Available languages

Taxonomy tags

Info

References in this case

Share

Highlight in text

Go

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 29. Juni 2016(1)

Rechtssache C-378/15

Mercedes Benz Italia SpA

gegen

Agenzia delle Entrate Direzione Provinciale Roma 3

(Vorabentscheidungsersuchen der Commissione tributaria regionale di Roma [Regionale Finanzkommission Rom, Italien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie 77/388/EWG – Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 – Vorsteuerabzug – Pro-rata-Abzug – Berechnung“





I –    Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen der Commissione tributaria regionale di Roma (Regionale Finanzkommission Rom, Italien) betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG(2), der den Mitgliedstaaten gestattet, von der allgemeinen Regel der in Unterabs. 2 dieses Absatzes und in Art. 19 dieser Richtlinie vorgesehenen Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs abzuweichen.

2.        In diesem Vorabentscheidungsersuchen geht es in erster Linie um den Anwendungsbereich der genannten Abweichung. Betrifft sie nur, wie es bei den anderen in Unterabs. 3 von Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie genannten Abweichungen der Fall ist, „gemischt genutzte Gegenstände und Dienstleistungen“, d. h. die Gegenstände und Dienstleistungen, die genutzt werden, um sowohl Umsätze zu bewirken, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die ein solches Recht nicht besteht, oder hat sie einen weiteren Anwendungsbereich als diese, so dass sie alle von einem „gemischt Steuerpflichtigen“ erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen umfasst, also einem Steuerpflichtigen, der sowohl Umsätze bewirkt, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch solche, für die dieses Recht nicht besteht? Es stellt sich außerdem die Frage, welche Berechnungsmethoden die Mitgliedstaaten gemäß dieser Abweichung vorschreiben können.

3.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mercedes Benz Italia SpA (im Folgenden: Mercedes Benz) und den italienischen Steuerbehörden über das Vorsteuerabzugsrecht dieser Gesellschaft.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

4.        Mit seiner Vorlagefrage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung der Art. 168 und 173 bis 175 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(3).

5.        Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich jedoch, dass der Ausgangsrechtsstreit das Recht von Mercedes Benz auf Vorsteuerabzug für das Steuerjahr 2004 betrifft. Daher wird, wie die Europäische Kommission darlegt, der im Ausgangsrechtsstreit maßgebliche Sachverhalt zeitlich nicht von der Richtlinie 2006/112 erfasst, die die Sechste Richtlinie erst mit Wirkung zum 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt hat(4).

6.        Daher ist die Sechste Richtlinie anzuwenden, was jedoch keine Auswirkung auf den Inhalt der Antwort auf die Frage des vorlegenden Gerichts hat, da die einschlägigen Bestimmungen der beiden Richtlinien im Wesentlichen identisch sind(5).

7.        Art. 17 („Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug“) Abs. 1, 2 und 5 der Sechsten Richtlinie in der Fassung, die sich aus Art. 28 Buchst. f dieser Richtlinie ergibt, lautet:

„(1)      Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.

(2)      Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,

(5)      Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.

Jedoch können die Mitgliedstaaten

a)      dem Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen geführt werden;

b)      den Steuerpflichtigen verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen zu führen;

c)      dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;

d)      dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihm vorschreiben, den Vorsteuerabzug nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten Umsätze verwendet wurden;

e)      vorsehen, dass der Betrag der Mehrwertsteuer, der vom Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden kann, nicht berücksichtigt wird, wenn er geringfügig ist.“

8.        Art. 19 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie sieht vor:

„(1)      Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:

–        im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;

–        im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer. Die Mitgliedstaaten können in den Nenner auch die Subventionen einbeziehen, die nicht in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a) genannt sind.

Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet.

(2)      In Abweichung von Absatz 1 bleibt der Umsatzbetrag bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs außer Ansatz, der auf die Lieferung von Investitionsgütern entfällt, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden. Außer Ansatz bleiben auch die Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücks- und Finanzgeschäfte …“

B –    Italienisches Recht

9.        Art. 19 Abs. 5 des Decreto del Presidente della Repubblica n. 633 – istituzione e disciplina dell’imposta sul valore aggiunto (Dekret Nr. 633 des Präsidenten der Italienischen Republik vom 26. Oktober 1972, mit dem die Mehrwertsteuer eingeführt und geregelt wird) (im Folgenden: DPR Nr. 633/72) sieht vor:

„Steuerpflichtige, die sowohl Tätigkeiten ausüben, die zu Umsätzen führen, bei denen das Recht zum Steuerabzug besteht, als auch Tätigkeiten, die zu steuerbefreiten Umsätzen führen …, haben das Recht zum Steuerabzug entsprechend dem verhältnismäßigen Anteil der ersten Kategorie von Umsätzen, und der entsprechende Betrag bestimmt sich in Anwendung des prozentualen Abzugsbetrags nach Art. 19-bis.“

10.      In Art. 19-bis des DPR Nr. 633/72 heißt es:

„1.      Der prozentuale Abzugsbetrag im Sinne von Art. 19 Abs. 5 bestimmt sich nach dem Verhältnis zwischen dem Betrag der zum Abzug berechtigenden Umsätze, die im jeweiligen Jahr ausgeführt worden sind, und dem vorgenannten Betrag zuzüglich der steuerbefreiten Umsätze, die in demselben Jahr ausgeführt worden sind. Der prozentuale Abzugsbetrag wird auf die nächste ganze Zahl auf- oder abgerundet, je nachdem, ob die erste Dezimalstelle größer ist als fünf oder nicht.

2. Bei der Berechnung des prozentualen Abzugsbetrags im Sinne von Abs. 1 werden die … in den Nrn. 1 bis 9 [von Art. 10 des DPR Nr. 633/72] aufgeführten steuerbefreiten Umsätze nicht berücksichtigt, wenn sie nicht Gegenstand der eigentlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen sind oder Neben- bzw. Hilfsumsätze zu steuerbaren Umsätzen sind, unbeschadet der Nichtabzugsfähigkeit von Steuern auf Gegenstände und Dienstleistungen, die ausschließlich für die Ausführung der letztgenannten Umsätze genutzt werden.“

III – Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

11.      Im Anschluss an eine Steuerprüfung richtete die Agenzia delle Entrate Direzione Provinciale Roma 3 (italienische Steuerverwaltung, Regionaldirektion Rom 3, Italien, im Folgenden: Agenzia) einen Steuerbescheid über die Mehrwertsteuer für das Steuerjahr 2004 an Mercedes Benz, mit dem ein Betrag in Höhe von 1 755 882 Euro sowie Bußgelder und Zinsen festgesetzt wurden. Aus dem Steuerbescheid ergab sich, dass die Zinsen, die von Mercedes Benz auf die ihren Tochterunternehmen gewährten Darlehen in Höhe von 41 878 647 Euro erhoben worden waren, zu Unrecht von der in Art. 19-bis des DPR Nr. 633/72 genannten Berechnung des Pro-rata-Satzes ausgeschlossen worden waren.

12.      In ihrer Steuererklärung über die Mehrwertsteuer für das Steuerjahr 2004 hatte Mercedes Benz ihre finanzielle Tätigkeit, nämlich die Gewährung von Darlehen, als Hilfs- bzw. Nebenumsatz zu der steuerpflichtigen Tätigkeit eingestuft und so den Ausschluss der auf diese Darlehen angefallenen Zinsen bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes gerechtfertigt. Die Agenzia sah die Gewährung dieser Darlehen unter Hinweis darauf, dass die in Rede stehenden Zinsen 71,64 % des gesamten Geschäftsvolumens der Gesellschaft ausmachten, als eine Haupttätigkeit von Mercedes Benz an.

13.      Die von Mercedes Benz gegen den Steuerbescheid der Agenzia erhobene Klage wies die Commissione tributaria provinciale di Roma (Provinzialfinanzkommission Rom, Italien) ab. Die Gesellschaft legte gegen das Urteil beim vorlegenden Gericht Berufung ein.

14.      Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits macht Mercedes Benz erstens geltend, ihre Finanzierungsumsätze hätten nur akzessorischen Charakter; zweitens bringt sie vor, das italienische Mehrwertsteuersystem wirke verzerrend zugunsten der italienischen Steuerbehörden, weil eine Methode des „mathematischen“ Pro-rata-Satzes angewandt werde, die ausschließlich auf ein formales Kriterium gestützt sei (die Zusammensetzung des Umsatzes des Steuerpflichtigen), statt einer Methode eines „natürlichen“ Pro-rata-Satzes, die auf einer effektiven Bewertung des Anteils der Erwerbe beruhe, die für die steuerbaren Umsätze bestimmt seien. In diesem Zusammenhang legte Mercedes Benz zwei Prüfberichte vor, die zu dem Schluss kamen, dass die Kosten, die der Gesellschaft im Jahr 2004 für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entstanden seien, nur zu einem sehr geringen Anteil ihren steuerbefreiten Umsätzen, nämlich ihrer Finanzierungstätigkeit, zugeordnet werden könnten(6).

15.      Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Bestimmungsmethode des in Art. 19 Abs. 5 des DPR Nr. 633/72 vorgesehenen Rechts auf Vorsteuerabzug für alle Gegenstände und Dienstleistungen gilt, die von einem gemischt Steuerpflichtigen in einem Steuerjahr erworben werden.

16.      Die Gesellschaft trägt vor, der italienische Gesetzgeber habe die Art. 173 bis 175 der Richtlinie 2006/112 falsch umgesetzt, indem er in Art. 19 Abs. 5 des DPR Nr. 633/72 vorgesehen habe, dass die in Art. 19-bis des DPR Nr. 633/72 genannte Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs für die Gesamtheit der Gegenstände und Dienstleistungen gelte, die von gemischt Steuerpflichtigen erworben worden seien. Eine solche Berechnungsmethode erlaube es nicht, mit Sicherheit den Teil der Mehrwertsteuer festzulegen, der den Umsätzen zugeordnet werden könne, die ein Recht auf Vorsteuerabzug eröffneten. Nach den genannten Artikeln dieser Richtlinie sei der Anwendungsbereich des Pro-rata-Satzes auf die Gegenstände und Dienstleistungen beschränkt, die der Steuerpflichtige nutze, um sowohl Umsätze zu bewirken, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe, als auch solche, für die dieses Recht nicht bestehe.

17.      Die Agenzia bekräftigt ihrerseits die Rechtmäßigkeit der Steuernachforderungen, indem sie auf die in ihrem Steuerbescheid genannten Gründe verweist.

18.      Die Commissione tributaria regionale di Roma (Regionale Finanzkommission Rom) hat entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Stehen die Art. 168 und 173 bis 175 der Richtlinie 2006/112 bei einer Auslegung anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Effektivität und der Neutralität, wie sie sich im Gemeinschaftsrecht herausgebildet haben, im Hinblick auf die Ausübung des Abzugsrechts nationalen Rechtsvorschriften (speziell Art. 19 Abs. 5 und Art. 19-bis des DPR Nr. 633/72) und der Praxis der nationalen Steuerverwaltung entgegen, wonach – auch für die Bestimmung der sogenannten Hilfs- bzw. Nebenumsätze – auf die Zusammensetzung des Geschäftsvolumens des Unternehmers abzustellen ist, ohne dass eine Berechnungsmethode vorgesehen wäre, die sich auf die Zusammensetzung und die tatsächliche Zweckbestimmung der Erwerbe gründet und die objektiv den Anteil der angefallenen Kosten widerspiegelt, der tatsächlich auf die einzelnen – besteuerten und nicht besteuerten – Tätigkeiten, die der Steuerpflichtige ausgeübt hat, entfällt?

19.      Mercedes Benz, die italienische Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und an der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2016 teilgenommen.

IV – Rechtliche Würdigung

A –    Zum Inhalt der Vorlagefrage

20.      Mit seiner Vorlagefrage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung von Art. 19 Abs. 5 und Art. 19-bis des DPR Nr. 633/72 sowie um die Beurteilung der Praxis der nationalen Steuerverwaltung, um feststellen zu lassen, ob diese Artikel und diese Praxis mit den Art. 168 und 173 bis 175 der Richtlinie 2006/112 vereinbar sind.

21.      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 267 AEUV der Gerichtshof für die Entscheidung über die Auslegung der Verträge sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Europäischen Union zuständig ist. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs beschränkt sich auf die Prüfung der Bestimmungen des Unionsrechts. Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts, zu beurteilen, welche Bedeutung die nationalen Bestimmungen haben und wie sie anzuwenden sind(7).

22.      Darüber hinaus wird der maßgebliche Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, wie in den Nrn. 5 und 6 der vorliegenden Schlussanträge angemerkt, zeitlich nicht von der Richtlinie 2006/112, sondern von der Sechsten Richtlinie erfasst.

23.      Daher ist die Vorlagefrage dahin zu verstehen, dass es darum geht, ob Art. 17 Abs. 2 und 5 und Art. 19 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung und einer Praxis der nationalen Steuerverwaltung wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach Steuerpflichtige, die sowohl Umsätze bewirken, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch solche, für die dieses Recht nicht besteht, den Betrag der abzugsfähigen Vorsteuer durch die Anwendung eines gemäß Art. 19 dieser Richtlinie festgelegten Pro-rata-Satzes für die Gesamtheit der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen zu bestimmen haben, einschließlich der Gegenstände und Dienstleistungen, die ausschließlich zur Bewirkung von Umsätzen, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, oder solcher, für die dieses Recht nicht besteht, verwendet werden.

B –    Einleitende Bemerkungen

24.      Zunächst ist kurz auf die wesentlichen Grundsätze einzugehen, die für das Recht auf Vorsteuerabzug gelten.

25.      Aus Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ergibt sich, dass ein Steuerpflichtiger einen Vorsteuerabzug vornehmen kann, soweit „die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden“. Das Recht auf Vorsteuerabzug beruht auf der Zuordnung von Eingangskosten zu Ausgangsumsätzen(8).

26.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das in den Art. 17 ff. dieser Richtlinie vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug ein fundamentaler Grundsatz des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, das grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann und für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden kann(9).

27.      Durch diese Regelung soll, wie es der Gerichtshof formuliert hat, der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher, dass alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, sofern sie der Mehrwertsteuer unterliegen, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis in völlig neutraler Weise steuerlich belastet werden(10).

28.      Soweit die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet werden, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, kann es somit weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen(11).

29.      Folgerichtig sieht Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie vor, dass bei gemischt genutzten Gegenständen und Dienstleistungen(12) der Abzug der Vorsteuer nur „für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig ist, der auf den Betrag der … Umsätze entfällt[, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht]“. Nach seinem Unterabs. 2 wird dieser Teil gemäß Art. 19 der Richtlinie bestimmt, dessen Abs. 1 im Wesentlichen den Abzug eines Bruchteils vorsieht, der den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen, dividiert durch die Gesamtumsätze, entspricht(13).

30.      Die in Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs impliziert eine näherungsweise Ermittlung des Teils der Mehrwertsteuer, der zu den steuerbaren Umsätzen des Steuerpflichtigen gehört, da es schwierig, wenn nicht gar unmöglich wäre, mit Sicherheit zu bestimmen, inwieweit die gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen für diese Umsätze verwendet werden(14). Diese Berechnung beruht auf der Annahme, dass die Zusammensetzung der gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen der Zusammensetzung des Geschäftsvolumens des Steuerpflichtigen entspricht. Anders gesagt geht die allgemeine Regel des Pro-rata-Satzes von dem Grundsatz aus, dass die gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen für seine steuerbaren Tätigkeiten und seine steuerbefreiten Tätigkeiten im Verhältnis zu ihrem jeweiligen Umsatzvolumen verwendet werden.

31.      Nach Unterabs. 3 des Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie können die Mitgliedstaaten jedoch von der in Art. 19 dieser Richtlinie vorgesehenen allgemeinen Regel des Vorsteuerabzugs abweichen, indem sie dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den abziehbaren Betrag unter Anwendung spezieller Pro-rata-Sätze, nämlich einer der anderen in diesem Unterabsatz Buchst. a bis e genannten Berechnungsmethoden, zu bestimmen(15).

32.      In der vorliegenden Rechtssache hat die italienische Regierung erklärt, dass der italienische Gesetzgeber mit dem Erlass der streitigen Regelung, nämlich Art. 19 Abs. 5 und Art. 19-bis des DPR Nr. 633/72, von der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie(16) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht habe. Es erscheint mir außerdem offensichtlich, dass diese Regelung nicht nach den anderen in diesem Unterabsatz Buchst. a bis e vorgesehenen Abweichungen gerechtfertigt werden kann, die es erlauben, einen besonderen Pro-rata-Satz für jeden Tätigkeitsbereich festzulegen (Buchst. a und b), einen Vorsteuerabzug nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände und Dienstleistungen zu einer bestimmten Tätigkeit zuzulassen (Buchst. c) und geringfügige Beträge der Mehrwertsteuer unberücksichtigt zu lassen (Buchst. e)(17). Daher werde ich mich in der folgenden Würdigung auf die Prüfung der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Abweichung beschränken.

33.      Es stellt sich daher die Frage, ob die in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie vorgesehene Abweichung (im Folgenden: Abweichung nach Buchst. d) eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren anwendbare gestattet, die gemischt Steuerpflichtigen vorschreibt, den Betrag des Vorsteuerabzugs für alle auf der Eingangsstufe erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen unabhängig von ihrer Verwendung durch die Anwendung eines nach Art. 19 der Sechsten Richtlinie festgelegten Pro-rata-Satzes zu bestimmen.

34.      Diese Frage hat zwei Aspekte, die ich nacheinander prüfen werde. Erstens ist nach dem Anwendungsbereich der Abweichung nach Buchst. d zu fragen und insbesondere danach, ob sie, anders als die allgemeine Regel des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs und der anderen in den Unterabs. 1 und 3 des Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Abweichungen, mehr als die gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen betrifft. Zweitens stellt sich die Frage nach den Berechnungsmethoden, die durch die Abweichung nach Buchst. d gestattet sind.

C –    Zum Anwendungsbereich von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie

1.      Zu den verschiedenen Auslegungsvorschlägen

35.      Nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie können die Mitgliedstaaten, „dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihm vorschreiben, den Vorsteuerabzug nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten Umsätze verwendet wurden“.

36.      Für die Wendung „bei allen Gegenständen und Dienstleistungen …, die für die dort genannten Umsätze verwendet wurden“ werden in der vorliegenden Rechtssache zwei verschiedene Auslegungen vorgeschlagen.

37.      Die italienische Regierung und die Kommission(18) sind der Ansicht, diese Wendung sei dahin zu verstehen, dass sie alle Gegenstände und Dienstleistungen betreffe, die entweder für Umsätze verwendet würden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe, oder für solche, für die dieses Recht nicht bestehe. Diese Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass die Gesamtheit der von einem gemischt Steuerpflichtigen in einem Steuerjahr erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der Abweichung nach Buchst. d einzubeziehen ist.

38.      Mercedes Benz trägt hingegen vor, diese Wendung sei dahin auszulegen, dass sie allein die gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen erfasse, die der Steuerpflichtige in einem Steuerjahr erwerbe.

39.      Ich räume ein, dass der Wortlaut von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie nicht durch seine Klarheit besticht(19). Aus den nachfolgenden Gründen schließe ich mich gleichwohl der von Mercedes Benz befürworteten Auslegung an, da die von der italienischen Regierung und der Kommission vorgeschlagene meiner Ansicht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zuwiderläuft und mit dem Zweck unvereinbar ist, der mit den in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Abweichungen verfolgt wird(20).

2.      Zur Rechtsprechung des Gerichtshofs

40.      Der allgemeine Grundsatz des in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie genannten Pro-rata-Satzes ist zweifellos auf gemischt genutzte Gegenstände und Dienstleistungen beschränkt, wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung selbst ergibt(21).

41.      Das durch Art. 17 Abs. 5 dieser Richtlinie eingeführte System des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs unterscheidet somit nach der Nutzung der Gegenstände und Dienstleistungen und nicht nach der Art des Steuerpflichtigen. Offenkundig sind nur die gemischt Steuerpflichtigen von der Regel des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs betroffen, da sie die einzigen Steuerpflichtigen sind, die im Sinne der Richtlinie gemischt genutzte Gegenstände und Dienstleistungen erwerben(22). Es bleibt jedoch dabei, dass das maßgebliche Kriterium für die Anwendung dieses Artikels die Art der Gegenstände und Dienstleistungen und nicht die Art des betreffenden Steuerpflichtigen ist.

42.      Der Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass die gemischt Steuerpflichtigen genau wie die Personen zu behandeln sind, die ausschließlich steuerbare oder steuerbefreite Tätigkeiten ausüben(23), damit sie die gesamte Mehrwertsteuer, die sie auf den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet haben, die ausschließlich für ihre steuerbaren Umsätze verwendet wurden, als Vorsteuer abziehen können und keinen Teil der Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen können, die sie auf den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet haben, die ausschließlich für ihre steuerbefreiten Umsätze verwendet wurden.

43.      Zum Anwendungsbereich der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Abweichungen hat sich der Gerichtshof ausdrücklich im Urteil Portugal Telecom(24) wie folgt geäußert:

„39      [D]er Gerichtshof [hat] entschieden, dass Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer auf Eingangsumsätze, die von dem Steuerpflichtigen ‚sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht‘, in der Weise regelt, dass der Vorsteuerabzug auf den Teil beschränkt ist, der dem Betrag der erstgenannten Umsätze entspricht. Gemäß dieser Vorschrift kann ein Steuerpflichtiger, der Gegenstände und Dienstleistungen sowohl für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze als auch für Umsätze, die nicht dazu berechtigen, verwendet, den Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer vornehmen, der dem Betrag der erstgenannten Umsätze entspricht (Urteil [vom 27. September 2001,] Cibo Participations, [C-16/00, EU:C:2001:495,] Rn. 28 und 34).

40      Aus dieser Rechtsprechung geht zum einen hervor, dass die in Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Abzugsregelung nur die Fälle erfasst, in denen der Steuerpflichtige die Gegenstände und Dienstleistungen sowohl für wirtschaftliche Tätigkeiten, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für wirtschaftliche Tätigkeiten, für die dieses Recht nicht besteht, verwendet, also gemischt nutzt, und zum anderen, dass die Mitgliedstaaten eine der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Abzugsmethoden nur für diese Gegenstände und Dienstleistungen verwenden dürfen.

41      Hingegen fallen Gegenstände und Dienstleistungen, die der Steuerpflichtige nur für wirtschaftliche Tätigkeiten verwendet, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie, sondern unter die Vorsteuerabzugsregelung des Art. 17 Abs. 2 dieser Richtlinie.“

44.      Der Gerichtshof hat somit nicht zwischen den verschiedenen in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Abweichungen unterschieden. Dieser Ansatz, der später durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs(25) bestätigt wurde, schließt meiner Ansicht nach die Auslegung aus, wonach die Abweichung nach Buchst. d die Anwendung eines Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs bei allen Gegenständen und Dienstleistungen gestattet, die von einem gemischt Steuerpflichtigen erworben wurden.

45.      Diese Feststellung würde grundsätzlich für die Schlussfolgerung genügen, dass Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren anwendbaren entgegensteht, die einer großen Zahl von Steuerpflichtigen, die gemischte Tätigkeiten ausüben, vorschreibt, den abziehbaren Betrag durch die Anwendung eines Pro-rata-Satzes für die Gesamtheit der von ihnen erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen zu bestimmen. Im folgenden Teil werde ich darlegen, dass eine teleologische Auslegung von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d dieser Richtlinie zum gleichen Ergebnis wie dem führt, zu dem der Gerichtshof in der Rechtssache Portugal Telecom(26) gelangt ist.

3.      Zur teleologischen Auslegung von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie

46.      Angesichts des Charakters von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie als Abweichung erscheint mir das im Urteil Portugal Telecom(27) festgehaltene Ergebnis, wonach diese Bestimmung nicht mehr als die gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen erfasst, durchaus logisch, da Abweichungen im Allgemeinen keinen weiteren Anwendungsbereich als die allgemeine Regel haben, von der sie abweichen sollen(28).

47.      Dieses Ergebnis wird außerdem durch den Zweck gestützt, der mit den in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie genannten Abweichungen verfolgt wird.

48.      So ergibt sich aus den vorbereitenden Arbeiten zur Sechsten Richtlinie(29), dass mit diesem Unterabs. 3 „Ungleichmäßigkeiten der Besteuerung vermieden werden sollen. Diese Ungleichmäßigkeiten können sich sowohl zum Schaden wie auch zum Vorteil des Steuerpflichtigen auswirken, da die allgemeine Pro-rata-Regel einen pauschalen Charakter aufweist, so dass Abzüge möglich sind, die niedriger oder höher liegen, als es aufgrund der tatsächlichen Zuordnung zulässig wäre. Deshalb können die Mitgliedstaaten dem Steuerpflichtigen gestatten oder vorschreiben, spezielle Pro-rata-Sätze zu ermitteln und den Abzug entsprechend der tatsächlichen Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen zu den steuerpflichtigen Tätigkeiten vorzunehmen, sofern der Steuerpflichtige diese Zuordnung anhand getrennter Aufzeichnungen nachweisen kann.“

49.      Die Ungleichmäßigkeiten, auf die in den vorbereitenden Arbeiten hingewiesen wird, treten auf, wenn das durch die einzelnen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen generierte Einkommen nicht im angemessenen Verhältnis steht zur Belastung durch die Kosten einschließlich der Mehrwertsteuer, die für den Erwerb der gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen aufgewendet wurden. In einem solchen Fall würde der gemäß Art. 19 der Sechsten Richtlinie, d. h. auf der Grundlage des Geschäftsvolumens, festgelegte allgemeine Pro-rata-Satz nicht den Teil der Mehrwertsteuer angemessen widerspiegeln, der den steuerbaren Tätigkeiten zuzuordnen ist, da dieser Pro-rata-Satz auf einer falschen Annahme beruht(30).

50.      Wenn z. B. ein gemischt Steuerpflichtiger seinen Umsatz im Wesentlichen mit seinen steuerbefreiten Tätigkeiten erzielt (z. B. mit Finanz- oder Versicherungsdienstleistungen), für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, obwohl die gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen, die der Steuerpflichtige erworben hat, hauptsächlich für steuerbare Tätigkeiten verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, führt der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs, der gemäß Art. 19 der Sechsten Richtlinie berechnet wird, indem auf die Zusammensetzung des Umsatzes des Steuerpflichtigen abgestellt wird, notwendigerweise zu einem geringeren als dem auf der Grundlage der tatsächlichen Verwendung dieser Gegenstände und Dienstleistungen bestimmten Vorsteuerbetrag.

51.      Wenn dagegen der größte Teil des Umsatzes aus steuerbaren Tätigkeiten herrührt, während die erworbenen gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen hauptsächlich für steuerbefreite Tätigkeiten verwendet werden, ist der abziehbare Betrag, der sich aus der Anwendung des allgemeinen Pro-rata-Satzes ergibt, im Verhältnis zur tatsächlichen Verwendung dieser Gegenstände und Dienstleistungen „zu hoch“. In beiden Fällen wäre der Wert des Pro-rata-Satzes, der nach der in Art. 19 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Berechnungsmethode bestimmt wurde, verfälscht, da die Zusammensetzung des Umsatzes des gemischt Steuerpflichtigen nicht der tatsächlichen Verwendung der gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen entspricht(31).

52.      Um diese Ungleichmäßigkeiten zu vermeiden und so die Neutralität der Mehrwertsteuer sicherzustellen, erlaubt Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a bis d der Sechsten Richtlinie den Mitgliedstaaten, dem Steuerpflichtigen zu gestatten oder ihn zu verpflichten, eine der anderen Berechnungsmethoden anzuwenden, um den abziehbaren Betrag zu bestimmen(32).

53.      Obwohl die in Art. 19 der Sechsten Richtlinie vorgesehene allgemeine Berechnungsmethode bezweckt, die Bestimmung des „Teil[s] der Mehrwertsteuer …, der auf den Betrag der [besteuerten] Umsätze entfällt“, im Sinne von Art. 17 Abs. 5 dieser Richtlinie zu vereinfachen, bezweckt Unterabs. 3 dieses Absatzes, die durch dieses Vereinfachungsinstrument geschaffenen Ungleichmäßigkeiten zu verringern(33). Im Einklang mit diesen Grundsätzen hat der Gerichtshof entschieden, dass dieser Unterabsatz es den Mitgliedstaaten ermöglichen soll, andere Berechnungsmethoden anzuwenden, um zu präziseren Ergebnissen bei der Bestimmung des Umfangs des Abzugsrechts zu gelangen(34).

54.      Was jedoch die Gegenstände und Dienstleistungen betrifft, die ausschließlich verwendet wurden, um entweder steuerbare oder steuerbefreite Umsätze zu tätigen, kann der abziehbare Betrag unschwer genau bestimmt werden, ohne auf die Vereinfachungsinstrumente zurückzugreifen. Daher betrüge der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs in Bezug auf diese Gegenstände und Dienstleistungen auf jeden Fall 100 % bzw. 0 %. Aus diesem Grund gilt das Vereinfachungsziel nicht für diese Gegenstände und Dienstleistungen und rechtfertigt somit keine näherungsweise Ermittlung des abziehbaren Betrags.

55.      Hingegen verstieße es gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, wenn auf diese Gegenstände und Dienstleistungen eine Methode der Berechnung durch näherungsweise Ermittlung angewandt würde. Erstens würde sie die gemischt Steuerpflichtigen ihres in der Sechsten Richtlinie enthaltenen Rechts berauben, die gesamte auf die erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen, die ausschließlich für Zwecke besteuerter Tätigkeiten verwendet wurden, entrichtete Vorsteuer abzuziehen. Zweitens würde sie es erlauben, nicht von dieser Richtlinie erfasste Abzüge vorzunehmen, da sie den Abzug eines Teils der auf erworbene Gegenstände und Dienstleistungen, die ausschließlich für Zwecke steuerbefreiter Tätigkeiten verwendet wurden, entrichteten Mehrwertsteuer gestatten würde.

56.      Wie der Gerichtshof entschieden hat, sind Abweichungen nur in den in der Sechsten Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig(35). Ich bezweifle stark, dass die vorstehend beschriebenen erheblichen Abweichungen, wie sie die italienische Regierung und die Kommission vorschlagen, vom Unionsgesetzgeber gewollt waren.

57.      Weder der Text der Sechsten Richtlinie noch die Vorarbeiten dazu enthalten einen Hinweis auf einen solchen Willen des Gesetzgebers(36). Hingegen zeigt gerade der Umstand, dass die Abweichung nach Buchst. d in Unterabs. 3 von Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie geregelt ist, meiner Ansicht nach, dass es sich um eine Abweichung von der in Art. 19 dieser Richtlinie vorgesehenen Berechnung des allgemeinen Pro-rata-Satzes handelt und nicht um eine Abweichung von dem in ihrem Art. 17 Abs. 2 aufgestellten allgemeineren Grundsatz, wonach der Steuerpflichtige zu einem Abzug von der von ihm geschuldeten Steuer befugt ist, „[s]oweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden“.

58.      Entgegen dem Vortrag der italienischen Regierung bin ich der Ansicht, dass die dem gemischt Steuerpflichtigen von der italienischen Regelung(37) eingeräumte Möglichkeit, sich für die Trennung seiner Tätigkeiten zu entscheiden, so dass er, wenn er von dieser Option Gebrauch mache, das Recht habe, die Mehrwertsteuer, die er auf den sich auf seine steuerbaren Tätigkeiten beziehenden Erwerb entrichtet habe, vollständig abzuziehen, nicht aber die Mehrwertsteuer, die er auf den sich auf seine steuerbefreiten oder nicht steuerbaren Tätigkeiten beziehenden Erwerb entrichtet habe, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Regelung mit der Sechsten Richtlinie hat.

59.      Eine solche Option mit rein fakultativem Charakter macht den von der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Abzug von einer Wahl des Steuerpflichtigen abhängig, was mit dem Ziel dieser Richtlinie, eine extensive Harmonisierung der Regeln im Bereich der Mehrwertsteuer sicherzustellen, nicht vereinbar ist(38).

60.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof grundsätzlich uneingeschränkt in der Lage ist, auf die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage mit der Feststellung zu antworten dass Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach gemischt Steuerpflichtige den abziehbaren Vorsteuerbetrag durch die Anwendung eines Pro-rata-Satzes, der gemäß Art. 19 dieser Richtlinie festgelegt wird, für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen unabhängig von ihrer Verwendung zu bestimmen haben.

61.      Gleichwohl werde ich mich der Vollständigkeit halber im Folgenden zu den Berechnungsmethoden äußern, die gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie von den Mitgliedstaaten vorgeschrieben werden können. Damit lässt sich außerdem das Vorbringen der italienischen Regierung zurückweisen, dass die Auslegung, die ich in Bezug auf den Anwendungsbereich der genannten Bestimmung befürworte, diese ihres Sinnes berauben würde, weil mit ihr nur das wiederholt würde, was der erste Unterabsatz dieses Absatzes ohnehin vorschreibe.

D –    Zu den nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie erlaubten Berechnungsmethoden

62.      Nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie ist der Vorsteuerabzug „nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel“ vorzunehmen.

63.      Ich räume ein, dass dieser Verweis auf den in Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen allgemeinen Grundsatz des Pro-rata-Satzes Auslegungsprobleme insbesondere hinsichtlich der von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d dieser Richtlinie erlaubten Berechnungsmethoden aufwirft.

64.      Die Rechtsprechung liefert jedoch insoweit zwei nützliche Klarstellungen.

65.      Auch wenn, erstens, die Sechste Richtlinie zwar nicht genau festlegt, welche Berechnungsmethoden die Mitgliedstaaten gemäß der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a bis d der Sechsten Richtlinie geregelten Abweichung anwenden können, erlauben es diese Abweichungen doch, andere Berechnungsmethoden als die in Art. 19 dieser Richtlinie vorgesehenen anzuwenden, was durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt wird(39).

66.      Daraus folgt indirekt, anders als die italienische Regierung und die Kommission vortragen(40), dass der Verweis in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie auf Unterabs. 1 dieses Absatzes nicht die in dessen Unterabs. 2 und in Art. 19 dieser Richtlinie vorgesehene Berechnungsmethode betrifft, sondern nur den allgemeinen Grundsatz des Pro-rata-Satzes, nach dem der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig ist, der auf den Betrag der Umsätze entfällt, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht(41).

67.      Folglich erlaubt es die Abweichung nach Buchst. d, wie mir scheint, andere Pro-rata-Sätze als den gemäß Art. 19 dieser Richtlinie festgelegten „Standard“-pro-rata-Satz anzuwenden(42). Diese Abweichung überlässt es zwar den Mitgliedstaaten, eine Berechnungsmethode festzulegen, sie erlaubt aber keine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die die in Art. 19 vorgesehene Methode über den Anwendungsbereich des Systems des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs hinaus erweitert, nämlich auf Gegenstände und Dienstleistungen, die ausschließlich verwendet werden, um steuerbare oder steuerbefreite Umsätze zu tätigen.

68.      Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie es den Mitgliedstaaten ermöglichen soll, die Besonderheiten bestimmter Tätigkeiten der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, um zu genaueren Ergebnissen bei der Bestimmung des Umfangs des Abzugsrechts zu gelangen(43). Aus ihr ergibt sich außerdem, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen durch diese Bestimmung übertragenen Befugnisse die praktische Wirksamkeit von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie und die Grundsätze, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, namentlich die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Verhältnismäßigkeit, zu beachten haben(44).

69.      Eine Regelung wie die vom vorlegenden Gericht beschriebene erfüllt keine der vom Gerichtshof aufgestellten Anforderungen. Indem sie gemischt Steuerpflichtigen vorschreibt, den Betrag des Vorsteuerabzugs durch die Anwendung eines nach Art. 19 der Sechsten Richtlinie bestimmten angenäherten Pro-rata-Satzes(45) für die Gesamtheit der von ihnen erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen, d. h. auf einer weiteren Grundlage als der von der Sechsten Richtlinie vorgesehenen, festzulegen, führt eine solche Regelung somit zwangsläufig zu weniger genauen Ergebnissen als die Anwendung des „Standard“-pro-rata-Satzes(46). Darüber hinaus führt die in dieser Regelung bezeichnete Methode, wie bereits dargelegt(47), zu Ergebnissen, die mit dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer unvereinbar sind.

70.      Im Ergebnis führt somit auch die Prüfung der von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie zugelassenen Berechnungsmethoden zu der Feststellung, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht mit dieser Richtlinie vereinbar ist.

V –    Ergebnis

71.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage der Commissione tributaria regionale di Roma (Regionale Finanzkommission Rom, Italien) wie folgt zu antworten:

Art. 17 Abs. 2 und 5 sowie Art. 19 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung und einer Praxis der nationalen Steuerverwaltung wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach Steuerpflichtige, die sowohl Umsätze bewirken, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch solche, für die dieses Recht nicht besteht, den Betrag der abzugsfähigen Vorsteuer durch die Anwendung eines gemäß Art. 19 dieser Richtlinie festgelegten Pro-rata-Satzes für die Gesamtheit der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen zu bestimmen haben, einschließlich der Gegenstände und Dienstleistungen, die ausschließlich zur Bewirkung von Umsätzen, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, oder solcher, für die dieses Recht nicht besteht, verwendet werden.


1 –      Originalsprache: Französisch.


2 – Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 (ABl. 1991, L 376, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).


3 – ABl. 2006, L 347, S. 1.


4 – Vgl. Art. 411 Abs. 1 und Art. 413 der Richtlinie 2006/112.


5 – So enthalten Art. 17 Abs. 2 und 5 und Art. 19 der Sechsten Richtlinie Bestimmungen, die den Art. 168 und 173 bis 175 der Richtlinie 2006/112 entsprechen.


6 – Der Vorlageentscheidung zufolge betrug der Anteil nach einem dieser Prüfberichte 0,22 % und nach dem anderen null.


7 – Urteil vom 1. Juni 2006, Innoventif (C-453/04, EU:C:2006:361, Rn. 29), und Beschluss vom 25. Januar 2007, Koval’ský (C-302/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:64, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).


8 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Kretztechnik (C-465/03, EU:C:2005:111, Nr. 71).


9 – Vgl. Urteil vom 9. Juli 2015, Salomie und Oltean (C-183/14, EU:C:2015:454, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Mehrwertsteuer kann nur abgezogen werden, wenn die Eingangsumsätze direkt und unmittelbar mit zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhängen und zu den Kostenelementen dieser Umsätze gehören. Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:496, Rn. 23 und 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10 – Vgl. Urteil vom 9. Juli 2015, Salomie und Oltean (C-183/14, EU:C:2015:454, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11 – Vgl. Urteil vom 18. Dezember 2008, Royal Bank of Scotland (C-488/07, EU:C:2008:750, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12 – Die gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen sind häufig allgemeine Kosten im Zusammenhang sowohl mit den besteuerten als auch mit den steuerbefreiten Umsätzen des Steuerpflichtigen.


13 – Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Abbey National (C-408/98, EU:C:2000:207, Nr. 10). Umsätze, die nicht in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fallen und für die daher kein Vorsteuerabzugsrecht besteht, müssen bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs im Sinne der Art. 17 und 19 der Sechsten Richtlinie unberücksichtigt bleiben. Vgl. Urteil vom 29. April 2004, EDM (C-77/01, EU:C:2004:243, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14 – Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Cruz Villalón in der Rechtssache BLC Baumarkt (C-511/10, EU:C:2012:245, Nr. 33), der feststellt, dass die in Art. 19 der Sechsten Richtlinie vorgesehene allgemeine Regel des Vorsteuerabzugs „grundsätzlich eine gerechte und angemessen genaue Berechnung des schließlich abzugsfähigen Betrags“ erlaubt. Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Mengozzi in der Rechtssache Wolfgang und Wilfried Rey Grundstücksgemeinschaft (C-332/14, EU:C:2015:777, Nr. 92).


15 – Der Charakter von Unterabs. 3 des Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie als abweichende Regelung ergibt sich aus der einleitenden Wendung („Jedoch können die Mitgliedstaaten“). Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, sich auf eine einzige der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 genannten Methoden zu beschränken. Vgl. Urteil vom 13. März 2008, Securenta (C-437/06, EU:C:2008:166, Rn. 38).


16 – Dem der jetzt geltende Art. 173 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 entspricht. Nach Ansicht der italienischen Regierung wird der Wortlaut von Art. 174 der Richtlinie 2006/112 (vormals Art. 19 der Sechsten Richtlinie) in Art. 19-bis des DPR Nr. 633/72 im Wesentlichen wiederholt.


17 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2008, Royal Bank of Scotland (C-488/07, EU:C:2008:750, Rn. 19). Ich merke nebenbei an, dass die Bedeutung der vom Gerichtshof in der genannten Randnummer und in Rn. 23 dieses Urteils gebrauchten Wendung „den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug [vorzusehen]“ nicht auf der Hand liegt. Sie wurde trotzdem im Urteil vom 12. September 2013, Le Crédit Lyonnais (C-388/11, EU:C:2013:541, Rn. 31), wiederholt.


18 – Offenbar hat die Kommission ihre Ansicht im Lauf des Verfahrens vor dem Gerichtshof geändert hat. In ihren schriftlichen Erklärungen hatte sie die Ansicht vertreten, das in Rede stehende italienische System verstoße offensichtlich gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, indem es den Steuerpflichtigen verpflichte, die Pro-rata-Methode unabhängig von der Nutzung der erhaltenen Gegenstände und Dienstleistungen anzuwenden.


19 – Zum einen könnte die Verwendung des Ausdrucks „dort genannten“ in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d für die von der italienischen Regierung und der Kommission vertretene Auslegung sprechen, wonach sich dieser Ausdruck eher auf die vom Steuerpflichtigen getätigten „Umsätze“ als auf die von diesem erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen beziehe. Zum anderen könnte der Ausdruck „bei allen Gegenständen und Dienstleistungen“ nur darauf hinweisen, dass die Abweichung nach Buchst. d anders als die Abweichungen nach den Buchst. a bis c dieses Unterabs. 3 nicht die Anwendung eines gesonderten Pro-rata-Satzes für jeden Tätigkeitsbereich des Steuerpflichtigen oder für einen Teil der gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen erlaubt, sondern die Anwendung eines Pro-rata-Satzes nur für die Gesamtheit dieser Gegenstände und Dienstleistungen. Ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen der Sechsten Richtlinie hilft insoweit nicht weiter.


20 – Ich weise darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer Unionsbestimmung sowohl deren Wortlaut und Ziel als auch ihr Kontext sowie der Kontext der Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Vgl. Urteil vom 12. Juni 2014, Lukoyl Neftohim Burgas (C-330/13, EU:C:2014:1757, Rn. 59).


21 – Nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 gilt dieser „[s]oweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die … ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht“.


22 – Ich merke an, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. Oktober 2005, Kommission/Spanien (C-204/03, EU:C:2005:588, Rn. 25), zwar entschieden hat, dass Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie „nur den Fall der gemischt Steuerpflichtigen“ betrifft, dass sich aber bei näherer Betrachtung dieses Urteils ergibt, dass diese Aussage in einem Kontext steht, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass dieser Absatz keine Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts „umfassend Steuerpflichtiger“ erlaubt, d. h. Steuerpflichtiger, die nur steuerbare Umsätze erzielen.


23 – Vgl. Urteile vom 8. Juni 2000, Midland Bank (C-98/98, EU:C:2000:300, Rn. 26), vom 22. Februar 2001, Abbey National (C-408/98, EU:C:2001:110, Rn. 38), und vom 23. April 2009, Puffer (C-460/07, EU:C:2009:254, Rn. 60).


24 – Urteil vom 6. September 2012 (C-496/11, EU:C:2012:557, Rn. 39 bis 41).


25 – Vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:496, Rn. 26).


26 –      Urteil vom 6. September 2012 (C-496/11, EU:C:2012:557).


27 –      Urteil vom 6. September 2012 (C-496/11, EU:C:2012:557).


28 –      Die enge Korrelation zwischen der Abweichung nach Buchst. d und dem in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen allgemeinen Grundsatz des Pro-rata-Satzes ergibt sich auch aus dem ausdrücklichen Verweis, den Erstere mit der Wendung „nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel“ enthält.


29 – Darlegung der Gründe des ersten Vorschlags der Sechsten Richtlinie vom 29. Juni 1973, Beilage 11/73 des Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, S. 19. In der vorgeschlagenen Fassung enthielt Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 nur drei Abweichungen, die denjenigen nach den Buchst. a bis c der erlassenen Richtlinie entsprechen. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass das Ziel von Unterabs. 3 durch die zusätzlichen Abweichungen nach den Buchst. d und e, die im Gesetzgebungsverfahren hinzugefügt wurden, geändert wurde.


30 – Siehe Nr. 30 der vorliegenden Schlussanträge.


31 – Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie kann diese Ungleichmäßigkeiten in einem gewissen Maß verringern, indem er vorsieht, dass die Berechnung des in Abs. 1 dieses Artikels vorgesehenen Pro-rata-Satzes vom Umsatzbetrag, der auf bestimmte Hilfsumsätze entfällt, losgelöst ist. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, EDM (C-77/01, EU:C:2004:243, Rn. 75). Dies würde jedoch nicht die Ungleichmäßigkeiten beseitigen, die sich aus einem hohen Umsatz mit den steuerbefreiten Tätigkeiten ergeben, wie der vorliegende Fall zeigt.


32 – Vgl. Urteil vom 18. Dezember 2008, Royal Bank of Scotland (C-488/07, EU:C:2008:750, Rn. 19).


33 – Ich teile nicht die Ansicht der italienischen Regierung, dass mit den in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Abweichungen außerdem erreicht werden solle, die Bestimmung des abziehbaren Betrags zu vereinfachen. Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Cruz Villalón in der Rechtssache BLC Baumarkt (C-511/10, EU:C:2012:245, Nr. 42).


34 – Vgl. Urteil vom 10. Juli 2014, Banco Mais (C-183/13, EU:C:2014:2056, Rn. 29). Vgl. auch Urteile vom 18. Dezember 2008, Royal Bank of Scotland (C-488/07, EU:C:2008:750, Rn. 24), und vom 8. November 2012, BLC Baumarkt (C-511/10, EU:C:2012:689, Rn. 18).


35 – Vgl. Urteil vom 6. September 2012, Portugal Telecom (C-496/11, EU:C:2012:557, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).


36 – Die Abweichung nach Buchst. d war tatsächlich weder im ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom 29. Juni 1973 (Vorschlag der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage) (KOM[73] 950 endg.) noch im geänderten Vorschlag vom 26. Juli 1974 (Änderungen des Vorschlags der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage) (KOM[74] 795 endg.) enthalten. Er wurde ohne Erklärung vor Erlass der Richtlinie durch den Rat hinzugefügt. Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie beruht auf der in Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 3 und Abs. 3 der Zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1303) vorgesehenen Regel des Pro-rata-Satzes, die es den Mitgliedstaaten überlassen hat, die Kriterien für die Bestimmung des abziehbaren Betrags festzulegen.


37 – Art. 36 Abs. 3 des DPR Nr. 633/72. Ich merke an, dass das vorlegende Gericht nicht auf diese nationale Bestimmung verweist, die die getrennte Anwendung der Steuer auf bestimmte Tätigkeiten des Steuerpflichtigen erlaubt.


38 – Ich füge hinzu, dass die in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehene Möglichkeit, dem Steuerpflichtigen die Anwendung eines besonderen Pro-rata-Satzes für jeden Bereich seiner Tätigkeit zu gestatten, nur die gemischt genutzten Gegenstände und Dienstleistungen betrifft und daher die italienische Regelung nicht rechtfertigen würde, die die Gesamtheit der erhaltenen Gegenstände und Dienstleistungen betrifft.


39 – Vgl. Urteile vom 18. Dezember 2008, Royal Bank of Scotland (C-488/07, EU:C:2008:750, Rn. 19), und vom 8. November 2012, BLC Baumarkt (C-511/10, EU:C:2012:689, Rn. 15), sowie Beschluss vom 13. Dezember 2012, Debiasi (C-560/11, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:802, Rn. 39).


40 – Insoweit stützt sich die Kommission auf das Urteil vom 8. November 2012, BLC Baumarkt (C-511/10, EU:C:2012:689, Rn. 20). Ich räume ein, dass dieses Urteil für Verwirrung sorgen kann, was die gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie anzuwendende Berechnungsmethode betrifft, da der Gerichtshof eine Unterscheidung zwischen der Abweichung nach Buchst. d und den anderen in diesem Unterabsatz vorgesehenen Abweichungen vorzunehmen scheint. Auch wenn diese Unterscheidung im Urteil vom 12. September 2013, Le Crédit Lyonnais (C-388/11, EU:C:2013:541, Rn. 51), wiederholt wurde, findet sie sich jedoch weder in der davor (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2008, Royal Bank of Scotland, C-488/07, EU:C:2008:750, Rn. 21), noch in der danach ergangenen Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10. Juli 2014, Banco Mais, C-183/13, EU:C:2014:2056, Rn. 25).


41 – Diese Unterscheidung zwischen dem Grundsatz des Pro-rata-Satzes und dessen Berechnungsgrundlage ist in der Richtlinie 2006/112 deutlicher, mit der die Sechste Richtlinie zum 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt worden ist. So verweist Art. 173 Abs. 2 Buchst. d dieser Richtlinie ausdrücklich auf die „gemäß Absatz 1 Unterabsatz 1“ vorgesehene Regel, die Unterabs. 1 von Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie entspricht und nicht dem gesamten Abs. 1, was auch die Berechnungsregel des Pro-rata-Satzes umfasst hätte.


42 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Cruz Villalón in der Rechtssache BLC Baumarkt (C-511/10, EU:C:2012:245, Nr. 29), der feststellt, dass die Abweichung nach Buchst. d „die Möglichkeit anderer Pro-rata-Sätze“ voraussetzt. Vgl. außerdem Schlussanträge von Generalanwalt Cruz Villalón in der Rechtssache Le Crédit Lyonnais (C-388/11, EU:C:2013:120, Nr. 59).


43 – Siehe Nr. 53 und Fn. 34 der vorliegenden Schlussanträge.


44 – Vgl. Urteil vom 8. November 2012, BLC Baumarkt (C-511/10, EU:C:2012:689, Rn. 16). Vgl. auch Urteile vom 12. September 2013, Le Crédit Lyonnais (C-388/11, EU:C:2013:541, Rn. 52), und vom 10. Juli 2014, Banco Mais (C-183/13, EU:C:2014:2056, Rn. 27).


45 – Siehe Nr. 30 der vorliegenden Schlussanträge.


46 –      Ich kann dem Vorbringen der Kommission nicht beipflichten, wonach die Abweichung nach Buchst. d eine solche Regelung erlaubt, da diese Regelung nur den Charakter einer Abweichung habe und zu genaueren Ergebnissen als der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehene „Standard“-pro-rata-Satz führe. Meiner Ansicht nach führt eine solche Regelung zwingend zu weniger genauen Ergebnissen und verstößt daher gegen das Ziel der Steuerneutralität, das mit den in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 dieser Richtlinie vorgesehenen Abweichungen verfolgt wird.


47 – Vgl. Nrn. 54 und 55 der vorliegenden Schlussanträge.