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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GERARD HOGAN

vom 10. April 2019 ( 1 )

Rechtssache C-291/18

Grup Servicii Petroliere SA

gegen

Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală de Soluţionare a Contestaţiilor,

Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili

(Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Bucureşti [Berufungsgericht Bukarest, Rumänien])

„Vorabentscheidungsersuchen – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 148 Buchst. a und c – Steuerbefreiung – Lieferung selbsthebender Offshore-Bohreinheiten – Schiff – Definition – Voraussetzung der ‚navigation on the high seas‘ (‚Fahrt bzw. Navigation auf hoher See‘)“

1. 

Ist eine „selbsthebende“ Offshore-Bohreinheit ein „vessel used for navigation on the high seas“ („Schiff, das zur Fahrt bzw. Navigation auf hoher See eingesetzt ist“)? Dies ist die wesentliche Frage, die der Gerichtshof nun aufgrund einer Vorlage der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) zu beantworten hat.

2. 

Das vorliegende Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Grup Servicii Petroliere SA (im Folgenden: GSP), einem Unternehmen mit Sitz in Rumänien, auf der einen und den rumänischen Steuerbehörden auf der anderen Seite in einem Verfahren, in dem es um die Befreiung einer an maltesische Unternehmen erfolgten Lieferung dreier selbsthebender Offshore-Bohreinheiten von der Mehrwertsteuer geht. In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht wissen, ob solche selbsthebenden Offshore-Bohreinheiten unter die Befreiung nach Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Art. 148 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) fallen.

3. 

Diese Vorschriften bewirken insbesondere, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Lieferung von Schiffen, die zur Fahrt bzw. Navigation auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind, von der Mehrwertsteuer zu befreien. Wie soeben dargelegt, lautet die entscheidende zu prüfende Frage, ob solche speziellen Bohreinheiten unter diese Befreiung fallen. Vor der Prüfung dieser Frage ist es zunächst erforderlich, die einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts, des Unionsrechts und des nationalen Rechts darzulegen.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Völkerrecht

4.

Das am 10. Dezember 1982 in Montego Bay geschlossene Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Treaty Series, Bd. 1833, 1834 und 1835, S. 3, im Folgenden: Seerechtsübereinkommen) trat am 16. November 1994 in Kraft. Es wurde mit dem Beschluss 98/392/EG des Rates von 23. März 1998 (ABl. 1998, L 179, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.

5.

Art. 2 („Rechtsstatus des Küstenmeers, des Luftraums über dem Küstenmeer und des Meeresbodens und Meeresuntergrunds des Küstenmeers“) Abs. 1 und 2 des Seerechtsübereinkommens bestimmt:

„(1)   Die Souveränität eines Küstenstaats erstreckt sich jenseits seines Landgebiets und seiner inneren Gewässer sowie im Fall eines Archipelstaats jenseits seiner Archipelgewässer auf einen angrenzenden Meeresstreifen, der als Küstenmeer bezeichnet wird.

(2)   Diese Souveränität erstreckt sich sowohl auf den Luftraum über dem Küstenmeer als auch auf den Meeresboden und Meeresuntergrund des Küstenmeers.“

6.

Art. 3 („Breite des Küstenmeers“) dieses Übereinkommens lautet:

„Jeder Staat hat das Recht, die Breite seines Küstenmeers bis zu einer Grenze festzulegen, die höchstens 12 Seemeilen von den in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen festgelegten Basislinien entfernt sein darf.“

7.

Teil V („Ausschließliche Wirtschaftszone“) des Übereinkommens umfasst u. a. die Art. 55 bis 75.

8.

Art. 56 („Rechte, Hoheitsbefugnisse und Pflichten des Küstenstaats in der ausschließlichen Wirtschaftszone“) sieht vor:

„(1)   In der ausschließlichen Wirtschaftszone hat der Küstenstaat

a)

souveräne Rechte zum Zweck der Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nichtlebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie hinsichtlich anderer Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung und Ausbeutung der Zone wie der Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind;

(2)   Der Küstenstaat berücksichtigt bei der Ausübung seiner Rechte und der Erfüllung seiner Pflichten aus diesem Übereinkommen in der ausschließlichen Wirtschaftszone gebührend die Rechte und Pflichten anderer Staaten und handelt in einer Weise, die mit dem Übereinkommen vereinbar ist.

(3)   Die in diesem Artikel niedergelegten Rechte hinsichtlich des Meeresbodens und seines Untergrunds werden in Übereinstimmung mit Teil VI ausgeübt.“

9.

Art. 58 („Rechte und Pflichten anderer Staaten in der ausschließlichen Wirtschaftszone“) Abs. 1 des Seerechtsübereinkommens lautet:

„Alle Staaten, ob Küsten- oder Binnenstaaten, genießen in der ausschließlichen Wirtschaftszone vorbehaltlich der diesbezüglichen Bestimmungen dieses Übereinkommens die in Artikel 87 genannten Freiheiten der Schifffahrt, des Überflugs und der Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen sowie andere völkerrechtlich zulässige, mit diesen Freiheiten zusammenhängende Nutzungen des Meeres, insbesondere im Rahmen des Einsatzes von Schiffen und Luftfahrzeugen sowie des Betriebs unterseeischer Kabel und Rohrleitungen, die mit den anderen Bestimmungen des Übereinkommens vereinbar sind.“

10.

Teil VI („Festlandsockel“) des Seerechtsübereinkommens umfasst die Art. 76 bis 85.

11.

Art. 77 („Rechte des Küstenstaats am Festlandsockel“) Abs. 1 bestimmt:

„Der Küstenstaat übt über den Festlandsockel souveräne Rechte zum Zweck seiner Erforschung und der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen aus.“

12.

Art. 78 („Rechtsstatus der Gewässer und des Luftraums über dem Festlandsockel sowie Rechte und Freiheiten anderer Staaten“) Abs. 2 bestimmt:

„Die Ausübung der Rechte des Küstenstaats über den Festlandsockel darf die Schifffahrt sowie sonstige Rechte und Freiheiten anderer Staaten nach diesem Übereinkommen weder beeinträchtigen noch in ungerechtfertigter Weise behindern.“

B.   Unionsrecht

1. Sechste Richtlinie

13.

Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 geänderten Fassung (ABl. 1991, L 376, S. 1) (im Folgenden: Sechste Richtlinie) bestimmte in ihrem Art. 15:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

4.   Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen, die

a)

auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind,

b)

als Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See oder zur Küstenfischerei eingesetzt sind, wobei im letztgenannten Fall Lieferungen von Bordproviant ausgenommen sind,

5.   Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen der unter Nummer 4 Buchstaben a) und b) bezeichneten Seeschiffe sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Schiffe eingebauten Gegenstände – einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei – oder der Gegenstände für ihren Betrieb;

…“

14.

Die Sechste Richtlinie wurde durch die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Mehrwertsteuerrichtlinie aufgehoben.

2. Mehrwertsteuerrichtlinie

15.

Der dritte Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Im Einklang mit dem Grundsatz besserer Rechtsetzung sollten zur Gewährleistung der Klarheit und Wirtschaftlichkeit der Bestimmungen, die Struktur und der Wortlaut der Richtlinie neu gefasst werden; dies sollte jedoch grundsätzlich nicht zu inhaltlichen Änderungen des geltenden Rechts führen. Einige inhaltliche Änderungen ergeben sich jedoch notwendigerweise im Rahmen der Neufassung und sollten dennoch vorgenommen werden. Soweit sich solche Änderungen ergeben, sind sie in den Bestimmungen über die Umsetzung und das Inkrafttreten der Richtlinie erschöpfend aufgeführt.“

16.

Art. 146 Abs. 1 in Kapitel 6 („Steuerbefreiungen bei der Ausfuhr“) der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a)

die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden;

b)

die Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht in ihrem jeweiligen Gebiet ansässigen Erwerber oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, mit Ausnahme der vom Erwerber selbst beförderten Gegenstände zur Ausrüstung oder Versorgung von Sportbooten und Sportflugzeugen sowie von sonstigen Beförderungsmitteln, die privaten Zwecken dienen;

d)

Dienstleistungen in Form von Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen, die zwecks Durchführung dieser Arbeiten in der Gemeinschaft erworben oder eingeführt worden sind und die vom Dienstleistungserbringer oder dem nicht in ihrem jeweiligen Gebiet ansässigen Dienstleistungsempfänger oder für deren Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden;

e)

Dienstleistungen, einschließlich Beförderungsleistungen und Nebentätigkeiten zur Beförderung, ausgenommen die gemäß den Artikeln 132 und 135 von der Steuer befreiten Dienstleistungen, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr oder der Einfuhr von Gegenständen stehen, für die Artikel 61 oder Artikel 157 Absatz 1 Buchstabe a gilt.“

17.

Art. 148 in Kapitel 7 („Steuerbefreiungen bei grenzüberschreitenden Beförderungen“) von Titel IX der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a)

die Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen, die auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei sowie als Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See oder zur Küstenfischerei eingesetzt sind, wobei im letztgenannten Fall die Lieferungen von Bordverpflegung ausgenommen sind;

c)

Lieferung, Umbau, Reparatur, Wartung, Vercharterung und Vermietung der unter Buchstabe a genannten Schiffe, sowie Lieferung, Vermietung, Reparatur und Wartung von Gegenständen, die in diese Schiffe eingebaut sind – einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei –, oder die ihrem Betrieb dienen;

…“

18.

Art. 156 in Kapitel 10 („Steuerbefreiungen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr“) der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können folgende Umsätze von der Steuer befreien:

a)

die Lieferungen von Gegenständen, die zollamtlich erfasst und gegebenenfalls in einem Übergangslager vorübergehend verwahrt bleiben sollen;

b)

die Lieferungen von Gegenständen, die in einer Freizone oder einem Freilager gelagert werden sollen;

c)

die Lieferungen von Gegenständen, die einer Zolllagerregelung oder einer Regelung für den aktiven Veredelungsverkehr unterliegen sollen;

d)

die Lieferungen von Gegenständen, die in die Hoheitsgewässer verbracht werden sollen, um im Rahmen des Baus, der Reparatur, der Wartung, des Umbaus oder der Ausrüstung von Bohrinseln oder Förderplattformen in diese eingebaut oder für die Verbindung dieser Bohrinseln oder Förderplattformen mit dem Festland verwendet zu werden;

e)

die Lieferungen von Gegenständen, die in die Hoheitsgewässer verbracht werden sollen, um zur Versorgung von Bohrinseln oder Förderplattformen verwendet zu werden.

(2)   Die in Absatz 1 genannten Orte sind diejenigen, die in den geltenden Zollvorschriften der Gemeinschaft als solche definiert sind.“

3. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates

19.

Art. 38 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 (ABl. 2011, L 77, S. 1) bestimmt:

„(1)   Als ‚Beförderungsmittel‘ im Sinne von Artikel 56 und Artikel 59 Unterabsatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 2006/112/EG gelten motorbetriebene Fahrzeuge oder Fahrzeuge ohne Motor und sonstige Ausrüstungen und Vorrichtungen, die zur Beförderung von Gegenständen oder Personen von einem Ort an einen anderen konzipiert wurden und von Fahrzeugen gezogen oder geschoben werden können und die normalerweise zur Beförderung von Gegenständen oder Personen konzipiert und tatsächlich geeignet sind.

(2)   Als Beförderungsmittel nach Absatz 1 gelten insbesondere folgende Fahrzeuge:

d)

Wasserfahrzeuge;

…“

C.   Anwendbares nationales Recht

20.

Art. 143 („Steuerbefreiungen für Ausfuhren oder andere ähnliche Geschäfte, für innergemeinschaftliche Lieferungen und für die grenzüberschreitende und innergemeinschaftliche Beförderung“) der Legea nr. 571/2003 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch) in der im Mai 2008 geltenden Fassung sieht vor:

„(1)   Von der Steuer sind befreit:

h)

im Fall von für die Seeschifffahrt bestimmten Schiffen, die im grenzüberschreitenden Passagier- und/oder Güterverkehr, zur Fischerei oder zu jeder anderen wirtschaftlichen Tätigkeit oder als Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See eingesetzt sind, folgende Umsätze:

1.

Lieferung, Umbau, Reparatur, Wartung, Vercharterung, Leasing und Vermietung von Schiffen sowie Lieferung, Leasing, Vermietung, Reparatur und Wartung von Gegenständen, die in diese Schiffe eingebaut sind oder die ihrem Betrieb dienen, einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei.“

21.

In Art. 144 („Besondere Steuerbefreiungen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr“) des Gesetzes Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch heißt es:

„(1)   Von der Steuer sind befreit:

a)

die Lieferung von Gegenständen,

7.

die in die Hoheitsgewässer verbracht werden sollen,

um im Rahmen des Baus, der Reparatur, der Wartung, des Umbaus oder der Nachrüstung von Bohrinseln oder Förderplattformen in diese eingebaut oder für die Verbindung dieser Bohrinseln oder Förderplattformen mit dem Festland verwendet zu werden;

um zur Treibstoff- oder sonstigen Versorgung von Bohrinseln oder Förderplattformen verwendet zu werden.“

22.

Art. 23 der Ordonanța Guvernului nr. 42/1997 privind transportul maritim și pe căile navigabile interioare (Regierungsverordnung Nr. 42/1997 über die Beförderung auf See und auf Binnenwasserstraßen) bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung gelten als Schiffe:

a)

See- und Binnenschiffe jeglicher Art, mit oder ohne Antrieb, die auf oder unter der Wasseroberfläche fahren und die für den Güter- und/oder Passagierverkehr, die Fischerei, für Schlepp- oder für Schubdienstleistungen bestimmt sind;

b)

schwimmende Anlagen wie Baggerschiffe, schwimmende Hubvorrichtungen, Schwimmkräne, schwimmende Bagger u. ä., mit oder ohne Antrieb;

c)

schwimmende Konstruktionen, die normalerweise nicht zur Fortbewegung bestimmt sind, wie: schwimmende Docks und Landungsbrücken, Pontons, schwimmende Hangars für Schiffe, Bohrinseln u. ä., Feuerschiffe;

d)

Sportboote.“

23.

Nr. 1 der Decizia nr. 3/2015 a Comisiei fiscale centrale (Entscheidung Nr. 3/2015 der Zentralen Steuerkommission) lautet:

„Im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2013: Im Fall von für die Seeschifffahrt bestimmten Schiffen, die im grenzüberschreitenden Passagier- und/oder Güterverkehr, in der Fischerei oder für jede andere wirtschaftliche Tätigkeit auf See eingesetzt sind, gelten die Mehrwertsteuerbefreiungen nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des … Steuergesetzbuch[s] …, wenn das Schiff tatsächlich und überwiegend für die Seeschifffahrt verwendet wird. Um festzustellen, ob ein Schiff tatsächlich und überwiegend auf See verwendet wird, dürfen nicht ausschließlich objektive Kriterien wie die Länge oder die Tonnage des Schiffs berücksichtigt werden; diese Kriterien dürfen jedoch verwendet werden, um aus dem Anwendungsbereich der Steuerbefreiungen die Schiffe auszuschließen, die die Voraussetzungen nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des Steuergesetzbuchs jedenfalls nicht erfüllen, d. h., dass sie für die Fahrt auf See nicht geeignet wären. … Der Begriff der Fahrt ‚auf See‘ im Sinne der [Mehrwertsteuerrichtlinie] und im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des Steuergesetzbuchs umfasst jeden Teil der See außerhalb der Hoheitsgewässer jedes Landes, der sich jenseits der Grenze von 12 Seemeilen, gemessen von den nach dem internationalen Seerecht (am 10. Dezember 1982 in Montego Bay geschlossenes Seerechtsübereinkommen) bestimmten Basislinien, befindet.“

II. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

24.

Im Mai 2008 verkaufte GSP drei selbsthebende Offshore-Bohreinheiten, die im Schwarzen Meer (genauer, den im Ersuchen des vorlegenden Gerichts enthaltenen Informationen zufolge, in rumänischen Hoheitsgewässern) betrieben wurden, an maltesische Erwerber zur Durchführung von Bohrtätigkeiten. Hubinseln bzw. selbsthebende Einheiten sind mobile Plattformen, die aus einem schwimmenden Rumpf bestehen, der mit mehreren beweglichen Beinen ausgestattet ist. Das Vorhandensein des Rumpfs ermöglicht es, die Bohreinheit und alle daran angebrachten Maschinen mit hochgefahrenen Beinen und auf dem Wasser schwimmendem Rumpf zum vorgesehenen Bohrplatz zu transportieren. Wenn die Bohreinheit den vorgesehenen Ort erreicht hat, werden die Beine („selbsthebend“) in das Wasser ausgefahren. Die Beine verankern die Bohreinheit auf diese Weise auf dem Meeresboden, woraufhin die Rumpfplattform hoch über die Meeresoberfläche gehoben wird. Wenn die Bohreinheit in ihrer ausgefahrenen (oder „selbst angehobenen“) Position ist, bildet sie eine statische Plattform. Erst wenn die Beine am Ende des Bohrvorgangs eingezogen werden, ist der Rumpf wieder schwimmfähig.

25.

Aus den dem Gerichtshof übersandten Akten geht hervor, dass die drei in Rede stehenden Bohreinheiten nicht selbstfahrend sind, sondern durch Schleppen manövriert werden. Dies ist in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Der Gerichtshof ist in der mündlichen Verhandlung außerdem darüber informiert worden, dass die Plattform über eine Mannschaft verfügt, dass ein Logbuch vorhanden ist und dass die Plattform mit Hilfe ihrer Motoren manövriert werden kann, um auf Meeresströmungen und Seegang zu reagieren, wobei es aber scheint, dass die Plattform auch dann, wenn sie im Wasser schwimmt, durch einen Schlepper von Ort zu Ort befördert wird, was jedoch letztlich das vorlegende Gericht zu klären hat.

26.

GSP stellte anlässlich des genannten Verkaufs Rechnungen aus, in denen sie für die Lieferung dieser Plattformen die nach den nationalen Rechtsvorschriften (Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des Steuergesetzbuchs), mit denen Art. 148 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt wurden, vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiungsregelung anwandte. Nach dem Verkauf betrieb GSP diese Plattformen weiterhin im Schwarzen Meer zu den Bedingungen einer Bareboat-Charter.

27.

Am 23. Mai 2016 erließ die rumänische Steuerverwaltung, nachdem sie einen Steuerprüfbericht erstellt hatte, einen Mehrwertsteuerbescheid mit der Begründung, dass die Bohreinheiten zwar als Schiffe im Sinne der nationalen Rechtsvorschriften angesehen werden könnten und für den uneingeschränkten Einsatz auf hoher See geeignet seien, während der Bohrtätigkeiten aber nicht führen, sondern sich in einer Parkposition befänden: Die Beine der Bohreinheiten befänden sich in einer tiefen Position und ruhten auf dem Meeresboden, um den Ponton (den schwimmenden Teil) auf eine Höhe von etwa 60 oder 70 Metern über die Meeresoberfläche zu heben. Damit eine Lieferung von Plattformen unter die Steuerbefreiung nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des Steuergesetzbuchs fallen könne, müsse festgestellt werden, dass das fragliche Schiff tatsächlich und überwiegend auf hoher See fahre. Die rumänische Steuerverwaltung ist der Ansicht, dass bewiesen sei, dass die Plattformen tatsächlich und überwiegend dann verwendet würden, wenn sie sich zum Zweck der Bohrtätigkeit in einer Parkposition befänden und nicht, wenn sie führen, was gegenüber der Bohrtätigkeit lediglich eine untergeordnete Tätigkeit darstelle.

28.

GSP legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein, den die rumänische Steuerverwaltung mit Entscheidung vom 24. November 2016 zurückwies.

29.

Die Klägerin erhob daraufhin beim vorlegenden Gericht Klage gegen den Steuerbescheid, den Steuerprüfbericht und die Einspruchsentscheidung.

III. Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

30.

Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass erstens geklärt werden müsse, ob die Steuerbefreiung gemäß Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie auf die Lieferung selbsthebender Offshore-Bohreinheiten anzuwenden sei, d. h., ob eine solche Plattform unter den Begriff „Schiff“ im Sinne dieser Bestimmung falle. Für den Fall, dass die vorstehende Frage bejaht wird, möchte das vorlegende Gericht zweitens wissen, ob die Steuerbefreiung gemäß Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie an die Voraussetzung geknüpft ist, dass die Fahrtätigkeit auf hoher See die Bohrtätigkeit überwiegt.

31.

Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Befreiung von der Mehrwertsteuer unter bestimmten Voraussetzungen auf die Lieferung von selbsthebenden Offshore-Bohreinheiten anzuwenden ist, bzw. fällt eine selbsthebende Offshore-Bohreinheit unter den Begriff „Schiff“ im Sinne dieser unionsrechtlichen Bestimmung, wenn diese Bestimmung nach der Überschrift des Kapitels 7 dieser Richtlinie die „Steuerbefreiungen bei grenzüberschreitenden Beförderungen“ regelt?

2.

Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Ist Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass es eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der Befreiung von der Mehrwertsteuer darstellt, dass eine selbsthebende Offshore-Bohreinheit, die bis auf die hohe See hinaus gefahren ist, dort während ihres Betriebs (zur Ausübung einer Handelstätigkeit oder für gewerbliche Zwecke) tatsächlich für einen Zeitraum schwimmend in Bewegung bleiben und sich dabei von einem Punkt zu einem anderen auf See fortbewegen muss, der länger ist als der Zeitraum, in dem sie aufgrund einer Bohrtätigkeit auf See stationär und unbeweglich ist, dass also die Fahrtätigkeit die Bohrtätigkeit tatsächlich überwiegen muss?

32.

GSP, die belgische, die italienische und die rumänische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Darüber hinaus haben GSP, die rumänische Regierung und die Europäische Kommission in der Sitzung vom 28. Februar 2019 mündliche Ausführungen gemacht.

IV. Würdigung

A.   Vorbemerkung

33.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es im dritten Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt, dass die Umsetzung dieser Richtlinie grundsätzlich nicht zu inhaltlichen Änderungen der geltenden Rechtsvorschriften über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem führen sollte, mit Ausnahme einiger inhaltlicher Änderungen, die in den Bestimmungen über die Umsetzung und das Inkrafttreten der Richtlinie erschöpfend aufgezählt sind. Dementsprechend kann diese Richtlinie im Wesentlichen als ein seiner Art nach konsolidierender Rechtsakt angesehen werden.

34.

Da keine der Bestimmungen über die Umsetzung und das Inkrafttreten der Mehrwertsteuerrichtlinie, die in den Art. 411 bis 414 dieser Richtlinie enthalten sind, auf Art. 148 Buchst. a oder c verweist, ist davon auszugehen, dass diese Vorschrift die gleiche Bedeutung hat wie Art. 15 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie, der einen ähnlichen Wortlaut hatte ( 2 ). Folglich ist die bestehende Rechtsprechung zu Art. 15 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie bei der Auslegung von Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie zu berücksichtigen ( 3 ).

35.

In Bezug auf Art. 15 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie hat der Gerichtshof entschieden, dass Umsätze, die von dieser Bestimmung erfasst sind, von der Steuer befreit sind, weil sie „Ausfuhrumsätzen gleichgestellt“ sind ( 4 ). Mit anderen Worten: Diese Umsätze sind so zu behandeln, als hätten sie außerhalb des Gebiets der EU stattgefunden ( 5 ).

36.

In seinem Urteil vom 3. September 2015, Fast Bunkering Klaipėda (C-526/13, EU:C:2015:536, Rn. 26), hat der Gerichtshof bestätigt, dass ein Umsatz, der unter Art. 148 Buchst. a und c fällt, von der Steuer befreit ist, weil ein solcher Umsatz Ausfuhrumsätzen gleichgestellt ist.

37.

Die beiden aufgeworfenen Fragen können somit im Licht dieser Zielsetzung geprüft werden.

B.   Zu den beiden Fragen

38.

Mit seinen beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die in der erstgenannten Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung auf selbsthebende Offshore-Bohreinheiten anwendbar ist.

39.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Lieferung von Schiffen, auf die in Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie Bezug genommen wird, gemäß Art. 148 Buchst. c von der Mehrwertsteuer befreit ist. Um zu bestimmen, ob die Lieferung selbsthebender Offshore-Bohreinheiten unter diese Befreiung fällt, ist es daher erstens erforderlich, zu bestimmen, was der Begriff „Schiff“ im Sinne von Art. 148 Buchst. c bedeutet, und zweitens, welche Merkmale ein Schiff aufweisen muss, damit es in den Anwendungsbereich von Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt, so dass seine Lieferung steuerbefreit sein kann.

1. Die allgemeine Bedeutung der Begriffe „Schiff“ und „Fahrt bzw. Navigation“

40.

Was den Begriff des Schiffs anbelangt, so hängt natürlich viel vom spezifischen Kontext der betreffenden Bestimmung ab.

41.

Zwar mag es nach dem Völkerrecht beispielsweise nicht überraschend sein, dass das Internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) (in der Fassung des Protokolls von 1978) (London) den Begriff des Schiffs als „ein Fahrzeug jeder Art, das in der Meeresumwelt betrieben wird“ definiert, der „Tragflächenboote, Luftkissenfahrzeuge, Unterwassergerät, schwimmendes Gerät und feste oder schwimmende Plattformen [umfasst]“ ( 6 ). Da dieses Übereinkommen aber bezweckt, Meeresverschmutzung zu verhüten, ist es selbstverständlich, dass der Begriff des Schiffs darin eher weit definiert ist. In Anbetracht dieses Zwecks ist es im Wesentlichen unerheblich, ob diese Verschmutzung durch eine ortsfeste Plattform verursacht wurde, die eine Bohrinsel trägt, oder durch ein herkömmliches Wasserfahrzeug wie ein Schiff oder ein Boot. Dies ist im Wesentlichen der Grund, aus dem im MARPOL-Übereinkommen ortsfeste und schwimmende Plattformen in die Definition des Begriffs „Schiff“ eingeschlossen sind.

42.

Allerdings kommt dem Wortlaut des vorliegenden Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie einige Bedeutung zu. Schließlich bezieht sich die Befreiung nicht einfach auf „Schiffe“, sondern in der englischen Sprachfassung auf „vessels used for navigation on the high seas“ („Schiffe, die zur Fahrt bzw. Navigation auf hoher See eingesetzt sind“). Insoweit wird in der Richtlinie die gleiche ehrwürdige Sprache bedeutender seerechtlicher Aspekte verwendet wie in den Gesetzen einiger Mitgliedstaaten ( 7 ). Der englische Ausdruck „… used for navigation on the high seas“ („… das zur Fahrt bzw. Navigation auf hoher See eingesetzt ist“) ist gleichwohl eine wichtige und meiner Ansicht nach entscheidende Qualifikation des Wortes „Schiff“.

43.

Das Wort „Schiff“ bezeichnet in der Regel eine Art von Wasserfahrzeug, das in der Lage ist, etwas auf dem Wasser zu tun, das die Beförderung von Personen oder Gütern umfasst, unabhängig davon, ob dies gegen Entgelt oder unentgeltlich oder einfach nur zu Erholungszwecken geschieht ( 8 ). Ich bezweifle daher, dass eine solche Bohreinheit korrekterweise als „Schiff“ in diesem Sinne bezeichnet werden kann, da sie weder Personen noch Güter auf dem Wasser befördert: Sie ist ihrer Art nach eher eine große, künstlich hergestellte maschinelle Konstruktion, die, nachdem sie bewegt wurde, zu Bohrzwecken am Meeresboden befestigt wird. Zwar ist der Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung darüber informiert worden, dass die Bohreinheit über eine Mannschaft und ein Logbuch verfügt, gleichwohl aber kann man feststellen, dass einer selbsthebenden Bohreinheit viele gewöhnliche Eigenschaften eines Schiffs zu fehlen scheinen, zum Beispiel ein Bug, Anker oder ein Ruder, wobei es letztlich jedoch Sache der nationalen Gerichte ist, dies in jedem Einzelfall zu prüfen. Auch scheinen solche Bohreinheiten nicht über einen herkömmlichen Steuermechanismus zu verfügen: Es scheint z. B. kein Ruderhaus zu geben, wobei jedoch auch diese Einzelheiten durch die nationalen Gerichte zu prüfen sind. Darüber hinaus ist der Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung darüber informiert worden, dass die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Bohreinheiten zudem ihrer Art nach Plattformen sind, die über keinen Eigenantrieb verfügen.

44.

Auch wenn ich in diesem Punkt falsch liegen sollte und eine „selbsthebende“ Bohreinheit tatsächlich als „Schiff“ angesehen werden kann, würde der Umstand, dass eine solche Bohreinheit (entgegen meiner Auffassung) als Schiff zu qualifizieren wäre, nicht bedeuten, dass sie auch ein Schiff ist, das, wie in der englischen Sprachfassung von Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie verlangt, „for navigation on the high seas“ („zur Fahrt bzw. Navigation auf hoher See“) eingesetzt wird.

45.

Zwar wird in einigen Sprachfassungen von Art. 148 Buchst. a die Voraussetzung „used for navigation“ („zur Fahrt bzw. Navigation … eingesetzt“) nicht ausdrücklich erwähnt. Die deutsche Sprachfassung sieht zum Beispiel lediglich vor, dass das Schiff auf hoher See eingesetzt sein muss ( 9 ). Da der Zweck von Art. 148 jedoch darin besteht, die im räumlichen Geltungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie erfolgende Lieferung von Schiffen, die dazu bestimmt sind, Wirtschaftstätigkeiten außerhalb dieses Geltungsbereichs auszuführen, von der Steuer zu befreien, erfordert die Anwendung dieser Bestimmung auf ein Schiff implizit, aber zwingend, dass das Schiff zumindest gefahren wird, um die EU-Gewässer zu verlassen.

46.

Selbst wenn eine selbsthebende Bohreinheit als „Schiff“ angesehen werden sollte, muss sie dennoch zur Fahrt bzw. Navigation auf hoher See eingesetzt werden, um von der in der englischen Sprachfassung des Art. 148 Buchst. a enthaltenen Begriffsbestimmung erfasst zu sein. Der insoweit in der englischen Sprachfassung verwendete Begriff „navigation“ („Fahrt bzw. Navigation“) bezeichnet im Wesentlichen die nautische Kunst der Seefahrt. Er beinhaltet, dass der Ort des Schiffs festgestellt werden und der künftige Kurs des Schiffes durch dessen Navigator bestimmt werden kann.

47.

Was den Begriff „hohe See“ betrifft, ergibt sich aus Art. 86 des Seerechtsübereinkommens, dass das Völkerrecht als hohe See „alle Teile des Meeres, die nicht zur ausschließlichen Wirtschaftszone, zum Küstenmeer oder zu den inneren Gewässern eines Staates oder zu den Archipelgewässern eines Archipelstaats gehören“, bezeichnet.

48.

Entsprechend geht aus dem Zusammenhang von Art. 148 Buchst. a und c zwingend hervor, dass das betreffende Schiff zumindest in der Lage sein muss, fernab der Küste gefahren bzw. navigiert zu werden. Dies wiederum setzt voraus, dass die Fahrtrichtung des Schiffs durch den Navigator bestimmt werden kann und dass das Schiff entsprechend zum Eigenantrieb fähig ist. Ungeachtet der nautischen Qualitäten der in Rede stehenden Bohreinheiten ist völlig klar, dass diese Bohreinheiten nicht für die Fahrt bzw. Navigation auf hoher See eingesetzt werden, und zwar gerade deshalb, weil sie nicht über die Fähigkeit zum Eigenantrieb verfügen.

49.

Natürlich sind diese Bohreinheiten so konzipiert, dass sie widrigen Wetterverhältnissen standhalten und dass sie, wie auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist, auf die hohe See transportiert werden können und in dieser Funktion regelmäßig auf hoher See betrieben worden sind. Das heißt jedoch nicht, dass diese Bohreinheiten „are used for navigation on the high seas“ („zur Fahrt bzw. Navigation auf hoher See eingesetzt sind“). Jede andere Schlussfolgerung wäre meines Erachtens eine sprachliche Verzerrung und würde zu Recht von der Gemeinschaft der Seefahrer mit einer gewissen Skepsis betrachtet. Ich denke nicht, dass man diese Bohreinheit in irgendeiner realistischen Weise als „Seeschiff“ bezeichnen kann.

50.

Ferner könnte man auch darauf hinweisen, dass jegliche Befreiung vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie eng auszulegen ist ( 10 ), und dass nicht eindeutig dargetan worden ist, dass „selbsthebende“ Bohreinheiten dieser Art vom Anwendungsbereich des Art. 148 Buchst. c erfasst sein müssen.

51.

Die Steuerbefreiung nach Art. 148 Buchst. c ist daher auf derartige Bohreinheiten nicht anwendbar.

2. Alternativer Ansatz

52.

Selbst wenn man die gängige Bedeutung der Begriffe „Schiff“ und „Fahrt bzw. Navigation“ außer Acht lässt, bin ich dennoch der Auffassung, dass man unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auf anderem Wege zur selben Schlussfolgerung, dass nämlich die Steuerbefreiung nach Art. 148 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht anwendbar ist, gelangen kann.

53.

Zwar muss man, wenn man allein den Zweck von Art. 148 Buchst. a und c betrachtet – d. h. die Befreiung bestimmter Umsätze von der Steuer, weil sie „Ausfuhrumsätzen gleichgestellt“ sind oder, genauer, weil sie mit Lieferungen von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen zusammenhängen, die für den Gebrauch außerhalb der Gebiete der EU bestimmt sind –, einräumen, dass das Wort „Schiff“ diesem Zweck zufolge so zu verstehen ist, dass es sich auf ein Wasserfahrzeug bezieht, das in der Lage ist, aus den EU-Gewässern hinaus bewegt zu werden, wenn auch nicht unbedingt selbsttätig ( 11 ). Ferner könnte das englische Wort „navigation“ („Fahrt bzw. Navigation“) dahin zu verstehen sein, dass es sich auf die Bewegung bezieht, die ein Schiff ausführen muss, um die EU-Gewässer zu verlassen, so dass es seine Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschriften über die Mehrwertsteuer ausführen kann.

54.

Es ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass Art. 148 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie für die Befreiung einer Lieferung von der Mehrwertsteuer neben der Voraussetzung, dass es sich nach der englischen Sprachfassung dieser Bestimmung um ein Schiff „used for navigation“ („das zur Fahrt bzw. Navigation … eingesetzt ist“) handeln muss, zwei weitere Voraussetzungen vorliegen müssen. Erstens muss das Schiff für eine der in Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Tätigkeiten bestimmt sein. Zweitens ist diese Steuerbefreiung, wie der Gerichtshof sowohl im Zusammenhang mit der Sechsten Richtlinie ( 12 ) als auch mit der Mehrwertsteuerrichtlinie ( 13 ) sowohl im Hinblick auf im Passagierverkehr eingesetzte Schiffe als auch für Schiffe, die zur Ausübung einer Handelstätigkeit oder für gewerbliche Zwecke eingesetzt sind, bereits entschieden hat, nicht anwendbar, sofern diese Tätigkeiten nicht auf hoher See ausgeübt werden.

55.

Was die Tätigkeiten anbelangt, die ein Schiff ausführen muss, damit seine Lieferung von der Mehrwertsteuer befreit ist, hat das vorlegende Gericht in seiner ersten Frage hervorgehoben, dass Art. 148 der Mehrwertsteuerrichtlinie in deren Kapitel 7 steht, das mit „Steuerbefreiungen bei grenzüberschreitenden Beförderungen“ überschrieben ist.

56.

Da die Überschrift eines Kapitels jedoch aufgrund des Inhalts der wesentlichen Bestimmungen, die darin enthalten sind, gewählt wird, haben nicht alle in einem Kapitel enthaltenen Bestimmungen zwingend einen Anwendungsbereich, der auf den in der Überschrift dieses Kapitels genannten Regelungsgegenstand beschränkt ist ( 14 ). Im Fall von Art. 148 Buchst. a ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung selbst, dass die erfassten Tätigkeiten nicht nur auf die Beförderung beschränkt sind, sondern jegliche Handelstätigkeiten sowie Fischerei- und gewerbliche Tätigkeiten umfassen ( 15 ).

57.

Es steht natürlich außer Zweifel, dass die Durchführung von Offshore-Bohrarbeiten mittels einer Bohreinheit eine der in Art. 148 Buchst. a genannten Tätigkeiten ist, da gewerbliche Tätigkeiten Bohrungen mitumfassen.

58.

Was die Voraussetzung der hohen See anbelangt, machen die rumänische Regierung und die Kommission geltend, dass diese Voraussetzung bedeute, dass das Schiff auf hoher See eingesetzt werden müsse, während die belgische und die italienische Regierung der Ansicht sind, dass ein Schiff nur geeignet sein müsse, in solchen Gewässern zu fahren, unabhängig von der Zeit, die es auf hoher See verbringe. Ihrer Ansicht nach könnte ein Schiff, das seine Tätigkeiten in den Hoheitsgewässern eines Mitgliedstaats ausführt, von der in Art. 148 Buchst. c verankerten Steuerbefreiung profitieren, ohne auf hoher See eingesetzt zu werden, solange es nur dorthin verbracht werden könnte.

59.

Ich habe jedoch bereits darauf hingewiesen, dass die von Art. 148 Buchst. a und c erfassten Umsätze von der Steuer befreit sind, weil sie mit Lieferungen oder Dienstleistungen zusammenhängen, die innerhalb der Gebiete der EU erworben worden sind, aber außerhalb dieser Gebiete verwendet werden sollen. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass das betreffende Schiff von einem Ort innerhalb der EU-Gewässer an einen Ort außerhalb dieser Gewässer verbracht werden muss, an dem die betreffenden Tätigkeiten ausgeführt werden. Gerade aus diesen Gründen halte ich es entgegen dem Vorbringen der belgischen und der italienischen Regierung nicht für ausreichend, dass ein Schiff geeignet ist, auf hoher See eingesetzt zu werden. Meiner Ansicht nach muss das Schiff vorwiegend und tatsächlich für eine Tätigkeit auf hoher See eingesetzt werden.

3. Der Begriff der hohen See in Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie

60.

Schließlich ist zu prüfen, was unter dem Begriff „hohe See“ in Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zu verstehen ist.

61.

Da das mit Art. 148 verfolgte Ziel darin besteht, Ausfuhrumsätzen gleichgestellte Umsätze von der Steuer zu befreien, bin ich der Auffassung, dass der Begriff der hohen See so zu verstehen ist, dass damit die Gewässer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Mehrwertsteuerrichtlinie gemeint sind.

62.

Der räumliche Geltungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie ist in ihrem Art. 5 festgelegt. Nach dieser Vorschrift gilt diese Richtlinie für Umsätze, die in einem Teil des Gebiets eines Mitgliedstaats erbracht werden, „auf den der [zwischenzeitlich durch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäische Union ersetzte] Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gemäß [Art. 52 EUV sowie den Art. 349 und 355 AEUV] Anwendung findet, mit Ausnahme der in Artikel 6 dieser Richtlinie genannten Gebiete“.

63.

In Ermangelung einer Definition des Begriffs des Gebiets im Vertrag ist dieser Begriff nach den Grundsätzen des Völkerrechts zu bestimmen.

64.

Insoweit haben die rumänische Regierung und die Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Sechsten Richtlinie, in der die jetzt in Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie enthaltene Steuerbefreiung bereits enthalten war, nur das am 29. April 1958 in Genf unterzeichnete Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlusszone (United Nations Treaty Series, Bd. 516, S. 205) in Kraft war, und die Begriffe „Gebiete“ und „hohe See“ daher im Licht dieses Übereinkommens auszulegen seien.

65.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Vorrang der von der Europäischen Union geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkommen vor den Bestimmungen des abgeleiteten Rechts es gebietet, diese Bestimmungen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Übereinkommen im Einklang mit diesen auszulegen ( 16 ). Da der Beschluss 98/392 am 13. Juli 1998 in Kraft getreten ist, bevor die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bohreinheiten erworben wurden, ist das Gebiet der Mitgliedstaaten somit im Licht des Seerechtsübereinkommens zu beurteilen ( 17 ).

66.

Gemäß Art. 2 des Seerechtsübereinkommens erstreckt sich die Souveränität des Küstenstaates sowohl auf das Küstenmeer als auch auf den Meeresboden und den Meeresuntergrund.

67.

Gemäß Art. 3 dieses Übereinkommens hat jeder Staat das Recht, die Breite seines Küstenmeers bis zu einer Grenze festzulegen, die höchstens 12 Seemeilen von den nach diesem Übereinkommen festgelegten Basislinien entfernt sein darf.

68.

Über diese Grenze hinaus hat nach dem Seerechtsübereinkommen jeder Küstenstaat Hoheitsrechte in der ausschließlichen Wirtschaftszone und auf dem Festlandsockel. Diese Rechte sind jedoch auf die in Art. 56 bzw. Art. 77 des Seerechtsübereinkommens genannten Tätigkeiten beschränkt.

69.

Dementsprechend hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 29. März 2007, Aktiebolaget NN (C-111/05, EU:C:2007:195, Rn. 59 und 60), entschieden, dass „die staatliche Hoheitsgewalt des Küstenstaats über die ausschließliche Wirtschaftszone und den Festlandssockel nur funktioneller Art und als solche auf das Recht beschränkt [ist], die in den Art. 56 und 77 des Seerechtsübereinkommens vorgesehenen Tätigkeiten der Erforschung und Ausbeutung auszuüben“.

70.

Da es sich bei der Tätigkeit, die in der Rechtssache Aktiebolaget NN in Rede stand, um die Lieferung und Verlegung eines unterseeischen Kabels handelte, die nicht zu den in den Art. 56 und 77 des Seerechtsübereinkommens vorgesehenen Tätigkeiten gehörte, hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Tätigkeit nicht der staatlichen Hoheitsgewalt des Küstenmitgliedstaats unterliege und daher nicht als in den räumlichen Anwendungsbereich des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems fallend betrachtet werden könne ( 18 ).

71.

Obgleich Bohreinheiten die in Art. 58 Abs. 1, den Art. 78 und 87 des Seerechtsübereinkommens niedergelegte Freiheit der Schifffahrt genießen, ändert dies in der vorliegenden Rechtssache nichts daran, dass es sich bei der Tätigkeit, die sie ausführen, um die Erforschung und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Meeresuntergrundes handelt. Dies ist jedoch eine der Tätigkeiten, die gemäß den Art. 56 und 77 des Seerechtsübereinkommens den Hoheitsrechten der Küstenstaaten unterliegt.

72.

Im Gegensatz zu der Tätigkeit, die in der Rechtssache Aktiebolaget NN in Rede stand, werden Bohrtätigkeiten, die ein Wasserfahrzeug in der ausschließlichen Wirtschaftszone oder auf dem Festlandsockel eines Mitgliedstaats ausführt, im räumlichen Geltungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie ausgeführt. Damit die Lieferung einer Bohreinheit gemäß Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Art. 148 Buchst. a der genannten Richtlinie von der Steuer befreit ist, darf sie ihre Tätigkeit folglich weder im Küstenmeer noch in der ausschließlichen Wirtschaftszone oder auf dem Festlandsockel eines EU-Mitgliedstaats ausführen.

73.

Das vorlegende Gericht hat in seinem Vorabentscheidungsersuchen darauf hingewiesen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bohreinheiten zum Zeitpunkt ihres Erwerbs Bohrtätigkeiten in rumänischen Hoheitsgewässern im Schwarzen Meer ausgeführt hätten und diese Tätigkeiten nach dem Zeitpunkt des Erwerbs weiterhin ausführten.

74.

Wie alle Parteien in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt haben, gehört das Schwarze Meer vollständig zur jeweiligen ausschließlichen Wirtschaftszone seiner verschiedenen Küstenstaaten. Folglich kann kein Teil des Schwarzen Meeres als Teil der hohen See gemäß Art. 148 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie angesehen werden ( 19 ). Daraus folgt demnach, dass die Lieferung der Bohreinheiten selbst dann nicht unter Art. 148 Buchst. c fällt, wenn sie (entgegen meiner Ansicht) als „Schiffe“„used for navigation on the high seas“ („die zur Fahrt bzw. Navigation auf hoher See eingesetzt waren“) angesehen werden könnten, eben wegen des Orts, an dem sie ihre Tätigkeiten unmittelbar nach ihrer Lieferung ausführten.

75.

Entgegen dem Vorbringen von GSP wird diese Schlussfolgerung weder durch den Umstand widerlegt, dass diese Bohreinheiten in der Zukunft in das Mittelmeer oder die Nordsee verbracht werden könnten, noch durch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der hier im Sinne der Gleichbehandlung verstanden wird ( 20 ).

76.

Grundsätzlich ist bei der Bestimmung der anwendbaren Mehrwertsteuervorschriften die Verwendung zu berücksichtigen, die unmittelbar nach dem Erwerb der betreffenden Güter oder der Erbringung der betreffenden Dienstleistungen erfolgt, und nicht die Verwendungen, die hypothetisch irgendwann in der Zukunft erfolgen könnten ( 21 ).

77.

Ferner ist in Bezug auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der dem entgegensteht, dass gleichartige Waren oder Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden ( 22 ), darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz nur gegen nationale Bestimmungen eingewandt werden kann ( 23 ).

78.

Zwar ist der Grundsatz der Neutralität nach einer bestimmten Rechtsprechungslinie die Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer ( 24 ), was bedeutet, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist ( 25 ). Jedoch ist die Frage, ob Sachverhalte vergleichbar sind oder nicht, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Licht des Ziels der Bestimmungen und des mit ihnen verfolgten Zwecks zu bestimmen, wobei die Grundsätze und Ziele des betreffenden Regelungsbereichs zu berücksichtigen sind ( 26 ).

79.

Da nach Art. 148 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmte Umsätze von der Steuer befreit sind, weil sie „Ausfuhrumsätzen gleichgestellt“ sind, kann man im Licht dieses Ziels nur dann von einem vergleichbaren Sachverhalt ausgehen, wenn Schiffe im Gebiet der Union in der Absicht geliefert wurden, dass sie ihre Tätigkeiten außerhalb des Gebiets der Union ausführen, bevor sie wieder an ihren Ausgangspunkt zurückkehren. Daher darf der Gesetzgeber Bohreinheiten je nachdem, ob sie ihre Tätigkeiten auf hoher See ausführen oder nicht, unterschiedlich behandeln, ohne dass er damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstieße ( 27 ).

80.

Ebenso bin ich der Auffassung, dass die Lösung, zu der ich gelangt bin, nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt, was die Bestimmungen in Art. 156 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie anbelangt. Meines Erachtens ist diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht einschlägig, auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Zwar bestimmt Art. 156 Buchst. d, dass die Lieferung von Gegenständen, die in die Hoheitsgewässer verbracht werden sollen, um im Rahmen des Baus, der Reparatur, der Wartung, des Umbaus oder der Ausrüstung von Bohrinseln oder Förderplattformen in diese eingebaut oder für die Verbindung dieser Bohrinseln oder Förderplattformen mit dem Festland verwendet zu werden, von der Mehrwertsteuer befreit werden kann, jedoch wird in dieser Vorschrift unter den erfassten Umsätzen der Weiterverkauf von Bohrplattformen nicht erwähnt.

V. Ergebnis

81.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die von der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) gestellten Fragen zu antworten, dass Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Art. 148 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen ist, dass die in der erstgenannten Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung nicht auf selbsthebende Offshore-Bohreinheiten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anzuwenden ist.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juni 2016, Kreissparkasse Wiedenbrück (C-186/15, EU:C:2016:452, Rn. 40).

( 3 ) Urteil vom 3. September 2015, Fast Bunkering Klaipėda (C-526/13, EU:C:2015:536, Rn. 25).

( 4 ) Urteile vom 26. Juni 1990, Velker International Oil Company (C-185/89, EU:C:1990:262, Rn. 21), und vom 14. September 2006, Elmeka (C-181/04 bis C-183/04, EU:C:2006:563, Rn. 21).

( 5 ) Diese Bestimmung dient als Maßnahme zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit. Da die Tätigkeiten des betreffenden Schiffs außerhalb des territorialen Anwendungsbereichs des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems stattfanden, nämlich außerhalb der EU-Gewässer, könnten die für die Ausführung dieser Tätigkeiten erforderlichen Waren und Dienstleistungen ohne Weiteres durch Nicht-EU-Unternehmer geliefert bzw. erbracht werden. Darüber hinaus könnten Lieferanten aus der EU ohne Art. 148 Buchst. a hinsichtlich des Sachverhalts der Gegenstände zur Versorgung der Schiffe versucht sein, mit der Lieferung zu warten, bis die Schiffe die EU-Gewässer verlassen haben, um in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung zu kommen.

( 6 ) Hervorhebung nur hier.

( 7 ) Insbesondere z. B. der Merchant Shipping Act 1894 (Seehandelsgesetz von 1894) des Vereinigten Königreichs, dessen Section 742 ein „Wasserfahrzeug“ als „jedes Schiff, Boot oder jede andere Art von in der Schifffahrt verwendetes Wasserfahrzeug“ definierte.

( 8 ) Oder, um den Supreme Court of Ireland (Oberster Gerichtshof Irlands) in der Rechtssache The Von Rocks [1998] 3 Irish Reports 41 zu zitieren: Die Freude, die es vielen bereitet, einfach „mit Booten herumzuplantschen“. Das Zitat wiederum stammt aus „The Wind in the Willows“ (Der Wind in den Weiden) von K. Grahame.

( 9 ) Der im Deutschen verwendete Ausdruck lautet dahin, dass die Schiffe „auf hoher See … eingesetzt sind“.

( 10 ) Vgl. z. B. Urteil vom 18. Oktober 2007, Navicon (C-97/06, EU:C:2007:609, Rn. 21 und 22 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 11 ) Dieser Schlussfolgerung steht Art. 38 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 nicht entgegen. Obwohl diese Verordnung Wasserfahrzeuge unter dem Begriff „Beförderungsmittel“ erfasst, die als Vorrichtungen, die zur Beförderung von Gegenständen oder Personen von einem Ort an einen anderen konzipiert wurden, definiert sind, ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass der Anwendungsbereich dieser Begriffsbestimmung auf den Begriff „Beförderungsmittel“ gemäß Art. 56 und Art. 59 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie beschränkt ist.

( 12 ) Vgl. Urteil vom 14. September 2006, Elmeka (C-181/04 bis C-183/04, EU:C:2006:563, Rn. 14). Zusätzlich zu dem in diesem Urteil dargelegten Grund möchte ich hervorheben, dass, wenn man Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie so auslegen würde, dass er nur auf Schiffe im entgeltlichen Passagierverkehr anwendbar wäre, diese Voraussetzung sinnlos wäre, da der Passagierverkehr auch eine Handelstätigkeit ist, die durch diese Vorschrift ausdrücklich von der Steuer befreit wird.

( 13 ) Urteil vom 21. März 2013, Kommission/Frankreich (C-197/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:202, Rn. 22).

( 14 ) Vgl. entsprechend zu einer Bestimmung, deren Anwendungsbereich über den Regelungsgegenstand der Verordnung hinausgeht, in der diese Bestimmung enthalten ist, Urteil vom 13. Juni 2018, Deutscher Naturschutzring (C-683/16, EU:C:2018:433, Rn. 43 ff.).

( 15 ) Schließlich sei nochmals darauf hingewiesen, dass von Art. 148 erfasste Umsätze nach ständiger Rechtsprechung von der Steuer befreit sind, weil sie „Ausfuhrumsätzen gleichgestellt“ sind. Da im Fall eines Schiffs dieses Schiff außerhalb des von dieser Vorschrift erfassten Geltungsbereichs fahren muss, bin ich der Ansicht, dass diese Bewegung erklären könnte, weshalb diese Bestimmung in Kapitel 7 unter den Titel „Steuerbefreiungen bei grenzüberschreitenden Beförderungen“ eingefügt worden ist.

( 16 ) Vgl. z. B. Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark (C-335/11 und C-337/11, EU:C:2013:222, Rn. 28 bis 30).

( 17 ) Hierzu ist anzumerken, dass in dem Beschluss 98/392/EG, mit dem das Seerechtsübereinkommen genehmigt wurde, kein Zeitpunkt für das Inkrafttreten genannt ist. Jedoch tritt ein Rechtsakt, in dem kein Datum für das Inkrafttreten genannt ist, gemäß Art. 297 AEUV am 20. Tag nach seiner Veröffentlichung in Kraft. Da der Beschluss 98/392/EG am 23. Juni 1998 veröffentlicht wurde, gilt er somit als am 13. Juli 1998 in Kraft getreten.

( 18 ) Der Gerichtshof hat betont, dass diese Feststellung ihre Bestätigung in Art. 58 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 1 dieses Übereinkommens finde, die unter bestimmten Voraussetzungen allen Staaten das Recht einräumten, in diesen Bereichen unterseeische Kabel zu verlegen.

( 19 ) Tatsächlich scheint das Problem im Ausgangsverfahren seinen Ursprung in dem Umstand zu haben, dass die rumänische Regierung Art. 148 Buchst. c zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte. Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des Gesetzes Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch verlangte nämlich als Voraussetzung für die Steuerbefreiung nicht, dass die Schiffe auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr oder für Handelszwecke, gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind. Offenbar wurde diese Voraussetzung erst nach Erlass der Entscheidung Nr. 3/2015 in nationales Recht umgesetzt.

( 20 ) Der Begriff der steuerlichen Neutralität wird auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer in zweierlei Hinsicht verwendet. Zum einen wird dieser Grundsatz verwendet, um das mit dem in der Sechsten Richtlinie geregelten Verfahren des Vorsteuerabzugs verfolgte Ziel zu bezeichnen, d. h. die vollständige Entlastung des Unternehmers von der Mehrwertsteuer, die er in Bezug auf alle seine wirtschaftlichen Tätigkeiten, die selbst der Mehrwertsteuer unterliegen, geschuldet oder entrichtet hat. Zum anderen wird dieser Begriff in einem ähnlichen Sinn wie der der Gleichbehandlung verwendet. Vgl. dazu Urteil vom 15. November 2012, Zimmermann (C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 48).

( 21 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Gmina Ryjewo (C-140/17, EU:C:2018:595, Rn. 34). Da es sich bei Bohreinheiten um Investitionsgüter handelt, fällt jede Änderung der Verwendung unter Art. 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie.

( 22 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2003, Kommission/Frankreich (C-384/01, EU:C:2003:264, Rn. 25). Soweit der Unionsgesetzgeber beim Erlass steuerlicher Maßnahmen über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, kann er Waren oder Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, unterschiedlich behandeln, sobald sie ein Merkmal aufweisen, das sie im Licht des mit diesen Maßnahmen verfolgten Ziels voneinander unterscheidet.

( 23 ) Urteil vom 29. Oktober 2009, NCC Construction Danmark (C-174/08, EU:C:2009:669, Rn. 41 bis 43).

( 24 ) Einigen Urteilen zufolge ist der Grundsatz der Neutralität die „Übertragung“ des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf den Bereich der Mehrwertsteuer (Urteile vom 19. Dezember 2012, Grattan [C-310/11, EU:C:2012:822, Rn. 28], und vom 28. November 2013, MDDP [C-319/12, EU:C:2013:778, Rn. 38]), während er in einigen anderen Urteilen als eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der Gleichbehandlung angesehen wird (Urteile vom 19. Dezember 2012, Orfey Balgaria [C-549/11, EU:C:2012:832, Rn. 33], und vom 7. März 2013, Efir [C-19/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:148, Rn. 28]), die nicht deckungsgleich mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung ist (Urteil vom 25. April 2013, Kommission/Schweden [C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 17 und 18]). Die Große Kammer legte in ihrem kürzlich ergangenen Urteil vom 7. März 2017, RPO (C-390/15, EU:C:2017:174, Rn. 38) einen strengeren Ansatz zugrunde, der in der Annahme besteht, dass der Begriff der Steuerneutralität in seiner zweiten Bedeutung dem Grundsatz der Gleichbehandlung entspreche, aber für den Erlass steuerlicher Maßnahmen dem Unionsgesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt werden müsse.

( 25 ) Vgl. Urteile vom 12. November 2014, Guardian Industries and Guardian Europe/Kommission (C-580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 51), und vom 4. Mai 2016, Pillbox 38 (C-477/14, EU:C:2016:324, Rn. 35).

( 26 ) Vgl. in dieser Hinsicht Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C-127/07, EU:C:2008:728, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 27 ) Der geltend gemachte Verstoß gegen die Gleichbehandlung ist hier die Folge des Bestehens zweier unterschiedlicher Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie. Da diese beiden Bestimmungen unterschiedliche Ziele verfolgen und die Frage, ob die beiden Sachverhalte miteinander vergleichbar sind, im Licht der mit den Bestimmungen verfolgten Ziele zu bestimmen ist, kann grundsätzlich kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend gemacht werden.