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Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIOVANNI PITRUZZELLA

vom 11. Juli 2019(1)

Rechtssache C-400/18

Infohos

gegen

Belgische Staat

(Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Cassatie [Kassationsgerichtshof, Belgien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Befreiungen – Selbständige Zusammenschlüsse von Personen – An Mitglieder und Nichtmitglieder erbrachte Leistungen“






1.        Verliert ein selbständiger Zusammenschluss von Personen, der aus zahlreichen öffentlichen Sozialhilfezentren besteht, an die er dem Gemeinwohl dienende Dienstleistungen erbringt, aufgrund seiner Entscheidung, Dienstleistungen auch zugunsten Dritter zu erbringen, für die zugunsten der Mitglieder erbrachten Tätigkeiten seine Eigenschaft als von der Mehrwertsteuer befreiter Rechtsträger?

2.        Das ist im Wesentlichen die Frage des belgischen nationalen Gerichts, das den Gerichtshof ersucht, die Vereinbarkeit einer nationalen Bestimmung mit dem Unionsrecht zu beurteilen, die die Befreiung von der Mehrwertsteuer für die aus zahlreichen öffentlichen Sozialhilfezentren bestehenden selbständigen Zusammenschlüsse von Personen von dem Umstand abhängig macht, dass diese ausschließlich an die Mitglieder Dienstleistungen erbringen.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        Art. 13 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage(2) bestimmt im Bereich Steuerbefreiungen im Inland Folgendes:

„A. Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten

(1)      Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

f)      die Dienstleistungen, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist, oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt“.

4.        Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie entspricht Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(3), durch die die Richtlinie 77/388 aufgehoben und ersetzt wird. Allerdings ist trotz der Aufhebung auf das vorliegende Verfahren die Sechste Richtlinie anwendbar, da der im Ausgangsverfahren maßgebliche Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten dieser liegt.

B.      Belgisches Recht

5.        Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Btw-wetboek (belgisches Mehrwertsteuergesetzbuch), in der für den Sachverhalt maßgeblichen Fassung, sieht die Befreiung von der Zahlung der Steuer vor für:

„Die Dienstleistungen, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die nach diesem Artikel von der Steuer befreit ist, oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Der König legt die Bedingungen für die Anwendung dieser Steuerbefreiung fest“.

6.        Art. 2 des Koninklijk Besluit nr. 43 van 5 juli 1991 met betrekking tot de vrijstelling op het stuk van de belasting over de toegevoegde waarde ten aanzien van de door zelfstandige groeperingen van personen aan hun leden verleende diensten (Königlicher Erlass Nr. 43 vom 5. Juli 1991 über die Befreiung von der Mehrwertsteuer in Bezug auf Dienstleistungen, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen) (Belgische Staatsblad 6. August 1991) bestimmt:

„Dienstleistungen, die die in Artikel 1 erwähnten selbständigen Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen, sind steuerfrei, sofern

1.      die Tätigkeiten des Zusammenschlusses ausschließlich darin bestehen, unmittelbar zugunsten seiner Mitglieder Dienstleistungen zu erbringen, und alle Mitglieder eine Tätigkeit ausüben, die aufgrund von Artikel 44 des Gesetzbuches steuerfrei ist oder für die sie nicht steuerpflichtig sind“.

II.    Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

7.        Infohos, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ist eine Vereinigung für Krankenhaus-Informationstechnologie, die von verschiedenen öffentlichen Sozialhilfezentren (Openbare centra voor maatschappelijk welzijn, im Folgenden: ÖSHZ) errichtet wurde(4). Infohos erbringt Krankenhaus-Informatikdienstleistungen an die an sie angeschlossenen ÖSHZ und, zusätzlich zu den Leistungen an ihre Mitglieder, Dienstleistungen an Nichtmitglieder. Am 5. September 2000 schloss sie mit der IHC-Group NV einen Vertrag zur gemeinsamen Entwicklung auf ihre Bestellung neuer oder neuartiger Softwareanwendungen für die als ihre Mitglieder angeschlossenen Krankenhäuser.

8.        Infohos ließ sich nicht als Mehrwertsteuerpflichtige registrieren, da sie zum einen der Auffassung war, nach Art. 6 des Mehrwertsteuergesetzbuchs(5) nicht als solche angesehen werden zu können und jedenfalls nach Art. 44 § 2 Nr. 1bis dieses Gesetzbuchs steuerbefreit zu sein.

9.        Am 20. April 2005 vertrat die Steuerbehörde nach einer Kontrolle die Auffassung, dass für die gegenseitigen Dienstleistungen zwischen Infohos und der IHC-Group NV (als Person, die nicht Mitglied des Zusammenschlusses sei) Mehrwertsteuer zu erheben sei. Außerdem habe die Erbringung steuerbarer Umsätze an Nichtmitglieder zur Folge, dass auch die Umsätze an Mitglieder von Infohos der Mehrwertsteuer unterlägen und dass Infohos daher für die Leistungen, die sie an ihre Mitglieder nach Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs erbracht habe, nicht mehr unter die Steuerbefreiung falle.

10.      Am 13. Dezember 2005 erstellte die Steuerbehörde über die Beanstandungen ein Protokoll, auf dessen Grundlage ein Zahlungsbefehl ausgefertigt und für vollstreckbar erklärt wurde.

11.      Am 22. Mai 2007 erhob Infohos Klage bei der Rechtbank van eerste aanleg te Brugge (Gericht erster Instanz Brügge, Belgien) gegen den Zahlungsbefehl und beantragte die Aussetzung seiner Vollstreckung sowie die Feststellung, dass die geforderten Beträge nicht geschuldet würden. Hilfsweise beantragte sie, die verhängten Sanktionen für nichtig zu erklären oder zumindest erheblich zu verringern, alle auf der Grundlage des Zahlungsbefehls gezahlten Beträge zuzüglich Verzugszinsen zu erstatten und dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

12.      Mit Urteil vom 23. Februar 2009 entschied die Rechtbank, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung nach Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs nicht erfüllt seien und dass die Klägerin für sämtliche von ihr – an Mitglieder und Nichtmitglieder – erbrachten Dienstleistungen Mehrwertsteuer schulde.

13.      Infohos erhob gegen diese Entscheidung Berufung beim Hof van Beroep te Gent (Berufungsgericht Gent, Belgien), der mit Urteil vom 21. September 2010 feststellte, dass Infohos sich nicht auf die Steuerbefreiung nach Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs berufen könne, da sie Dienstleistungen auch an Nichtmitglieder erbringe und daher die Anwendung der Befreiung den Wettbewerb verfälscht habe. Er entschied jedoch auch, dass Infohos als gemischt Steuerpflichtige einen Erstattungsanspruch gegen den belgischen Staat in Höhe von 117 781,03 Euro geltend machen könne.

14.      Am 5. Juli 2012 erhob die Steuerbehörde Kassationsbeschwerde beim Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof, Belgien). Mit Urteil vom 31. Oktober 2014 hob der Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof) das Urteil des Hof van Beroep te Gent (Berufungsgericht Gent, Belgien) wegen der Widersprüchlichkeit der Feststellung auf, dass zum einen der Kläger sich nicht auf Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs berufen könne, da Infohos nicht nur an ihre Mitglieder, sondern auch an Nichtmitglieder Dienstleistungen erbringe, was impliziere, dass sie den Status eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhalte, und zum anderen Infohos sich auf den Status eines gemischt Steuerpflichtigen nach Art. 46 des Mehrwertsteuergesetzbuchs berufen könne, so dass die Leistungen, die sie zugunsten ihrer Mitglieder erbracht habe, unter die Steuerbefreiung fielen, mit dem Recht auf Vorsteuerabzug, beschränkt auf die an Nichtmitglieder erbrachten Leistungen und entsprechend dem Verhältnis der Erbringung von Dienstleistungen an Nichtmitglieder.

15.      Der Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof) verwies die Rechtssache an den Hof van Beroep Antwerpen (Berufungsgericht Antwerpen, Belgien). Mit Urteil vom 20. September 2016 entschied dieses Gericht, dass die Erteilung der Genehmigung zur entgeltlichen Vermarktung von Softwareanwendungen, die entweder im alleinigen Eigentum der Klägerin oder im Miteigentum der Klägerin und der IHC-Group NV stünden, in den Anwendungsbereich von Art. 18 § 1 Abs. 2 Nr. 7 des Mehrwertsteuergesetzbuchs falle und daher als eine steuerpflichtige Dienstleistung anzusehen sei. Weiter urteilte es, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens, da sie sich nicht auf die Erbringung von Dienstleistungen an ihre Mitglieder beschränke, sondern, über die IHC-Group NV, mit der sie einen Kooperationsvertrag geschlossen habe, auch von ihr oder in ihrem Auftrag entwickelte Softwareanwendungen an Nichtmitglieder vertreibe, für ihr Tätigkeiten insgesamt keinen Anspruch auf die Steuerbefreiung nach Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs habe.

16.      Infohos erhob sodann gegen diese Entscheidung Kassationsbeschwerde beim Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof) und machte geltend, dass die Voraussetzung für die Umsetzung der Befreiung nach Art. 2 Abs. 1 des Königlichen Erlasses, wonach ein selbständiger Zusammenschluss von Personen(6) Dienstleistungen ausschließlich gegenüber seinen Mitgliedern erbringen könne, in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie nicht vorgesehen sei und daher die nationale Bestimmung mit dem Unionsrecht nicht im Einklang stehe.

17.      Das vorlegende Gericht, der Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof), weist darauf hin, dass der Hof van Beroep Antwerpen (Berufungsgericht Antwerpen) davon ausgegangen sei, dass eine enge Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie und insbesondere von der Voraussetzung nach dieser Bestimmung, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen verpflichte, von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten zu fordern, es ausschließe, dass die erbrachten Dienstleistungen auch gegenüber Nichtmitgliedern erbracht würden. Außerdem könne Infohos, da sie sich nicht darauf beschränke, Dienstleistungen an ihre Mitglieder zu erbringen, sondern Marketing-Anwendersoftware auch an Dritte verkaufe, nicht auf die Befreiung für die gesamten erbrachten Tätigkeiten zählen.

18.      Die somit aufgeworfene Frage kann nach Ansicht des nationalen Gerichts nur über eine Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie geklärt werden.

19.      Der Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof, Belgien) hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG vom 17. Mai 1977, jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006, dahin auszulegen, dass er den Mitgliedstaaten gestattet, für die darin vorgesehene Steuerbefreiung eine Ausschließlichkeitsbedingung festzulegen, durch die ein selbständiger Zusammenschluss, der auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringt, für die gegenüber Mitgliedern erbrachten Dienstleistungen ebenfalls in vollem Umfang mehrwertsteuerpflichtig wird?

III. Rechtliche Würdigung

20.      Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage wissen, ob Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie Rechtsvorschriften wie den belgischen entgegensteht, die die Befreiung von der Zahlung der Mehrwertsteuer für die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen ausschließlich für den Fall zulassen, dass diese Dienstleistungen nur an die Mitglieder des Zusammenschlusses erbringen.

21.      Verneinendenfalls, wenn eine solche nationale Bestimmung als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden sollte, würde daraus folgen, dass in jedem Fall, in dem ein selbständiger Zusammenschluss von Personen Dienstleistungen auch gegenüber Nichtmitgliedern erbrächte, dieser ein Mehrwertsteuerpflichtiger auch für die Zwecke der Dienstleistungen an seine Mitglieder würde.

22.      Die Einstufung der Klägerin des Ausgangsverfahrens als selbständiger Zusammenschluss von Personen und das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie für die von ihr erbrachten Tätigkeiten – zumindest gegenüber ihren Mitgliedern – und daher der Voraussetzungen, unter denen die erbrachten Leistungen von der Zahlung der Mehrwertsteuer befreit sind, sind nicht Gegenstand spezifischer Beanstandung und können daher in der vorliegenden Rechtssache beide als festgestellt angesehen werden. Es ist jedenfalls Sache des nationalen Gerichts, konkret zu prüfen, dass die Voraussetzungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f eingehalten wurden(7).

23.      Außerdem ist hinzuzufügen, dass das nationale Gericht auch die Vereinbarkeit des Angebots von Dienstleistungen an Nichtmitglieder mit dem satzungsmäßigen Zweck des selbständigen Zusammenschlusses von Personen zu beurteilen hat. Wenn nämlich die Tätigkeit gegenüber Nichtmitgliedern nicht unter den Zweck des selbständigen Zusammenschlusses von Personen fällt, wären die Folgen auf der Grundlage des nationalen Rechts zu beurteilen.

24.      Die Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, haben zur Beantwortung der Vorlagefrage im Wesentlichen zwei Auffassungen vertreten.

25.      Eine erste Auffassung, die von der Kommission und der Klägerin des Ausgangsverfahrens vertreten wird, ist auf eine Verneinung der Vorlagefrage und daher auf die Unvereinbarkeit einer Bestimmung wie der belgischen, die die Befreiung von der Mehrwertsteuer vom Umstand abhängig macht, dass die Dienstleistungen des Zusammenschlusses ausschließlich an die Mitglieder angeboten werden, mit dem Unionsrecht ausgerichtet.

26.      Insbesondere stützt sich diese Auffassung auf die Annahme, dass der Ausschluss der selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die auch Dienstleistungen gegenüber Nichtmitgliedern erbrächten, von der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f auf eine zu enge Auslegung der Bestimmung und daher auf eine komplexe, wenn nicht gar unmögliche, Umsetzung der Befreiung hinausliefe.

27.      Insoweit wird darauf hingewiesen, dass die Erbringung von Dienstleistungen an Dritte durch einen selbständigen Zusammenschluss von Personen nur zulässig wäre, wenn sie der normalen Besteuerung (außer sie wären Gegenstand einer anderen Befreiung) im Sinne von Art. 2 der Sechsten Richtlinie, die den Anwendungsbereich der Richtlinie definiert, unterzogen wäre.

28.      Die Möglichkeit der Erbringung von Dienstleistungen an dem Zusammenschluss nicht angehörende Dritte könnte daher nach dieser Auffassung nicht durch eine zusätzliche Ausschließlichkeitsbedingung in Frage gestellt werden, die dem Inhalt von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie fremd sei.

29.      Eine zweite Auffassung, die von der belgischen Regierung und der portugiesischen Regierung vorgetragen wird, ist auf eine Bejahung der Vorlagefrage und daher auf die Vereinbarkeit einer Bestimmung wie der belgischen, die die Befreiung von der Mehrwertsteuer vom Umstand abhängig macht, dass die Dienstleistungen des Zusammenschlusses ausschließlich an die Mitglieder angeboten werden, mit dem Unionsrecht ausgerichtet.

30.      Die erforderliche Ausschließlichkeit ergebe sich aus der Bestimmung selbst, wenn sie u. a. vorsehe, dass die Befreiung gewährt werde, es sei denn, dass diese zu einer Wettbewerbsverzerrung führe, die im Fall von Dienstleistungen an Dritte vorläge, da der selbständige Zusammenschluss von Personen hauptsächlich zum einzigen Zweck errichtet worden sei, Dienstleistungen an die Mitglieder anzubieten.

31.      Die Ausschließlichkeitsbedingung habe außerdem die Funktion, die korrekte Umsetzung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zu gewährleisten.

32.      Die erste Auffassung ist meiner Ansicht nach überzeugender mit den im Folgenden dargelegten Klarstellungen.

33.      Erstens ist zu prüfen, ob die Einführung einer solchen Ausschließlichkeitsbedingung im Einklang mit einer wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie(8) steht, und zweitens, ob die Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Einführung über einen Ermessensspielraum verfügen.

A.      Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie in Bezug auf die Ziele der Richtlinie und die Funktion der Befreiungen

34.      Der Wortlaut der angeführten Bestimmung führt in keiner Weise das Erfordernis an, dass die Erbringung von Dienstleistungen an die eigenen Mitglieder ausschließlich sein müsse.

35.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Mehrwertsteuerbefreiungen – die, wie in Nr. 41 dargelegt werden wird, eigenständige Begriffe des Unionsrechts sind – eng auszulegen, da diese Befreiungen eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt.

36.      Allerdings kann diese enge Auslegung durch den Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie nicht so weit reichen, dass die Durchführung der Regelung der Befreiungen übermäßig erschwert würde, so dass dem eigenständigen Begriff derselben die Wirkung genommen würde(9).

37.      Es ist daher erforderlich, auf den Zweck dieser Bestimmung einzugehen.

38.      Das Ziel der Mehrwertsteuerrichtlinie(10) ist es, die nationalen Rechtsvorschriften zu harmonisieren, um ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem und daher eine einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage festzulegen.

39.      Dieses Ziel wird im neunten Erwägungsgrund wie folgt dargelegt: „Auch die Besteuerungsgrundlage bedarf einer Harmonisierung, damit die Anwendung des gemeinschaftlichen Satzes auf die steuerbaren Umsätze in allen Mitgliedstaaten zu vergleichbaren Ergebnissen führt.“(11)

40.      Im elften Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie heißt es: „Im Hinblick auf eine gleichmäßige Erhebung der eigenen Mittel in allen Mitgliedstaaten ist es erforderlich, eine gemeinsame Liste der Steuerbefreiungen aufzustellen.“

41.      Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, folgt daraus, dass das Ziel einer gleichmäßigen Erhebung der eigenen Mittel in allen Mitgliedstaaten nur durch eine harmonisierte Auslegung und Anwendung der Befreiungen erreicht werden kann, die die Ausarbeitung eines eigenständigen unionsrechtlichen Begriffs dieser Befreiungen zur Folge hat(12).

42.      Insbesondere sieht Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f die Mehrwertsteuerbefreiung vor, die einige selbständige Zusammenschlüsse von Personen in Anspruch nehmen können, die sich auf ein System der Selbsthilfe stützen, oder ein Zusammenschluss, dessen Zweck es ist, Dienstleistungen an seine Mitglieder unmittelbar für die Ausübung ihrer Tätigkeit zu erbringen (die befreit sein muss oder für die sie nicht die Eigenschaft eines Steuerpflichtigen haben) und der sich darauf beschränkt, von seinen Mitgliedern die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten zu fordern.

43.      Der Zweck einer solchen Befreiung besteht nämlich „in der Einführung einer Mehrwertsteuerbefreiung …, um zu vermeiden, dass jemand, der bestimmte Dienstleistungen anbietet, Mehrwertsteuer entrichten muss, wenn er genötigt ist, mit anderen Berufsausübenden im Rahmen einer gemeinsamen Struktur zusammenzuarbeiten, die Tätigkeiten übernimmt, die zur Erbringung dieser Dienstleistungen erforderlich sind“(13), sowie darin, „bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer zu befreien, um den Zugang zu bestimmten Dienstleistungen und die Lieferung bestimmter Gegenstände unter Vermeidung der höheren Kosten zu erleichtern, die entstünden, wenn diese Dienstleistungen und die Lieferung dieser Gegenstände der Mehrwertsteuer unterworfen wären“(14).

44.      Die Kommission hat, wie sich aus den Erklärungen in der Akte ergibt, mangels einer Auslegung der Befreiungsbestimmung durch den Gerichtshof in verschiedenen Arbeitsdokumenten zur Mehrwertsteuer ausgeführt, dass weder der besondere Charakter der Befreiung noch das Erfordernis, die Befreiung eng auszulegen, das Verbot der Begünstigten rechtfertigten, auch Tätigkeiten (wenn sie der Besteuerung unterliegen) gegenüber Dritten auszuüben(15).

45.      Aus dem Zweck der angeführten Bestimmung und den vorgesehenen Befreiungen ergibt sich daher, wie auch in amtlichen Dokumenten der Kommission dargelegt, kein Erfordernis, eine Ausschließlichkeitsbedingung in Bezug auf die von den selbständigen Zusammenschlüssen von Personen angebotenen Dienstleistungen an ihre Mitglieder einzuführen.

46.      Zusammenfassend scheint zur Frage, ob eine Bestimmung wie die belgische im Einklang mit dem Zweck der Steuerbefreiung steht, diese im Hinblick auf das Ziel jedenfalls in ihrer Strenge unverhältnismäßig.

47.      Der Gerichtshof hat mehrmals darauf hingewiesen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die Mittel zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie zur Erreichung der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele geeignet sein müssen und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen dürfen(16).

48.      Der Verlust der Befreiung auch für die Umsätze zugunsten der Mitglieder läuft hingegen Gefahr, die Ausgewogenheit der Unionsrechtsbestimmung in „sanktionierender“ Absicht, die dem Geist der Richtlinie fremd ist, zu verändern.

49.      Es erscheint richtiger, für die Anwendung der Befreiung die vom Rechtsträger ausgeübte Tätigkeit zu betrachten und nicht die Art des Rechtsträgers.

50.      Das bedeutet, dass die vorgesehene Befreiung nur für die Dienstleistungen der selbständigen Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder gewährt werden darf, aber nicht auch, dass die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen Dienstleistungen nur an ihre Mitglieder anbieten können. Insoweit hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die von selbständigen Zusammenschlüssen von Personen ihren Mitgliedern erbrachten Dienstleistungen nach dieser Bestimmung auch von der Steuer befreit sind, wenn diese Dienstleistungen nur einem oder mehreren der Mitglieder erbracht werden(17).

51.      Es ist die Tätigkeit zugunsten der Mitglieder zu den von der Unionsrechtsbestimmung geschützten Zwecken, die den Schutz und daher die Steuerbefreiung verdient, und nicht schon die Art des Rechtsträgers, bei der davon auszugehen wäre, dass sie die Befreiung nur verdient, wenn sie Leistungen ausschließlich an die Mitglieder des Zusammenschlusses erbrächte. Selbstverständlich setzt das voraus, dass das nationale Gericht beim Antragsteller das Vorliegen der von der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen feststellt(18).

B.      Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten

52.      Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 setzen die Mitgliedstaaten die Bedingungen „zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen“ fest.

53.      Buchst. f ergänzt, dass die Befreiung nicht so gestaltet sein darf, dass sie „zu Wettbewerbsverzerrungen führt“.

54.      Das Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Bedingungen für den Zugang zur Steuerbefreiung kann nicht so weit gehen, dass es sich auf die Änderung des Inhalts der von der Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen erstreckt(19).

55.      Der Mitgliedstaat kann jedoch nicht Bestimmungen einführen, die der Befreiung ihre Wirkung nehmen oder ihre Umsetzung schwieriger oder unmöglich machen(20).

56.      Diese Situation findet sich in dem Fall, dass der Mitgliedstaat in Umsetzung der Richtlinie allgemeine strenge Maßnahmen erlässt wie die in Art. 2 des belgischen Königlichen Erlasses vorgesehenen, die den Anwendungsbereich der Befreiung einschränken.

57.      Der Ausdruck „zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen“ verfolgt meines Erachtens den Zweck, den Mitgliedstaaten die Einführung nationaler Rechtsvorschriften zu gestatten, die geeignet sind, die Anwendung der Befreiungen für die Wirtschaftsteilnehmer nicht übermäßig kompliziert zu machen und gegebenenfalls auch die Kontrollmodalitäten zu rationalisieren.

58.      Man kann diesen Ausdruck sicher nicht so verstehen, wie aus einigen Ausführungen der Beteiligten hervorzugehen scheint, dass er nur die Feststellungen durch die zuständigen Behörden erleichtern soll.

59.      Sodann geht aus der Akte nicht hervor, welche übermäßige Schwierigkeit für die nationalen Behörden bestünde, die korrekte Anwendung der von der Richtlinie vorgesehenen Befreiungen anzuwenden und zu kontrollieren(21).

60.      Es wird dem nationalen Gericht obliegen, festzustellen, ob die Begünstigten der Befreiungen eine geordnete und getrennte Buchführung erstellen, die die erforderlichen Kontrollen durch die zuständigen Behörden gestattet.

61.      Der oben angeführte Ausdruck kann jedoch die Einführung einer strengen Ausschließlichkeitsbedingung nicht begründen, die, wie gesagt, dem Wortlaut und dem Zweck der Unionsrechtsbestimmung fremd ist.

62.      Dasselbe ist im Hinblick auf den anderen Teil der oben zitierten Bestimmung zu sagen, der den Staaten gestattet, die Bedingungen „zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen“ festzusetzen.

63.      Auch er erlaubt es nicht, die in der Richtlinie nicht vorhandene zusätzliche Bestimmung der Ausschließlichkeit der Erbringung von Dienstleistungen zugunsten der Mitglieder als erforderlich anzusehen.

64.      Die etwaige Erbringung von Dienstleistungen an Dritte kann nicht als eine Modalität angesehen werden, die geeignet ist, Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen oder Missbräuche zu begünstigen, soweit diese Erbringung in der Buchführung des Zusammenschlusses ordnungsgemäß getrennt und der Zahlung der geschuldeten Steuer unterzogen wird.

65.      Was schließlich die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen betrifft, kann die Analyse komplexer ausfallen, aber führt meines Erachtens zum selben Schluss in Bezug auf die Möglichkeit der selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, Dienstleistungen auch an Dritte, die keine Mitglieder sind, zu erbringen.

66.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass „die Gewährung der Befreiung von der Mehrwertsteuer dann abzulehnen ist, wenn eine reale Gefahr besteht, dass die Befreiung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann“(22).

67.      Wie von Generalanwältin Kokott bereits dargelegt, kann das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung nicht abstrakt für bestimmte Branchen im Voraus entschieden werden. Daher eröffnet die Sechste Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber keinen Ermessensspielraum bei der Einführung einer abstrakten Regelung, die von einer konkreten Prüfung der Wettbewerbsverzerrung absieht(23).

68.      Eine Bestimmung wie die belgische geht hingegen, da, wie aus dem Akteninhalt hervorgeht, die belgische Regierung die Begründung für die Einführung der Ausschließlichkeitsbedingung überwiegend auf eine mögliche Wettbewerbsverzerrung stützt, in einer allgemeinen und strengen Bestimmung ohne Beurteilungsspielraum für den Richter davon aus, dass die Erbringung von Dienstleistungen an Dritte den Wettbewerb auf diesem spezifischen Markt verzerrt.

69.      Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass es dem nationalen Gesetzgeber zwar freisteht, zum Zweck der Bestimmung, ob die Anwendung der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 auf eine bestimmte Tätigkeit zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann, Vorschriften vorzusehen, die von den zuständigen Behörden einfach gehandhabt und kontrolliert werden können. Jedoch können sich diese Voraussetzungen nicht auf die Bestimmung des Inhalts der von dieser Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen beziehen, wobei die Voraussetzung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen darf, nicht zur Folge hat, dem Mitgliedstaat zu erlauben, den Anwendungsbereich dieser Steuerbefreiung allgemein zu beschränken(24).

70.      Die Befreiung könnte eine Wettbewerbsverzerrung erzeugen, wenn der größte Teil der Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbracht würde und in dem Fall, dass auch die Dienstleistungen an die Nichtmitglieder des Zusammenschlusses von der Zahlung der Mehrwertsteuer befreit wären.

71.      Keine der beiden Situationen kann bei der vorgeschlagenen Auslegung auftreten, und daher ist davon auszugehen, dass auch in diesem Punkt die Ausführungen zugunsten des Erfordernisses einer Ausschließlichkeitsbedingung, auch mangels konkreter Umstände zu ihrer Stützung, nicht überzeugend sind.

C.      Grenzen der Möglichkeit selbständiger Zusammenschlüsse von Personen, Dienstleistungen an Nichtmitglieder zu erbringen

72.      Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach dem fraglichen Artikel können, wie auch von der Kommission in den im Verfahren vorgelegten Erklärungen ausgeführt, wie folgt zusammengefasst werden: Die befreiten Dienstleistungen müssen von einem selbständigen Zusammenschluss von Personen erbracht werden; dieser Zusammenschluss muss eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die er nicht Steuerpflichtiger ist; der Zweck dieser Dienstleistungen muss darin bestehen, an seine Mitglieder Dienstleistungen zu erbringen, die für die Ausübung von deren Tätigkeit unmittelbar erforderlich sind; diese Zusammenschlüsse müssen sich darauf beschränken, von ihren Mitgliedern genau die Erstattung des auf sie entfallenden Anteils an den gemeinsamen Kosten zu fordern.

73.      Alle diese Voraussetzungen hat das nationale Gericht festzustellen.

74.      Es ist jedoch klarzustellen, dass im Hinblick auf die bisher vorgenommene teleologische und systematische Auslegung einige weitere Voraussetzungen aufzustellen sind, damit die Befreiung von der Mehrwertsteuer für die an die Mitglieder erbrachten Dienstleistungen in dem Fall bestehen kann, dass ein Rechtsträger Dienstleistungen auch an Nichtmitglieder erbringt (die der Mehrwertsteuer zu unterziehen sind).

75.      Erstens ist es erforderlich, dass die Dienstleistungen an die Mitglieder in quantitativer Hinsicht gegenüber den zugunsten Dritter erbrachten überwiegen; diese können daher in der Gesamtheit der Tätigkeiten des Zusammenschlusses nur die Natur einer Nebentätigkeit haben(25).

76.      So soll vermieden werden, dass die Funktion der Zusammenschlüsse ausgehöhlt wird und es auf diese Weise zu Umgehungen der Norm kommen kann, die den Wettbewerb verfälschen können.

77.      Zweitens ist es, ebenfalls um diese Funktion nicht auszuhöhlen, erforderlich, dass der Begünstigte der Steuerbefreiung nachweist, dass die Tätigkeit, die zugunsten Dritter erbracht wird, die keine Mitglieder sind, Gründen der technischen Effizienz dient, die in der Zukunft auch die Mitglieder nutzen können.

78.      Beide vorstehend beschriebenen Feststellungen sind vom nationalen Gericht zu treffen, das die oben dargelegten Auslegungskriterien anzuwenden hat, um zu entscheiden, ob im Fall eines Rechtsträgers, der Dienstleistungen an seine Mitglieder aber auch an Dritte erbringt, der Anspruch auf Steuerbefreiung besteht oder nicht.

79.      Mit diesen Klarstellungen, die zur Wahrung der Kohärenz der Zwecke der Richtlinie und der Befreiungen erforderlich sind, ist es noch unwahrscheinlicher, dass Gefahren einer Verzerrung des Wettbewerbs zu befürchten sind. Vielmehr unterstreichen diese Klarstellungen die Funktion der Befreiungen, die darin besteht, für die selbständigen Zusammenschlüsse einen Wettbewerbsnachteil gegenüber demjenigen zu kompensieren, der die Dienstleistungen des Zusammenschlusses durch eigene Angestellte oder im Rahmen einer Mehrwertsteuergruppe erbringen lässt(26).

IV.    Ergebnis

80.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf das Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof, Belgien) wie folgt zu antworten:

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG vom 17. Mai 1977, jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006, ist dahin auszulegen, dass er den Mitgliedstaaten nicht gestattet, für die darin vorgesehene Steuerbefreiung eine Ausschließlichkeitsbedingung festzulegen, nach der ein selbständiger Zusammenschluss, der auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringt, für die gegenüber seinen Mitgliedern erbrachten Dienstleistungen ebenfalls in vollem Umfang mehrwertsteuerpflichtig ist.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach der oben angeführten Bestimmung vorliegen, und im Fall von auch an Nichtmitglieder erbrachten Dienstleistungen, ob – damit nicht der Zweck der Befreiung ausgehöhlt wird – diese Dienstleistungen in quantitativer Hinsicht nicht gegenüber den zugunsten der Mitglieder erbrachten überwiegen und sie durch Gründe der technischen Effizienz, in deren Genuss auch die Mitglieder kommen können, gerechtfertigt sind.


1       Originalsprache: Italienisch.


2        ABl. 1977, L 145, S. 1.


3       ABl. 2006, L 347, S. 1.


4       Aus der Akte ergibt sich, dass Infohos ein Zusammenschluss ist, der am 21. Februar 1986 in Form einer Körperschaft öffentlichen Rechts durch die ÖSHZ von Aalst, Blankenberge, Brügge, Gent, Kortrijk, Oostende und Ronse errichtet wurde. Art. 3 der Satzung bestimmt den Gegenstand des Zusammenschlusses als Gewährleistung, Analyse, Erbringung und Verwaltung von Informatiksystemen zur Unterstützung der Organisation der Krankenhäuser seiner Mitglieder sowie der von diesen Mitgliedern erbrachten damit zusammenhängenden Tätigkeiten.


5       Der angeführte Artikel sieht vor, dass die öffentlichen Einrichtungen für die Tätigkeiten oder Verrichtungen, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt erbringen, nicht als Steuerpflichtige gelten, auch dann nicht, wenn sie durch diese Tätigkeiten oder Verrichtungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.


6       Unter selbständigen Zusammenschlüssen von Personen versteht man diejenigen Zusammenschlüsse von Personen oder Unternehmen, die an ihre Mitglieder auf selbständige Weise Waren liefern oder Dienstleistungen erbringen.


7       Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing (C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 27).


8       In Bezug auf die Auslegung dieser Bestimmung vgl. Urteil vom 21. September 2017, DNB Banka (C-326/15, EU:C:2017:719, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung), wonach bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.


9       Vgl. in diesem Sinne, ebenso in Bezug auf die Auslegung dieser Bestimmung, Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing (C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof stellt fest, dass zwar eine enge Auslegung erforderlich ist, es jedoch nicht dem Sinn dieser Regel entspricht, wenn die zur Umschreibung der Befreiungen verwendeten Begriffe so ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen oder die vorgesehenen Befreiungen praktisch unanwendbar machen.


10       Ebenso wie das Ziel der geltenden Richtlinie 2006/112.


11       Neunter Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie.


12       Zu diesem Punkt Urteil vom 15. Juni 1989, Stichting Uitvoering Financiële Acties (348/87, EU:C:1989:246, Rn. 11), sowie Urteil vom 14. Dezember 2006, VDP Dental Laboratory (C-401/05, EU:C:2006:792, Rn. 26).


13       Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing (C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 37), sowie Urteil vom 21. September 2017, Kommission/Deutschland (C-616/15, EU:C:2017:721, Rn. 56).


14       Urteil vom 21. September 2017, DNB Banka (C-326/15, EU:C:2017:719, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung), und Urteil vom 21. September 2017, Kommission/Deutschland (C-616/15, EU:C:2017:721, Rn. 47, 48 und die dort angeführte Rechtsprechung zum Ziel von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f im Rahmen der Richtlinie 2006/112).


15       Wie aus der Akte hervorgeht, hat sich der Mehrwertsteuerausschuss zu diesem Gesichtspunkt betreffend Art. 132 Abs. 1 Buchst. f geäußert, doch ist die Kommission der Ansicht, dass diese Auslegung aufgrund des identischen Inhalts auf den früheren Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f auszudehnen sei; vgl. Art. 398 der Richtlinie 2006/112/EG, Arbeitsdokument Nr. 654 vom 3. März 2010, Rn. 3.4 Buchst. a.


16       Urteil vom 23. November 2017, Di Maura (C-246/16, EU:C:2017:887, Rn. 25), und entsprechend Urteil vom 26. April 2012, Kommission/Niederlande (C-508/10, EU:C:2012:243, Rn. 75).


17       Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing (C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 43).


18       Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing (C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 27).


19       Zu diesem Punkt vgl. Urteil vom 14. Dezember 2006, VDP Dental Laboratory (C-401/05, EU:C:2006:792, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie Urteil vom 15. November 2012, Zimmermann (C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20       Vgl. auch Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing (C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21       Zu diesem Punkt Art. 398 der Richtlinie 2006/112/EG, Arbeitsdokument Nr. 654 vom 3. März 2010, Rn. 3.4 Buchst. a., in dem mögliche Belastungen und praktische Schwierigkeiten für die Behörde genannt werden, die sich jedoch nicht von den praktischen Schwierigkeiten unterschieden, die in zahlreichen anderen Situationen aufträten, in denen es erforderlich sei, die der Steuer unterliegenden Tätigkeiten und die befreiten Tätigkeiten zu untersuchen. Die Kommission hat auch darauf hingewiesen, dass eine solche Analyse im Arbeitsdokument im Anhang des Grünbuchs über die Zukunft der Mehrwertsteuer (SEK[2010] 1455 endgültig vom 1. Dezember 2010) und in den nachfolgenden Arbeiten des Mehrwertsteuerausschusses (Art. 398 der Richtlinie 2006/112/EG, Arbeitsdokument Nr. 856 vom 6. Mai 2015, Rn. 3.1.10) übernommen und weiterentwickelt worden sei.


22       Urteil vom 20. November 2003, Taksatorringen (C-8/01, EU:C:2003:621, Rn. 64), sowie Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Aviva (C-605/15, EU:C:2017:150, Nr. 68).


23       Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache DNB Banka (C-326/15, EU:C:2017:145, Nr. 22).


24       Urteil vom 21. September 2017, Kommission/Deutschland (C-616/15, EU:C:2017:721, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung sowie Rn. 67).


25       Aus der Akte ergibt sich, dass ab dem 1. Juli 2016 nach einem Ersuchen um Klarstellungen der Kommission an die belgische Regierung eine neue Regelung der Befreiungen für die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen in Belgien in Kraft getreten ist. Insbesondere sieht der neue Art. 44 § 2bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs vor, dass für den Fall, dass ein selbständiger Zusammenschluss von Personen Dienstleistungen auch an Nichtmitglieder erbringt, die Dienstleistungen an die Mitglieder steuerfrei sind, wenn diese Tätigkeiten den überwiegenden Teil der Tätigkeit des selbständigen Zusammenschlusses von Personen ausmachen.


26       Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Aviva (C-605/15, EU:C:2017:150, Nr. 67).