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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 7. September 2016(1)

Rechtssache C-453/15

A,

B

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 56 – Ort der Dienstleistung – Begriff ‚ähnliche Rechte‘ – Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten“





1.        In dieser Rechtssache, die sich auf den Verkauf „eines Verschmutzungsrechts“ bezieht, kann ich der Versuchung nicht widerstehen, folgende Überlegung von Benoît Le Bars zu zitieren(2): „Mit der internationalen und gemeinschaftlichen Gesetzgebung finden sich die Luft und ihre ‚Pathologie‘, d. h. die Verschmutzung, an den Grenzen des Handelsbereichs wieder. Ein solcher Ansatz mag insofern unmoralisch erscheinen, als der Begriff des Rechts traditionell mit positiven Inhalten verbunden wird, was bei der Verschmutzung nicht der Fall ist. Zudem erscheint der Gedanke, dass private Vermittler mit der Verschmutzung Geld verdienen könnten, indem sie eine Rolle als Zwischenfinanzierer für Emissionsquoten ausüben, untragbar.“

2.        Dies ist natürlich nicht Gegenstand der vorliegenden, am 24. August 2015 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangenen Vorlage zur Vorabentscheidung des Bundesgerichtshofs, der den Gerichtshof im Zusammenhang mit Treibhausgasemissionszertifikaten zur Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG(3) befragt. Die Vorlage ist im Rahmen eines in Deutschland gegen A und B eingeleiteten Strafverfahrens wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ergangen.

3.        Zusammengefasst stellt sich die Frage, ob ein Treibhausgasemissionszertifikat im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87/EG(4) – das zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum berechtigt – ein „ähnliches Recht“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

4.        Art. 56 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„(1)      Als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Dienstleistungsempfänger oder an Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers ansässig sind, erbracht werden, gilt der Ort, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort:

a)      Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichen sowie ähnlichen Rechten;

…“

5.        Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet der Ausdruck

a)      ‚Zertifikat‘ das Zertifikat, das zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum berechtigt; es gilt nur für die Erfüllung der Anforderungen dieser Richtlinie und kann nach Maßgabe dieser Richtlinie übertragen werden;

…“

B –    Deutsches Recht

6.        Nach § 3a („Ort der sonstigen Leistung“) des Umsatzsteuergesetzes (im Folgenden: UStG) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung galt:

„(1)      Eine sonstige Leistung wird vorbehaltlich der §§ 3b und 3f an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als Ort der sonstigen Leistung.

(3)      Ist der Empfänger einer der in Absatz 4 bezeichneten sonstigen Leistungen ein Unternehmer, so wird die sonstige Leistung abweichend von Absatz 1 dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend. Ist der Empfänger einer der in Absatz 4 bezeichneten sonstigen Leistungen kein Unternehmer und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz ausgeführt.

(4)      Sonstige Leistungen im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.      die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Patenten, Urheberrechten, Markenrechten und ähnlichen Rechten;

…“

II – Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

7.        A und B, die für eine große Steuerberatungsgesellschaft arbeiten, wurden vom Landgericht Hamburg im Rahmen eines Verfahrens wegen eines Umsatzsteuerbetrugssystems, das von G, einem anderen Angeklagten, von April 2009 bis März 2010 betrieben wurde und auf Hinterziehung von Umsatzsteuer beim Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten angelegt war, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu Geldstrafen verurteilt.

8.        An diesem Betrugssystem waren mehrere Gesellschaften beteiligt. Eine Gesellschaft E, die ihren Sitz in Deutschland hatte und faktisch von G beherrscht wurde, erwarb im Ausland umsatzsteuerfreie Treibhausgasemissionszertifikate und veräußerte diese an eine Gesellschaft I weiter, die ihren Sitz in Luxemburg hatte und ebenfalls von G geleitet wurde. Diese Gesellschaft stellte als Rechnungen Gutschriften zugunsten der Gesellschaft E unter Ausweis der in Deutschland geltenden Umsatzsteuer aus und verkaufte die Zertifikate an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft C weiter, wobei die für diesen Umsatz ausgestellten Gutschriften ebenfalls die in Deutschland geltende Umsatzsteuer auswiesen.

9.        In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite, das dritte und das vierte Quartal 2009 erklärte die Gesellschaft E den Umsatz aus der Veräußerung der Zertifikate an die Gesellschaft I, wobei sie auf der Grundlage von Scheinrechnungen angeblicher inländischer Lieferanten einen Vorsteuerabzug vornahm. Für die Monate Januar und März 2010 gab sie keine Voranmeldungen ab. Auf diese Weise umging sie die Zahlung einer Gesamtsumme von 11 484 179,12 Euro. Die Gesellschaft I erklärte ihrerseits für April bis Juli 2009, September 2009 bis Januar 2010 sowie März 2010 die der Gesellschaft C erbrachten Leistungen als umsatzsteuerpflichtige Umsätze und brachte die in den Gutschriften zugunsten der Gesellschaft E ausgewiesene Umsatzsteuer zu Unrecht als geleistete Vorsteuer in Abzug, womit sie die Zahlung eines Betrags von 10 667 491,10 Euro umging.

10.      A und B übten ab Ende Mai 2009 eine steuerliche Beratungstätigkeit für die Gesellschaft I aus und wurden von G mit der Erstellung eines Kurzgutachtens zur umsatzsteuerlichen Situation dieser Gesellschaft beauftragt. Darin führten sie aus, dass die Gesellschaft I die in Deutschland geltende Umsatzsteuer nur ausweisen und als Vorsteuer abziehen könne, wenn sie über eine Betriebsstätte in Deutschland verfüge, die dort die entsprechenden Geschäfte tätige, und dass die vor der Errichtung einer Betriebsstätte in Deutschland erstellten Rechnungen zu korrigieren seien.

11.      Aufgrund eines rückdatierten Vertrags über die Anmietung von Büroräumen in Deutschland ab dem 1. April 2009 erstellten A und B, die keine Kenntnis von der Rolle der Gesellschaft I im Steuerbetrugssystem hatten, in deren Namen korrigierte Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate April und Mai 2009, die sie dem Finanzamt am 12. August 2009 übermittelten. Darin gaben sie die in den Gutschriften zugunsten der Gesellschaft E ausgewiesene Umsatzsteuer als geleistete Vorsteuer an, und zwar in Höhe von 147 519,80 Euro für April 2009 und 1 146 788,70 Euro für Mai 2009, obwohl sie es für „höchst wahrscheinlich“ hielten, dass die Gesellschaft I nicht über eine Betriebsstätte in Deutschland verfügte.

12.      Der mit den von A und B sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg eingelegten Revisionen befasste Bundesgerichtshof führt aus, dass die Beantwortung der Frage, ob sich die Angeklagten der Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar gemacht hätten, nach dem deutschen Strafrecht davon abhänge, ob sie vorsätzlich unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt eingereicht hätten, in denen zu Unrecht Vorsteuern aus den Gutschriften für die Leistungen der Gesellschaft E in Abzug gebracht worden seien. Da A und B keine Kenntnis von der Einbindung der Gesellschaften E und I in das von G betriebene Umsatzsteuerbetrugssystem gehabt hätten, wäre dies nur dann der Fall, wenn aus den Gutschriften zugunsten der Gesellschaft E keine Vorsteuer hätte geltend gemacht werden dürfen, da darin die Umsatzsteuer nicht hätte ausgewiesen werden dürfen. Dies sei bei den an die Gesellschaft I mit Sitz in Luxemburg gerichteten Rechnungen jedoch nur dann der Fall, wenn sich der Ort der – in der Übertragung von Zertifikaten bestehenden – Leistung nicht in Deutschland befunden habe. Ein Umsatzsteuerausweis durch die Gesellschaft E gegenüber der Gesellschaft I sei jedoch nur dann rechtswidrig, wenn sich der Ort der Leistung nach Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht beim Dienstleistungserbringer, der Gesellschaft E, sondern beim Empfänger, der Gesellschaft I, befunden habe, so dass die Leistung in Deutschland nicht steuerbar gewesen sei.

13.      Die letztgenannte Voraussetzung beruhe auf der Annahme, dass im Jahr 2009 der Ort der Leistung bei der Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten nach § 3a Abs. 4 UStG in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung – der auf Art. 56 Abs.1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zurückgehe – der Ort gewesen sei, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gehabt oder über eine Betriebsstätte verfügt habe, was wiederum die Klärung der Frage erfordere, ob der Handel mit solchen Zertifikaten ein „ähnliches Recht“ im Sinne dieser Bestimmungen darstelle.

14.      Das vorlegende Gericht hält den Begriff „ähnliche Rechte“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht für derart offenkundig, dass kein Raum für vernünftige Zweifel bleibe. Es neigt jedoch zu der Auffassung, dass die Zertifikate „ähnlich“ im Sinne dieser Bestimmung seien, da der Begriff „ähnlich“ „in bestimmten Merkmalen übereinstimmend“ oder „dem Genannten vergleichbar“ bedeute und da sich die in dieser Bestimmung aufgeführten Rechte dadurch auszeichneten, dass der Gesetzgeber dem Rechtsinhaber ein absolutes Recht einräume und ihm die alleinige Befugnis verleihe, es zu nutzen und unter Ausschluss anderer zu verwerten. Daher seien die Emissionszertifikate mit Rechten des geistigen Eigentums vergleichbar.

15.      Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass es sich bei dem Zertifikat gemäß Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87, das zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum berechtigt, um ein „ähnliches Recht“ im Sinne dieser Vorschrift handelt?

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

16.      A, B, der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, die deutsche und die hellenische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Alle Beteiligten mit Ausnahme der hellenischen Regierung haben am 13. Juli 2016 mündlich verhandelt.

IV – Würdigung

A –    Zusammenfassung der Erklärungen der Beteiligten

17.      A und B sind der Auffassung, die Frage sei dahin zu beantworten, dass ein „Emissionszertifikat“ im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87 kein „ähnliches Recht“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie darstelle.

18.      A trägt vor, im letztgenannten Artikel würden fünf Rechte aus dem Bereich des geistigen Eigentums aufgeführt, und diese Aufzählung werde um den „offenen“ Begriff „ähnliche Rechte“ ergänzt. Der Bundesgerichtshof entnehme dem in der deutschen Fassung verwendeten Begriff zwar, dass es sich bei den anderen Rechten um Rechte handeln müsse, die in bestimmten Merkmalen übereinstimmten oder die den ausdrücklich genannten Rechten „vergleichbar“ seien, doch ergebe sich aus anderen Sprachfassungen der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass zwischen den ausdrücklich in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten und den unter den Begriff „ähnliche Rechte“ fallenden Rechten eine engere Beziehung bestehen müsse als eine schlichte Vergleichbarkeit. Daher sei zunächst die Frage aufzuwerfen, welches die wesentlichen Merkmale der ausdrücklich genannten Rechte seien. Ein Emissionszertifikat müsse ebenfalls diese Merkmale aufweisen, um unter den Begriff „ähnliche Rechte“ zu fallen.

19.      Es sei zweifelhaft, ob der Begriff des absoluten Rechts im deutschen Recht, auf den das vorlegende Gericht Bezug nehme, maßgeblich sei. Zudem sei ein Zertifikat kein absolutes Recht, sondern gebe seinem Inhaber nur einen „Duldungsanspruch“ gegen den Staat. Dieser Duldungsanspruch sei letztlich mit einer privatrechtlichen Forderung vergleichbar, auch wenn er in einem öffentlichen Register eingetragen werde.

20.      Die in der französischen Fassung und in anderen Sprachfassungen für „Abtretung“ und „Einräumung“ verwendeten Begriffe seien ein entscheidender Hinweis, der zeige, dass es darum gehe, ein Recht zur Ausübung zu überlassen, da alle ausdrücklich genannten Rechte auf einer gedanklichen Eigenleistung beruhten. Ein Emissionszertifikat sei daher ein Fremdkörper im Verhältnis zu den Rechten des geistigen Eigentums, die sich dadurch auszeichneten, dass der Inhaber eine ihm rechtlich zustehende Idee nach seinem Belieben einer anderen Person zur Ausübung überlassen könne, ohne damit sein Stammrecht zu verlieren und auf den Nutzungsberechtigten übertragen zu müssen.

21.      Diese Auslegung werde durch die Entstehungsgeschichte von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie bestätigt, der auf Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG(5) zurückgehe, in dem die Abtretung von Patentrechten, Fabrik- und Warenzeichen und ähnlichen Rechten genannt werde sowie die Einräumung von Lizenzen an diesen Rechten. Daraus ergebe sich, dass „ähnliche Rechte“ auch lizensierbar sein müssten, was bei einem CO2-Zertifikat nicht der Fall sei.

22.      Ferner sei eine Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie, die über ihren Wortlaut hinausgehe, nicht erforderlich. Sie liefe darauf hinaus, das Bestimmungslandprinzip allgemein auf den Dienstleistungsverkehr zwischen Unternehmen anzuwenden, obwohl es erst infolge der – dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zeitlich nachfolgenden – Änderung dieser Richtlinie durch die Richtlinie 2008/8/EG(6) zur allgemeinen Regel geworden sei.

23.      B fügt hinzu, das in der vorliegenden Rechtssache erwünschte Ergebnis der Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie sei im Kontext der strafbegründenden Wirkungen zu würdigen, was eine Berücksichtigung der in diesem Bereich anwendbaren Grundsätze einschließe, insbesondere der Grundsätze der Rechtssicherheit, der Gesetzlichkeit von Strafen und Strafvorschriften sowie der Bestimmtheit, des Analogieverbots im Strafrecht und des Homogenitätsgebots. Es wäre im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz problematisch, wenn die strafrechtliche Verantwortlichkeit von dem sehr weit gefassten Begriff „ähnliches Recht“ abhinge. Daher sei nur eine Auslegung dieses Begriffs möglich, die zwingend auf eine wesensmäßige, über eine irgendwie geartete Vergleichbarkeit hinausreichende Beziehung zwischen dem „ähnlichen Recht“ und den anderen in der Bestimmung genannten Rechten abstelle.

24.      Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, die deutsche und die hellenische Regierung sowie die Kommission gehen hingegen davon aus, dass Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sei, dass ein Zertifikat im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87 ein „ähnliches Recht“ sei.

25.      Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof trägt vor, die Liste der in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Rechte sei nicht einheitlich, und diese Rechte unterlägen verschiedenen Regelungen.

26.      Der maßgebliche Gesichtspunkt für die Bestimmung des Leistungsorts liege in dem Umstand, dass diese Rechte dem Empfänger eine wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit einräumten, die über die bloße Verwertung des Rechts selbst hinausgehe. Der Ort der Leistung müsse daher in den Fällen, in denen die Kosten der zwischen den Steuerpflichtigen erbrachten Dienstleistungen in den Preis der Ware eingingen, der Ort der Niederlassung des Empfängers sein. Die für die Zwecke der Bestimmung des Leistungsorts maßgeblichen Eigenschaften der in diesem Artikel genannten Rechte seien mithin, dass sie ihrem Inhaber zu dessen wirtschaftlichem Vorteil im Hinblick auf die Schöpfung eines weiteren Mehrwerts positive Nutzungsrechte zuordneten, sei es, weil er sie selbst verwerte, sei es, weil er sie veräußere und an Dritte übertrage. Ein Treibhausgasemissionszertifikat weise diese prägenden Eigenschaften auf.

27.      Die deutsche Regierung weist zunächst darauf hin, dass die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten eine Dienstleistung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie darstelle und dass Gegenstand der Übertragung das vom Zertifikat eingeräumte Emissionsrecht sei. Sodann stellt sie fest, dass die Besteuerung der in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Rechte abweichend vom Grundsatz der sogenannten Ortsregel (der sich aus Art. 43 der Mehrwertsteuerrichtlinie in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung ergebe) im Staat des Empfängers stattfinde, sofern dieser in einem Drittland ansässig sei oder es sich um einen Steuerpflichtigen handele, der in einem anderen Mitgliedstaat als der Dienstleistungserbringer ansässig sei.

28.      Schließlich sei für die „Ähnlichkeit“ eines Rechts maßgeblich, ob es mit den in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Rechten vergleichbar sei und die gleichen Wesensmerkmale wie diese Rechte aufweise. Es sei nicht erforderlich, dass dieses Recht mit den genannten Rechten identisch sei; daher liege ein „ähnliches Recht“ nicht nur im Bereich des geistigen Eigentums vor. Da die in diesem Artikel enthaltene Aufzählung nur geschützte Rechte umfasse, die sich dadurch auszeichneten, dass der Gesetzgeber dem Inhaber insofern ein absolutes Recht verleihe, als ihm die alleinige Befugnis zukomme, es zu nutzen und zu verwerten, könnten Treibhausgasemissionszertifikate als ähnlich angesehen werden.

29.      Allein der Inhaber des Zertifikats dürfe nämlich eine Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum emittieren. Die Ausschließlichkeit des Nutzungsrechts ergebe sich aus einer Zuordnung im Emissionshandelsregister, und der Kontoinhaber verfüge über die Möglichkeit, das Zertifikat zur Erfüllung seiner Abgabepflichten zu nutzen oder es zu veräußern und auf das Konto eines anderen Kontoinhabers zu übertragen.

30.      Der Zweck von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie spreche für seine Anwendung auf Treibhausgasemissionszertifikate, da die Nutzung der durch diese Zertifikate vermittelten Emissionsrechte üblicherweise dort erfolge, wo ihr Erwerber seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe.

31.      Die Hellenische Republik entnimmt dem Wortlaut von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass die darin enthaltene Aufzählung nicht abschließend sei. Die dort genannten Immaterialgüterrechte zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass sie dem Rechtsinhaber die alleinige Befugnis einräumten, das jeweilige Recht unter Ausschluss anderer Personen zu nutzen und zu verwerten. Daher könnten als „ähnliche Rechte“ entweder Rechte angesehen werden, die ihrem Inhaber eine solche absolute Befugnis einräumten, oder Rechte, bei denen die Ausschließlichkeit der Nutzung durch schuldrechtliche oder andere Ansprüche abgesichert sei.

32.      Dieser Kategorie lasse sich – aufgrund seiner Natur und seiner Merkmale – das Zertifikat zuordnen, das zur Emission einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum berechtige. Da jeder Inhaber des in Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87 genannten Rechts in dem in Art. 19 dieser Richtlinie vorgesehenen Register für den Handel mit Emissionszertifikaten aufgeführt sei, seien seine Stellung als Inhaber und sein ausschließliches Nutzungsrecht nämlich vollständig gewährleistet. Ebenfalls entscheidend sei, dass sich jeder, der gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften verstoße, Sanktionen aussetze. Die dem Inhaber eines solchen Rechts zukommende Befugnis sei daher mit der vergleichbar, über die der Inhaber eines der ausdrücklich in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgeführten Immaterialgüterrechte verfüge.

33.      Nach Auffassung der Kommission stellt der Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten eine Dienstleistung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dar.

34.      Auf den ersten Blick sei es nicht offensichtlich, dass der Begriff „ähnliche Rechte“ Emissionszertifikate einschließe, da die in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie ausdrücklich genannten Rechtspositionen den Schutz des geistigen Eigentums beträfen, während die Zertifikate eine staatliche oder behördliche Erlaubnis zur Emission von Treibhausgasen verbrieften. Allerdings bestünden erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen dem geistigen Eigentum und diesen Zertifikaten.

35.      Die Frage, ob ein bestimmtes Recht den in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgeführten Rechten ähnele, sei vor allem im Hinblick auf den Sinn und Zweck dieser Bestimmung zu beantworten.

B –    Würdigung

1.      Vorbemerkungen

36.      Vorab möchte ich klarstellen, dass sich die Antwort des Gerichtshofs nur auf die Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie zu beziehen hat und nicht auf die Auswirkungen, die sie in strafrechtlicher Hinsicht im Ausgangsverfahren haben kann. Dies fällt in die ausschließliche Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts, das den Gerichtshof hierzu nicht befragt. Die vorliegenden Schlussanträge tragen dieser Feststellung Rechnung.

37.      Der Bundesgerichtshof möchte von uns wissen, ob Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Zertifikat im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87, das zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum berechtigt, ein „ähnliches Recht“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt.

38.      Zunächst ist festzustellen, dass der Gerichtshof noch keine Auslegung dieses Begriffs im Sinne von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie vorzunehmen hatte.

39.      Weiterhin besteht seit dem 1. Januar 2010 nunmehr die allgemeine Regel, dass als Ort der Dienstleistung der Ort gilt, an dem sich der Sitz des Dienstleistungsempfängers befindet, wohingegen die im vorliegenden Fall anwendbaren Regeln das Herkunftslandprinzip vorsahen.

40.      Diese neue Regel, in der das Bestimmungslandprinzip verankert ist, findet sich nunmehr in Art. 44 der Mehrwertsteuerrichtlinie in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung. Ferner hat der Unionsgesetzgeber durch die am 9. April 2010 in Kraft getretene Richtlinie 2010/23/EU(7) dokumentiert, dass er von dem Grundsatz ausgeht, dass der Handel mit Emissionszertifikaten im Sinne der Richtlinie 2003/87 im Mitgliedstaat des Sitzes des Erwerbers (Bestimmungsland) zu besteuern ist. Mit dieser Richtlinie hat er einen neuen Art. 199a in die Mehrwertsteuerrichtlinie eingefügt, der ausdrücklich vorsieht, dass die Mitgliedstaaten zur Verringerung von Möglichkeiten des Mehrwertsteuerkarussellbetrugs vorsehen können, dass die Mehrwertsteuer vom steuerpflichtigen Empfänger einer Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten geschuldet wird. Diese zunächst bis zum 30. Juni 2015 befristete Möglichkeit wurde durch die Richtlinie 2013/43/EU(8) bis zum 31. Dezember 2018 verlängert.

41.      Daher stellt sich die Frage, ob bereits vor diesen Änderungen und über den Wortlaut von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie hinaus aus dessen Normzweck oder dem anderer Bestimmungen oder auch aus anderen Gesichtspunkten abzuleiten war, dass Treibhausgasemissionszertifikate in Anbetracht ihrer Merkmale der Kategorie der „ähnlichen Rechte“ im Sinne dieser Bestimmung zuzuordnen waren.

2.      Welche Rechtsnatur haben Treibhausgasemissionszertifikate?

42.      Nach Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87 berechtigt ein Treibhausgasemissionszertifikat zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum.

43.      Dabei ist zu beachten, dass Dritte, die nicht über ein solches Zertifikat verfügen, dieses Recht nicht haben. Sein wirtschaftlicher Wert ist daher nicht zu vernachlässigen, da allein die Inhaber der sich aus den Zertifikaten ergebenden Berechtigungen die in Anhang I der Richtlinie 2003/87 genannten Tätigkeiten ausüben können. Das Zertifikat stellt somit eine Voraussetzung dafür dar, dass das Unternehmen weiterhin einen Mehrwert generieren kann. Das sich daraus ergebende Recht zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent kann zudem im Rahmen des hierfür vorgesehenen Verfahrens frei übertragen und gehandelt werden.

44.      Die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten stellt eine Dienstleistung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dar (wobei der Umsatz im vorliegenden Fall in der „Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands“(9) besteht, nämlich der durch einen Titel verbrieften Befugnis zur Emission einer bestimmten Menge CO2 in einem gewissen Zeitraum).

45.      Gegenstand der Übertragung ist damit, wie die deutsche Regierung hervorgehoben hat, das durch das Zertifikat verliehene Emissionsrecht.

46.      Die Richtlinie 2003/87 liefert jedoch keine Anhaltspunkte für die Rechtsnatur dieser Zertifikate(10). Ferner hatte sich der Gerichtshof, wie vorstehend ausgeführt, noch nicht zu diesem Thema zu äußern.

47.      In Bezug auf die Richtlinie 2003/87 gilt nämlich Folgendes: „Much debate on emissions trading concerns the legal basis of the scheme and its implementation into existing legal systems. The legal nature of allowances is a very controversial issue, as the [Directive 2003/87] does not contain any mention of it. Nevertheless allowances have aspects of both administrative grants or licences and of private property and it is understood that different conclusions as to their legal nature have already been reached in certain Member States … [I]t is also discussed if emission allowances may be defined as intangible goods instead of concessions.“(11)

48.      Ferner gilt: „The treatment of the quotas under tax law, accounting standards and financial services regulation is particularly relevant, as if it differs among countries, it may seriously affect the development of the emissions trading market … With regard to the tax regime applicable to emission allowances, currently there are no authoritative accounting pronouncements in either International Financial Reporting Standards (IFRS) or United States Generally Accepted Accounting Principles (US GAAP) that specifically address accounting for emissions trading schemes. Both the International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) and the Emerging Issues Task Force (EITF) have considered accounting for emissions trading schemes, but in practice no guidance has been implemented.“(12)

49.      In der Lehre gibt es verschiedene Auslegungen zur Rechtsnatur der Treibhausgasemissionszertifikate(13). Der französische Gesetzgeber stuft Emissionszertifikate als bewegliche Rechtsgüter ein, die sich ausschließlich in einer Eintragung im Konto des Inhabers materialisieren(14). In Belgien gibt es keine Legaldefinition für die Rechtsnatur der Zertifikate, sie werden aber als immaterielle bewegliche Rechtsgüter angesehen(15). In der belgischen Lehre wurden die Zertifikate bisweilen als Finanzinstrumente angesehen(16), da es für Finanzderivate einen auf den Zertifikaten basierenden Sekundärmarkt gibt.

50.      Meiner Ansicht nach sind Treibhausgasemissionszertifikate als immaterielle bewegliche Rechtsgüter anzusehen, die mit einem reglementierten Eigentumsrecht verbunden sind.

51.      Dieses Eigentumsrecht weist insbesondere folgende Merkmale auf: i) Es handelt sich um ein in Geld bewertbares Recht (der Preis der übertragbaren Zertifikate kann in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage auf dem Markt schwanken); ii) der usus (es handelt sich um ein Recht, das genutzt werden kann, da es dem Inhaber die Weiterführung einer industriellen Tätigkeit ermöglicht); iii) der abusus (es handelt sich um ein Recht, das vertraglich auf einen anderen Inhaber übertragen werden kann). Es handelt sich des Weiteren um ein Recht, das in ein öffentliches Register eingetragen wird (die Richtlinie 2003/87 erlegt diese Pflicht den Mitgliedstaaten und den Rechtsinhabern auf, um sicherzustellen, dass es Dritten entgegengehalten werden kann und die Kohärenz des Zertifikatesystems gewahrt bleibt). Es handelt sich schließlich um ein zeitlich begrenztes Recht(17) (da alle Zertifikate entweder durch Ausgleich mit tatsächlichen Emissionen oder durch einen von ihrem Inhaber gestellten Antrag auf Vernichtung untergehen).

3.      Vergleichbarkeit der Emissionszertifikate mit den Rechten des geistigen Eigentums

52.      Für den Ort der Dienstleistungen ist an erster Stelle auf die besonderen Bestimmungen der Art. 44 ff. (Titel V, Kapitel 3, Abschnitt 2) der Mehrwertsteuerrichtlinie abzustellen. Nur wenn diese Bestimmungen keine Anwendung finden, ist nach Art. 43 der Mehrwertsteuerrichtlinie der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Dienstleistungserbringers als Ort der Dienstleistung anzusehen (dies wäre im vorliegenden Fall der Sitz der Gesellschaft „E“ in Deutschland).

53.      Bei der Abtretung von Rechten kommt, wie der Bundesgerichtshof ausführt, die Anwendung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in Betracht. Nach diesem Artikel wäre hier der Ort der Dienstleistung grundsätzlich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Empfängers, mithin der Gesellschaft I in Luxemburg in der vorliegenden Rechtssache.

54.      Ich denke (wie die Kommission), dass die erste in dieser Bestimmung aufgestellte Voraussetzung, wonach es sich um Dienstleistungen zugunsten von Steuerpflichtigen handeln muss, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind als dem des Dienstleistungserbringers, unbestreitbar erfüllt ist, da sich der Dienstleistungserbringer in Deutschland befindet und der Empfänger in Luxemburg. Gleiches gilt für die zweite Voraussetzung, dass die Dienstleistung in der „Abtretung und Einräumung“ bestimmter Rechte besteht. Insoweit ist das von A in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument zurückzuweisen, wonach bei den in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie als „ähnliche Rechte“ angeführten Rechten die Möglichkeit sowohl der Abtretung als auch der Einräumung bestehen müsse, was bei Emissionszertifikaten, die nur abgetreten werden könnten, nicht der Fall sei. Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie bezieht sich nämlich auf zwei Hypothesen, die somit nicht kumulativ sind. Überdies kann das Urheberrecht, wie der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof ausgeführt hat, in Deutschland und in Österreich nicht abgetreten werden (da nur eine Lizenz möglich ist).

55.      Damit komme ich zur dritten Voraussetzung, wonach die Zertifikate im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87 „ähnliche Rechte“ wie „Urheberrechte, Patentrechte, Lizenzrechte [sowie] Fabrik- und Warenzeichen“ darstellen müssen. Das Wort „ähnliche“ ist hier wichtig, da die These von A darauf hinausläuft, dass die Rechte „identisch“ sein müssen, was in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie offensichtlich nicht verlangt wird.

56.      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der Bundesgerichtshof dazu neigt, auch diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen, und ich weise darauf hin, dass alle Parteien des Verfahrens vor dem Gerichtshof (mit Ausnahme von A und B) diese Ansicht teilen.

57.      Nach den Angaben des Bundesgerichtshofs entspricht die Auffassung, dass die in einem Emissionszertifikat verkörperte Berechtigung ein „ähnliches Recht“ im Sinne von § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG und damit auch im Sinne von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie darstelle, der in Deutschland bislang einhelligen Ansicht von Literatur(18), Finanzverwaltung(19) und Rechtsprechung(20).

58.      Ich teile diesen Standpunkt, der meines Erachtens – auch wenn sich die ausdrücklich in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Rechtsgeschäfte auf den Schutz des geistigen und gewerblichen Eigentums beziehen(21), während die in der Richtlinie 2003/87 genannten Zertifikate eine staatliche oder behördliche Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen darstellen(22) – aus den nachfolgend genannten Gründen im Einklang mit Systematik und Zweck von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie steht.

59.      Erstens geht aus dem Wortlaut dieser Bestimmung eindeutig hervor, dass die darin enthaltene Aufzählung beispielhaft und nicht abschließend ist. Der Unionsgesetzgeber hat sich offensichtlich dafür entschieden, die in dieser Bestimmung genannten Rechte nicht allein auf Rechte des gewerblichen oder geistigen Eigentums im Allgemeinen zu beschränken.

60.      Zweitens denke ich (wie der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof), dass die Liste offensichtlich nicht homogen ist, da unter „Lizenzrechte“ eine Gesamtheit verschiedener Verwertungsrechte verstanden wird, die sich von den ausdrücklich genannten Rechten zum Schutz des geistigen Eigentums unterscheiden können. Es kann jedoch auch für andere Rechte als das Urheberrecht oder die durch ein Patent oder eine Marke verliehenen Rechte Lizenzen geben.

61.      Drittens ist der Umstand, dass sich die auf Treibhausgasemissionszertifikate anwendbaren Regelungen von denen unterscheiden, die auf die ausdrücklich in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Rechte anwendbar sind, ohne Bedeutung. Gleiches gilt im Übrigen für sie: Marken und Patente müssen eingetragen werden, während das Urheberrecht mit der Schaffung des geschützten Werks entsteht. Außerdem sind sie von unterschiedlicher Dauer. Der entscheidende Faktor ist in Wirklichkeit nicht die Vergleichbarkeit der Rechte als solche, sondern die ihrer Übertragung (Abtretung oder Einräumung). Dabei handelt es sich nämlich um das gemeinsame Merkmal, das eine harmonisierte Umsatzbesteuerung ermöglicht; eine steuerbare Dienstleistung im Sinne der Richtlinie kann nur bei einer Übertragung vorliegen, und in diesem Fall muss der Ort der Leistung bestimmt werden(23).

62.      Ferner sind bei genauerer Betrachtung erhebliche Übereinstimmungen zwischen dem gewerblichen Eigentum und den Emissionszertifikaten zu konstatieren:

a)      Beides sind geschützte Rechte, die durch einen Titel verkörpert werden, den der Inhaber an Dritte übertragen kann (da allein der Inhaber eines Zertifikats zur Emission einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum berechtigt ist(24)).

b)      Wie der Bundesgerichtshof in seiner Vorlageentscheidung ausgeführt hat(25), zeichnen sich beide dadurch aus, dass der Gesetzgeber dem Inhaber ein absolutes Recht in dem Sinne einräumt, dass er die alleinige Befugnis hat, das Recht zu nutzen, zu verwerten und andere davon auszuschließen, auch wenn das Recht des geistigen Eigentums alle Merkmale eines Eigentumsrechts besitzt, d. h. usus, fructus und abusus, während das Eigentumsrecht an Emissionszertifikaten keine zivilrechtlichen Früchte tragen kann (fructus, durch Vergabe einer Lizenz).

c)      Beide Kategorien umfassen Rechte, die sich in Geld bewerten lassen, da der Wert der Urheberrechte, Patente und Marken wie der Wert der Emissionszertifikate durch Angebot und Nachfrage auf dem Markt bestimmt wird.

d)      Bestimmte Rechte des geistigen Eigentums unterliegen – wie Emissionszertifikate – einer Eintragung in ein öffentliches Register. Die Ausschließlichkeit des Nutzungsrechts folgt aus der eindeutigen Zuordnung im Emissionshandelsregister. Die Treibhausgasemissionszertifikate verfügen über eine eindeutige elektronische Identifikation und können nur im Konto eines einzigen Kontoinhabers verzeichnet sein. Folglich hat nur er die Möglichkeit, über das Emissionszertifikat zu verfügen, sei es, indem er es verwendet, um seinen Abgabeverpflichtungen (nach den Rechtsvorschriften im Bereich des Emissionszertifikatehandels) nachzukommen, sei es, indem er es verkauft und auf das Konto eines anderen Kontoinhabers überträgt.

e)      Die beiden Kategorien von Rechten unterliegen einer zeitlichen Begrenzung, auch wenn die „Lebensdauer“ der Rechte des geistigen Eigentums länger ist.

f)      Der Eigentümer des Rechts ist zudem in beiden Fällen nach der Übertragung nicht mehr befugt, das fragliche Recht zu nutzen. Folglich kommt die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten wirtschaftlich ihrem Inhaber zuguteund kann aus mehrwertsteuerlicher Sicht mit der Abtretung von Patenten, Marken, Lizenzen oder Urheberrechten verglichen werden.

63.      Viertens ist, wie die Kommission ausführt, die Frage, ob ein bestimmtes Recht den in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Rechten ähnelt, vor allem anhand von Sinn und Zweck dieser Bestimmung zu beantworten. Aus einer Zusammenschau der Erwägungsgründe 4, 10, 17, 19, 20, 22 und 23 sowie der Art. 45, 52, 53, 55 und 56 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt sich, dass zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und Leistungen an Steuerpflichtige möglichst das Bestimmungslandprinzip angewandt werden sollte, d. h., dass die Besteuerung im Mitgliedstaat des Empfängers der Lieferung oder Leistung stattfinden sollte. Dies entspricht auch dem Charakter der Mehrwertsteuer als allgemeiner Verbrauchsteuer(26), die grundsätzlich am Ort des Verbrauchs erhoben wird.

64.      Aus dem Normzweck von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt sich, dass es zur Klärung der Frage, ob eine Rechtsposition „ähnlich“ ist, daher darauf ankommt, ob die Anwendung des Bestimmungslandprinzips zum Zeitpunkt der Übertragung Probleme bereitet oder nicht. Bei Rechten, die in ein öffentliches Register eingetragen sind, können der Erwerber, sein Sitz und folglich auch das Bestimmungsland einfach und mit großer Rechtssicherheit bestimmt werden. Dies ist bei Treibhausgasemissionszertifikaten der Fall. Daher kann ihnen im Bereich der Mehrwertsteuer eine identische Behandlung zuteilwerden.

65.      Auch wenn mit den Emissionszertifikaten nicht der gleiche Zweck verfolgt wird wie mit einem Recht des geistigen Eigentums (Schutz einer schöpferischen Tätigkeit des Menschen), erscheint mir die Vergleichbarkeit dieser beiden Kategorien für die Würdigung von Art. 56 der Mehrwertsteuerrichtlinie erwiesen.

66.      Unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Behandlung ist dabei das Potenzial dieser Rechte zur Schaffung eines Mehrwerts von Bedeutung. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, da der Rechtsinhaber bei einer Übertragung der Zertifikate oder der Abtretung von Patenten und Urheberrechten sein Verfügungsrecht ausübt und dafür einen bestimmten Preis erhält.

4.      Rechtsprechung des Gerichtshofs

67.      Auch wenn Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie noch nicht Gegenstand einer Auslegung durch die Rechtsprechung war, können wir uns daran orientieren, dass der Gerichtshof gleichwohl Gelegenheit hatte, andere Punkte dieses Absatzes auszulegen.

68.      Im Urteil vom 16. September 1997, von Hoffmann (C-145/96, EU:C:1997:406), legte der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung den Inhalt von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie 77/388 aus(27). Er prüfte darin, ob die Dienstleistungen eines Schiedsrichters in den Anwendungsbereich des Begriffs „sonstige ähnliche Leistungen“ fallen, die mit den von Anwälten oder Beratern erbrachten Leistungen vergleichbar sind.

69.      Generalanwalt Fennelly hatte dem Gerichtshof eine weite Auslegung des Begriffs vorgeschlagen, wobei er hervorhob, dass eine Anwendung des Auslegungsgrundsatzes der Gattungsgleichheit nicht erforderlich sei, da eine solche Situation mit Ziel und Zweck der Sechsten Richtlinie nicht vereinbar wäre(28), doch folgte der Gerichtshof dieser Auslegung nicht.

70.      Der Gerichtshof stellte in seinem Urteil auf folgende Gesichtspunkte ab:

–        Der Gemeinschaftsgesetzgeber nahm nicht auf Berufe Bezug, sondern auf Leistungen, da die in dieser Bestimmung angeführten Berufe verwendet wurden, um die dort angesprochenen Arten von Leistungen zu definieren(29).

–        Die Worte „sonstige ähnliche Leistungen“ beziehen sich nicht auf ein gemeinsames Element der in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388 angeführten unterschiedlichen Tätigkeiten, sondern auf Leistungen, die irgendeiner dieser Tätigkeiten ähneln(30).

–        Eine Leistung ähnelt dann einer in dieser Vorschrift angeführten Tätigkeit, wenn beide Tätigkeiten dem gleichen Zweck dienen(31).

71.      Elf Jahre später präzisierte der Gerichtshof diese Rechtsprechung in seinem Urteil vom 6. November 2008, Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrådet (C-291/07, EU:C:2008:609).

72.      Es ging um die Auslegung derselben Bestimmung wie in der Rechtssache, in der das Urteil von Hoffmann (C-145/96, EU:C:1997:406) erging. Eine Stiftung schwedischen Rechts übte sowohl wirtschaftliche als auch andere Tätigkeiten aus, und die aufgeworfene Frage bezog sich auf die steuerlichen Folgen bestimmter Beratungsleistungen, die die Stiftung allein für ihre nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fallenden Tätigkeiten in Anspruch nehmen wollte.

73.      Der Gerichtshof wies in Rn. 24 seines Urteils darauf hin, dass durch die Regeln zur Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts bei Dienstleistungen Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, sowie die Nichtbesteuerung von Einnahmen verhindert werden sollen. Anschließend nahm er eine teleologische Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung vor und führte aus, dass in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e(32) nicht klargestellt wurde, ob seine Anwendung voraussetzt, dass der steuerpflichtige Empfänger einer Dienstleistung diese für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nutzt oder nicht(33).

74.      Er fügte hinzu, dass eine solche Auslegung

–        mit dem durch den in Rede stehenden Artikel verfolgten Zweck im Einklang steht, der der einer Konfliktregel ist, mit der die Gefahren der Doppelbesteuerung und der Nichtbesteuerung vermieden werden sollen(34);

–        den Zwecken und Funktionsregeln der gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerregelung entspricht, da sie gewährleistet, dass der Endverbraucher der Dienstleistung den Endbetrag der geschuldeten Mehrwertsteuer trägt(35);

–        ebenso dem Grundsatz der Rechtssicherheit entspricht und es überdies erlaubt, die Belastung derjenigen Wirtschaftsteilnehmer, die im gesamten Binnenmarkt tätig sind, zu verringern und den freien Dienstleistungsverkehr zu vereinfachen(36).

75.      Diese weite Auslegung wurde vom Gerichtshof in einer die Befreiung von Umsätzen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren betreffenden Rechtssache bestätigt. Dabei hob der Gerichtshof in Rn. 54 des Urteils vom 19. Juli 2012, Deutsche Bank (C-44/11, EU:C:2012:484), Folgendes hervor:

„Da die von der Deutschen Bank im Ausgangsverfahren getätigte Portfolioverwaltung eine Leistung finanzieller Natur ist und Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der [Mehrwertsteuerrichtlinie] nicht eng ausgelegt werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 1996, Dudda, C-327/94, EU:C:1996:355, Rn. 21, und vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank, C-41/04, EU:C:2005:649, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist davon auszugehen, dass diese Tätigkeit als Finanzumsatz in den Geltungsbereich von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der [Mehrwertsteuerrichtlinie] fällt“ (Hervorhebung nur hier).

76.      Im letztgenannten Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank (C-41/04, EU:C:2005:649) hatte der Gerichtshof über den steuerlichen Anknüpfungspunkt für „Leistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstigen ähnlichen Leistungen“ zu entscheiden und stellte fest, dass sich die maßgebliche Bestimmung der Richtlinie „nicht auf Berufe wie Anwalt, Berater, Buchprüfer oder Ingenieur bezieht, sondern auf Leistungen, die von diesen Personen erbracht werden oder die den von diesen Personen erbrachten Leistungen ähnlich sind“(37).

77.      Diese teleologische Auslegung der genannten Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie steht im Übrigen im Einklang mit dem vom Gerichtshof im Urteil Cilfit u. a.(38) aufgestellten allgemeinen Auslegungsgrundsatz des Unionsrechts. Hiernach ist jede Vorschrift des Unionsrechts in ihrem rechtlichen Zusammenhang zu sehen und im Licht des gesamten Unionsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift auszulegen.

78.      Auf die vorliegende Rechtssache übertragen, führen die Grundsätze, die sich aus der angeführten Rechtsprechung ergeben, zu dem Ergebnis, dass Emissionszertifikate zur Kategorie der in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten „ähnlichen Rechte“ gehören. Das durch sie verliehene Recht ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt seiner Merkmale mit den Rechten des geistigen Eigentums vergleichbar, sondern eine solche Auslegung steht auch im Einklang mit dem besonderen Ziel von Art. 56, die Doppelbesteuerung und die Gefahr der Nichtbesteuerung zu vermeiden.

79.      Da die Nutzung der durch die Zertifikate verliehenen Emissionsrechte üblicherweise an dem Ort stattfindet, an dem der Erwerber der Zertifikate seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt – ob er nun selbst eine Anlage betreibt, für deren Emissionen Zertifikate abgegeben werden müssen, oder ob er die Zertifikate weiterverkauft –, führt die Anwendung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zu einer steuerlich sinnvollen Lösung, weil die betreffenden Dienstleistungen unter das Mehrwertsteuersystem des Mitgliedstaats fallen, in dessen Hoheitsgebiet die Personen, die die Zertifikate erworben haben, ihre wirtschaftliche Tätigkeit ausüben(39).

5.      Worin besteht die Praxis der Mitgliedstaaten?

80.      Eine Prüfung dieser Frage ist nicht nur deshalb angebracht, weil die Bundesrepublik Deutschland im Verfahren vor dem Gerichtshof geltend gemacht hat, alle anderen Mitgliedstaaten hätten den gleichen Standpunkt eingenommen wie sie, sondern auch deshalb, weil sie meine Würdigung – mangels einer anderen Auslegung in den Staaten, die dem Zweck der Mehrwertsteuerregelung im Allgemeinen und von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie im Besonderen besser entspräche – bestätigen könnte.

a)      Standpunkt des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer

81.      Dieser aufgrund von Art. 398 der Mehrwertsteuerrichtlinie eingesetzte Ausschuss, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der Kommission zusammensetzt, ist zum gleichen Ergebnis gelangt.

82.      Der Beratende Ausschuss für die Mehrwertsteuer ging, wie die Kommission in ihrem Vorschlag, davon aus, dass die in der Richtlinie 2003/87 geregelten Emissionszertifikate unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie fallen. Der Inhalt dieser Bestimmung entspricht größtenteils dem von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie.

83.      Am 14. Oktober 2004 verabschiedete er folgende Empfehlungen:

„Die Delegationen vereinbarten einstimmig, dass die Übertragungen von Treibhausgasemissionszertifikaten, die in Artikel 12 der Richtlinie 2003/87/EG … beschrieben sind, die entgeltlich durch einen Steuerpflichtigen durchgeführt werden, eine steuerbare Erbringung von Dienstleistungen darstellen, die unter Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e der Richtlinie 77/388/EWG fallen. Eine Befreiung gemäß Artikel 13 der Richtlinie 77/388/EWG ist auf diese Übertragungen von Treibhausgasemissionszertifikaten nicht anwendbar.“

b)      Praxis der Mitgliedstaaten

84.      In der großen Mehrzahl der Mitgliedstaaten (21 von 25(40) untersuchte Rechtsordnungen) findet eine Art. 56 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechende nationale Bestimmung auf Treibhausgasemissionszertifikate Anwendung. Diese Feststellung beruht auf den nationalen Rechtsakten, die sich an den 2004 gegebenen Empfehlungen des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer ausrichten(41).

85.      In diesem Rahmen ist darauf hinzuweisen, dass in zwei Mitgliedstaaten (Estland, Slowakei) die Abtretung von Treibhausgasemissionszertifikaten im nationalen Gesetz zur Umsetzung von Art. 56 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie ausdrücklich als gesonderter Punkt vorgesehen ist.

86.      In vielen anderen Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, Tschechische Republik, Irland, Frankreich(42), Litauen, Ungarn, Österreich, Slowenien, Finnland(43), Schweden, Vereinigtes Königreich) wurden von den zuständigen Behörden Hinweise, Rundschreiben oder Empfehlungen veröffentlicht, wonach auf Abtretungen der genannten Zertifikate die Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechende nationale Bestimmung anzuwenden sei.

87.      In drei weiteren Mitgliedstaaten (Spanien, Italien(44), Polen) ergibt sich aus der Verwaltungspraxis in Form von Einzelfallentscheidungen der Steuerbehörden, dass Abtretungen von Treibhausgasemissionszertifikaten als Umsätze angesehen wurden, bei denen sich der Leistungsort am Sitz des Empfängers befindet.

88.      Schließlich gibt es in vier Mitgliedstaaten Gesetzesmaterialien (Dänemark, Luxemburg, Niederlande) oder Korrespondenz zwischen Ministerien (Lettland), worin eine ähnliche Sichtweise vertreten wird.

89.      Insoweit ist von Bedeutung, dass Abtretungen von Zertifikaten in bestimmten Rechtsordnungen ausdrücklich als „ähnliche Rechte“ eingestuft wurden (Italien, Niederlande, Slowenien, Finnland, Schweden), während sie in anderen Rechtsordnungen lediglich der Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechenden nationalen Bestimmung unterworfen wurden, ohne nähere Angaben zu der speziellen Kategorie zu machen, denen die Zertifikate zugeordnet wurden (Belgien, Bulgarien, Tschechische Republik, Dänemark, Deutschland, Irland, Spanien, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Ungarn, Österreich, Polen, Vereinigtes Königreich), oder unter Angabe einer speziellen Kategorie „Abtretung von Treibhausgasemissionszertifikaten“ (Estland, Slowakei), die sich von den ausdrücklich in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgeführten Kategorien unterscheidet.

90.      Ferner ist festzustellen, dass die vor 2010 in diesen verschiedenen Mitgliedstaaten ergangene Rechtsprechung zur Frage der Bestimmung des Ortes, an dem Abtretungen von Treibhausgasemissionszertifikaten zu besteuern sind, wenig aussagekräftig erscheint.

91.      Für die übrigen Rechtsordnungen (Griechenland, Zypern, Malta, Rumänien) ließ sich nicht ermitteln, ob und/oder wie Abtretungen von Treibhausgasemissionszertifikaten für Mehrwertsteuerzwecke eingestuft wurden und wo sich somit der Ort der Leistung für diese Abtretungen befand.

92.      Nach alledem ist der Begriff „ähnliche Rechte“ in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er auch Treibhausgasemissionszertifikate einschließt.

V –    Ergebnis

93.      Aus diesen Gründen – und unter Hinweis darauf, dass sich nach der allgemeinen Regel der Ort einer Dienstleistung nunmehr am Sitz des Empfängers befindet – schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesgerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Der Begriff „ähnliche Rechte“ in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er auch die Zertifikate im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates einschließt.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Le Bars, B., „La nature juridique des quotas d’émission de gaz à effet de serre après l’ordonnance du 15 avril 2004, Réflexions sur l’adaptabilité du droit des biens“, La Semaine juridique, Édition générale Nr. 28, 7. Juli 2004, Doctrine 148.


3 – Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in ihrer im Jahr 2009 geltenden Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).


4 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. 2003, L 275, S. 32).


5 – Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1).


6 – Richtlinie des Rates vom 12. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112 bezüglich des Ortes der Dienstleistung (ABl. 2008, L 44, S. 11).


7 – Richtlinie des Rates vom 16. März 2010 zur Änderung der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf eine fakultative und zeitweilige Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens auf die Erbringung bestimmter betrugsanfälliger Dienstleistungen (ABl. 2010, L 72, S. 1). Im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/23 wird der Handel mit Emissionszertifikaten als „besonders betrugsanfällig“ eingestuft.


8 – Richtlinie des Rates vom 22. Juli 2013 zur Änderung der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf eine fakultative und zeitweilige Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) auf Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen (ABl. 2013, L 201, S. 4).


9 – Art. 25 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie.


10 – Zur steuerlichen Behandlung vgl. den für die Kommission (Generaldirektion „Steuern und Zollunion“) erarbeiteten Bericht von Copenhagen Economics, Tax treatment of ETS allowances, Options for improving transparency and efficiency, Oktober 2010.


11 – Beim Emissionshandel wird viel über die Rechtsgrundlage der Regelung und ihre Einbindung in bestehende Rechtsordnungen debattiert. Die Rechtsnatur der Zertifikate stellt ein sehr umstrittenes Thema dar, da die Richtlinie 2003/87 hierzu keine Angaben enthält. Zertifikate besitzen allerdings sowohl Merkmale von verwaltungsrechtlichen Konzessionen oder Lizenzen als auch von Privateigentum, und anerkanntermaßen wurden in einigen Mitgliedstaaten bereits unterschiedliche Schlussfolgerungen zu ihrer Rechtsnatur gezogen. Es wird auch diskutiert, ob Emissionszertifikate als nicht körperliche Gegenstände statt als Konzessionen definiert werden können (freie Übersetzung). Vgl. Colangelo, M., Creating property rights, Law and Regulation of Secondary Trading in the European Union, Martinus Nijhoff, 2012, S. 162 und 165 (unter Bezugnahme auf Jacometti, V., Lo scambio di quote di emissione. Analisi di un nuovo strumento di tutela ambientale in prospettiva comparatistica, Mailand: Giuffrè, 2010).


12 – Die Behandlung der Zertifikate im Rahmen des Steuerrechts, der Buchhaltungsstandards und der Regelung von Finanzdienstleistungen ist von besonderer Bedeutung, da sie, falls sie sich von Land zu Land unterscheidet, der Entwicklung des Emissionshandelsmarkts ernsthaft schaden könnte. Zu der auf Emissionszertifikate anwendbaren Steuerregelung gibt es derzeit keine verbindlichen Verlautbarungen zur Verbuchung, weder in den International Financial Reporting Standards (IFRS) noch in den United States Generally Accepted Accounting Principles (US GAAP), die speziell die Verbuchung bei Emissionshandelssystemen betreffen. Sowohl das International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) als auch die Emerging Issues Task Force (EITF) haben sich mit der Verbuchung bei Emissionshandelssystemen befasst, aber in der Praxis sind keine Leitlinien in Kraft getreten (freie Übersetzung). Colangelo, a. a. O., S. 169 und 170.


13 – Vgl. Le Bars, B., „La nature juridique des quotas d’émission de gaz à effet de serre après l’ordonnance du 15 avril 2004, Réflexions sur l’adaptabilité du droit des biens“, La Semaine juridique, Edition générale Nr. 28, 7. Juli 2004, Doctrine 148; Richelle, I., „Emission Trading: Accounting Tax Regime in Belgium“, Bulletin for International Taxation, August/September 2008, S. 414 bis 421 (vgl. auch Richelle, I., „Emission trading: accounting and tax aspects“, in Lang, M., und Vanistendael, F. [Hrsg.], Accounting and Taxation & Assessment of ECJ Case Law, EATLP International Tax Series, 2007, Bd. 5).


14 – Vgl. Art. L-229-18-II des code de l’environnement (Umweltgesetzbuch), eingeführt durch Erlass vom 15. April 2004.


15 – Vgl. Richelle, I., a. a. O., S. 418.


16 – Vgl. Richelle, I., a. a. O., S. 416.


17 – Es handelt sich nicht um eine Verjährungsfrist, sondern um eine an das Bestehen des Rechts an sich anknüpfende Frist.


18 – Vgl. Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, 114. Lfg., § 3a, Rn. 121; Meyer-Holiatz/Nagel/Krüger in Elspas/Salje/Stewing, Emissionshandel, Kap. 45, Rn. 3 ff.; Adam/Hentschke/Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrechts, Kap. 8.7.


19 – Vgl. BMF-Schreiben vom 2. Februar 2005, BStBI. I 2005 S. 494 (Anlage 1 der Erklärungen der Kommission).


20 – Vgl. Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2013, 1 K 2550/11 U.


21 – Hier ist der Hinweis von Interesse, dass nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 des Rates vom 17. Oktober 2005 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 77/388 (ABl. 2005, L 288, S. 1) die Erteilung des Rechts zur Fernsehübertragung von Fußballspielen durch in einem Drittland ansässige Organisationen an in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige den genannten Rechten am geistigen Eigentum gleichgestellt ist.


22 – Vgl. Art. 4 ff. und Art. 13 der Richtlinie 2003/87. Durch eine Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 2003/87 entstandene Treibhausgasemissionen erfordern eine Genehmigung, die der Betreiber einer Anlage unter den in Art. 6 der Richtlinie genannten Voraussetzungen beantragen kann. Im Rahmen des Systems für den Handel mit Emissionszertifikaten in der Union müssen die Anlagenbetreiber jedes Jahr eine ihren tatsächlichen Emissionen entsprechende Zahl von Treibhausgasemissionszertifikaten abgeben. Verringert ein Betreiber die Emissionen seiner Anlage, kann er die nicht mehr benötigten Emissionszertifikate auf dem Markt verkaufen. Im umgekehrten Fall muss er Emissionszertifikate erwerben, um seine Abgabeverpflichtung zu erfüllen. Kommt ein Anlagenbetreiber dieser Verpflichtung nicht nach, werden gegen ihn Sanktionen verhängt.


23 – Diese Bestimmung ist für steuerfreie Übertragungen natürlich nicht erforderlich (vgl. z. B. Art. 135 Abs. 1 Buchst. f und j bis l der Mehrwertsteuerrichtlinie).


24 –      Vgl. Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87.


25 –      Vgl. Rn. 29 ff.


26 – Vgl. Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie.


27 – Der dem Inhalt des jetzigen Art. 56 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie entspricht.


28 – Vgl. seine Schlussanträge in der Rechtssache von Hoffmann (C-145/96, EU:C:1997:218, Nrn. 17 und 23).


29 – Vgl. Urteil vom 16. September 1997, von Hoffmann (C-145/96, EU:C:1997:406, Rn. 15).


30 – Vgl. Urteil vom 16. September 1997, von Hoffmann (C-145/96, EU:C:1997:406, Rn. 20).


31 – Vgl. Urteil vom 16. September 1997, von Hoffmann (C-145/96, EU:C:1997:406, Rn. 21).


32 – Nunmehr Art. 56 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie.


33 – Vgl. Urteil vom 6. November 2008, Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrådet (C-291/07, EU:C:2008:609, Rn. 28).


34 – Vgl. Urteil vom 6. November 2008, Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrådet (C-291/07, EU:C:2008:609, Rn. 30). Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs sollen mit den Regeln über die Bestimmung des Ortes, an den bei Dienstleistungen steuerlich anzuknüpfen ist, einerseits Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, und andererseits die Nichtbesteuerung von Einnahmen vermieden werden (Urteil vom 30. April 2015, SMK, C-97/14, EU:C:2015:290).


35 – Vgl. Urteil vom 8. November 2008, Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrådet (C-291/07, EU:C:2008:609, Rn. 32).


36 – Vgl. Urteil vom 8. November 2008, Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrådet (C-291/07, EU:C:2008:609, Rn. 33).


37 – Urteil vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank (C-41/04, EU:C:2005:649, Rn. 37).


38 –      Vgl. Urteil vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a. (283/81, EU:C:1982:335, Rn. 20).


39 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 2005, RAL (Channel Islands) u. a. (C-452/03, EU:C:2005:289, Rn. 33).


40 – Die deutsche Regelung wurde natürlich nicht analysiert. Für eine Untersuchung der portugiesischen Rechtsordnung fehlten mir Daten, und die Republik Kroatien war 2009 noch nicht Mitglied der Union.


41 – Eine Liste der vom Beratenden Ausschuss für die Mehrwertsteuer verabschiedeten Leitlinien ist im Internet unter folgender Adresse zu finden: https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/docs/body/guidelines-vat-committee-meetings_de.pdf.


42 – In Frankreich, von dem der Antrag auf Leitlinien des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer zu Treibhausgasemissionszertifikaten unter dem Gesichtspunkt der Mehrwertsteuer ausging, wurde im Juni 2009 beschlossen, die Abtretung solcher Zertifikate als Wertpapierumsätze vorübergehend von der Mehrwertsteuer zu befreien.


43 – In der finnischen Lehre wird es als unklar bezeichnet, ob alle Mitgliedstaaten diesen Standpunkt eingenommen hätten, und in Belgien war stattdessen von einem „Konsens“ die Rede.


44 – Dabei ist klarzustellen, dass das Verfahren vor der italienischen Steuerbehörde einen Erwerber von Treibhausgasemissionszertifikaten betraf, der seinen Sitz in der Schweiz hatte.