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Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 19. März 2019(1)

Rechtssache C-71/18

Skatteministeriet

gegen

KPC Herning

(Vorabentscheidungsersuchen des Vestre Landsret [Landgericht der Region West, Dänemark])

„Mehrwertsteuer – Lieferung eines Grundstücks, auf dem ein teilweise abzureißendes Gebäude steht, an dessen Stelle ein Neubau errichtet werden soll – Art. 12 der Richtlinie 2006/112/EG – Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und k der Richtlinie 2006/112 – Befreiung von der Mehrwertsteuer – Absicht der Vertragsparteien – Objektive Beurteilung – Begriff ‚Gebäude‘“






1.        Stellt die Lieferung eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks einen nach Art. 12 und Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und k der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Steuer befreiten Umsatz dar, wenn sich die Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Lieferung darüber einig sind, dass der Erwerber oder ein nachfolgender Erwerber das Gebäude abreißen wird, um ein neues Gebäude zu errichten(2)?

2.        Dies ist im Kern die Frage, die dem Gerichtshof vom Vestre Landsret (Landgericht der Region West, Dänemark) vorgelegt worden ist. Die durch die vorliegende Rechtssache aufgeworfene, allgemeinere Grundsatzfrage lautet, welche Bedeutung der Absicht der Vertragsparteien bei der Einordnung eines Umsatzes nach der Mehrwertsteuerrichtlinie zukommt.

I.      Rechtsrahmen

A.      Unionsrecht

3.        Art. 12 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine der in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere einen der folgenden Umsätze bewirken:

a)      Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt;

b)      Lieferung von Baugrundstücken.

(2)      Als ,Gebäude‘ im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a gilt jedes mit dem Boden fest verbundene Bauwerk.

(3)      Als ,Baugrundstück‘ im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b gelten erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten.“

4.        Art. 135 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

j)      Lieferung von anderen Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden als den in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a genannten;

k)      Lieferung unbebauter Grundstücke mit Ausnahme von Baugrundstücken im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe b;

…“

B.      Nationales Recht

5.        In § 13 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 3 der Lovbekendtgørelse nr. 760 af 21. juni 2016 om merværdiafgift (Gesetzesbekanntmachung Nr. 760 vom 21. Juni 2016 über die Mehrwertsteuer) (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) heißt es:

„1.      Folgende Gegenstände und Dienstleistungen sind von der Steuer befreit:

9)      die Lieferung von Grundstücken. Jedoch sind folgende Umsätze von der Befreiung ausgenommen:

a)      die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden;

b)      die Lieferung von erschlossenen oder unerschlossenen Baugrundstücken, darunter insbesondere die Lieferung von bebauten Grundstücken.

3.      Der Minister der Finanzen kann nähere Bestimmungen zum Begriff ,Grundstücke‘ im Sinne von Abs. 1 Nr. 9 erlassen.“

6.        § 54 Abs. 1 der Bekendtgørelse nr. 808 af 30. juni 2015 om merværdiafgift (Verordnung Nr. 808 vom 30. Juni 2015 über die Mehrwertsteuer) (im Folgenden: Mehrwertsteuerverordnung) bestimmt:

„Der Begriff ,Gebäude‘ in § 13 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. a des Mehrwertsteuergesetzes bezeichnet fest mit dem Boden verbundene Bauwerke, die zu dem Zweck fertiggestellt wurden, zu dem sie bestimmt sind. Die Lieferung von Teilen eines solchen Gebäudes gilt ebenfalls als Lieferung eines Gebäudes.“

7.        § 56 Abs. 1 der Mehrwertsteuerverordnung bestimmt:

„Der Begriff ‚Baugrundstück‘ in § 13 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. b des Mehrwertsteuergesetzes bezeichnet eine unbebaute Fläche, die gemäß dem [dänischen] Baugesetzbuch oder gemäß auf dessen Grundlage erlassener Bestimmungen für Zwecke vorgesehen sind, die den Bau von Gebäuden im Sinne von § 54 dieser Verordnung ermöglichen.“

8.        In Nr. 2.2 der Skatteministeriets vejledning om moms på salg af nye bygninger og byggegrunde (Dienstanweisung des Finanzministeriums betreffend die mehrwertsteuerliche Behandlung des Verkaufs von neuen Gebäuden und Baugrundstücken) heißt es:

„Die Lieferung von Gebäuden und dem dazugehörigen Grund und Boden unterliegt nicht der Mehrwertsteuer, wenn es sich nicht um neue Gebäude handelt.

Erfolgt die Lieferung zwecks Errichtung eines neuen Gebäudes, gilt sie jedoch als Lieferung eines Baugrundstücks.

Wenn vereinbart wurde, dass das Gebäude vom Verkäufer abzureißen ist, oder aus dem Kaufvertrag hervorgeht, dass der Erwerb mit dem Ziel des Gebäudeabrisses durch den Käufer erfolgt, handelt es sich um eine Lieferung eines Baugrundstücks.

In anderen Fällen ist die Absicht des Käufers für die Beurteilung, ob eine Lieferung eines Baugrundstücks vorliegt, nicht entscheidend.

Kriterien, die für sich genommen oder in Kombination mit anderen Kriterien im Hinblick auf die Feststellung, ob eine Lieferung eines Baugrundstücks vorliegt, berücksichtigt werden können, sind z. B. der im Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis im Vergleich zum üblichen Verkehrswert vergleichbarer Grundstücke, die Art des Bauwerks (,Schuppen‘), der fehlende Anschluss an die öffentliche/private Versorgungsinfrastruktur, die frühere Nutzung des Grundstücks und die Art des Bauwerks (z. B. eine Lagerzwecken dienende ,Scheune‘, die bereits ganz grundlegende Voraussetzungen für eine künftige Nutzung nicht erfüllt).

Ist danach davon auszugehen, dass die Lieferung im Hinblick auf die Errichtung eines neuen Gebäudes erfolgte, so ist die Lieferung als Lieferung eines Baugrundstücks anzusehen.

…“

II.    Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefrage

9.        Im April 2012 nahm der Stadtrat von Odense (Dänemark) einen Bebauungsplan für einen Bereich des Hafens an, der u. a. das Grundstück Finlandkaj 12 (im Folgenden: fragliches Grundstück) umfasst. Aus dem Bebauungsplan ging u. a. hervor, dass das auf diesem Grundstück befindliche Lagerhaus so weit wie möglich erhalten bleiben sollte.

10.      Ab Mai 2013 arbeiteten die KPC Herning A/S (ein dänisches Projektentwicklungs- und Bauunternehmen) (im Folgenden: KPC) und die Boligforening Kristiansdal (Wohnungsbaugesellschaft Kristiansdal, Dänemark) an einem Konzept für die Errichtung von Sozialwohnungen für junge Menschen im Hafengebiet von Odense. Das Projekt wurde in Kooperation mit der Gemeinde Odense und dem Hafen Odense entwickelt.

11.      Im Juli 2013 wurde der Vorschlag eines Nachtrags zum Bebauungsplan erarbeitet, um auf dem fraglichen Grundstück auf der vom Lagerhaus eingenommenen Fläche den Bau von Wohnungen zu ermöglichen. Laut diesem Nachtrag, der vom Stadtrat von Odense am 4. Dezember 2013 angenommen wurde, sollte der mittlere Teil des Ostgiebels des Lagerhauses erhalten bleiben.

12.      Im November 2013 – nach Weiterleitung des Vorschlags eines Nachtrags zum Bebauungsplan zur Anhörung, aber noch vor seiner förmlichen Annahme – erwarb KPC das fragliche Grundstück durch bedingten Kaufvertrag vom Hafen Odense (im Folgenden: erster Verkauf des fraglichen Grundstücks). Die Vertragsparteien gingen zwar von einem mehrwertsteuerfreien Umsatz aus, vereinbarten jedoch, dass KPC die etwaige Mehrwertsteuer zu entrichten hätte, falls doch eine Mehrwertsteuerpflicht bestehen sollte. Der Kaufvertrag war u. a. dadurch bedingt, dass KPC mit einer Gesellschaft für sozialen Wohnungsbau einen Vertrag über die Errichtung von Sozialwohnungen für junge Menschen auf dem fraglichen Grundstück schließt und dass die Gemeinde Odense einen endgültigen Bebauungsplan annimmt, der dieses Sozialwohnungsbauprojekt ermöglicht.

13.      Am 5. Dezember 2013 schloss KPC drei Verträge mit der Boligforening Kristiansdal ab, und zwar erstens einen bedingten Rahmenvertrag über die Veräußerung des Grundstücks mit dem darauf befindlichen Lagerhaus (im Folgenden: Weiterveräußerung des fraglichen Grundstücks) und den nachfolgenden Umbau zu Sozialwohnungen für junge Menschen, zweitens einen bedingten Kaufvertrag über die Veräußerung des fraglichen Grundstücks und drittens einen Generalunternehmervertrag im Zusammenhang mit dem Umbau des fraglichen Grundstücks.

14.      Aus dem bedingten Rahmenvertrag ergibt sich, dass dieser zusammen mit den beiden anderen Verträgen eine gemeinsame Geschäftsgrundlage darstellte, die vertraglich als eine Einheit zu sehen war. Aus dem Rahmenvertrag geht weiter hervor, dass die Boligforening Kristiansdal beabsichtigte, das Grundstück zu erwerben, um darauf als Bauherr und späterer Verwalter durch Umbau Wohnungen zu errichten und dann zu vermieten und zu verwalten, und dass KPC sich als Voraussetzung für die Veräußerung des Grundstücks ausbedang, das Projekt und den Umbau zu Wohnungen als Generalunternehmer zu leiten. Der Rahmenvertrag wurde u. a. davon abhängig gemacht, dass KPC das Grundstück letztlich vom Hafen Odense erwirbt.

15.      Nach dem bedingten Kaufvertrag wurde der Kaufpreis als von der Mehrwertsteuer befreit angesehen, da die Lieferung ein mit einem Gebäude bebautes Grundstück betraf. KPC hatte vertragsgemäß die Gefahr zu tragen, dass sich die Lieferung entgegen der Erwartung der Parteien als mehrwertsteuerpflichtig erweisen sollte. Der Kaufvertrag unterlag den gleichen Bedingungen wie der Rahmenvertrag. Laut dem bedingten Generalunternehmervertrag sollte KPC alle Arbeitsleistungen erbringen, die notwendig waren, damit das Bauwerk in vollständigem und fertiggestelltem Zustand abgenommen werden konnte, während die Boligforening Kristiansdal selbst den Abriss des auf dem Grundstück stehenden Lagerhauses leiten sollte. Die Kosten hierfür wurden auf 625 000 dänische Kronen (DKK) einschließlich Mehrwertsteuer veranschlagt.

16.      Am 7. März 2014 schloss die Boligforening Kristiansdal mit einem anderen Unternehmen einen Vertrag über den Abriss des Lagerhauses (ausgenommen war dabei der Mittelteil des Ostgiebels, der erhalten bleiben sollte). KPC beteiligte sich nicht am Abriss des Lagerhauses, der von der Boligforening Kristiansdal auf eigene Rechnung und eigenes Risiko veranlasst wurde.

17.      Am 15. August 2015 waren die Wohnungen auf dem Grundstück bezugsfertig.

18.      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts war das Lagerhaus bis zum Veräußerungszeitpunkt vom Hafen Odense an KPC vermietet und in steuerlicher Hinsicht mit 814 000 DKK bewertet. Zu den Übertragungszeitpunkten war das Lagerhaus voll funktionsfähig und hätte z. B. für Kultur- und Sportveranstaltungen genutzt werden können, war jedoch nicht für den Umbau zu Wohnungen geeignet. Es ist unstreitig, dass sich der Hafen Odense, KPC und die Boligforening Kristiansdal zu den Übertragungszeitpunkten darüber einig waren, dass das Lagerhaus, abgesehen von einem Teil des Ostgiebels, abgerissen werden sollte, damit das Wohnungsbauprojekt durchgeführt und vollständig abgeschlossen werden konnte.

19.      Am 10. Dezember 2013 ersuchte KPC den Skatteråd (Steuerrat, Dänemark) um eine verbindliche Auskunft darüber, ob der erste Verkauf des fraglichen Grundstücks durch den Hafen Odense und die Weiterveräußerung an die Boligforening Kristiansdal mehrwertsteuerfrei seien. Mit Schreiben vom 24. Juni 2014 verneinte der Steuerrat beide Fragen verbindlich.

20.      KPC focht die Entscheidung des Steuerrats vor dem Landsskatteret (Nationale Steuerkommission, Dänemark) an, das mit Entscheidung vom 9. Dezember 2015 feststellte, dass es keine Grundlage dafür gebe, das Grundstück als Baugrundstück einzustufen, da sich bei beiden Veräußerungen ein Gebäude auf dem Grundstück befunden habe. Außerdem sei an dem nachfolgenden Abriss nicht KPC, sondern vielmehr die Wohnungsbaugesellschaft beteiligt, die den Abriss auf eigene Rechnung und eigenes Risiko durchzuführen habe.

21.      Mit Klage vom 9. März 2016 focht das Skatteministerium (dänisches Finanzministerium) die Entscheidung des Landsskatteret (Nationale Steuerkommission) vor dem Ret i Herning (Amtsgericht Herning, Dänemark) an, das die Rechtssache aufgrund ihrer grundsätzlichen Bedeutung an das Vestre Landsret (Landgericht für die Region West, Dänemark) verwies. Da dieses Gericht Zweifel bezüglich der richtigen Auslegung bestimmter Vorschriften der Mehrwertsteuerrichtlinie hat, hat es das Verfahren mit Beschluss vom 15. Mai 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 sowie mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. k und Art. 12 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar, dass ein Mitgliedstaat bei einer Sachlage wie der im Ausgangsverfahren vorliegenden eine Lieferung eines Grundstücks, das zum Zeitpunkt der Lieferung mit einem Gebäude bebaut ist, als mehrwertsteuerpflichtige Veräußerung eines Baugrundstücks einstuft, wenn sich die Vertragsparteien einig sind, dass das Gebäude vollständig oder teilweise abgerissen werden soll, um Platz für ein neues Gebäude zu schaffen?

22.      KPC, die dänische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und in der Sitzung vom 30. Januar 2019 mündlich verhandelt.

III. Würdigung

23.      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine nationale Regelung, nach der die Lieferung eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks dann eine mehrwertsteuerpflichtige Lieferung eines Baugrundstücks darstellt, wenn sich die Vertragsparteien darin einig sind, dass das Gebäude abgerissen werden soll, um die Errichtung eines neuen Gebäudes zu ermöglichen, mit Art. 12 und Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und k der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar ist.

24.      Die Verfahrensbeteiligten, die im vorliegenden Verfahren Erklärungen abgegeben haben, vertreten hierzu unterschiedliche Standpunkte.

25.      KPC schlägt vor, die Frage zu verneinen. Insbesondere macht sie geltend, dass beide im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsätze (der erste Verkauf und die Weiterveräußerung des fraglichen Grundstücks) von der Mehrwertsteuer befreit seien, da es sich bei ihnen um „[Lieferungen] von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden“ im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Mehrwertsteuerrichtlinie handele. Die Kommission stimmt KPC hinsichtlich des ersten Umsatzes zu, hält die nachfolgenden Umsätze zwischen KPC und der Boligforening Kristiansdal (die zusammen zu beurteilen seien) jedoch für eine Lieferung „von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden vor dem Erstbezug“, die deshalb nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie mehrwertsteuerpflichtig seien. Die dänische Regierung dagegen schlägt vor, die Vorlagefrage zu bejahen. Ihrer Ansicht nach dürfen die Mitgliedstaaten ein Grundstück wie das fragliche nach Art. 12 Abs. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie als ein „Baugrundstück“ betrachten. Folglich unterliege der Verkauf eines solchen Grundstücks nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie der Mehrwertsteuer.

26.      Ich bin der Auffassung, dass die Vorlagefrage im Grundsatz zu verneinen ist. Die etwaige Lieferung eines Baugrundstücks nach der Mehrwertsteuerrichtlinie ist nach denselben sachlichen Maßstäben wie jeder sonstige in der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Umsatz zu beurteilen: Es ist die objektive Natur des Umsatzes zum Zeitpunkt der Lieferung zu bewerten. In diesem Rahmen ist die subjektive Absicht der Vertragsparteien hinsichtlich der künftigen Nutzung des Grundstücks sicherlich von Bedeutung. Für sich genommen kann sie jedoch schwerlich maßgeblich in dem Sinne sein, dass sie Vorrang hat vor einzelnen oder gar allen objektiven Umständen einer Lieferung.

27.      Im Folgenden konzentriere ich mich in meinen Ausführungen in erster Linie auf die nationalen Vorschriften und darauf, wie sie bestimmte Umsätze einstufen. Die Entscheidung des Einzelfalls bleibt Sache des nationalen Gerichts. Zunächst bedarf es jedoch einer einleitenden Klärung: Welche Umsätze sind hier tatsächlich zu prüfen?

A.      Welcher Umsatz bzw. welche Umsätze?

28.      Im Vorlagebeschluss sowie in einigen der Erklärungen der Verfahrensbeteiligten werden die beiden Umsätze, die zum einen im ersten Verkauf des fraglichen Grundstücks (vom Hafen Odense an KPC) und zum anderen in der Weiterveräußerung des fraglichen Grundstücks (von KPC an die Boligforening Kristiansdal) bestehen, zusammen untersucht, ohne dass irgendeine Unterscheidung zwischen ihnen getroffen würde. Diese beiden Verkaufsgeschäfte sind, wie in Nr. 13 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, eingebettet in ein System von weiteren Verträgen zwischen KPC und der Boligforening Kristiansdal. Hierbei wird offenbar davon ausgegangen, dass diese Umsätze, insbesondere die beiden Verkaufsgeschäfte, sollten sie schon nicht zusammen beurteilt werden, zumindest mehrwertsteuerrechtlich einheitlich behandelt werden müssten.

29.      Es ist unbestreitbar, dass die beiden Verkaufsgeschäfte miteinander verknüpft sind. Der erste Verkauf des fraglichen Grundstücks war dadurch bedingt, dass KPC mit einer Wohnungsbaugesellschaft einen Vertrag über die Errichtung von Sozialwohnungen für junge Menschen auf dem Grundstück abschließt. Die Weiterveräußerung des fraglichen Grundstücks wiederum war an die Bedingung geknüpft, dass KPC dieses Grundstück vom Hafen Odense erwirbt.

30.      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass unter bestimmten Umständen mehrere formal unterschiedliche Umsätze, die getrennt erbracht werden könnten, als ein einziger Umsatz anzusehen sind, wenn sie nicht selbständig sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige gegenüber dem Kunden zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere(n) Einzelleistung(en) eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die steuerlich wie die Hauptleistung behandelt werden. Eine Leistung ist insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen(3).

31.      Allerdings ist für mich nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie diese Erwägungen, die normalerweise für ein Bündel oder einen Verbund von Verträgen zwischen denselben Vertragsparteien gelten, auf die hier fraglichen Umsätze anwendbar sein könnten. Erstens wurden diese Umsätze zu unterschiedlichen Zeitpunkten von verschiedenen Vertragsparteien (nämlich dem Hafen Odense und KPC einerseits sowie KPC und Boligforening Kristiansdal andererseits) getätigt(4). Zweitens können diese Umsätze, insbesondere die beiden aufeinanderfolgenden Verkaufsgeschäfte, nicht als Hilfsgeschäfte zum jeweils anderen Geschäft angesehen werden. Der erste Verkauf des fraglichen Grundstücks ist angesichts seines kommerziellen Zwecks und seiner wirtschaftlichen Begründung für sich genommen als ein Hauptgeschäft anzusehen; dasselbe gilt für die Weiterveräußerung des Grundstücks. Wenn sie auch aufeinander bezogen sind, kann man von den beiden Umsätzen nicht wirklich sagen, dass sie Teil eines einzigen Pakets sind.

32.      Folglich ist jedes der beiden Verkaufsgeschäfte gemäß Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie als ein gesonderter und eigenständiger Umsatz anzusehen(5). Mehrwertsteuerrechtlich muss jeder Umsatz daher für sich genommen und anhand seiner besonderen Merkmale beurteilt werden.

33.      Dessen ungeachtet schließt der Umstand, dass die beiden Verkaufsgeschäfte nicht als eine Einheit angesehen werden können, nicht aus, dass sie mehrwertsteuerrechtlich, nachdem sie nacheinander anhand derselben Kriterien geprüft wurden, letztlich gleich eingestuft werden. Immerhin ist es ja so, dass sich der Inhalt der beiden Umsätze und die Begleitumstände, unter denen diese Umsätze getätigt wurden, weitgehend ähneln. Ob dies hier der Fall ist, insbesondere ob die drei am 5. Dezember 2013 zwischen KPC und der Boligforening Kristiansdal abgeschlossenen Geschäfte(6) mehrwertsteuerrechtlich als ein einziger Umsatz anzusehen sind, hat allerdings das vorlegende Gericht festzustellen(7).

B.      Die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung

34.      Zunächst möchte ich zwei für die Prüfung von Umsätzen nach der Mehrwertsteuerrichtlinie wesentliche Umstände hervorheben: den für die Prüfung relevanten Zeitpunkt sowie die Art der Durchführung dieser Prüfung.

35.      Erstens treten nach Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie der Steuertatbestand und der Steueranspruch grundsätzlich „zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird“. Für die Feststellung, ob ein Umsatz mehrwertsteuerpflichtig ist, ist bei der Prüfung des Umsatzes grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der fragliche Gegenstand geliefert bzw. die fragliche Leistung erbracht wird. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie „[a]ls Lieferung eines Gegenstands … die Übertragung der Befähigung [gilt], wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“.

36.      Zweitens ist mit Blick auf die Art der Durchführung der Prüfung zu betonen, dass auf die objektive Natur des Umsatzes abzustellen ist. Damit soll die wirtschaftliche und geschäftliche Realität des fraglichen Umsatzes erfasst werden(8), indem alle relevanten Faktoren betrachtet werden(9). Es ist der Blickwinkel eines unabhängigen Betrachters einzunehmen, durch den die wahre Natur und der wahre Zweck eines Umsatzes erfasst werden soll, indem alle objektiven Umstände berücksichtigt werden(10).

37.      Zu diesen Umständen gehören insbesondere die spezifischen Merkmale der gelieferten Ware bzw. der erbrachten Dienstleistung, die Art und Weise der Lieferung bzw. Leistungserbringung und ganz allgemein die Begleitumstände des Umsatzes. In diesem Zusammenhang kann auch die Absicht der Vertragsparteien von Bedeutung sein. Der Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass „zur Klärung der Frage, ob ein Umsatz der Mehrwertsteuer unterliegt, die erklärte Absicht der Parteien im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände dieses Vorgangs zu berücksichtigen ist, wenn sie durch objektive Anhaltspunkte bestätigt wird“(11).

38.      Demnach lautet die Grundregel für die Beurteilung eines Umsatzes, dass alle zum Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung vorliegenden objektiven Begleitumstände zu berücksichtigen sind.

39.      Vor diesem Hintergrund erscheint die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung wie (eines Teils der) Nr. 2.2 der Dienstanweisung des Finanzministeriums betreffend die mehrwertsteuerrechtliche Behandlung des Verkaufs von neuen Gebäuden und Baugrundstücken (im Folgenden: Nr. 2.2) mit dem Unionsrecht problematisch.

40.      Grundsätzlich folgt die in Nr. 2.2 vorgesehene Regelung offenbar dem oben beschriebenen Ansatz, nämlich dass im Grundsatz gilt, dass „[d]ie Lieferung von Gebäuden und dem dazugehörigen Grund und Boden … nicht der Mehrwertsteuer [unterliegt], wenn es sich nicht um neue Gebäude handelt“. Die Regelung sieht im Übrigen vor, dass in (sonstigen) allgemeinen Fällen „[d]ie Absicht des Käufers für die Beurteilung, ob eine Lieferung eines Baugrundstücks vorliegt, nicht entscheidend“ ist, wobei bei dieser Beurteilung eine Reihe von (objektiven) Kriterien zu berücksichtigen sind.

41.      Allerdings gibt es auch die besondere Kategorie, die in Nr. 2.2 eingefügt wurde, in der es heißt: „Wenn vereinbart wurde, dass das Gebäude vom Verkäufer abzureißen ist, oder aus dem Kaufvertrag hervorgeht, dass der Erwerb mit dem Ziel des Gebäudeabrisses durch den Käufer erfolgt, handelt es sich um eine Lieferung eines Baugrundstücks“.

42.      Diese spezielle nationale Bestimmung (oder vielmehr diese spezielle Ausnahme von der im nationalen Recht vorgesehenen Grundregel) dürfte von den oben dargestellten Grundsätzen des Mehrwertsteuerrechts in zwei wichtigen Gesichtspunkten abweichen. Erstens beurteilt sich die Mehrwertsteuerpflichtigkeit eines Umsatzes nach Nr. 2.2 nicht nach der Sachlage zum Zeitpunkt der Vornahme der Lieferung, sondern nach Ereignissen, die in Zukunft stattfinden sollen (zeitlicher Aspekt). Zweitens wird die sich aus dem Vertrag ergebende Absicht der Vertragsparteien zum entscheidenden Beurteilungskriterium, während alle objektiven Merkmale des fraglichen Umsatzes außer Betracht bleiben (Art der Durchführung der Prüfung).

43.      Meines Erachtens dürfte die Anwendung einer nationalen Bestimmung wie der in diesem Teil von Nr. 2.2 zu einer fehlerhaften Beurteilung von Umsätzen führen, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen. Eine genauere Analyse der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsätze kann verdeutlichen, warum die Vorlagefrage meines Erachtens zu verneinen ist.

C.      Der erste Verkauf des fraglichen Grundstücks

44.      Mit dem ersten Umsatz hat KPC das fragliche Grundstück, ein fast vollständig mit einem Lagerhaus überbautes Grundstück, vom Hafen Odense erworben. Zum Zeitpunkt des Verkaufs war das Lagerhaus unversehrt, voll funktionstüchtig und der dänischen Steuerverwaltung zufolge mit 814 000 DKK bewertet.

45.      Nach diesen objektiven Kriterien beurteilt, scheint der Umsatz daher unproblematisch unter die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Mehrwertsteuerrichtlinie genannte Kategorie zu fallen, nämlich „die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden“.

46.      Die dänische Regierung macht jedoch geltend, dass damit der wahre Zweck des Umsatzes verkannt würde. Die Absicht der Vertragsparteien – wie sie im Vertrag ihren Niederschlag finde – habe unzweifelhaft darin bestanden, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, auf dem zu einem späteren Zeitpunkt ein neues Gebäude errichtet werden sollte. Die Vertragsparteien seien sich darüber einig gewesen, dass ein Neubau den vorherigen Abriss des Lagerhauses voraussetze. Nach den von der Gemeinde Odense genehmigten Plänen habe lediglich ein sehr begrenzter Teil dieses Gebäudes (ein Teil des Ostgiebels) in das neue Gebäude integriert werden sollen.

47.      Die dänische Regierung beruft sich auf das Urteil Don Bosco, in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass sich die für die Lieferung unbebauter Grundstücke mit Ausnahme von Baugrundstücken vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer nicht auf „die Lieferung eines Grundstücks, auf dem noch ein altes Gebäude steht, das abgerissen werden muss, damit an seiner Stelle ein Neubau errichtet werden kann, und mit dessen Abriss schon vor der Lieferung begonnen worden ist“, erstrecke(12).

48.      Das Vorbringen der dänischen Regierung überzeugt mich nicht. Es beruht auf einer Überbewertung der Absicht der Vertragsparteien bei der mehrwertsteuerrechtlichen Feststellung der wahren Natur und des wahren Zwecks eines bestimmten Umsatzes und dehnt die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Don Bosco über die Reichweite und logischen Grenzen jener Rechtssache aus.

49.      Wie in den Nrn. 36 bis 38 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, muss ein Umsatz vornehmlich anhand seiner objektiven Merkmale untersucht werden. Die Absicht der Vertragsparteien hinsichtlich der gelieferten Ware kann in diesem Zusammenhang auch ein relevanter Umstand sein, da sie Anhaltspunkte für die dem Umsatz zugrunde liegende Logik liefern kann.

50.      Dies trifft jedoch nur insoweit zu, als die Absicht der Vertragsparteien durch die Merkmale des Umsatzes selbst ausgedrückt und/oder unterstrichen wird. Bloße Aussagen der Vertragsparteien, die nicht durch konkrete Anhaltspunkte belegt sind, können keine Rolle spielen. Noch wichtiger ist, dass die Absicht der Vertragsparteien nur dann berücksichtigt werden kann, wenn sie sich auf den von ihnen mit dem fraglichen Umsatz verfolgten Zweck bezieht. Umgekehrt ist die Absicht der Vertragsparteien ohne oder von nur geringer Bedeutung, wenn sie sich – wie in der vorliegenden Rechtssache – darauf bezieht, was mit dem Produkt nach seiner Lieferung durch die Einwirkung Dritter zu einem späteren Zeitpunkt geschehen soll.

51.      Anders ausgedrückt können die Absichten und Pläne der Vertragsparteien eine bestimmte Lesart der Realität verdeutlichen oder bestätigen. Wenn jedoch die steuerliche Beurteilung eines Sachverhalts nicht zu einem Fall von metaphysischem Voluntarismus geraten soll, bei dem, um mit Schopenhauer zu sprechen, der Umsatz sich lediglich durch „Wille und Vorstellung“(13) definiert, kann die Absicht der Vertragsparteien schwerlich Vorrang vor der Realität haben.

52.      Ferner findet der von der dänischen Regierung vertretene Standpunkt in der Rechtsprechung keine Stütze. So hat der Gerichtshof im Urteil Teleos darauf hingewiesen, dass entgegen dem Vorbringen der Parteien, die Absicht des Lieferanten und des Erwerbers, einen Umsatz einer bestimmten Art zu erzielen, reiche für dessen Einstufung als solchen aus, „nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verpflichtung der Finanzverwaltung, Untersuchungen anzustellen, um die Absicht des Steuerpflichtigen zu ermitteln, unvereinbar wäre mit den Zielen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, Rechtssicherheit zu gewährleisten und die mit der Anwendung der Mehrwertsteuer verbundenen Maßnahmen dadurch zu erleichtern, dass, abgesehen von Ausnahmefällen, auf die objektive Natur des maßgeblichen Umsatzes abgestellt wird“. Der Gerichtshof hat weiter ausgeführt, dass die Einstufung eines Umsatzes zwingend „anhand objektiver Kriterien“ zu erfolgen hat(14).

53.      Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum sich die vorliegende Rechtssache von der Rechtssache Don Bosco unterscheidet. Im Urteil Don Bosco hat der Gerichtshof auf die wirtschaftliche Realität des fraglichen Umsatzes abgestellt. Der Erwerber beabsichtigte, auf dem kaufgegenständlichen Grundstück, auf dem der Verkäufer selbst zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufgeschäfts ein Bauwerk abreißen ließ, ein neues Gebäude zu errichten. Der Erwerber erwarb damit tatsächlich ein Grundstück, das praktisch schon fertig für die Errichtung eines neuen Gebäudes war. Es war daher von geringer Bedeutung, dass diese Situation erst etwas später als der Eigentumsübergang eintreten würde.

54.      Insoweit ist Rn. 39 des Urteils Don Bosco aufschlussreich. Wie der Gerichtshof angemerkt hat, war wirtschaftlicher Zweck der vom Verkäufer vorgenommenen Handlungen (die Lieferung des Grundstücks und die Ausführung der Abrissarbeiten) „die Lieferung eines baureifen Grundstücks“(15). Der Gerichtshof hat außerdem darauf hingewiesen, dass das alte Gebäude ohne jeden Nutzen für die wirtschaftliche Tätigkeit des Erwerbers war und dass dem Grundstück erst durch die Durchführung der Abrissarbeiten(16), die vom Verkäufer organisiert und bezahlt wurden, ein wirtschaftlicher Nutzen verliehen würde(17).

55.      All dies steht insoweit im Gegensatz zur vorliegenden Rechtssache, als hier das Lagerhaus zum Zeitpunkt des ersten Verkaufs des fraglichen Grundstücks noch unversehrt war und die Abrissarbeiten noch nicht begonnen hatten. Selbst der Abrisstermin stand noch nicht mit Sicherheit fest, und der weitere Ablauf sollte erst von einem nachfolgenden Erwerber des Grundstücks und nicht von KPC bestimmt werden.

56.      Diese Auslegung des Urteils Don Bosco wird ferner durch die Urteile des Gerichtshofs bestätigt, nach denen die Lieferung einer Immobilie, die aus einem Grundstück und einem alten Gebäude, dessen Umbau in ein neues Gebäude im Gang ist, besteht, dann von der Mehrwertsteuer befreit ist, wenn „zum Zeitpunkt dieser Lieferung am alten Gebäude erst teilweise Abrissarbeiten durchgeführt wurden und es zumindest teilweise noch als solches genutzt wurde“(18).

57.      In der vorliegenden Rechtssache war die objektive Sachlage zum Zeitpunkt der Vornahme des Umsatzes dadurch gekennzeichnet, dass eine Planänderung hinsichtlich des weiteren Schicksals des Lagerhauses – so unwahrscheinlich diese aus Sicht der Vertragsparteien auch gewesen sein mag – nicht vollständig auszuschließen war. Grundsätzlich hätten Verzögerungen bei der Ausführung der Arbeiten oder ein Rechtsstreit über den Abriss des alten Gebäudes oder die Errichtung des neuen Gebäudes oder bloße Änderungen des Bebauungsplans (z. B. aufgrund von in der Phase des Abrisses des Lagerhauses aufgetretenen Problemen) Auswirkungen auf die Nutzung des vorhandenen Lagerhauses haben können.

58.      Letzteres ist keineswegs ein rein hypothetisches Szenario. Denn tatsächlich sah der ursprünglich vom Stadtrat von Odense angenommene Bebauungsplan vor, dass das betreffende Lagerhaus „so weit wie möglich“ zu erhalten sei. Erst nachträglich wurde der Bebauungsplan dahin geändert, dass der mittlere Teil des Ostgiebels des Lagerhauses als das einzige architektonische Element des alten Gebäudes übrigblieb, das erhalten bleiben musste. Obwohl diese Änderung bereits geplant war, bevor der Kaufvertrag unterzeichnet wurde, wurde sie tatsächlich erst danach angenommen(19).

59.      Auch ein zweites von der dänischen Regierung vorgetragenes Argument, nämlich dass sie das fragliche Grundstück als „Baugrundstück“ habe einstufen dürfen, weil die Bestimmung dieses Begriffs nach Art. 12 Abs. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie den Mitgliedstaaten überlassen sei(20), überzeugt mich nicht. Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, kann der Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Bestimmung dessen, was unter einem „Baugrundstück“ zu verstehen ist, nicht so weit gehen, dass der Begriff „Gebäude“ angetastet wird, bei dem es sich seinerseits um einen unionsrechtlichen Begriff handelt(21). Dieser Begriff ist zudem in Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie recht weit gefasst als „jedes mit dem Boden fest verbundene Bauwerk“(22) definiert.

60.      In diesem Zusammenhang möchte ich lediglich hinzufügen, dass im Rahmen der vorliegenden Analyse unerheblich ist, dass ein Teil eines Giebels des alten Gebäudes in dem neuen Gebäude erhalten geblieben ist. So wie ich das verstanden habe, wurde dieser Teil des Gebäudes zunächst entfernt, um nachträglich in das neue Gebäude eingebaut zu werden. Meines Erachtens lässt sich der Begriff „Gebäude“ im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie unter keiner nachvollziehbaren Auslegung so weit ausdehnen, dass er auch einen Bestandteil des alten Gebäudes erfasst, der später lediglich in das neue Gebäude eingebaut oder für dieses genutzt wurde, ohne jemals fest mit dem Boden verbunden gewesen zu sein. Daher sehe ich ungeachtet dessen, dass die Parteien die Abgrenzung dieses Begriffs durchaus erörtert haben, keinen Anlass, noch ausführlicher auf diesen Punkt einzugehen, da er für die vorliegende Rechtssache von geringer Bedeutung ist.

61.      Schließlich findet das Ergebnis, dass der erste Verkauf des fraglichen Grundstücks kaum als Lieferung eines Baugrundstücks im Sinne der mehrwertsteuerrechtlichen Bestimmungen angesehen werden kann, in zwei weiteren Erwägungen eine Stütze.

62.      Erstens hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die ratio legis von Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Mehrwertsteuerrichtlinie darin besteht, dass der Verkauf eines alten Gebäudes kaum mit einer Wertschöpfung einhergeht. Er hat insoweit ausgeführt, dass „der Verkauf eines Gebäudes an einen Endverbraucher im Anschluss an die das Ende des Produktionsprozesses kennzeichnende Erstlieferung … keine signifikante Wertschöpfung [verursacht] und … daher grundsätzlich von der Steuer zu befreien [ist]“(23).

63.      Unter diesem Blickwinkel betrachtet lässt sich die Belegung des hier in Rede stehenden Umsatzes mit Mehrwertsteuer schwerlich rechtfertigen: Denn auf dem Grundstück wurden keinerlei Tätigkeiten entfaltet, die dessen wirtschaftlichen Wert für KPC hätten erhöhen können. In der Tat konnte das Grundstück erst nach Abriss des Lagerhauses wieder Teil eines mit Wertschöpfung verbundenen Produktionsprozesses werden(24).

64.      Zweitens hat der Gerichtshof kürzlich entschieden, dass Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Mehrwertsteuerrichtlinie „zusammen genommen … danach [unterscheiden], ob ein Gebäude alt oder neu ist, wobei der Verkauf eines alten Gebäudes grundsätzlich nicht mit der Mehrwertsteuer belegt ist“(25). In diesem Zusammenhang frage ich mich, ob es nicht Fragen hinsichtlich des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität aufwerfen würde, wenn die Lieferung eines mit einem alten Gebäude bebauten Grundstücks, das sofort wirtschaftlich verwertbar wäre, als eine Lieferung eines Baugrundstücks eingestuft würde. Vergleichbare Umsätze wären dann nämlich letztlich allein nach Maßgabe dessen mehrwertsteuerpflichtig oder -befreit, was die Vertragsparteien als ihre Absicht bezüglich der zukünftigen Verwendung des Gebäudes erklärt haben, und zwar ohne Rücksicht auf dessen äußeres Erscheinungsbild.

65.      Durch die Entkopplung der Anwendung der Rechtsvorschriften von der objektiven Realität könnte dieser Ansatz auch dazu führen, dass eine Umgehung dieser Vorschriften recht einfach wird. Für die Vertragsparteien wäre es nämlich allzu leicht, eine Erklärung über die zukünftige Verwendung eines Gebäudes in den Vertrag aufzunehmen, um hinsichtlich der mehrwertsteuerlichen Behandlung das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Ich halte es nicht für hinnehmbar, dass damit den Steuerbehörden aufgebürdet würde, zu einem späteren Zeitpunkt zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sich die von den Vertragsparteien erklärte Absicht verwirklicht hat.

D.      Die Weiterveräußerung des fraglichen Grundstücks

66.      Meiner Auffassung nach können die oben zum Verkauf des fraglichen Grundstücks angestellten Überlegungen in gleicher Weise für die nachfolgende Weiterveräußerung dieses Grundstücks gelten.

67.      Das letztere Geschäft – das von KPC mit der Boligforening Kristiansdal abgeschlossen wurde – betraf meines Wissens genau das Grundstück, das Gegenstand des ersten Verkaufs war. Der nachfolgende Umsatz betraf daher ebenfalls die Lieferung eines Grundstücks, das mit einem unversehrten und voll funktionsfähigen Lagerhaus bebaut war und einen gewissen (nicht vernachlässigbaren) Wert hatte. Wie ich bereits zum ersten Umsatz ausgeführt habe, hatten die Abrissarbeiten zum Zeitpunkt der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück vom Veräußerer auf den Erwerber noch nicht begonnen.

68.      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission allerdings vorgetragen, dass die Weiterveräußerung des fraglichen Grundstücks nicht isoliert betrachtet werden dürfe, sondern als Teil einer Gesamtheit von Umsätzen anzusehen sei, die aufgrund der besonderen Bestimmungen der betreffenden Vereinbarungen als Ganzes geprüft werden müssten. Dies bedeute, dass die Umsätze zwischen KPC und der Boligforening Kristiansdal zusammen genommen als eine „Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zu betrachten seien.

69.      Meines Erachtens finden sich in der Akte nicht genügend Anhaltspunkte, die es dem Gerichtshof ermöglichen würden, zu diesem Punkt einen endgültigen Standpunkt einzunehmen. Ferner ist es grundsätzlich Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der vom Gerichtshof entwickelten Grundsätze festzustellen(26), ob formal unterschiedliche Umsätze so eng miteinander verknüpft sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre(27).

70.      Ich möchte in diesem Zusammenhang noch hinzufügen, dass die vom nationalen Gericht vorgelegte Frage abstrakt formuliert wurde und sich auf die Bedeutung der Absicht der Vertragsparteien für die mehrwertsteuerrechtliche Beurteilung der Lieferung eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks konzentriert. Das vorlegende Gericht hat den Gerichtshof nicht um Aufschluss hinsichtlich des von der Kommission vorgetragenen spezifischen Gesichtspunkts ersucht. Als Hilfestellung für das nationale Gericht soll für den Bedarfsfall lediglich noch Folgendes abschließend angemerkt werden.

71.      Aus dem Rahmenvertrag scheint klar hervorzugehen, dass die Boligforening Kristiansdal das Grundstück erworben hat, um später als Bauherr und Betreiber tätig zu werden. KPC ihrerseits wurde lediglich als Generalunternehmer für die Projektdurchführung und den Umbau zu Sozialwohnungen bestimmt. Ferner musste die Boligforening Kristiansdal zunächst den Abriss des vorhandenen Lagerhauses organisieren und bezahlen, bevor KPC mit den Bauarbeiten beginnen konnte. Sie war es auch, die für etwaige Schäden im Zusammenhang mit den Abrissarbeiten haftete.

72.      Vor diesem Hintergrund dürfte davon auszugehen sein, dass die Boligforening Kristiansdal vor dem Bau der Wohnungen als Eigentümerin des fraglichen Grundstücks tätig wurde, was nach Art. 14 und Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie(28) einen Steuertatbestand darstellt. Diesbezüglich hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ so auszulegen ist, dass er die „Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“ bezeichnet(29).

73.      Ferner sind – wie im Fall des ersten Umsatzes – auf dem Grundstück vor seiner Weiterveräußerung offenbar keine Arbeiten durchgeführt worden, die seinen Wert erhöht haben und damit die Erhebung von Mehrwertsteuer rechtfertigen.

74.      Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob diese Umstände in Zusammenschau mit allen sonstigen maßgeblichen Faktoren im Hinblick auf die Anwendung der mehrwertsteuerlichen Vorschriften dafür sprechen, dass die Weiterveräußerung des fraglichen Grundstücks eine „Lieferung von … Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden“ im Sinne des Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt.

75.      Jedenfalls folgt aus den obigen Überlegungen unabhängig davon, wie der zweite Umsatz letztlich eingestuft wird, dass eine nationale Regelung wie ein Teil von Nr. 2.2, nach der die Lieferung eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks automatisch eine mehrwertsteuerpflichtige Veräußerung eines Baugrundstücks darstellt, wenn sich die Vertragsparteien einig sind, dass das Gebäude abgerissen werden soll, damit ein neues Gebäude errichtet werden kann, nicht mit den Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar ist.

IV.    Ergebnis

76.      Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Vestre Landsret (Landgericht der Region West, Dänemark) wie folgt zu beantworten:

Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, nach der die Lieferung eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks eine mehrwertsteuerpflichtige Veräußerung eines Baugrundstücks darstellt, wenn sich die Vertragsparteien einig sind, dass das Gebäude abgerissen werden soll, um die Errichtung eines neuen Gebäudes zu ermöglichen, ist nicht mit Art. 12 und Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und k der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vereinbar.


1      Originalsprache: Englisch.


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3       -


4      -


5      K-


6      Siehe


7      Agehe ich in


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9      -


10      


11      . -


12      -


13      1. ,  


14      -


15      Urteil nur hier


16      


17      Urteil


18      - nur hier


19      Siehe


20      -


21      v-


22      


23      -


24      -


25      -


26       vorliegenden


27      -K-


28      Siehe


29      -