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Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 23. April 2020(1)

Rechtssache C-77/19

Kaplan International Colleges UK Ltd

gegen

The Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs

(Vorabentscheidungsersuchen des First-tier Tribunal (Tax Chamber) [Gericht erster Instanz (Steuerkammer), Vereinigtes Königreich])

„Vorabentscheidungsersuchen – Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Steuerbefreiung – Art. 132 Abs. 1 Buchst. f – Dienstleistungen eines selbstständigen Kostenteilungszusammenschlusses an seine Mitglieder – Territorialer Anwendungsbereich – Zusammenschluss, der in einem Drittstaat ansässig ist – Begriff der Wettbewerbsverzerrung – Verhältnis zur Gruppenbesteuerung (Art. 11)“






I.      Einführung

1.        Das vorliegende Verfahren betrifft erneut die Steuerbefreiung von sogenannten Kostenteilungsgemeinschaften (Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie), die zuletzt mehrfach Gegenstand der Rechtsprechung des Gerichtshofs war.(2) Diese Vorschrift befreit Leistungen eines Zusammenschlusses an seine Mitglieder, wenn dieser lediglich die genauen Kosten dieser Leistungen auf seine Mitglieder umlegt (sogenannte Cost Sharing Group – im Folgenden vom vorlegenden Gericht auch als CSG bezeichnet).

2.        Die Besonderheit besteht im vorliegenden Fall darin, dass sich der Zusammenschluss in Hongkong, mithin in einem Drittstaat, befindet, während seine Mitglieder Tochtergesellschaften einer Unternehmensgruppe sind, die alle im Vereinigten Königreich ansässig sind. Fast alle diese Mitglieder bilden mit weiteren Tochtergesellschaften der Unternehmensgruppe im Vereinigten Königreich eine Mehrwertsteuergruppe nach Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Daher ist nun zu klären, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie auch grenzüberschreitend wirkt und Zusammenschlüsse in Drittstaaten erfasst. Sollte dies der Fall sein, ist das Verhältnis dieser Steuerbefreiung zur Besteuerung einer Mehrwertsteuergruppe zu klären, die ebenfalls zur Folge hat, dass Leistungen innerhalb einer solchen Gruppe nicht besteuert werden.

3.        Insbesondere die erste Frage hat erhebliche wirtschaftliche Brisanz. Das gewählte Modell über einen Drittstaat, der wie im vorliegenden Fall keine Mehrwertsteuer kennt, ermöglicht es dem Zusammenschluss, fast alle Dienstleistungen ohne Mehrwertsteuerbelastung zu beziehen und dann steuerfrei an seine Mitglieder im Vereinigten Königreich weiterzureichen. Wenn – so wie hier – diese Mitglieder kein Recht zum Vorsteuerabzug haben, ergibt sich daraus ein erhebliches Steuersparpotenzial.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        Den unionsrechtlichen Rahmen bestimmen Art. 11, Art. 131 und Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).(3)

5.        Art. 11 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie gibt den Mitgliedstaaten folgende Möglichkeit:

„Nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer (nachstehend ‚Mehrwertsteuerausschuss‘ genannt) kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.“

6.        Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie regelt allgemein für Steuerbefreiungen:

„Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.“

7.        Gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie im Kapitel 2 über Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten befreien die Mitgliedstaaten die folgenden Umsätze von der Mehrwertsteuer:

„Dienstleistungen, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt“.

B.      Recht des Vereinigten Königreichs

8.        Die Steuerbefreiung von Zusammenschlüssen wird durch Group 16, Schedule 9, des VATA 1994 in nationales Recht umgesetzt. Danach sind befreit:

„Position Nr. 1

Dienstleistungen, die ein selbständiger Zusammenschluss von Personen erbringt, wenn jede der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

a)      Jede dieser Personen übt eine Tätigkeit (im Folgenden: fragliche Tätigkeit) aus, die von der Steuer befreit ist oder für die sie kein Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates ist,

b)      die Dienstleistungen werden an Mitglieder des Zusammenschlusses für unmittelbare Zwecke der Ausübung der fraglichen Tätigkeit erbracht,

c)      der Zusammenschluss fordert von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung ihres jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten, und

d)      die Befreiung führt nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung“.

9.        Section 43 basiert auf Art. 11 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie und regelt Mehrwertsteuerzusammenschlüsse. Sie sieht vor:

„(1)      Werden juristische Personen [nach den Sections 43A bis 43D] als Mitglieder eines Zusammenschlusses behandelt, gilt jede Geschäftstätigkeit eines Mitglieds des Zusammenschlusses als von dem vertretungsberechtigten Mitglied ausgeübt, und

a)      jede Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen durch ein Mitglied des Zusammenschlusses an ein anderes Mitglied des Zusammenschlusses bleibt außer Betracht, und

b)      jede Lieferung, auf die Buchst. a keine Anwendung findet und bei der es sich um eine Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen durch oder an ein Mitglied des Zusammenschlusses handelt, ist als eine Lieferung durch oder an das vertretungsberechtigte Mitglied zu behandeln, und

c)      Mehrwertsteuer, die von einem Mitglied des Zusammenschlusses auf den Erwerb von Waren aus einem anderen Mitgliedstaat oder auf die Einfuhr von Waren aus Nicht-Mitgliedstaaten entrichtet wird oder zu entrichten ist, ist als von dem vertretungsberechtigten Mitglied entrichtet oder zu entrichten zu behandeln, und die Waren sind

i)      im Fall ihres Erwerbs aus einem anderen Mitgliedstaat für die Zwecke von Section 73(7) und

ii)      im Fall ihrer Einfuhr aus Nicht-Mitgliedstaaten für diese Zwecke und für die Zwecke von Section 38

als von dem vertretungsberechtigten Mitglied erworben bzw. eingeführt zu behandeln, wobei alle Mitglieder des Zusammenschlusses als Gesamtschuldner für die von dem vertretungsberechtigten Mitglied geschuldete Mehrwertsteuer haften.“

10.      Section 43(1AA) bestimmt:

„Wenn

a)      es für die Zwecke einer in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffenen Bestimmung (im Folgenden: fragliche Bestimmung) darauf ankommt, ob die Person, durch oder an die eine Lieferung vorgenommen wird, oder die Person, die Waren erwirbt oder einführt, eine Person mit einer bestimmten Beschreibung ist,

b)      Buchst. b oder c von Subsection (1) für eine Lieferung, einen Erwerb oder eine Einfuhr gilt und

c)      es einen für die Zwecke der fraglichen Bestimmung relevanten Unterschied gibt zwischen

i)      der für das vertretungsberechtigte Mitglied geltenden Beschreibung und

ii)      der für die juristische Person, die (abgesehen von dieser Section) für die Zwecke dieses Gesetzes als Lieferer, Erwerber oder Einführer anzusehen ist bzw. als die Person, die die Lieferung erhält, geltenden Beschreibung,

findet die fragliche Bestimmung auf diese Lieferung, diesen Erwerb oder diese Einfuhr Anwendung, als ob die allein für das vertretungsberechtigte Mitglied geltende Beschreibung die tatsächlich für diese juristische Person geltende Beschreibung wäre.“

11.      Section 43(1AB) bestimmt sodann:

„Subsection (1AA) kommt insoweit nicht zur Anwendung, als es für die Zwecke der fraglichen Bestimmung darauf ankommt, ob es sich bei einer Person um einen Steuerpflichtigen handelt.“

III. Sachverhalt

12.      Die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren, die Kaplan International Colleges UK Limited (im Folgenden: KIC) fungiert als Holdinggesellschaft anderer Gesellschaften der Unternehmensgruppe Kaplan, die Bildungsleistungen erbringt. Sie hat mehrere Tochtergesellschaften im Vereinigten Königreich. Diese betreiben im Vereinigten Königreich in Zusammenarbeit mit Universitäten des Vereinigten Königreichs ein College für höhere Bildung (im Folgenden: internationale Colleges).

13.      Die Finanzverwaltung (Her Majesty’s Revenue and Customs – im Folgenden: HMRC) hat KIC bestätigt, dass die Tochtergesellschaften derzeit als „Colleges einer Universität“ berechtigt sind, die Bildungsleistungen, die sie Studierenden erbringen, als mehrwertsteuerfrei zu behandeln.

14.      Mit Ausnahme des University of York International Pathway College (im Folgenden: UYIPC), das mehrheitlich (zu 55 %) der University of York gehört, stehen alle internationalen Colleges zu 100 % im Eigentum von KIC.

15.      Jedes der internationalen Colleges von KIC verfügt über eigene Geschäftsführungs- und Verwaltungsstrukturen. Die Partneruniversität genehmigt für jedes internationale College die Lehrpläne. Die internationalen Colleges rekrutieren 85 % ihrer Studierenden über ein in 70 Ländern vertretenes Netzwerk von 500 Rekrutierungsagenten (im Folgenden: Agenten). Keiner der Agenten ist ausschließlich für die Kaplangruppe tätig. Sie sind berechtigt, auch für direkte Wettbewerber der internationalen Colleges sowie unmittelbar für die Universitäten zu arbeiten. Die Agenten erhalten für ihre Dienste eine Provision. Dabei unterstützte KIC ihre Agenten durch eine Reihe von Repräsentanzen in einigen ihrer Schlüsselmärkte, darunter China, Hongkong, Indien und Nigeria. Die Repräsentanzen boten den Agenten operative Unterstützung, u. a. durch Werbematerialien, Schulungen zu den vermarkteten Einrichtungen und Kursen sowie den Zulassungs- und Complianceverfahren etc.

16.      Bis Oktober 2014 schlossen die Agenten unmittelbar mit KIC im Vereinigten Königreich Verträge. Bis Oktober 2014 unterlagen die von den Agenten und von den Repräsentanzen erbrachten Dienstleistungen aufgrund des Leistungsortes im Vereinigten Königreich auch der dortigen Mehrwertsteuer. Aufgrund einer damit einhergehenden Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Empfänger schuldete KIC diese Mehrwertsteuer. Da KIC wegen ihrer eigenen steuerfreien Umsätze nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, war diese Mehrwertsteuerbelastung definitiv.

17.      Im Oktober 2014 wurde von den internationalen Colleges (darunter UYIPC) die Gesellschaft Kaplan Partner Services Hong Kong Limited (im Folgenden: KPS) errichtet. KPS ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Hongkong. Somit hält KIC mittelbar knapp 94 % an KPS, während das verbleibende Gesellschaftskapital mittelbar von der University of York gehalten wird, und zwar über ihre Mehrheitsbeteiligung an UYIPC. KIC selbst ist kein Mitglied des Zusammenschlusses (KPS).

18.      Nach der Errichtung von KPS ist KIC weiterhin über ein Netzwerk von örtlichen Repräsentanzen und freien Agenten tätig. Die vertraglichen Vereinbarungen mit den örtlichen Repräsentanzen und den freien Agenten bestehen nun jedoch nur noch mit KPS. Seit 2014 haben sowohl das Netzwerk von Repräsentanzen als auch die selbständigen Agenten ihre Rekrutierungsleistungen an KPS erbracht.

19.      Auf der Eingangsseite hat dies folgende Auswirkungen: Der Ort dieser Dienstleistungen liegt nun nicht mehr im Vereinigten Königreich, sondern wäre – wenn in Hongkong das gleiche Mehrwertsteuerrecht wie in der Union gelten würde – in Hongkong. Damit würden die Leistungen von der dortigen Mehrwertsteuer erfasst werden, wenn es denn eine gäbe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insofern empfängt KPS die Dienstleistungen in Hongkong ohne Mehrwertsteuerbelastung.

20.      Auf der Ausgangsseite erbringt KPS so gut wie keine Dienstleistungen an Nichtmitglieder. KPS hat im Ergebnis die Aufgaben übernommen, die zuvor KIC in London (Vereinigtes Königreich) erledigte. KPS ist außerdem für die Betreuung des weltweiten Netzwerks von Repräsentanzen zuständig.

21.      Laut dem vorlegenden Gericht gibt es drei Arten von Leistungen, die nunmehr von KPS an KIC erbracht werden: erstens die von den Agenten an KPS erbrachten Leistungen, zweitens die von den Repräsentanzen an KPS erbrachten Leistungen und drittens Leistungen von KPS im Zusammenhang mit Angelegenheiten wie der sogenannten Compliance und die übrigen oben erörterten Tätigkeiten wie die Unterstützung der Agenten.

22.      KIC hat dem vorlegenden Gericht Beweise dafür vorgelegt, dass die internationalen Colleges nicht danach trachteten, sich von anderen Gesellschaften als KPS Rekrutierungsleistungen erbringen zu lassen. Dies heißt mit anderen Worten: Der Zusammenschluss ist sich der Abnahme seiner Dienstleistungen durch seine Mitglieder sicher.

23.      KPS stellt jedem der internationalen Colleges gesondert die Beträge in Rechnung, die den Agenten für die dem betreffenden College erbrachten Leistungen geschuldet werden. KPS stellt jedem College sowohl ihre eigenen Leistungen (z. B. sogenannte Complianceleistungen) als auch die von den Repräsentanzen erbrachten Leistungen in Rechnung, und zwar anhand der Zahl der für das betreffende College rekrutierten Studierenden. Bei der Berechnung fasst KPS die Kosten zusammen und teilt sie dann durch die Zahl der Studierenden. Die Marketingausgaben der Agenten werden gleichermaßen behandelt. Die Provisionen der Agenten lassen sich dagegen unmittelbar einzelnen Studierenden zuordnen und werden dem College in Rechnung gestellt, das der Studierende besuchen wird. Dabei wird insgesamt keine Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt.

24.      In der Konsequenz wird mit der Gründung eines Zusammenschlusses in Hongkong für dessen Mitglieder im Vereinigten Königreich die Umsatzsteuerbelastung der früher an KIC und nunmehr an KPS erbrachten Dienstleistungen der Agenten und Repräsentanzen vollständig eingespart.

25.      Laut dem vorlegenden Gericht ist es unstreitig, dass es gute betriebswirtschaftliche Gründe für die Errichtung von KPS in Hongkong gab. Es werde nicht geltend gemacht, dass es sich bei KPS um ein künstliches Gebilde handele, und das HMRC behaupte nicht, dass die Gründung von KPS rechtsmissbräuchlich erfolgt sei. Ebenso ist unstreitig, dass KPS ihren Mitgliedern, den internationalen Colleges, die Dienstleistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung ihrer befreiten Tätigkeiten erbringt und dass das von KPS angewandte Abrechnungsverfahren eine genaue Erstattung des Anteils jedes Mitglieds an den gemeinsamen Kosten vorsieht.

26.      Abgesehen von UYIPC gehören alle internationalen Colleges auch einer Mehrwertsteuergruppe an, deren vertretungsberechtigtes Mitglied KIC ist.

27.      Das HMRC setzte mit Steuerbescheid vom 21. April 2017 für die Zeit von Oktober 2014 bis Juli 2016 eine Mehrwertsteuerschuld in Höhe von 5 252 264 Pfund Sterling (GBP) und mit Steuerbescheid vom 22. Mai 2017 für Oktober 2016 eine Mehrwertsteuerschuld in Höhe von 590 000 GBP fest. Zur Begründung führte das HMRC aus, dass die Dienstleistungen, die KIC von KPS erhält, nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung für Zusammenschlüsse zur Kostenteilung fallen und daher den Vorschriften über die Verlagerung der Steuerschuld unterliegen. Da ihre Umsätze überwiegend umsatzsteuerfrei sind, sei diese Steuerschuld auch nicht als Vorsteuer abzugsfähig.

28.      Mit Beschwerdeschrift vom 28. September 2017 erhob KIC Beschwerde gegen diese Bescheide.

IV.    Vorabentscheidungsverfahren

29.      Das First-Tier Tribunal (Gericht erster Instanz, Vereinigtes Königreich) setzte das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV folgende Fragen vor:

1.      Welchen räumlichen Anwendungsbereich hat die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates enthaltene Befreiung? Erstreckt sie sich insbesondere (i) auf eine CSG, die ihren Sitz in einem anderen als dem Mitgliedstaat oder den Mitgliedstaaten der Mitglieder des CSG hat? Wenn ja, (ii) erstreckt sie sich auch auf eine CSG mit Sitz außerhalb der Union?

2.      Falls die Befreiung von CSGs grundsätzlich für ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat als eines oder mehrere Mitglieder des CSG ansässig ist, sowie für eine CSG mit Sitz außerhalb der Union gilt, wie ist dann das Kriterium anzuwenden, dass die Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen sollte? Insbesondere:

a)      Gilt es für eine potenzielle Wettbewerbsverzerrung, die andere Empfänger ähnlicher Dienstleistungen, die nicht Mitglieder der CSG sind, trifft, oder gilt es nur für eine potenzielle Wettbewerbsverzerrung, die potenzielle andere Erbringer von Dienstleistungen für die Mitglieder der CSG trifft?

b)      Kann, falls es nur für andere Dienstleistungsempfänger gilt, eine realistische Möglichkeit einer Wettbewerbsverzerrung bestehen, wenn andere Empfänger, die nicht Mitglied der CSG sind, entweder den Beitritt zu der betreffenden CSG beantragen können oder ihre eigene CSG gründen können, um vergleichbare Dienstleistungen zu erlangen, oder durch andere Methoden gleichartige Steuerersparnisse erzielen können (etwa durch die Errichtung einer Niederlassung in dem betreffenden Mitgliedstaat oder Drittland)?

c)      Ist, falls es nur für andere Dienstleistungserbringer gilt, zur Beurteilung der realistischen Möglichkeit einer Wettbewerbsverzerrung zu klären, ob unabhängig von der Verfügbarkeit der Steuerbefreiung sichergestellt ist, dass die Mitglieder der CSG ihre Kunden behalten – so dass sie anhand des Zugangs anderer Dienstleistungserbringer zu dem nationalen Markt, auf dem die Mitglieder der CSG ansässig sind, zu beurteilen ist? Wenn ja, spielt es eine Rolle, ob sichergestellt ist, dass die Mitglieder der CSG ihre Kunden behalten, weil sie zu derselben Unternehmensgruppe gehören?

d)      Ist eine potenzielle Wettbewerbsverzerrung auf nationaler Ebene in Bezug auf andere Dienstleistungserbringer in dem Drittland, in dem die CSG ansässig ist, zu prüfen?

e)      Trägt die Steuerbehörde in der Union, die die Mehrwertsteuerrichtlinie anwendet, die Beweislast für den Eintritt einer Wettbewerbsverzerrung?

f)      Muss die Steuerbehörde in der Union ein spezielles Sachverständigengutachten zu dem Markt des Drittlandes einholen, in dem die CSG ansässig ist?

g)      Kann das Vorliegen einer realistischen Möglichkeit einer Wettbewerbsverzerrung daraus abgeleitet werden, dass das Bestehen eines Handelsmarkts in dem Drittland dargetan wird?

3.      Kann die Befreiung einer CSG unter den Umständen dieser Rechtssache zur Anwendung kommen, in der die Mitglieder der CSG durch wirtschaftliche, finanzielle oder organisatorische Beziehungen miteinander verbunden sind?

4.      Kann die Befreiung einer CSG dann zur Anwendung kommen, wenn ihre Mitglieder einen Mehrwertsteuerzusammenschluss gebildet haben, der ein einziger Steuerpflichtiger ist? Macht es einen Unterschied, wenn KIC, das vertretungsberechtigte Mitglied, dem (nach nationalem Recht) die Dienstleistungen erbracht werden, kein Mitglied der CSG ist? Falls dies einen Unterschied macht, wird dieser Unterschied durch das nationale Recht beseitigt, wonach das vertretungsberechtigte Mitglied für die Zwecke der Anwendung der Befreiung der CSG die Merkmale und den Status der Mitglieder der CSG besitzt?

30.      Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben Kaplan International Colleges UK Limited, das Vereinigte Königreich und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen und sich an der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2020 beteiligt.

V.      Rechtliche Würdigung

31.      Die insgesamt elf Fragen des vorlegenden Gerichts betreffen im Wesentlichen drei Themenkomplexe. Die erste Frage betrifft den räumlichen Anwendungsbereich der Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie (dazu unter A). Die zweite Frage mit ihren sieben Unterfragen betrifft die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der fehlenden Wettbewerbsverzerrung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie (dazu unter B). Die dritte und die vierte Frage betreffen das Verhältnis der Steuerbefreiung eines Zusammenschlusses in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie zur Gruppenbesteuerung im Sinne von Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie (dazu unter C).

A.      Zum räumlichen Anwendungsbereich der Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie (Frage 1)

32.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich die Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie auf einen Zusammenschluss erstreckt, der seinen Sitz in einem anderen als dem Mitgliedstaat hat, in dem seine Mitglieder sitzen, und, wenn ja, ob dies auch gilt, wenn der Zusammenschluss außerhalb der Union ansässig ist.

33.      Aus der Vorlageentscheidung geht ausdrücklich hervor, dass der Zusammenschluss (KPS) seinen Sitz in Hongkong und damit nicht in einem Mitgliedstaat hat. Daher ist der erste Teil der Frage hypothetisch und damit unzulässig.(4) Folglich ist nur der zweite Teil der Frage zu beantworten. Bevor jedoch der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift (dazu unter 2) untersucht wird, ist zunächst festzustellen, ob überhaupt der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist (dazu unter 1).

1.      Voraussetzung: Leistungen des Zusammenschlusses an seine Mitglieder

34.      Die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie befreit nämlich nur Dienstleistungen eines Zusammenschlusses an seine Mitglieder. Ausweislich des Vorabentscheidungsersuchens werden drei verschiedene Arten von Leistungen von KPS an KIC (dazu Nr. 21) erbracht. KIC ist aber gerade kein Mitglied des Zusammenschlusses (siehe Nr. 17). Insofern wäre die Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie schon gar nicht einschlägig.

35.      Andererseits betont das vorlegende Gericht, dass die Abrechnungen gegenüber den internationalen Colleges erfolgen. Diese sind Mitglieder des Zusammenschlusses. Und in der vierten Frage wird deutlich, dass KIC nach nationalem Recht aufgrund der Regelung zur Gruppenbesteuerung, die auf Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie basiert, fiktiv anstelle der Colleges als der maßgebliche Leistungsempfänger angesehen wird. Insofern scheinen die Leistungen tatsächlich an die internationalen Colleges erbracht worden zu sein. Lediglich aufgrund der nationalen Gruppenbesteuerungsregelung gelten sie mehrwertsteuerrechtlich als an das vertretungsberechtigte Mitglied KIC erbracht.

36.      In einem solchen Fall ist die Steuerbefreiung des Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie jedoch – entgegen der Auffassung der Kommission und des Vereinigten Königreichs – grundsätzlich anwendbar.

37.      Denn erstens ist die Erbringung von Dienstleistungen an ein anderes Rechtssubjekt ein faktischer Vorgang. An diesem faktischen Vorgang kann auch die in Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Möglichkeit nichts ändern, mehrere eng verbundene Personen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Ebenfalls kann diese mehrwertsteuerrechtliche Gruppenbesteuerung nichts an der zivilrechtlichen Selbständigkeit der Personen ändern, die in einer Mehrwertsteuergruppe zusammengefasst sind. Daher könnten die Dienstleistungen auch an die internationalen Colleges statt an KIC erbracht worden sein, selbst wenn diese zu diesem Zeitpunkt Teil einer Mehrwertsteuergruppe waren.

38.      Zweitens steht dies auch mit dem Sinn und Zweck der in Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit einer Mehrwertsteuergruppe in Einklang. Der Sinn und Zweck der in Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Gruppenbesteuerung besteht nämlich primär in einer Vereinfachung zugunsten des Steuerpflichtigen und daraus folgend auch der Finanzverwaltung.

39.      Zum einen ergibt sich dieser Zweck bereits aus der Begründung des Vorschlags der Kommission zur Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern aus dem Jahre 1973. Dort heißt es ausdrücklich zu Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie (entspricht dem jetzigen Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie): „Ferner erscheint es zweckmäßig, in Absatz 4 eine elastische Formulierung zu wählen, die es den Mitgliedstaaten freistellt, die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder um bestimmte Missbräuche zu verhindern (zum Beispiel die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen).“(5) Zum anderen folgt dies auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, der ebenfalls den Vereinfachungszweck des Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie betont.(6)

40.      Diese Verwaltungsvereinfachung besteht im Rahmen einer Allphasenbesteuerung mit Vorsteuerabzug im Wesentlichen darin, dass für Leistungen innerhalb der Gruppe keine Rechnungen (mit Mehrwertsteuerausweis) erstellt werden müssen. Außerdem muss nicht jedes Gruppenmitglied eine eigene Steuererklärung (mit Berechnung von Steuerschuld und Vorsteuerabzug), sondern nur das „Oberhaupt“ der Gruppe eine einzige Steuererklärung abgeben. Die Finanzverwaltung muss mithin nicht mehr viele, sondern nur noch einen Steuerpflichtigen verwalten, der im Ergebnis für die Steuerschulden seiner Gruppenmitglieder haftet.

41.      Wenn aber der Sinn und Zweck des Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie primär in einer Vereinfachung für den Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung besteht, dann bezieht sich die Regelung des Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie auch allein auf das Verhältnis des Steuerpflichtigen (und dessen eng miteinander verbundenen Personen) zu der Finanzverwaltung.

42.      Für die Finanzverwaltung wird mehrwertsteuerrechtlich zwar nur ein Steuerpflichtiger fingiert, dem alle Umsätze der Gruppe zugerechnet werden. Diese mehrwertsteuerrechtliche Gruppe kann aber nicht nach außen als eigenständiges Rechtssubjekt auftreten, mithin auch nicht – anders als das Vereinigte Königreich oder die Kommission in der mündlichen Verhandlung behauptet haben – einen Zusammenschluss im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie gründen oder Teil eines Zusammenschlusses sein. Mitglieder des Zusammenschlusses sind die Personen, die diesen kraft ihrer eigenen Rechtsfähigkeit – hier die einzelnen internationalen Colleges – gründen.

43.      Daher ist der Verlust der Selbständigkeit für mehrwertsteuerrechtliche Zwecke (d. h. gemäß Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie) allein auf das Verhältnis zwischen den eng verbundenen Gesellschaften und die Finanzverwaltung beschränkt. Er entfaltet keine Wirkung im Verhältnis zu Dritten. In den meisten Fällen ist einem fremden Unternehmen überhaupt nicht bekannt (bzw. es kann es auch nicht verifizieren), ob sein Leistungsempfänger Teil einer Mehrwertsteuergruppe ist oder nicht. Deswegen muss z. B. der Leistende in der Rechnung nach Art. 226 Nr. 5 der Mehrwertsteuerrichtlinie seinen Vertragspartner als Leistungsempfänger und nicht die ihm unbekannte Mehrwertsteuergruppe oder deren vertretungsberechtigtes Mitglied angeben.

44.      Folglich ist zu differenzieren: Sollte KPS irgendwelche Dienstleistungen originär an KIC erbracht haben, welche diese selbst verbraucht oder eventuell an Dritte oder die einzelnen internationalen Colleges weitergeleistet hat, dann scheidet eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie von vorneherein aus, da KIC kein Mitglied des Zusammenschlusses ist.

45.      Etwas anderes kann jedoch für Dienstleistungen gegenüber den internationalen Colleges gelten, auch wenn nach dem nationalem Recht der Gruppenbesteuerung fingiert wird, dass diese durch KIC repräsentiert werden. Diesen faktischen Umstand – wem gegenüber wurden die einzelnen Dienstleistungen tatsächlich erbracht – kann aber nicht der Gerichtshof, sondern nur das vorlegende Gericht klären.

46.      Im Folgenden wird daher davon ausgegangen, dass entgegen den Ausführungen des vorlegenden Gerichts im Vorlagebeschluss die dort genannten drei Arten von Dienstleistungen (aufgeführt oben in Nr. 21) nicht gegenüber KIC, sondern tatsächlich jeweils gegenüber den einzelnen internationalen Colleges erbracht wurden, die die Mitglieder des Zusammenschlusses (KPS) sind. Nur dann stellt sich nämlich die Frage nach der Steuerbefreiung gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie.

2.      In einem Drittstaat ansässiger Zusammenschluss

47.      Für diesen Fall ist zu entscheiden, ob die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie auch Dienstleistungen eines in einem Drittstaat ansässigen Zusammenschlusses an seine in einem Mitgliedstaat ansässigen Mitglieder erfasst. Diese Frage – die ich schon in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Aviva und DNB Banka ausführlich behandelt habe(7) und die der Gerichtshof in seinen bisherigen Entscheidungen offenlassen konnte(8) – ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Kommission und des Vereinigten Königreichs zu verneinen.

a)      Wortlaut, historische und systematische Auslegung der Norm

48.      Auf den ersten Blick enthält der Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie allerdings keine örtliche Beschränkung. Ebenso wenig hat der Gesetzgeber wie in anderen Vorschriften (z. B. in Art. 11 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie) den Wirkungsbereich ausdrücklich auf das Gebiet nur eines Mitgliedstaats beschränkt. Jedoch existieren auch Vorschriften, die explizit auf grenzüberschreitende Aktivitäten des Steuerpflichtigen abstellen (vgl. Art. 148 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie – „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“).

49.      Insofern kann allenfalls konstatiert werden, dass der Wortlaut weder das eine gebietet noch das andere ausschließt. Ein Argument dafür, dass auch Zusammenschlüsse in Drittstaaten erfasst werden, kann dem Wortlaut nicht entnommen werden.

50.      Ein Blick in die Vorgängervorschrift – die Sechste Richtlinie(9) – erklärt, warum eine ausdrückliche Einschränkung, anders als bei Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie, nicht im Wortlaut zu finden ist.

51.      Früher war die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie in Art. 13 der Sechsten Richtlinie geregelt. Dieser erfasste ausweislich der Überschrift nur „Steuerbefreiungen im Inland“. Mit der Neufassung war aber insoweit keine inhaltliche Änderung verbunden.(10) Daher kann unter Berücksichtigung der Sechsten Richtlinie davon ausgegangen werden, dass eine Steuerbefreiung im Inland auch nur Leistungen eines im Inland ansässigen Zusammenschlusses bezüglich seiner inländischen Mitglieder erfasst.

52.      Für diese engere Auslegung spricht auch die Systematik der Steuerbefreiungen in Titel IX der Mehrwertsteuerrichtlinie. Die Kapitel 1 bis 3 setzen keinen spezifischen grenzüberschreitenden Vorgang voraus. Erst die Kapitel 4 bis 8 und 10 enthalten spezielle Steuerbefreiungen für grenzüberschreitende Umsätze. Sollten mit der Steuerbefreiung grenzüberschreitende Zusammenschlüsse gemeint gewesen sein, hätte der Gesetzgeber sie eher dort geregelt.

53.      Daraus ist zu schließen, dass der Unionsgesetzgeber mit der Regelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f. der Mehrwertsteuerrichtlinie (damals Art. 13 Abs. 1 Buchst. f) nicht an grenzüberschreitende Zusammenschlüsse – schon gar nicht an solche in einem Drittstaat – gedacht hat, sondern im Zusammenhang mit einer „Steuerbefreiung im Inland“ auch an „Zusammenschlüsse im Inland“.

b)      Wertungswiderspruch zu Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie

54.      Insbesondere vermeidet diese Auslegung – nämlich die Beschränkung der selbständigen Zusammenschlüsse im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie auf das Gebiet eines Mitgliedstaates – einen Wertungswiderspruch zu Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Dieser erlaubt den Mitgliedstaaten, in „[ihrem] Gebiet ansässige Personen“, die über einen Zusammenschluss in einer bestimmten Art „eng miteinander verbunden sind“, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Daher können nur Unternehmen, die im gleichen Mitgliedstaat ansässig sind, einen Zusammenschluss nach Art. 11 bilden.

55.      Die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie stellt an die Art des Zusammenschlusses geringere Anforderungen als Art. 11. Sie setzt nämlich keine enge Verbindung zwischen den Unternehmen voraus. Daher wäre es widersprüchlich, auf dieser Grundlage eine grenzüberschreitende Mehrwertsteuerbefreiung zu ermöglichen, die die Regelung mit engeren Voraussetzungen nicht bewirken kann.

56.      Besonders deutlich wird dies im vorliegenden Fall. Der Zusammenschluss KPS könnte hier grundsätzlich auch Teil der Mehrwertsteuergruppe von KIC sein („eng miteinander verbunden“). Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie beschränkt die Nichtbesteuerung aber ausdrücklich auf das Vereinigte Königreich. Warum aber sollte dann ein ähnliches Ergebnis (keine Besteuerung der Leistungen des Zusammenschlusses an seine Mitglieder) nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie erreichbar sein?

57.      Dieser Wertungswiderspruch lässt sich nur auflösen, wenn auch die Wirkungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie wie die des Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie auf einen Mitgliedstaat beschränkt bleiben. Das setzt voraus, dass der Zusammenschluss und das Mitglied, an das eine Dienstleistung erbracht wird, im gleichen Mitgliedstaat ansässig sind.

58.      Beiden Fällen liegt im Übrigen die gleiche Überlegung zugrunde: Durch die Beschränkung auf das Staatsgebiet wird erreicht, dass nicht ein Mitgliedstaat die territoriale Besteuerungshoheit eines anderen Mitgliedstaats beschneidet, in dem eine Gruppenbesteuerung erlaubt bzw. ein entsprechender Zusammenschluss angenommen wird, dessen Voraussetzungen der andere Mitgliedstaat nur schwer überprüfen kann. Zugleich wird sichergestellt, dass es nicht zu widersprüchlichen Entscheidungen der unterschiedlichen Finanzverwaltungen kommt. Der Hauptgrund dürfte jedoch sein, dass dadurch ein Ausnutzen unterschiedlicher Steuersätze bzw. unterschiedlicher Steuerregime verhindert wird. Bei Drittstaaten (einschließlich ihrer Sonderverwaltungszonen) wird dies ganz deutlich, da diese – wie im vorliegenden Fall – keine Mehrwertsteuer kennen müssen.

c)      Existenz unterschiedlicher Steuersätze (Steuersatzproblematik)

59.      Die Annahme eines grenzüberschreitenden Zusammenschlusses ermöglicht nämlich ein recht einfach einzurichtendes Steueroptimierungsmodell insbesondere für weltweit agierende Konzerne, die steuerfreie (d. h. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende) Umsätze ausführen. Diese müssen nur mit ihren in Europa agierenden Unternehmen einen Zusammenschluss mit Sitz in einem Staat mit dem niedrigsten Steuersatz oder keiner Mehrwertsteuer (hier bieten sich die Vereinigten Staaten oder auch, wie vorliegend, Hongkong an) gründen. Dieser Zusammenschluss könnte dann sämtliche Dienstleistungen von Dritten, die bisher mit Mehrwertsteuerbelastung bezogen wurden, erwerben.

60.      Da der Leistungsort dann in der Regel in diesem Staat liegen würde und dieser keine oder nur eine geringe Mehrwertsteuer kennt, wäre ein solcher Zusammenschluss nicht oder nur gering mit Mehrwertsteuer belastet. Der Zusammenschluss würde dann diese eingekauften Dienstleistungen an seine Mitglieder gegen reinen Kostenersatz „weiterleisten“. Der Ort dieser Leistungen läge dann zwar in den jeweiligen Mitgliedstaaten. Die Leistung wäre dort aber wegen Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie steuerbefreit.

61.      Unabhängig von der Frage, wie die betroffenen Mitgliedstaaten die fehlende Wettbewerbsbeeinträchtigung oder die anderen Tatbestandsmerkmale in diesem Fall prüfen können sollten (dazu unten, Nrn. 67 ff.), könnte ohne viel Aufwand die konzerninterne Mehrwertsteuerbelastung reduziert werden.(11) Mittels einer Mehrwertsteuergruppe nach Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie (dazu oben, Nrn. 54 ff.) wäre ein solches Ergebnis dagegen nicht zu erreichen gewesen.

62.      Auch unter Berücksichtigung der Grundfreiheiten folgt hier kein anderes Ergebnis. Denn selbst wenn die Grundfreiheiten in dieser Drittstaatenkonstellation anwendbar wären, wäre eine territoriale Beschränkung der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f ebenso wie die der Mehrwertsteuergruppe im Sinne des Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie aus Gründen der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten(12) gerechtfertigt. Ebenso rechtfertigt das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten, eine entsprechende Beschränkung. Wenn man dagegen der Ansicht wäre, dass die Beschränkung der Steuerbefreiung auf ein Territorium eines Mitgliedstaates gegen Unionsrecht verstieße, dann würde sich konsequenterweise die Frage stellen, ob nicht auch Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie unionsrechtswidrig wäre. Daran bestehen jedoch erhebliche Zweifel.(13)

63.      Soweit KIC meint,(14) dass dieses Risiko des Ausnutzens unterschiedlicher Steuersätze zu vernachlässigen sei, weil die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie nur die in Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten gemeinwohlnützlichen Tätigkeiten erfasse, muss dies verwundern. Zum einen kann von der Art der Tätigkeit (steuerbefreite gemeinwohlnützliche Tätigkeit) kaum auf den Umfang des betroffenen Steuersubstrats geschlossen werden. Der sicherlich nicht unerhebliche Bildungs- und Gesundheitssektor belegt dies hinreichend deutlich.

64.      Zum anderen widerspricht diese Auffassung dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Die in Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgezählten Tätigkeiten werden von ihm nur partiell (hinsichtlich des Mehrwertes auf der letzten Stufe der Wertschöpfung) befreit, nicht aber in Gänze.

65.      Wenn der Gesetzgeber sämtliche Mehrwertsteuerbelastung für die Empfänger gemeinwohlnützlicher Tätigkeiten (wie Bildungsleistungen oder Leistungen der Heilbehandlung) hätte reduzieren wollen, dann hätte er in Art. 169 der Mehrwertsteuerrichtlinie auch die Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie hinzugefügt und einen Vorsteuerabzug trotz steuerfreier Ausgangsleistungen zugelassen. Dieses ihm bekannte Instrument hat er jedoch bewusst nicht genutzt.

66.       Die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für eine lediglich partielle Steuerbefreiung wird durch die von KIC gewählte Gestaltung (Gründung eines Zusammenschlusses in einem Drittstaat ohne Mehrwertsteuersystem) im Ergebnis jedoch in Gänze unterlaufen.

d)      Beurteilung der fehlenden Wettbewerbsbeeinträchtigungen

67.      Auch die Tatsache, dass die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie ausweislich ihres Wortlauts nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen darf, was die nationale Finanzverwaltung überprüfen können muss, spricht für eine territoriale Begrenzung der Steuerbefreiung. Dies schließt jedenfalls einen Zusammenschluss in einem Drittstaat aus.

68.      Zu einer grenzüberschreitenden Beurteilung des Vorliegens von Wettbewerbsverzerrungen in verschiedenen Staaten, insbesondere in Drittstaaten (wie hier in Hongkong), sind die Finanzverwaltungen kaum in der Lage. Insofern ist der Ansatz des Gerichtshofs im Urteil Isle of Wight Council zu Art. 13 der Mehrwertsteuerrichtlinie(15) auf Art. 132 Abs. 1 Buchst f. der Mehrwertsteuerrichtlinie übertragbar.

69.      Dort betonte der Gerichtshof die Schwierigkeiten der Ermittlung von Wettbewerbsverzerrungen in Märkten, die nicht mit der örtlichen Zuständigkeit der lokalen Behörden zusammenfallen. Eine solche Situation berge die Gefahr einer Beeinträchtigung der Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Rechtssicherheit. Dies gilt erst recht in Drittstaatenkonstellationen.

70.      Hinzu kommt die Tatsache, dass ausweislich des Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine korrekte und einfache Anwendung von Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie gewährleistet werden soll. Letzteres ist aber de facto ausgeschlossen, wenn eine Finanzbehörde die Wettbewerbsbeeinträchtigung global beurteilen müsste bzw. wenn mehrere Finanzbehörden – womöglich einander widersprechend – unterschiedliche Beurteilungen vornehmen würden. Letzteres würde gerade Wettbewerbsbeeinträchtigungen hervorrufen.(16) Insofern sprechen auch die erheblichen praktischen Schwierigkeiten der Anwendung und Kontrolle gegen eine Einbeziehung von Zusammenschlüssen, die in Drittstaaten ansässig sind.

3.      Ergebnis

71.      Im Ergebnis ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin gehend auszulegen, dass Dienstleistungen eines Zusammenschlusses in einem Drittstaat nicht von der Steuerbefreiung erfasst werden. Damit sind die Dienstleistungen von KPS an die internationalen Colleges nicht steuerbefreit, so dass sich die weiteren Fragen des vorlegenden Gerichts erübrigen.

B.      Hilfsweise: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der fehlenden „Wettbewerbsverzerrung“ (Frage 2)

72.      Sofern der Gerichtshof hingegen der Meinung sein sollte, dass auch Zusammenschlüsse mit Sitz in einem Drittstaat von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie erfasst werden, ist auf die weiteren Fragen des vorlegenden Gerichts einzugehen.

73.      Die im Rahmen der zweiten Frage gestellten sieben Unterfragen hängen alle davon ab, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, wann eine Wettbewerbsverzerrung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie vorliegt, die die eigentlich gegebene Steuerbefreiung doch wieder ausschließt.

74.      Soweit das vorlegende Gericht nach der Beurteilung im Zusammenhang mit einem Zusammenschluss in einem anderen Mitgliedstaat fragt, ist diese Frage – wie bereits gesagt (Nr. 33) – hypothetisch und daher unzulässig. Nur soweit sich die zweite Frage auf einen Zusammenschluss mit Sitz in einem Drittstaat bezieht, ist darauf einzugehen.

1.      Zweck der Vorschrift

75.      Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat(17) und ich an anderer Stelle ausgeführt habe,(18) soll mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie ein Wettbewerbsnachteil kleinerer Unternehmen im Vergleich zu einem größeren Konkurrenten kompensiert werden. Dieser kann die Dienstleistungen des Zusammenschlusses durch eigene Angestellte oder im Rahmen einer Mehrwertsteuergruppe durch eine eng verbundene Gesellschaft erbringen lassen. Wie die Kommission zutreffend ausführt,(19) soll mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie eine gleichartige mehrwertsteuerrechtliche Behandlung von großen und kleineren Unternehmen abgesichert werden, deren Bedürfnis aus dem Ausschluss des Vorsteuerabzugs für steuerfreie Ausgangsumsätze resultiert.

76.      Dies verdeutlicht folgendes Beispiel: Ein großes Krankenhaus, welches in der Lage ist, die Essensversorgung seiner Patienten selbst sicherzustellen (durch eigenes Küchenpersonal), ist bezüglich der dort anfallenden Personalkosten nicht mit Mehrwertsteuer belastet. Ein kleines Krankenhaus, welches das entsprechende Personal nicht auslasten kann, hat nur zwei Möglichkeiten.

77.      Es kann einen Dritten mit der Essensversorgung beauftragen. Dabei wird aber Mehrwertsteuer anfallen sowohl auf die Sachkosten als auch auf die Personalkosten des Dritten für dessen Küchenpersonal. Diese Mehrwertsteuerbelastung ist auf der Ebene des Krankenhauses definitiv (aufgrund der steuerfreien Ausgangsleistungen besteht kein Vorsteuerabzugsrecht – vgl. Art. 168 und 169 der Mehrwertsteuerrichtlinie). Es muss mithin höhere Kosten als der Konkurrent in Kauf nehmen, um die gleichen Leistungen anbieten zu können. Dies ist ein Wettbewerbsnachteil, der primär aus der Größe des Unternehmens resultiert.

78.      Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie ermöglicht es jedoch, diesen Wettbewerbsnachteil zu vermeiden. Das genannte Krankenhaus kann sich nämlich mit einem weiteren Krankenhaus zusammenschließen. Dieser Zusammenschluss stellt das Personal ein, welches dann durch die beiden Mitglieder hinreichend ausgelastet ist und die Essensversorgung für beide Krankenhäuser sicherstellt. Die Kosten dafür werden unter beiden aufgeteilt. Da die Leistung des Zusammenschlusses an seine Mitglieder befreit ist, sind die Personalkosten nunmehr nicht mit Mehrwertsteuer belastet (bei den Sachkosten bleibt es bei der gleichen Mehrwertsteuervorbelastung). Der Wettbewerbsnachteil der beiden kleineren Krankenhäuser im Vergleich zu dem (größeren) Konkurrenten wäre damit beseitigt.

79.      Wenn aber ein Wettbewerbsnachteil durch diese Steuerbefreiung beseitigt werden soll, dann kann die Gewährung der Steuerbefreiung im Normallfall nicht zugleich wieder zu einer Wettbewerbsverzerrung führen bzw. die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung heraufbeschwören. Die Wettbewerbsklausel des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie mutet insofern etwas eigentümlich an und ergibt im Ergebnis wenig Sinn.(20)

2.      Gebot einer restriktiven Auslegung des Merkmals der Wettbewerbsverzerrung

80.      Aus diesem Grund erscheint mir eine restriktive Auslegung zwingend, um die Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht ins Leere laufen zu lassen.

81.      Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man das Fehlen einer Wettbewerbsverzerrung als Ausnahme der grundsätzlich in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung versteht, da nach Ansicht des Gerichtshofs eine Abweichung oder Ausnahme von einer allgemeinen Regel eng auszulegen ist.(21)

82.      Wenn man allerdings das Fehlen einer Wettbewerbsverzerrung als Ausnahme von der Steuerbefreiung und diese wiederum als Ausnahme von der grundsätzlichen Steuerpflicht betrachtet,(22) dann könnte man auch eine Rückausnahme annehmen. Eine solche Rückausnahme könnte entweder besonders eng (als eng auszulegende Ausnahme von einer Ausnahme) oder besonders weit (als Rückausnahme von einer eng auszulegenden Ausnahme) auszulegen sein.

83.      Unabhängig davon wäre hier jedoch diese „Rückausnahme“ auch eng auszulegen. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die Auslegung mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen der steuerlichen Neutralität entsprechen. Insbesondere dürfen die zur Umschreibung der in Art. 132 genannten Befreiungen verwendeten Begriffe nicht so ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen.(23)

84.      Letzteres wäre aber der Fall, wenn das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung großzügig angenommen werden würde. Im Ergebnis deckt sich dies mit der obigen (Nr. 80) teleologischen, restriktiven Auslegung des Tatbestandsmerkmals der fehlenden „Wettbewerbsverzerrung“.

85.      Einen Ansatzpunkt für eine solche restriktive Auslegung bietet bereits die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Feststellung der Wettbewerbsverzerrung erfordert, dass eine reale Gefahr besteht, dass die Befreiung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann.(24) Die Wettbewerbsverzerrung bezieht sich dabei auf die Steuerbefreiung der Leistungen des Zusammenschlusses.(25) Diese Befreiung verhindert, dass Drittanbieter diese Leistungen zu dem selben Preis an die Mitglieder des Zusammenschlusses erbringen können (Antwort auf Frage 2a, womit sich eine Antwort auf Frage 2b erübrigt).

86.      Angesichts der gebotenen restriktiven Auslegung des Tatbestandsmerkmals der fehlenden Wettbewerbsverzerrung kann eine solche nicht allein durch das Bestehen eines Handelsmarktes begründet werden. Dies würde den Gedanken des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f. der Mehrwertsteuerrichtlinie ad absurdum führen. Danach soll die Möglichkeit bestehen, den Wettbewerbsnachteil in Bezug auf größere Konkurrenten (dazu oben, Nr. 75) gerade durch eine Kooperation mit anderen Unternehmen vermeiden zu können (Antwort auf Frage 2g).

87.      Wenn der Zusammenschluss in einem Drittstaat ansässig sein könnte, dann wären die Wettbewerbsverzerrungen durch seine Leistungen auf nationaler Ebene konsequenterweise auch in Bezug auf andere Dienstleistungserbringer aus dem Drittstaat, in dem der Zusammenschluss ansässig ist, zu prüfen. Fremde Vermittler innerhalb und außerhalb des Vereinigten Königreichs hätten einen Wettbewerbsnachteil und könnten den internationalen Colleges im Vereinigten Königreich nicht die identischen Leistungen erbringen, da ihre Leistungen um die im Vereinigten Königreich anfallende Mehrwertsteuer verteuert sind (Antwort auf Frage 2d).

88.      Für das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung ist dabei zu prüfen, ob sich der Zusammenschluss auch ohne die Steuerbefreiung der Kundschaft seiner Mitglieder sicher sein kann.(26) Wenn die Dienstleistungen des Zusammenschlusses so auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten sind, dass sich der Zusammenschluss auch sicher sein kann, dass die Mitglieder diese Dienstleistungen abnehmen, liegt grundsätzlich ein kooperatives Handeln (dazu oben, Nrn. 75 ff.) vor, welches nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f. der Mehrwertsteuerrichtlinie befreit sein soll (Antwort auf Frage 2c).

89.      Mitglieder eines Zusammenschlusses schließen sich nämlich in der Regel immer nur dann zusammen, wenn sie sich sicher sind, dass die Mitglieder die Leistungen des Zusammenschlusses auch abnehmen werden („Abnahmegarantie“). Daher kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Bildung eines Zusammenschlusses nicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie führt.

90.      In Anbetracht des Zwecks der Steuerbefreiung (Verhinderung eines Wettbewerbsnachteils) kann das Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsverzerrung meines Erachtens allein der Vermeidung von Missbräuchen (vgl. Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie) dienen. Im Ergebnis soll damit nämlich nur sichergestellt werden, dass die Steuerbefreiung nicht zweckwidrig angewendet wird. Wann dies der Fall ist, kann nur aufgrund von Indizien ermittelt werden.

91.      Angesichts des Zwecks des Tatbestandsmerkmals, welcher primär der Vermeidung von Missbräuchen dient, trägt die Finanzverwaltung die Beweislast(27) für das Vorliegen eines zu vermeidenden Missbrauchs bzw. der dafür sprechenden Indizien (Antwort auf Frage 2e). Dabei verpflichtet keine Vorschrift des Unionsrechts die Finanzverwaltung dazu, ein spezielles Sachverständigengutachten zu Drittstaatsmärkten einzuholen. Wie die nationalen Finanzbehörden ihrer Beweislast nachkommen, ist keine Frage des Unionsrechts, sondern des nationalen Steuerverfahrensrechts (Antwort auf Frage 2f).

3.      Indizien für eine Wettbewerbsverzerrung

92.      Indiz für eine zweckwidrige Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie kann z. B. sein, dass der Zusammenschluss die gleichen Dienstleistungen in erheblichem Umfang entgeltlich an Nichtmitglieder erbringt und insoweit – unter Ausnutzung von Synergieeffekten – primär als Wettbewerber und weniger als kooperierender Zusammenschluss auf dem Markt agiert. Hier könnte unter gewissen Umständen eine entsprechend reale Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung im Hinblick auf die oben genannten Drittanbieter bestehen.

93.      Ebenso kann ein Indiz sein, dass der Zusammenschluss keine eigens auf die Bedürfnisse seiner Mitglieder zugeschnittenen Dienstleistungen erbringt, sondern lediglich eingekaufte Leistungen weiterleistet. Diese könnten ohne Weiteres auch von anderen angeboten und bezogen werden. Auch hier würden Drittanbieter von dem jeweiligen Markt verdrängt werden. Das könnte hier unter Umständen teilweise angenommen werden, da die Leistungen des Zusammenschlusses offenbar in weiten Teilen in der schlichten Weiterleitung der von Dritten (Agenten etc.) bezogenen Leistungen an die Mitglieder bestanden.

94.      Ein solcher Leistungseinkauf und die unveränderte Weitergabe dieser eingekauften Leistungen widerspricht auch dem oben herausgearbeiteten Charakter der Steuerbefreiung. Diese will nicht den bloßen Leistungseinkauf und Weiterverkauf optimieren, sondern ein kooperatives Vorgehen kleinerer Marktteilnehmer ermöglichen, um einen Wettbewerbsnachteil im Hinblick auf größere Konkurrenten zu kompensieren, die diese Leistungen selbst erbringen (siehe oben, Nrn. 75 ff.).

95.      Beim reinen Leistungseinkauf und dessen unveränderter Weitergabe fehlt es aber an der eigenen Leistung des Zusammenschlusses. Gegenüber Wettbewerbern, die die Leistungen selbst einkaufen, besteht dann kein Wettbewerbsnachteil, da diese mit der gleichen Mehrwertsteuer belastet sind. Anders wäre es, wenn der Zusammenschluss einen eigenständigen Mehrwert schafft. Das wäre z. B. der Fall, wenn die Agenten von dem Zusammenschluss selbst angestellt worden wären, so dass der Zusammenschluss selbst die Vermittlungsleistungen erbringt. Dann läge auch das kooperative Element vor, welches der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie zugrunde liegt.

96.      Ein weiteres Indiz kann sein, wenn allein die Optimierung der Mehrwertsteuervorbelastung im Vordergrund steht und nicht die gegenseitige Kooperation zur Vermeidung eines Wettbewerbsnachteils. Eine Optimierung der Mehrwertsteuervorbelastung kann angenommen werden bei der Schaffung eines Wettbewerbsvorteils durch Verlagerung von externen Leistungsbezügen auf einen Zusammenschluss in einem Staat mit einem sehr niedrigen oder gar keinem Mehrwertsteuersatz. Auch dies könnte im vorliegenden Fall durchaus gegeben sein.

97.      Letztendlich muss dies aber das vorlegende Gericht beurteilen.

C.      Hilfsweise: Verhältnis zur Gruppenbesteuerung nach Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie (Fragen 3 und 4)

98.      Für den Fall, dass der Gerichtshof zum Ergebnis kommt, dass auch ein Zusammenschluss in einem Drittstaat von der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f. der Mehrwertsteuerrichtlinie erfasst wird, und für den Fall, dass das vorlegende Gericht trotz der vorliegenden Indizien eine Wettbewerbsverzerrung verneint, ist noch auf die dritte und die vierte Frage zu antworten.

99.      Diese beiden Fragen betreffen das Verhältnis von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie zu der in Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit einer Gruppenbesteuerung. Von dieser hat das Vereinigte Königreich Gebrauch gemacht. Konkret geht es darum, ob und unter welchen Voraussetzungen Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe zugleich Mitglieder eines Zusammenschlusses sein können.

100. Die Kommission und das Vereinigte Königreich sind sich insoweit einig, dass nur die Leistungen des Zusammenschlusses an seine selbständigen Mitglieder von der Steuer befreit sind. Das Vorliegen einer Mehrwertsteuergruppe verhindere, dass an die Mitglieder des Zusammenschlusses geleistet werden könne, weil diese aufgrund der Vorschriften zur Mehrwertsteuergruppe ihre Selbständigkeit verlieren. Soweit alle internationalen Colleges – die KPS gegründet haben – Teil einer Mehrwertsteuergruppe sind, gäbe es keine Mitglieder des Zusammenschlusses mehr, sondern nur noch ein einziges Mitglied.

101. Dies ist eine sehr formale Betrachtungsweise, die ich nicht für zutreffend halte, wie ich schon oben dargelegt habe (oben, Nrn. 34 ff.). Darüber hinaus spricht Art. 132 Abs. 1 Buchst f. der Mehrwertsteuerrichtlinie von einem Zusammenschluss „von Personen“. Zivilrechtlich selbständige Personen bleiben aber Personen, auch wenn sie in den Anwendungsbereich einer Mehrwertsteuergruppe fallen. Des Weiteren verwendet die Richtlinie den Begriff der „selbständigen Zusammenschlüsse“ und nicht den Begriff der „Zusammenschlüsse selbständiger Personen“, wie auch KIC in der schriftlichen Stellungnahme zu Recht anmerkt.

102. Die Selbständigkeit muss sich mithin nur auf den Zusammenschluss und nicht auf die Mitglieder des Zusammenschlusses beziehen. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Fiktion der Unselbständigkeit des Zusammenschlusses (für KPS) über eine Gruppenbesteuerung nicht eingreifen kann. Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie schließt ja ausdrücklich eine grenzüberschreitende Wirkung aus.

103. In Übereinstimmung mit KIC und anders als die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ist mit dem Begriff der „Person“ in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie auch nicht ein „Steuerpflichtiger“ und schon gar nicht der im Wege einer Fiktion erweiterte Steuerpflichtige des Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie gemeint. Dies wird bereits durch den Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie deutlich. Dieser spricht nämlich auch von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, für die sie nicht „Steuerpflichtige“ sind. Mithin kommen auch Nichtsteuerpflichtige als Mitglieder eines Zusammenschlusses in Betracht.

104. Insofern verhindert die Schaffung einer Mehrwertsteuergruppe mit der Fiktion eines einzigen Steuerpflichtigen durch die Anwendung des Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie (mehrere Personen „zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln“) nicht als solche, dass ein Zusammenschluss von Personen vorliegt. Sie schließt auch nicht aus, dass der Zusammenschluss Leistungen an seine Mitglieder erbringt.

105. Deutlich wird dies, wenn das obige Beispiel (Nrn. 76 ff.) etwas abgewandelt wird. Ein weiteres kleineres Krankenhaus (C) schließt sich mit den Krankenhäusern A und B zu einem Zusammenschluss (Z) innerhalb eines Mitgliedstaates zusammen, der die Versorgung der Patienten mit Essen übernimmt. A wird später jedoch von X aufgekauft und ist nunmehr ein Teil einer Mehrwertsteuergruppe, deren Oberhaupt (im Vereinigten Königreich das vertretungsberechtigte Mitglied) X ist. Z erbringt weiterhin Leistungen an A, B und C, deren gesellschaftsrechtliche Selbständigkeit durch die Regelung des Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht tangiert wird.

106. Dass die Steuerbefreiung der Leistungen von Z an A tatsächlich davon abhängen soll, dass mehrwertsteuerrechtlich betrachtet nunmehr diese Leistungen als Leistungen an X fingiert werden und X formal betrachtet nicht Teil des Zusammenschlusses ist, erscheint zweifelhaft. Der Sinn und Zweck der Gruppenbesteuerung besteht – wie oben ausgeführt (Nrn. 38 und 39) – in einer Verwaltungsvereinfachung und nicht darin, die Steuerbefreiung eines Zusammenschlusses von der späteren gesellschaftsrechtlichen Struktur seiner Mitglieder und dem Vorliegen einer Gruppenbesteuerungsregelung abhängig zu machen.

107. Das Bedürfnis nach einer mehrwertsteuerneutralen Kooperation zwischen A, B und C entfällt auch nicht deshalb, weil A nunmehr Teil der Mehrwertsteuergruppe von X geworden ist. An dem Wettbewerbsnachteil von A, B und C im Vergleich zu einem entsprechend großen Konkurrenten hat sich dadurch nämlich nichts geändert.

108. Anders als die Kommission und das Vereinigte Königreich meinen, schließen sich beide „Systeme“ (Gruppenbesteuerung und Steuerfreiheit der Leistungen eines Zusammenschlusses) daher nicht grundsätzlich aus. Sie müssen lediglich aufeinander abgestimmt werden.

109. Nur soweit die Mitglieder des Zusammenschlusses aus Personen bestehen, die alle Teil ein und derselben Mehrwertsteuergruppe sind, ist Art. 11 lex specialis zu Art. 132 Abs. 1 Buchst f. der Mehrwertsteuerrichtlinie. Die Gruppenbesteuerung nach Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist die weiter gehende Vorschrift, da sie keinerlei Leistungen innerhalb der Gruppe besteuert. Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie befreit hingegen nur die Leistungen des Zusammenschlusses an seine Mitglieder (und nicht andersherum oder zwischen den Mitgliedern). Sie verdrängt daher die Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie.

110. Die Tatsache, dass einige Mitglieder des Zusammenschlusses auch Teil einer Mehrwertsteuergruppe im Vereinigten Königreich sind, steht mithin der Anwendung der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht entgegen.

VI.    Ergebnis

111. Somit schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefragen des First-Tier Tribunal (Gericht erster Instanz, Vereinigtes Königreich) zu antworten:

1.      Die Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie erstreckt sich nicht auf einen in einem Drittstaat ansässigen Zusammenschluss.

2.      Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahin gehend auszulegen, dass die Steuerbefreiung von Dienstleistungen eines Zusammenschlusses an seine Mitglieder gegen genaue Erstattung des Kostenanteils grundsätzlich nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt, es sei denn, sie wird zweckwidrig angewandt.

Indizien für eine zweckwidrige Verwendung können z. B. sein,

(1)      dass der Zusammenschluss in erheblichem Umfang die gleichen Dienstleistungen entgeltlich an Nichtmitglieder erbringt und insoweit primär als Wettbewerber und weniger als kooperierender Zusammenschluss auf dem Markt agiert,

(2)      dass der Zusammenschluss keine eigens auf die Bedürfnisse seiner Mitglieder zugeschnittenen Dienstleistungen erbringt, sondern lediglich eingekaufte Leistungen weiterreicht, oder

(3)      dass allein die Optimierung der Mehrwertsteuervorbelastung im Vordergrund steht und nicht die gegenseitige Kooperation zur Vermeidung eines Wettbewerbsnachteils.

Für den Nachweis dieser Indizien trägt die Finanzverwaltung die Beweislast. Sie ist aber unionsrechtlich nicht verpflichtet, ein spezielles Sachverständigengutachten o. Ä. einzuholen. Letztendlich muss das vorlegende Gericht jedoch diese Indizien beurteilen.

3.      Die Tatsache, dass einige Mitglieder des Zusammenschlusses auch Teil einer Mehrwertsteuergruppe sind, steht der Anwendung der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht entgegen. Es besteht jedoch ein Vorrang der weiter gehenden Gruppenbesteuerung nach Maßgabe des Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Deswegen kommt die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht zur Anwendung, wenn alle Mitglieder des Zusammenschlusses Teil ein und derselben Mehrwertsteuergruppe sind.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Urteile vom 20. November 2019, Infohos (C-400/18, EU:C:2019:992), vom 21. September 2017, Aviva (C-605/15, EU:C:2017:718), vom 21. September 2017, DNB Banka (C-326/15, EU:C:2017:719), vom 21. September 2017, Kommission/Deutschland (C-616/15, EU:C:2017:721), und vom 4. Mai 2017, Kommission/Luxemburg (C-274/15, EU:C:2017:333).


3      ABl. 2006, L 347, S. 1.


4      Siehe zu dieser Rechtsfolge statt vieler: Urteil vom 14. Februar 2019, Vetsch Int. Transporte (C-531/17, EU:C:2019:114, Rn. 45).


5      Vgl. die Begründung zu Art. 4 Abs. 4 auf S. 4 in dem Vorschlag der Kommission vom 20. Juni 1973, KOM(73) 950 endg.


6      Urteile vom 16. Juli 2015, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:496, Rn. 40), vom 25. April 2013, Kommission/Schweden (C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 37), und vom 9. April 2013, Kommission/Irland (C-85/11, EU:C:2013:217, Rn. 47 und 48).


7      Siehe meine Schlussanträge Aviva (C-605/15, EU:C:2017:150, Nrn. 36 ff.) und DNB Bank (C-326/15, EU:C:2017:145, Nrn. 45 ff.).


8      Urteile vom 21. September 2017, Aviva (C-605/15, EU:C:2017:718), und vom 21. September 2017, DNB Banka (C-326/15, EU:C:2017:719).


9      Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1).


10      Nach dem dritten Erwägungsgrund wurden mit Erlass der Mehrwertsteuerrichtlinie lediglich die Struktur und der Wortlaut neu gefasst, ohne dass jedoch inhaltliche Änderungen des geltenden Rechts vorgenommen werden sollten. Dennoch erfolgte inhaltliche Änderungen sind in den Bestimmungen über die Umsetzung und das Inkrafttreten der Richtlinie erschöpfend aufgeführt. Zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie findet sich diesbezüglich nichts.


11      Ein vergleichbares Steueroptimierungsmodell ergibt sich, wenn innerhalb der EU der Mitgliedstaat mit dem niedrigsten Mehrwertsteuersatz als Sitz des Zusammenschlusses gewählt wird.


12      Zu diesem Rechtfertigungsgrund siehe nur Urteile vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer (C-446/03, EU:C:2005:763, Rn. 45 und 46), vom 29. November 2011, National Grid Indus (C-371/10, EU:C:2011:785, Rn. 48), vom 21. Mai 2015, Verder LabTec (C-657/13, EU:C:2015:331, Rn. 47), und vom 21. Januar 2010, SGI (C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 60).


13      Ebenso ablehnend Ehrke-Rabel, T., VAT Grouping: The Relevance of the Territorial Restriction of Article 11 of the VAT Directive, World Journal of VAT/GST Law, Bd. 1, Nr. 1, Juli 2012, S. 61 (70 ff.); Casper Bjerregaard Eskildsen, VAT Grouping versus Freedom of Establishment, 20 EC Tax Review, Issue 3, S. 114 bis 120; siehe ausführlich auch Stadie, H. in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 812 ff. (Stand: 174. Lfg. – Oktober 2017).


      Andere Ansicht hingegen: van Doesum, A., van Kesteren, H., van Norden, G.-J., The Internal Market and VAT: intra-group transactions of branches, subsidiaries and VAT groups, (2007) 16 EC Tax Review, Issue 1, S. 34 (41).


14      Siehe Rn. 56 ff. der schriftlichen Stellungnahme.


15      Urteil vom 16. September 2008, Isle of Wight Council u. a. (C-288/07, EU:C:2008:505, Rn. 49 ff.).


16      Dies zeigt sich, wenn in einem Land ein Vorsteuerabzug des Zusammenschlusses erfolgt, weil die Steuerbefreiung verneint wird, da entsprechende Wettbewerbsverzerrungen angenommen werden. Demgegenüber wird in dem Mitgliedstaat des Leistungsempfängers aufgrund der Steuerschuldverlagerung auf das Mitglied des Zusammenschlusses von einer Steuerfreiheit ausgegangen, da hier keine Wettbewerbsverzerrungen gesehen werden.


17      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. November 2019, Infohos (C-400/18, EU:C:2019:992, Rn. 36), vom 21. September 2017, Kommission/Deutschland (C-616/15, EU:C:2017:721, Rn. 56), und vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing (C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 37). Siehe auch die Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Taksatorringen (C-8/01, EU:C:2002:562, Nr. 118).


18      Meine Schlussanträge in der Rechtssache Aviva (C-605/15, EU:C:2017:150, Nrn. 20 ff.) und in der Rechtssache DNB Banka (C-326/15, EU:C:2017:145, Nr. 51).


19      Siehe Rn. 11 der Stellungnahme.


20      In diesem Sinne bereits die Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Taksatorringen (C-8/01, EU:C:2002:562, Nrn. 125 ff.) – „muss man feststellen, dass er [der Markt] sich recht eigentümlich darstellt“. Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Aviva (C-605/15, EU:C:2017:150, Nr. 67).


21      Vgl. statt vieler: Urteil vom 28. September 2006, Kommission/Österreich (C-128/05, EU:C:2006:612, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).


      Siehe im Zusammenhang mit Steuerbefreiungen der Mehrwertsteuerrichtlinie auch: Urteile vom 21. September 2017, Aviva (C-605/15, EU:C:2017:718, Rn. 30), vom 21. September 2017, Kommission/Deutschland (C-616/15, EU:C:2017:721, Rn. 49), und vom 5. Oktober 2016, TMD (C-412/15, EU:C:2016:738, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22      So ausdrücklich zu den Steuerbefreiungsvorschriften des Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie Urteil vom 21. September 2017, Aviva (C-605/15, EU:C:2017:718, Rn. 30).


23      Urteile vom 20. November 2019, Infohos (C-400/18, EU:C:2019:992, Rn. 30), vom 4. Mai 2017, Kommission/Luxemburg (C-274/15, EU:C:2017:333, Rn. 50), vom 28. November 2013, MDDP (C-319/12, EU:C:2013:778, Rn. 25), vom 21. März 2013, PFC Clinic (C-91/12, EU:C:2013:198, Rn. 23), vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing (C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 30), vom 14. Juni 2007, Horizon College (C-434/05, EU:C:2007:343 Rn. 16), und vom 20. Juni 2002, Kommission/Deutschland (C-287/00, EU:C:2002:388, Rn. 47).


24      Siehe Urteile vom 20. November 2019, Infohos (C-400/18, EU:C:2019:992, Rn. 48), und vom 20. November 2003, Taksatorringen (C-8/01, EU:C:2003:621, Rn. 64).


25      Urteil vom 20. November 2019, Infohos (C-400/18, EU:C:2019:992, Rn. 47).


26      Vgl. Urteil vom 20. November 2003, Taksatorringen (C-8/01, EU:C:2003:621, Rn. 59), und Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Taksatorringen (C-8/01, EU:C:2002:562, Nrn. 131 ff.).


27      Zur Beweislast für das Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis im Mehrwertsteuerrecht vgl. exemplarisch Urteil vom 10. Juli 2019, Kuršu zeme (C-273/18, EU:C:2019:588, Rn. 35 und 38).