestellte Rechnung besitzen“.

76.      Die gesetzliche Regelung ist ihrem Wortlaut nach eindeutig. Besitzt der Steuerpflichtige keine Rechnung, die den Anforderungen des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie entspricht, kann ihm zwar ein Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 168 Buchst. a zustehen. Gemäß Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie kann er dieses Recht jedoch solange nicht ausüben, wie er nicht eine Rechnung besitzt, die den Anforderungen des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie entspricht.

77.      Dieses strikte Erfordernis einer ordnungsgemäßen Rechnung für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug wird in systematischer Hinsicht durch Art. 181 der Mehrwertsteuerrichtlinie unterstrichen, der die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug beim entgeltlichen innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen gemäß Art. 168 Buchst. c betrifft. Um den Vorsteuerabzug in diesem Fall auszuüben, muss der Steuerpflichtige nach Art. 178 Buchst. c ebenfalls „eine gemäß den Artikeln 220 bis 236 ausgestellte Rechnung besitzen“. Nach Art. 181 der Mehrwertsteuerrichtlinie können die Mitgliedstaaten jedoch Steuerpflichtigen, die keine gemäß den Art. 220 bis 236 ausgestellte Rechnung besitzen, gleichwohl den Vorsteuerabzug gewähren. Für den Vorsteuerabzug beim Bezug entgeltlicher Dienstleistungen, um den es im vorliegenden Fall geht, existiert eine solche Vorschrift hingegen nicht. E contrario ist zu folgern, dass den Mitgliedstaaten im vorliegenden Fall des Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie die Gewährung von Vorsteuerabzug unionsrechtlich untersagt ist, wenn sich der Steuerpflichtige nicht im Besitz einer Rechnung befindet, die im Sinne des Art. 226 ordnungsgemäß ist.

78.      Auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt im Ergebnis diese grundsätzliche Unabdingbarkeit einer ordnungsgemäßen Rechnung für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Fall einer entgeltlichen Dienstleistung.

79.      Zunächst ist der Fall einer mangelhaft ausgestellten Rechnung zu unterscheiden von der Verletzung sonstiger formeller Pflichten, die nach der Rechtsprechung keinen Einfluss auf das Recht auf Vorsteuerabzug haben, wie etwa die fehlende mehrwertsteuerliche Registrierung des Erbringers(28) bzw. des Empfängers der Leistung(29) oder die Nichterfüllung von Aufzeichnungspflichten(30). Denn in den Fällen solcher formeller Pflichten fehlt es an einer Bestimmung wie der des Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie, der für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung vorschreibt.

80.      Für die formellen Pflichten, die Rechnungen betreffen, besteht somit eine besondere rechtliche Situation. Deshalb macht der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung auch die Geltendmachung des Rechts auf Vorsteuerabzug davon abhängig, dass die Rechnung die nach Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgeschriebenen Angaben enthält(31). Die Mitgliedstaaten dürfen diese Geltendmachung nur nicht von weiteren Anforderungen an den Inhalt einer Rechnung abhängig machen, die in der Mehrwertsteuerrichtlinie gar nicht vorgesehen sind(32).

81.      Zwar hat der Gerichtshof bei Umsätzen, die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegen, in mehreren Entscheidungen betont, dass der Vorsteuerabzug zu gewähren ist, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat(33), und hat insoweit zum Teil auch die Angaben in Rechnungen nur als unbeachtliche formelle Anforderungen eingestuft(34).

82.      Auf den vorliegenden Fall ist diese Rechtsprechung jedoch nicht zu übertragen. Zum einen stellt das Reverse-Charge-Verfahren einen Sonderfall dar, bei dem der Leistungsempfänger zugleich Steuerschuldner ist und das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben kann. Wenn aber Steuerschuld und Vorsteuerabzug in einer Person zusammenfallen, kann eine Rechnung keine vergleichbaren Funktionen erfüllen, wie sie für den vorliegenden Fall beschrieben wurden(35). Zum anderen war in den vom Gerichtshof entschiedenen Fällen für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Unionsrecht nur erforderlich, die „von dem jeweiligen Mitgliedstaat vorgeschriebenen Formalitäten [zu] erfüllen“(36). Das Mehrwertsteuerrecht der Union bestimmte somit für diese Fälle des Reverse-Charge-Verfahrens gerade nicht, dass der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugs ist.

83.      Dass der Gerichtshof in einem Einzelfall im Urteil Polski Trawertyn die genannte Rechtsprechung, die sich allein auf den Spezialfall des Reverse-Charge-Verfahrens bezieht, gleichwohl auf den vorliegend anzuwendenden Buchst. a des Art. 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie übertragen hat(37), ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung.

84.      Denn dem Gerichtshof ging es in jenem Urteil erkennbar nur um die Feststellung, dass in einem Fall der Rechtsnachfolge die Angabe des Rechtsvorgängers in der Rechnung nicht das Recht auf Vorsteuerabzug des Rechtsnachfolgers hindern kann(38). Somit war dort eine zwar vorhandene, aber unzutreffende Rechnungsangabe nicht in der Lage, die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in Frage zu stellen.

85.      Im vorliegenden Fall geht es aber nicht nur um eine unzutreffende Angabe, sondern um das gänzliche Fehlen notwendiger Angaben in einer Rechnung. Es ist nun eine Sache, wenn in Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie verlangte Angaben gar nicht bzw. nicht in ausreichendem Umfang vorhanden sind, eine andere aber, wenn sie vorhanden, aber unzutreffend sind(39). Im ersten Fall wird den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a in Verbindung mit Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie noch nicht einmal formal genügt.

86.      Darüber hinaus kann auch nur ein restriktives Verständnis des Urteils Polski Trawertyn einen Widerspruch zu der bereits angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs verhindern, die für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug den Besitz einer Rechnung verlangt, die den Anforderungen des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie genügt(40).

87.      Damit hindert im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Rechnungen nicht den Anforderungen des Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechen, gemäß Art. 178 Buchst. a grundsätzlich die Ausübung des Vorsteuerabzugs. Um sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige deshalb in einem solchen Fall vom Aussteller der Rechnung eine korrigierte Rechnung anfordern(41).

2.      Ergänzung durch weitere Informationen

88.      Dessen ungeachtet stellt sich die Frage, ob im Rahmen einer Betriebsprüfung die Vorlage ergänzender Informationen die in der Rechnung fehlenden Angaben ersetzen kann.

a)      Aus mehreren Dokumenten bestehende Rechnung

89.      Insofern ist zunächst auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass ergänzend vorgelegte Dokumente selbst Teil der Rechnung im Sinne des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie sein können.

90.      Den Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie ist nämlich nicht zu entnehmen, dass eine Rechnung aus einem einzigen Dokument bestehen muss. Gemäß der Legaldefinition des Art. 218 der Mehrwertsteuerrichtlinie gelten als Rechnung „alle auf Papier oder elektronisch vorliegenden Dokumente oder Mitteilungen“, sofern sie den Anforderungen des Kapitels 3 über die „Erteilung von Rechnungen“ genügen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass eine Rechnung aus mehreren Dokumenten besteht.

91.      Allerdings muss für den Fall, dass eine Rechnung aus mehreren Dokumenten zusammengesetzt ist, ein hinreichender inhaltlicher Bezug in einem der Dokumente auf das andere Dokument bestehen. Dies ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des Art. 219 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Danach wird einer Rechnung gleichgestellt „jedes Dokument und jede Mitteilung, das/die die ursprüngliche Rechnung ändert und spezifisch und eindeutig auf diese bezogen ist“. Wenn sich der Inhalt einer Rechnung also erst aus mehreren Dokumenten ergibt, so muss sich zumindest in einem Dokument ein hinreichender Verweis auf das andere Dokument befinden. Andernfalls würde sich der Inhalt einer Rechnung nicht aus dieser selbst ergeben, sondern beruhte allein auf dem Vortrag des Steuerpflichtigen, der den Zusammenhang zweier Dokumente behauptet. So könnten die Dokumente aber die dargelegten Kontrollfunktionen der Rechnung(42) nicht erfüllen.

92.      Anhand dieser Maßstäbe wird das vorlegende Gericht im Ausgangsrechtsstreit gegebenenfalls zu prüfen haben, ob die von der Klägerin im Rahmen der Betriebsprüfung vorgelegten Dokumente, wenn sie ebenfalls vom Aussteller der Rechnung stammen, als Teil der jeweiligen Rechnung anzusehen sind.

b)      Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

93.      Sofern das vorlegende Gericht jedoch feststellen sollte, dass die ergänzend vorgelegten Dokumente nicht als Teil einer Rechnung im Sinne des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen sind, stellt sich die Frage, ob der Inhalt der vorliegenden unvollständigen Rechnungen gleichwohl durch sonstige Informationen ergänzt werden kann, um ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen zu können.

94.      Zwar wurde bereits festgestellt, dass Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie grundsätzlich den Vorsteuerabzug ohne Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung versagt, so dass der Steuerpflichtige, der Vorsteuerabzug geltend machen will, zuerst eine vom Aussteller berichtigte Rechnung erhalten muss(43). Allerdings ist bei der Auslegung dieser Bestimmung auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten(44). Danach dürfen die Unionsorgane mit einer Regelung nicht über das zur Erreichung ihres Ziels erforderliche Maß hinausgehen(45).

95.      Wenn in einem Fall wie dem vorliegenden die materiellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgrund ergänzender Informationen nicht in Frage stehen, dann muss also das zusätzlich gemäß Art. 178 Buchst. a bestehende Erfordernis des Besitzes einer den Anforderungen des Art. 226 entsprechenden Rechnung noch einem bestimmten Ziel dienen und darf den Steuerpflichtigen auch nicht übermäßig belasten.

96.      Zunächst ist festzustellen, dass in einer Konstellation, in der das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht mehr in Frage steht, die Kontrollfunktion einer Rechnung offensichtlich insoweit obsolet ist, als sie der Kontrolle der Berechtigung zum Vorsteuerabzug dient(46). Insoweit wäre es also unverhältnismäßig, von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend macht, zu verlangen, eine Ergänzung der Rechnung bei ihrem Aussteller zu bewirken.

97.      Allerdings dient die Rechnung wie gesehen auch der Kontrolle der Entrichtung der zutreffenden Steuer durch ihren Aussteller(47). In seinem Besitz befindet sich im vorliegenden Fall nur die Kopie einer Rechnung, die den Anforderungen des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht entspricht. Insoweit erfüllt die Rechnung und insbesondere ihre Korrektur noch eine Kontrollfunktion. Zum einen wird nämlich der Aussteller der Rechnung durch die Bitte des Rechnungsempfängers um Berichtigung der Rechnung selbst zu einer Kontrolle angehalten, ob er die Leistung, über die abgerechnet wurde, zutreffend versteuert hat. Zum anderen erhalten aufgrund der Korrektur der Rechnung auch die für den Aussteller der Rechnung zuständigen Steuerbehörden eine bessere Grundlage für eine Überprüfung, ob der Aussteller seine Leistung zutreffend versteuert hat.

98.      Im Hinblick auf diese Kontrollfunktion der Rechnung bei ihrem Aussteller ist es damit grundsätzlich auch in einem Fall wie dem vorliegenden verhältnismäßig, wenn der Steuerpflichtige zur Geltendmachung seines Rechts auf Vorsteuerabzug eine Berichtigung der Rechnung bei seinem Vertragspartner bewirken muss. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Erfordernis einer solchen Berichtigung nicht dazu führt, dass sich der Inhalt des Rechts auf Vorsteuerabzug ändert. Insoweit könnte unter Umständen eine andere Beurteilung erforderlich sein, falls der Gerichtshof in einer parallel anhängigen Rechtssache(48) zu dem Ergebnis käme, dass die Berichtigung einer Rechnung – prima facie entgegen Art. 167 der Mehrwertsteuerrichtlinie – auch eine spätere Fälligkeit des Rechts auf Vorsteuerabzug zur Folge haben kann(49).

99.      Unabhängig davon kann sich allerdings eine Ausnahme von dem Erfordernis der Rechnungsberichtigung für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug für den Fall ergeben, dass eine Berichtigung der Rechnung ihre Kontrollfunktion beim Aussteller der Rechnung nicht mehr erfüllen kann. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die ausstellende Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit bereits liquidiert wurde. In diesem Fall erübrigt sich eine Kontrolle der Entrichtung der zutreffenden Steuer durch den Aussteller der Rechnung. Das Bestehen auf einer sinnlosen Berichtigung wäre hier unverhältnismäßig(50). Ob Gleiches auch dann gilt, wenn sich der Aussteller der Rechnung weigern sollte, eine Korrektur vorzunehmen, muss im vorliegenden Fall nicht entschieden werden.

100. Nach den Darlegungen des vorlegenden Gerichts bestehen keine Anhaltspunkte für derartige Ausnahmesituationen. Deshalb ist es vorliegend nicht unverhältnismäßig, von der Klägerin des Ausgangsrechtsstreits für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs zu verlangen, beim Aussteller eine Berichtigung der Rechnungen zu bewirken, damit diese den Anforderungen des Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechen.

3.      Ergebnis

101. Somit ist im Ergebnis festzustellen, dass es gemäß Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht ausreicht, wenn der Rechnungsempfänger, der den Vorsteuerabzug begehrt, die in der Rechnung fehlenden Angaben durch andere Informationen ergänzt, wenn es sich dabei nicht um Dokumente handelt, die selbst Teil der Rechnung sind. Etwas anderes gilt dann, wenn eine Berichtigung der Rechnung ihre Kontrollfunktion im Hinblick auf den Aussteller der Rechnung nicht mehr erfüllen kann.

VI – Entscheidungsvorschlag

102. Nach alledem sollte die Vorlagefrage des Tribunal Arbitral Tributário (Schiedsgericht in Steuersachen, Portugal) wie folgt beantwortet werden:

1.      Eine Rechnung, die als Angabe zur Art einer Dienstleistung lediglich die Bezeichnung „Erbringung juristischer Dienstleistungen“ enthält, genügt den Anforderungen des Art. 226 Nr. 6 der Richtlinie 2006/112/EG, es sei denn das nationale Recht sieht in unionsrechtskonformer Weise für bestimmte juristische Dienstleistungen eine unterschiedliche mehrwertsteuerliche Behandlung vor.

2.      Eine Rechnung, die als Angabe zum Umfang einer Dienstleistung lediglich die Bezeichnung „Erbringung juristischer Dienstleistungen ab einem bestimmten Datum bis zum heutigen Tag“ oder „Erbringung juristischer Dienstleistungen bis zum heutigen Tag“ enthält, genügt nicht den Anforderungen des Art. 226 Nr. 6 der Richtlinie 2006/112/EG.

3.      Eine Rechnung, die als Angabe zum Datum einer Dienstleistung lediglich die Bezeichnung „Erbringung juristischer Dienstleistungen bis zum heutigen Tag“ enthält, genügt nicht den Anforderungen des Art. 226 Nr. 7 der Richtlinie 2006/112/EG.

4.      Gemäß Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG reicht es für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht aus, wenn der Rechnungsempfänger, der den Vorsteuerabzug begehrt, die in einer Rechnung entgegen Art. 226 Nr. 6 oder 7 der Richtlinie 2006/112/EG fehlenden Angaben durch andere Informationen ergänzt, wenn es sich dabei nicht um Dokumente handelt, die selbst als Teil der Rechnung anzusehen sind. Ohne Berichtigung der Rechnung ist in diesem Fall eine Geltendmachung des Rechts auf Vorsteuerabzug dann möglich, wenn die Berichtigung ihre Kontrollfunktion im Hinblick auf den Aussteller der Rechnung ohnehin nicht mehr erfüllen kann.



1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – ABl. L 347, S. 1.


3 – ABl. L 145, S. 1.


4 – Dem zitierten Normtext entspricht in der Sechsten Richtlinie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a in der Fassung des Art. 28f Nr. 1, seinerseits in der Fassung des Art. 1 Nr. 10 der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer – Geltungsbereich bestimmter Steuerbefreiungen und praktische Einzelheiten ihrer Durchführung (ABl. L 102, S. 18).


5 – Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie wurde mittlerweile durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Rechnungsstellungsvorschriften (ABl. L 189, S. 1) neu gefasst. Seiner ursprünglichen Fassung entspricht in der Sechsten Richtlinie der Art. 18 Abs. 1 Buchst. a in der Fassung des Art. 28f Nr. 2, der durch Art. 1 Nr. 22 der Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen (ABl. L 376, S. 1) eingefügt wurde.


6 – Art. 28h der Sechsten Richtlinie wurde durch Art. 1 Nr. 22 der Richtlinie 91/680 (zitiert in Fn. 5) eingefügt.


7 – Art. 28h der Sechsten Richtlinie wurde durch Art. 2 der Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungstellung (ABl. L 15, S. 24) modifiziert.


8 – Nach dem Urteil Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta (C-377/13, EU:C:2014:1754, Rn. 22 bis 34) ist das Tribunal Arbitral Tributário ein Gericht im Sinne des Art. 267 AEUV.


9 – Vgl. u. a. Urteile Viessmann (C-280/91, EU:C:1993:103, Rn. 17), Ville d’Ottignies-Louvain-la-Neuve u. a. (C-225/13, EU:C:2014:245, Rn. 30) und Abcur (C-544/13 und C-545/13, EU:C:2015:481, Rn. 33).


10 – Urteil Evita-K (C-78/12, EU:C:2013:486, Rn. 52 und 53).


11 – Vgl. Urteil Terra Baubedarf-Handel (C-152/02, EU:C:2004:268, Rn. 37).


12 – Der Aussteller kann sich von dieser Steuerschuld allerdings unter bestimmten Umständen wieder befreien, vgl. u. a. Urteil Schmeink & Cofreth und Strobel (C-454/98, EU:C:2000:469).


13 – Vgl. in diesem Sinne auch Urteile Stroy trans (C-642/11, EU:C:2013:54, Rn. 31 und 32) und LVK (C-643/11, EU:C:2013:55, Rn. 35 und 36).


14 – Siehe die Begründung unter 1 zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungstellung (KOM[2000] 650 endg.), der zur Verabschiedung der Richtlinie 2001/115/EG führte (vgl. oben, Nr. 8), sowie die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu diesem Vorschlag, unter 1.1.1 (ABl. C 193, S. 53).


15 – Vgl. ebenso bereits die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Bockemühl (C-90/02, EU:C:2003:585, Nr. 73).


16 – Auch die Anwendung des Art. 47 der Mehrwertsteuerrichtlinie, der für „Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück“ einen abweichenden Ort einer Dienstleistung vorsieht, halte ich von vornherein für ausgeschlossen, da selbst juristische Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Grundstücks nach meiner Überzeugung nicht unter diese Bestimmung fallen, vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache RR Donnelley Global Turnkey Solutions Poland (C-155/12, EU:C:2013:57, Nrn. 37 bis 40).


17 – Siehe den 4. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/115 (vgl. oben, Nr. 8).


18 – Siehe die in Fn. 14 zitierten Nachweise.


19 – Vgl. in diesem Sinne bereits Urteil Reisdorf (C-85/95, EU:C:1996:466, Rn. 29).


20 – Vgl. u. a. Urteile Genius (C-342/87, EU:C:1989:635) und Fatorie (C-424/12, EU:C:2014:50, Rn. 39).


21 – Siehe oben, Nr. 33.


22 – Siehe oben, Nr. 35.


23 – Siehe oben, Nrn. 37 bis 39.


24 – Vgl. Urteil Gran Via Moineşti (C-257/11, EU:C:2012:759, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25 – Siehe nur Urteil Cabinet Medical Veterinar Tomoiagă Andrei (C-144/14, EU:C:2015:452, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


26 – Vgl. zu dieser Konstellation das Urteil Asparuhovo Lake Investment Company (C-463/14, EU:C:2015:542).


27 – Siehe oben, Nrn. 37 und 38.


28 – Urteile Dankowski (C-438/09, EU:C:2010:818, Rn. 36) und PPUH Stehcemp (C-277/14, EU:C:2015:719, Rn. 40).


29 – Urteile Nidera Handelscompagnie (C-385/09, EU:C:2010:627, Rn. 42 bis 51) sowie Salomie und Oltean (C-183/14, EU:C:2015:454, Rn. 58 bis 61).


30 – Urteil Ecotrade (C-95/07 und C-96/07, EU:C:2008:267, Rn. 63 bis 72).


31 – Vgl. Urteile Tóth (C-324/11, EU:C:2012:549, Rn. 32), Maks Pen (C-18/13, EU:C:2014:69, Rn. 47) und PPUH Stehcemp (C-277/14, EU:C:2015:719, Rn. 40); vgl. zur alten Rechtslage auch Urteil Petroma Transports u. a. (C-271/12, EU:C:2013:297, Rn. 25 bis 36).


32 – Urteile Polski Trawertyn (C-280/10, EU:C:2012:107, Rn. 42) und Evita-K (C-78/12, EU:C:2013:486, Rn. 51).


33 – Urteile Ecotrade (C-95/07 und C-96/07, EU:C:2008:267, Rn. 63), Nidera Handelscompagnie (C-385/09, EU:C:2010:627, Rn. 42), EMS-Bulgaria Transport (C-284/11, EU:C:2012:458, Rn. 71) und Fatorie (C-424/12, EU:C:2014:50, Rn. 35); vgl. bereits Urteil Bockemühl (C-90/02, EU:C:2004:206, Rn. 51).


34 – Vgl. Urteile Uszodaépítő (C-392/09, EU:C:2010:569, Rn. 39 bis 46) und Idexx Laboratories Italia (C-590/13, EU:C:2014:2429, Rn. 38 bis 42).


35 – Siehe oben, Nrn. 32 bis 57.


36 – Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d der Sechsten Richtlinie bzw. Art. 178 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie.


37 – Urteil Polski Trawertyn (C-280/10, EU:C:2012:107, Rn. 43).


38 – Vgl. Urteil Polski Trawertyn (C-280/10, EU:C:2012:107, Rn. 46) mit dem Hinweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Polski Trawertyn (C-280/10, EU:C:2011:592, Nr. 72).


39 – Vgl. zu letzterer Konstellation auch das Urteil Maks Pen (C-18/13, EU:C:2014:69, Rn. 31 und 32) einerseits und den Beschluss Jagiełło (C-33/13, EU:C:2014:184, Rn. 42) andererseits.


40 – Siehe oben, Nr. 80.


41 – Vgl. Urteile Pannon Gép Centrum (C-368/09, EU:C:2010:441, Rn. 43 und 44) sowie Petroma Transports u. a. (C-271/12, EU:C:2013:297, Rn. 34).


42 – Siehe oben, Nrn. 32 bis 57.


43 – Siehe oben, Nr. 87.


44 – Vgl. zum Gebot primärrechtskonformer Auslegung nur die Urteile Sturgeon u. a. (C-402/07, EU:C:2009:716, Rn. 48), Chatzi (C-149/10, EU:C:2010:534, Rn. 43), Orfey (C-549/11, EU:C:2012:832, Rn. 32) und Kommission/Strack (C-579/12 RX-II, EU:C:2013:570, Rn. 40).


45 – Vgl. u. a. Urteile Omega Air u. a. (C-27/00 und C-122/00, EU:C:2002:161, Rn. 62), Afton Chemical (C-517/07, EU:C:2008:751, Rn. 45) und Schaible (C-101/12, EU:C:2013:661, Rn. 29).


46 – Vgl. oben, Nrn. 46 bis 57.


47 – Vgl. oben, Nrn. 32 bis 45.


48 – Rechtssache Senatex (C-518/14; ABl. 2015, C 34, S. 12).


49 – Etwa auf der Grundlage der Befugnisse der Mitgliedstaaten gemäß den Art. 180 und 182 der Mehrwertsteuerrichtlinie.


50 – Dem stehen die Aussagen des Urteils Fatorie (C-424/12, EU:C:2014:50) nicht entgegen, da dort nur vordergründig die Auswirkungen fehlerhafter Rechnungen, in Wahrheit aber die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs verhandelt wurden.