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 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 16. Juli 2020 ( 1 )

Rechtssache C-656/19

BAKATI PLUS Kereskedelmi és Szolgáltató Kft.

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága

(Vorabentscheidungsersuchen des Szegedi Törvényszék [Gerichtshof Szeged, vormals Szegedi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Szeged), Ungarn])

„Vorabentscheidungsverfahren – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Steuerbefreiungen bei der Ausfuhr – Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden, die nicht in der Union ansässig sind – Begriff des persönlichen Gepäcks – Betrug – Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug“

1.

Die Richtlinie 2006/112/EG ( 2 ) befreit die Lieferung von Gegenständen, die im persönlichen Gepäck von Reisenden nach Orten außerhalb der Europäischen Union befördert werden, unter bestimmten Bedingungen von der Mehrwertsteuer.

2.

Das vorlegende Gericht fragt nach der Auslegung des Begriffs „persönliches Gepäck von Reisenden“ durch den Gerichtshof. Insbesondere möchte es wissen, ob es sich auf zollrechtliche Vorschriften stützen kann, die gleiche oder ähnliche Ausdrücke ( 3 ) verwenden, oder ob ausschließlich auf den „allgemeinen Wortsinn“ abzustellen ist.

I. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht. Richtlinie 2006/112

3.

Art. 146 Abs. 1 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

b)

die Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht in ihrem jeweiligen Gebiet ansässigen Erwerber oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden …,

…“

4.

Art. 147 sieht vor:

„(1)   Betrifft die in Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b genannte Lieferung Gegenstände zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden, gilt die Steuerbefreiung nur, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

der Reisende ist nicht in der Gemeinschaft ansässig;

b)

die Gegenstände werden vor Ablauf des dritten auf die Lieferung folgenden Kalendermonats nach Orten außerhalb der Gemeinschaft befördert;

c)

der Gesamtwert der Lieferung einschließlich Mehrwertsteuer übersteigt 175 EUR oder den Gegenwert in Landeswährung; der Gegenwert in Landeswährung wird alljährlich anhand des am ersten Arbeitstag im Oktober geltenden Umrechnungskurses mit Wirkung zum 1. Januar des folgenden Jahres festgelegt.

Die Mitgliedstaaten können jedoch eine Lieferung, deren Gesamtwert unter dem in Unterabsatz 1 Buchstabe c vorgesehenen Betrag liegt, von der Steuer befreien.

(2)   Für die Zwecke des Absatzes 1 gilt ein Reisender als ‚nicht in der Gemeinschaft ansässig‘, wenn sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht in der Gemeinschaft liegt. Dabei gilt als ‚Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort‘ der Ort, der im Reisepass, im Personalausweis oder in einem sonstigen Dokument eingetragen ist, das in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Lieferung bewirkt wird, als Identitätsnachweis anerkannt ist.

…“

B. Nationales Recht. Az általános forgalmi adóról szóló 2007. évi CXXVII. törvény ( 4 )

5.

§ 98 bestimmt:

„(1)   Steuerfrei sind die Lieferungen von Waren, die aus dem Inland in einen Drittstaat befördert oder auf dem Postweg versandt werden, vorausgesetzt, die Beförderung oder Versendung erfolgt

b)

durch den Erwerber selbst oder durch einen für ihn handelnden Dritten unter den zusätzlichen Bedingungen der Abs. 3 und 4 dieses Artikels oder der Art. 99 und 100 dieses Gesetzes.

(3)   Abs. 1 Buchst. b kann vorbehaltlich der Art. 99 und 100 angewandt werden, wenn der Erwerber in diesem Zusammenhang nicht in Ungarn niedergelassen ist oder wenn, in Ermangelung einer Niederlassung, weder sein Wohnsitz noch sein gewöhnlicher Aufenthalt in Ungarn liegen.

…“

6.

In § 99 heißt es:

„(1)   Wenn es sich bei dem Erwerber um einen ausländischen Reisenden handelt und die gelieferten Gegenstände … zu seinem persönlichen Gepäck oder Reisegepäck gehören, kommt die in Art. 98 Abs. 1 vorgesehene Befreiung nur dann zur Anwendung, wenn

a)

der Wert der Lieferung, einschließlich Steuern, einen Betrag von 175 Euro übersteigt;

b)

der ausländische Reisende seinen Status mit Hilfe von Reisedokumenten oder anderen Unterlagen nachweist, die von den in Ungarn als zuständig anerkannten Behörden ausgestellt wurden und die zur Identifizierung der Person dienen;

c)

die Behörde an der Stelle, an der die Gegenstände aus der Gemeinschaft ausgeführt werden, bestätigt, dass sie das Gebiet verlassen haben, indem sie nach gleichzeitiger Vorlage der Gegenstände und der Originalrechnung, die die Lieferung bestätigt, einen Sichtvermerk und einen Stempel auf dem von der Steuerverwaltung des Staates zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Formular anbringt …,

…“

7.

§ 259 Abs. 10 definiert ausländische Reisende wie folgt:

„… natürliche Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft noch ein Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft besitzen, sowie Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft besitzen, aber außerhalb des Gebietes der Gemeinschaft ansässig sind“.

II. Sachverhalt (nach den Angaben des vorlegenden Gerichts) ( 5 ) und Vorlagefragen

8.

Die Bakati Plus Kereskedelmi és Szolgáltató Kft (im Folgenden: Bakati Plus) ist im Großhandel mit Zierpflanzen tätig und betreibt einen Einzelhandel mit anderen Produkten außerhalb von Verkaufsräumen. Ab dem Jahr 2015 stieg der jährliche Einzelhandelsumsatz von 50 Mio. ungarischen Forint (im Folgenden: HUF) auf 1 Mrd. HUF an.

9.

Im Jahr 2016, um das es im Ausgangsverfahren geht, bestand praktisch die gesamte Tätigkeit von Bakati Plus im Verkauf von Lebensmitteln, Kosmetik- und Reinigungsprodukten in großen Mengen nach Serbien, die an 20 Privatpersonen, die drei Familien angehörten, geliefert wurden.

10.

Ein Beauftragter von Bakati Plus beförderte die Produkte von deren Lager bis zu einem Lager, das die serbischen Käufer in Ungarn nahe der ungarisch-serbischen Grenze angemietet hatten.

11.

Dort übergab der die Beförderung durchführende Fahrer den Käufern gegen Barzahlung des Kaufpreises die Gegenstände, die vom Vertreter von Bakati Plus ausgestellten Rechnungen und die Formulare für die Mehrwertsteuererstattung. Die Gegenstände wurden anschließend in Personenkraftwagen als Reisegepäck nach Serbien befördert.

12.

Die Mehrwertsteuerbefreiung wurde auf folgende Weise in Anspruch genommen: a) Bakati Plus füllte das Steuererstattungsformular aus, das anschließend von der Ausgangszollstelle der Gegenstände mit einem Sichtvermerk und einem Stempel versehen wurde; b) ein Zweitexemplar dieses Formulars wurde an Bakati Plus zurückgegeben; c) Bakati Plus erstattete den Erwerbern die Mehrwertsteuer in Übereinstimmung mit dem Umsatzsteuergesetz, und d) Bakati Plus beantragte in ihrer Mehrwertsteuererklärung den Abzug des erstatteten Betrags.

13.

Bakati Plus war bekannt, dass ihre Kunden die fraglichen Gegenstände erwarben, um sie auf serbischen Märkten weiterzuverkaufen. Sie war sich auch dessen bewusst, dass die Einbeziehung mehrerer Mitglieder derselben Familie in die Transaktion deshalb erfolgte, damit der Wert der einzelnen Lieferungen den Betrag von 1 Mio. HUF nicht überschritt, was nach den ungarischen Rechtsvorschriften über das Zollverfahren einen problemlosen Grenzübertritt der Gegenstände zwischen Ungarn und Serbien ermöglichte.

14.

Im Rahmen einer Steuerprüfung stellte die Nemzeti Adó- és Vámhivatal Csongrád Megyei Adó- és Vámigazgatósága (Steuer- und Zolldirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung für das Komitat Csongrád, Ungarn, im Folgenden: Steuerbehörde erster Instanz) fest, dass die Erwerbe, die die drei serbischen Familien bei Bakati Plus getätigt hätten, über den Rahmen des persönlichen Bedarfs bzw. der Verwendung innerhalb der Familie hinausgegangen und zum Zweck des Weiterverkaufs erfolgt seien, so dass ihre Einstufung als „persönliches Gepäck von Reisenden“ ausgeschlossen sei. Bakati Plus habe auch keinen anderweitigen Anspruch auf eine Steuerbefreiung.

15.

Infolge der Steuerprüfung verpflichtete die Steuerbehörde erster Instanz Bakati Plus mit Bescheid vom 27. Juni 2018 zur Zahlung einer Umsatzsteuerdifferenz, eines Säumniszuschlags sowie eines Steuerbußgelds.

16.

Am 31. Oktober 2018 bestätigte die Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn) auf den Rechtsbehelf von Bakati Plus den erstinstanzlichen Bescheid unter Zurückweisung des Rechtsbehelfs. Dabei verwies sie auf ein Urteil der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) mit folgendem Inhalt:

Für die Definition des Begriffs „persönliches Gepäck von Reisenden“ sei sowohl die Menge der Gegenstände als auch die Häufigkeit der Erwerbe von Bedeutung. Da weder das Umsatzsteuergesetz noch die Richtlinie 2006/112 den Begriff definierten, könnten nach der nationalen Praxis solche Gegenstände als Reisegepäck angesehen werden, die der Reisende für den eigenen persönlichen Bedarf oder als Geschenke erwerbe. Er dürfe jedoch keinesfalls den Zweck verfolgen, damit zu handeln.

Bakati Plus habe auch keinen Anspruch auf Steuerbefreiung für eine Ausfuhrlieferung, da sie für diese Umsätze kein zollbehördliches Ausfuhrverfahren eingeleitet habe und keine zollrechtliche Abwicklung dieser Umsätze als Ausfuhren beabsichtigt gewesen sei: Die Erwerber hätten ausdrücklich die Anwendung der Steuerbefreiung zugunsten ausländischer Reisender gewünscht.

17.

Bakati Plus focht den Bescheid der Beklagten vor dem Szegedi Törvényszék (Gerichtshof Szeged, vormals Szegedi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság ( 6 ), Ungarn) an, der dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

1.

Ist die Praxis eines Mitgliedstaats, wonach der Begriff „persönliches Gepäck“, der eines der Tatbestandsmerkmale dafür darstellt, dass Lieferungen von Gegenständen an ausländische Reisende von der Mehrwertsteuer befreit sind, mit dem Begriff „persönliches Reisegut“ im Sinne des am 4. Juni 1954 in New York geschlossenen Abkommens über die Zollerleichterungen im Reiseverkehr und des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen sowie mit dem Begriff „Gepäck“ im Sinne von Art. 1 Nr. 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union ( 7 ) gleichgesetzt wird, mit Art. 147 der Richtlinie 2006/112 vereinbar?

2.

Wie ist – falls die vorstehende Frage verneint wird – der Begriff „persönliches Gepäck“ im Sinne von Art. 147 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Anbetracht der Tatsache, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie keine Definition dieses Begriffs enthält, zu definieren? Ist die nationale Praxis, nach der die Steuerbehörden eines Mitgliedstaats ausschließlich auf den „allgemeinen Wortsinn“ abstellen, mit den Vorschriften des Unionsrechts vereinbar?

3.

Sind die Art. 146 und 147 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass einem Steuerpflichtigen keine Steuerbefreiung für Lieferungen von Gegenständen an ausländische Reisende nach Art. 147 der Mehrwertsteuerrichtlinie zusteht, gegebenenfalls zu prüfen ist, ob die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen nach Art. 146 dieser Richtlinie anwendbar ist, obschon die im Zollkodex der Union und in den delegierten Rechtsvorschriften festgelegten Zollformalitäten nicht eingehalten worden sind?

4.

Kann – falls die vorstehende Frage dahin gehend beantwortet wird, dass, sofern die Steuerbefreiung für ausländische Reisende nicht einschlägig ist, für den Umsatz die Mehrwertsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen in Betracht kommt – das Rechtsgeschäft als mehrwertsteuerbefreite Ausfuhrlieferung eingestuft werden, wenn die Absicht des Erwerbers zum Zeitpunkt der Bestellung dem ausdrücklich widersprach?

5.

Ist – falls die dritte und die vierte Vorlagefrage bejaht werden – in einer Rechtssache wie der vorliegenden, in der der Rechnungsaussteller zum Zeitpunkt der Lieferung wusste, dass die Gegenstände zum Zweck des Weiterverkaufs erworben wurden, der ausländische Erwerber die erworbenen Gegenstände hingegen als ausländischer Reisender ausführen will und der Rechnungsaussteller somit bösgläubig war, als er das der Erstattung der Steuer an den ausländischen Reisenden dienende Steuererstattungsformular ausgestellt und die weitergegebene Mehrwertsteuer unter Berufung auf die Steuerbefreiung für ausländische Reisende erstattet hat, die Praxis eines Mitgliedstaats, wonach die Steuerbehörde die Erstattung der unrichtig als Lieferung an ausländische Reisende erklärten und entrichteten Steuer verweigert, ohne die Lieferung der Gegenstände als Ausfuhrlieferung einzustufen und eine entsprechende Berichtigung vorzunehmen, obwohl unstreitig ist, dass die Gegenstände Ungarn als Reisegepäck verlassen haben, mit den Art. 146 und 147 der Mehrwertsteuerrichtlinie und mit den unionsrechtlichen Grundsätzen der Steuerneutralität und der Verhältnismäßigkeit vereinbar?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

18.

Der Vorlagebeschluss ist am 4. September 2019 beim Gerichtshof eingegangen.

19.

Bakati Plus, die ungarische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

IV. Würdigung

20.

Auf Wunsch des Gerichtshofs werden sich die vorliegenden Schlussanträge nur auf die erste und die zweite Vorlagefrage beziehen, die den Begriff „persönliches Gepäck von Reisenden“ im Sinne von Art. 147 der Richtlinie 2006/112 betreffen.

21.

Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass die Entscheidung des Rechtsstreits unabhängig von der Auslegung dieses Begriffs im Sinne von Art. 147 der Richtlinie 2006/112 von anderen Beurteilungselementen abhängen könnte, wenn, wie das vorlegende Gericht anzudeuten scheint, der Sachverhalt als Absprache zwischen dem Verkäufer der Gegenstände und seinen serbischen Käufern mit dem Ziel, die ungarischen Steuervorschriften zu umgehen, einzustufen ist ( 8 ).

22.

Ich werde zunächst auf den zweiten Teil der zweiten Vorlagefrage eingehen, für den sich die Antwort meiner Ansicht nach aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ableiten lässt. Anschließend werde ich erläutern, wie nach meiner Überzeugung der Begriff „persönliches Gepäck von Reisenden“ im Sinne von Art. 147 der Richtlinie 2006/112 zu verstehen ist.

23.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Mehrwertsteuerbefreiungen handelt es sich dabei um autonome Begriffe des Unionsrechts ( 9 ), die eng ( 10 ) und anhand ihres Wortlauts, des Zusammenhangs und des Ziels der Regelung, zu der sie gehören ( 11 ), auszulegen sind.

A. Am Wortlaut orientierte Auslegung. Allgemeiner Wortsinn der Begriffe „persönliches Gepäck von Reisenden“ als Ausgangspunkt (zweiter Teil der zweiten Vorlagefrage)

24.

In Bezug auf die am Wortlaut orientierte Auslegung der die Mehrwertsteuerbefreiungen regelnden Vorschriften hat der Gerichtshof entschieden, dass in Ermangelung einer Begriffsbestimmung im Unionsrecht der übliche Sinn der Begriffe im gewöhnlichen Sprachgebrauch als Referenz für die Bestimmung ihrer Bedeutung und ihres Umfangs dient. Unmittelbar im Anschluss hat er jedoch hinzugefügt, dass dies unter Berücksichtigung des „Zusammenhangs, in dem [die Begriffe] verwendet werden, und der mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele“ geschehen muss ( 12 ).

25.

Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, dass eine nationale Praxis, die bei der Auslegung des Begriffs „persönliches Gepäck“ im Sinne von Art. 147 der Richtlinie 2006/112 ausschließlich auf den „allgemeinen Wortsinn“ abstellt, nicht mit dieser Rechtsprechung vereinbar ist. Dieser „allgemeine Wortsinn“ kann nicht vom spezifischen Zusammenhang und dem Ziel der Regelung getrennt werden.

26.

Die Auslegung einer Vorschrift anhand ihres Zusammenhangs und ihres Ziels ist dann unerlässlich, wenn der fragliche Begriff nicht nur einen „allgemeinen Wortsinn“ hat. Dies ist bei dem hier streitigen Begriff der Fall.

27.

Auf den ersten Blick (und intuitiv) würde ich sagen, dass das „persönliche Gepäck“ eines Reisenden die Gegenstände umfasst, die der Reisende allgemein für seinen privaten Gebrauch mit sich führt, sowie sonstige kleine, als Geschenk oder als Souvenir dienende Gegenstände.

28.

Eine solche Auslegung würde Gegenstände, die der Reisende bei der Ausreise aus dem Gebiet der Europäischen Union aus gewerblichen Gründen mit sich führt, aus dem Anwendungsbereich von Art. 147 der Richtlinie 2006/112 ausschließen. Es sind jedoch auch andere Auslegungsansätze möglich.

29.

Es könnte der Standpunkt vertreten werden, dass sich der Begriff „persönliches Gepäck“ eher auf die Art und Weise bezieht, in der die Gegenstände des Reisenden befördert werden. Nach dieser Auslegung wäre „persönliches Gepäck von Reisenden“ das Gepäck, das zusammen mit dem Reisenden von einem Ort zum anderen befördert wird, und zwar unabhängig von seinem Inhalt ( 13 ). Dies würde sowohl das „Handgepäck“ als auch das „Reisegepäck“ ( 14 ) umfassen, d. h. die restlichen Gepäckstücke, die auf der Reise in demselben Transportmittel wie ihr Besitzer und in einem dafür vorgesehenen Raum (Frachtraum des Flugzeugs, Kofferraum) befördert werden. Es wäre in diesem Fall irrelevant, ob die Ausfuhr aus gewerblichen Gründen erfolgt oder nicht.

30.

Die am Wortlaut orientierte Auslegung liefert somit keine eindeutige Antwort. Es sind vielmehr, wie ich bereits erläutert habe, die systematischen und teleologischen Auslegungskriterien zu berücksichtigen.

B. Kontext und Ziele der Mehrwertsteuerbefreiung für die Ausfuhr von Gegenständen im persönlichen Gepäck von Reisenden

1.   Systematische Auslegung

31.

Art. 147 der Richtlinie 2006/112 ist der zweite der beiden Artikel, aus denen sich Kapitel 6 („Steuerbefreiungen bei der Ausfuhr“) des Titels IX („Steuerbefreiungen“) zusammensetzt. Tatsächlich handelt es sich bei Art. 147 um eine Weiterentwicklung insbesondere von Art. 146 Abs. 1 Buchst. b.

32.

Die Richtlinie 2006/112, insbesondere Titel IX, dessen Kapitel 6 und vor allem die Art. 146 und 147 bilden meiner Auffassung nach den hermeneutischen Zirkel des in Art. 147 verwendeten Begriffs „persönliches Gepäck“ von Reisenden. Dieser Zirkel kann auch andere Vorschriften aus dem Mehrwertsteuersystem umfassen.

33.

Das vorlegende Gericht und zum Teil die Kommission ( 15 ) stellen jedoch die Zollvorschriften in den Vordergrund. Ich werde mich zunächst auf diese Zollvorschriften und auf ihre Rolle als „Kontext“ beziehen.

a)   Mehrwertsteuerregelung und Zollvorschriften

34.

Die nationale Praxis, deren Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2006/112 im vorliegenden Fall streitig ist, bezieht sich auf zwei für den Zollbereich spezifische Begriffe:

den Begriff des „persönlichen Reiseguts“ in dem am 4. Juni 1954 in New York unterzeichneten Abkommen über die Zollerleichterungen im Touristenverkehr und seinem Zusatzprotokoll ( 16 ) und

den Begriff „Gepäck“ in der Delegierten Verordnung, die zur Durchführung des Zollkodex der Union erlassen wurde ( 17 ).

35.

Dabei ist von vornherein festzuhalten, dass die Europäische Union nicht Vertragspartei des New Yorker Abkommens von 1954 ist, das außerdem momentan nicht für alle Mitgliedstaaten bindend ist.

36.

Dagegen wurde mit Beschluss des Rates vom 15. März 1993 im Namen der (damaligen) Gemeinschaft das am 26. Juli 1990 in Istanbul geschlossene Übereinkommen über die vorübergehende Verwendung genehmigt, und seine Anlagen wurden mit bestimmten Vorbehalten angenommen ( 18 ). Dieses Übereinkommen greift das New Yorker Abkommen, wenn auch nicht vollständig, auf.

37.

Allerdings brauche ich an dieser Stelle nicht zu erläutern, welche Aspekte des Übereinkommens und der Delegierten Verordnung für die vorliegende Rechtssache von Interesse sein könnten.

38.

Es besteht sicherlich ein enger Zusammenhang zwischen den Zoll- und den Mehrwertsteuervorschriften, was neben anderen Zielen eine koordinierte Steuerverwaltung erleichtert. Dieser Zusammenhang lässt es jedoch nicht zu, dass ohne Weiteres der Prämisse des vorlegenden Gerichts gefolgt wird, die der Gerichtshof in anderen Urteilen „wegen der Unterschiede in Aufbau, Zielsetzung und Zweck zwischen dem … Mehrwertsteuersystem und dem Gemeinschaftssystem zur Erhebung von Zöllen“ ( 19 ) abgelehnt hat.

39.

Die jeweilige Beurteilung des persönlichen Gepäcks von Reisenden in den beiden Bereichen verdeutlicht diese Unterschiede.

Aus zollrechtlicher Sicht bezieht sich das persönliche Gepäck des Reisenden auf die grenzüberschreitende Beförderung jeglicher Gegenstände, unabhängig von ihrer Art. Sämtliche Gepäckgegenstände unterliegen den Zollvorschriften. Ob sie für Handelszwecke bestimmt sind oder nicht (aber auch andere Faktoren wie die Menge oder das Gewicht der Waren), kann zu einem späteren Zeitpunkt relevant sein, wenn das anzuwendende Zollverfahren festgestellt wird ( 20 ).

Die Mehrwertsteuerbefreiung bei der Einfuhr durch Reisende aus Drittländern hingegen ist von vornherein und ausdrücklich an die Bedingung geknüpft, dass die Einfuhr nicht aus gewerblichen Gründen erfolgt. So bestimmt Art. 4 der Richtlinie 2007/74/EG ( 21 ): „Die Mitgliedstaaten befreien Waren, die im persönlichen Gepäck von Reisenden eingeführt werden, auf der Grundlage von Schwellenwerten oder Höchstmengen von der MwSt. und den Verbrauchsteuern, sofern es sich um nichtgewerbliche Einfuhren handelt ( 22 ).“

40.

Im Ausgangsverfahren ist genau die Frage streitig, ob die im vorstehenden Absatz genannte Voraussetzung (kein gewerblicher Charakter) nicht nur für die Mehrwertsteuerbefreiung bei der Einfuhr gilt, sondern auch für die Mehrwertsteuerbefreiung von Gegenständen, die im persönlichen Gepäck von Reisenden nach Orten außerhalb der Europäischen Union befördert werden.

41.

Eine Analyse des Ursprungs und der Entwicklung der Mehrwertsteuervorschriften der Gemeinschaft (bis zu Art. 147 der Richtlinie 2006/112) sowie ihres Verhältnisses zu den Vorgängervorschriften der Richtlinie 2007/74 lässt mich zu dem Schluss gelangen, dass das Mehrwertsteuersystem selbst und nicht die Zollvorschriften den geeigneten Kontext für die Entscheidung über die Auslegungsschwierigkeiten bieten ( 23 ).

42.

Auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs richtet sich nach diesem Kriterium: Die Auslegung der Steuerbefreiungen muss „im Gesamtzusammenhang des … gemeinsamen Mehrwertsteuersystems“ erfolgen ( 24 ).

b)   Entstehungsgeschichte der Vorschriften. Richtlinie 69/169/EWG ( 25 )

1) Steuerbefreiung bei der Einfuhr

43.

Für die Bestimmung des Anwendungsbereichs von Art. 147 der Richtlinie 2006/112 muss bis zu den Anfängen der Harmonisierung der Umsatzsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (Richtlinie 69/169) zurückgegangen werden.

44.

Die Richtlinie 69/169 zog als Ausgangspunkt den status quo der damaligen Harmonisierung der indirekten Steuern heran mit dem Hinweis, dass im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten bis zu einer weitgehenden Harmonisierung die Besteuerung der Einfuhr und die steuerliche Entlastung der Ausfuhr beibehalten werden müsse ( 26 ).

45.

Um der Bevölkerung „die Realität des Gemeinsamen Marktes stärker zum Bewusstsein“ zu bringen ( 27 ), wurden mit der Richtlinie 69/169 die Vorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern bei der Einfuhr durch Reisende harmonisiert. Die Waren wurden in den Ausreiseländern steuerbelastet erworben. Dadurch, dass das Einreiseland auf die Erhebung von Umsatzsteuern verzichtete, wurde eine Doppelbesteuerung verhindert. Eine Nichtbesteuerung hingegen war nicht beabsichtigt ( 28 ).

46.

Die Steuerbefreiung galt für Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt wurden, sofern die Einfuhr keinen kommerziellen Charakter hatte und der Gesamtwert dieser Waren einen bestimmten Betrag nicht überstieg ( 29 ).

47.

Nach Art. 3 der Richtlinie 69/169 galten als Einfuhren, die keinen kommerziellen Charakter haben, solche, die gelegentlich erfolgen und die sich ausschließlich aus Waren zusammensetzen, die zum persönlichen Ge- oder Verbrauch der Reisenden oder in ihrem Haushalt, oder die als Geschenk bestimmt sind. Dabei durften diese Waren weder durch ihre Eigenart noch durch ihre Menge zu der Besorgnis Anlass geben, dass die Einfuhr aus geschäftlichen Gründen erfolgt.

2) Steuerliche Entlastung bei der Ausfuhr. Nicht gewerblicher Charakter der Ausfuhr

48.

Die Steuerbefreiung bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Verkehr sollte nicht zum Wegfall jeglicher Besteuerung führen. Aus diesem Grund sah Art. 6 der Richtlinie 69/169 in seiner ursprünglichen Fassung die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass für Lieferungen an Reisende, deren Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat gelegen ist und die bereits unter die Steuerbefreiung bei der Einfuhr fallen, steuerliche Entlastungen gewährt werden.

49.

Das Verbot der steuerlichen Entlastungen bei der Ausfuhr wurde aufgrund der damit verbundenen technischen Schwierigkeiten und zur Verhinderung der Doppelbesteuerung schrittweise liberalisiert ( 30 ). Soweit hier von Belang, änderte die Richtlinie 72/230/EWG ( 31 ) Art. 6 der Richtlinie 69/169 dahin, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt wurde, in Bezug auf die Verkäufe auf der Einzelhandelsstufe unter bestimmten Voraussetzungen die steuerliche Entlastung von den Umsatzsteuern für Waren zu gestatten, die im persönlichen Gepäck der Reisenden mitgeführt werden, die aus einem Mitgliedstaat ausreisen.

50.

Für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Reisende war eine steuerliche Entlastung ab einem bestimmten Wert möglich, der auf jeden Fall über dem in der Richtlinie selbst für Einfuhren im Bereich des innergemeinschaftlichen Reiseverkehrs festgelegten Betrag lag. Für außerhalb der Gemeinschaft ansässige Reisende konnte jeder Mitgliedstaat diese Untergrenze festlegen.

51.

Obwohl der nicht gewerbliche Charakter der Ausfuhren nicht ausdrücklich erwähnt wird, ergibt sich aus dem Kontext von Art. 6 der Richtlinie 69/169 eindeutig, dass er ausschließlich solche Ausfuhren betraf, die keinen kommerziellen Charakter im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 69/169 aufweisen.

3) Aufhebung von Art. 6 der Richtlinie 69/169 und anschließende Entwicklung

52.

1977 wurde die Sechste Richtlinie verabschiedet, deren Abschnitt X die Steuerbefreiungen regelte. Innerhalb dieses Abschnitts sah Art. 15 Nr. 2 die Steuerbefreiungen bei Ausfuhrumsätzen und gleichgestellten Umsätzen vor, enthielt jedoch keinen spezifischen Hinweis auf Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden.

53.

Befreiungen von der Mehrwertsteuer bei der Einfuhr waren nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. d der Sechsten Richtlinie weiterhin durch die Richtlinie 69/169 geregelt.

54.

Gemäß Art. 1 Abs. 25 der Richtlinie 92/111/EWG ( 32 ) wurde Art. 6 der Richtlinie 69/169 mit Wirkung vom 1. Januar 1993 aufgehoben.

55.

Mit der Richtlinie 92/111 wurde in Art. 15 der Sechsten Richtlinie ein zusätzlicher Absatz mit Regelungen für Reisende eingefügt, mit dem die Kommission beauftragt wurde, dem Rat Vorschläge zur Festlegung der Regeln für die Anwendung der Steuerbefreiung für Lieferungen zu unterbreiten, die auf der Einzelhandelsstufe erfolgen und sich auf Gegenstände erstrecken, die von Reisenden im Handgepäck mitgeführt werden können.

56.

In der daraufhin (durch die Richtlinie 95/7/EG ( 33 )) verabschiedeten Fassung von Art. 15 erhielt Nr. 2 praktisch den Wortlaut, den Art. 147 der aktuell geltenden Richtlinie 2006/112 aufweist. Es gibt also, anders als es in der Richtlinie 69/169 der Fall war und heute in der Richtlinie 2007/74 (die die Richtlinie 69/169 in Bezug auf Befreiungen bei der Einfuhr aus Drittstaaten ersetzt) beibehalten ist, keine Bezugnahme auf den nicht kommerziellen bzw. nicht gewerblichen Charakter.

57.

Dennoch lässt sich dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens, das zur Verabschiedung von Art. 15 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie in der Fassung von 1995 geführt hat, nicht entnehmen, dass die Steuerbefreiung auf die Lieferung von zu gewerblichen Zwecken bestimmten Gegenständen (zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden) ausgedehnt werden sollte. Nach meiner Überzeugung hätte eine so weitreichende Änderung ihren Niederschlag finden müssen. Sie kann nicht einfach aus einer Nichterwähnung abgeleitet werden.

58.

Ansonsten behielt die Vorschrift ihre Verbindung zur Richtlinie 69/169 bei:

Zum einen enthielt sie in Bezug auf die Berechnung des Gesamtwerts der Ausfuhr in der Landeswährung einen Verweis auf Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 69/169.

Zum anderen wurden der Mindestwert, ab dem die Steuerbefreiung im Sinne von Art. 15 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie in Anspruch genommen werden konnte, und der Höchstwert für die Steuerbefreiung bei der Einfuhr im persönlichen Gepäck bei der Einreise aus einem Drittstaat in die Gemeinschaft gemäß der Richtlinie 69/169 auf denselben Betrag festgesetzt ( 34 ).

59.

Zusammengefasst ist Art. 15 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie so auszulegen, dass er nur auf die Lieferung von Gegenständen anwendbar war, die im persönlichen Gepäck von Reisenden und nicht zu gewerblichen Zwecken befördert werden. Auf diese Weise wurde die Parallele zu den Bedingungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung bei der Einfuhr von Gegenständen im persönlichen Gepäck von Reisenden aus Drittstaaten beibehalten.

c)   Von der Sechsten Richtlinie zur Richtlinie 2006/112

60.

Die Art. 146 Abs. 1 Buchst. b und Art. 147 der Richtlinie 2006/112 übernehmen den Wortlaut von Art. 15 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ( 35 ). Die dargestellte Entstehungsgeschichte bestätigt, dass die derzeit gültige Richtlinie und nicht die Zollvorschriften den geeigneten Kontext bilden, um den Umfang der Steuerbefreiung bei der Lieferung von im persönlichen Gepäck eines Reisenden mitgeführten Gegenständen zu bestimmen.

61.

Bei Art. 147 der Richtlinie 2006/112 handelt es sich nicht um eine isolierte Bestimmung, sondern, wie ich bereits dargestellt habe, um einen Sonderfall der Steuerbefreiung bei den in Art. 146 Abs. 1 Buchst. b geregelten „indirekten Ausfuhren“ ( 36 ).

62.

Obwohl sich daher auf den ersten Blick argumentieren ließe, dass beide Artikel Ausfuhrlieferungen unabhängig von deren Charakter (kommerziell oder nicht) regeln, ist dies meines Erachtens jedoch nicht der Fall.

63.

Erstens findet sich in den Vorarbeiten zur Richtlinie 2006/112 kein Hinweis auf den Zweck der Ausfuhr der im Gepäck eines Reisenden beförderten Gegenstände. Da sich die Richtlinie darauf beschränkt, die Vorgängervorschriften zu reproduzieren, gehe ich davon aus, dass sie deren Voraussetzungen beibehält ( 37 ).

64.

Zweitens erfasst Art. 147 der Richtlinie 2006/112 mit den dort aufgeführten Bedingungen eine Situation, die durch persönliche Elemente (in Bezug auf den Reisenden) und objektive Elemente (in Bezug auf die Reise und die Gegenstände) gekennzeichnet ist, die mit der Idee einer Ausfuhr aus gewerblichen Gründen nicht vereinbar sind.

Was den Reisenden betrifft, zeigt der Verweis auf den Nachweis (Personalausweis oder vergleichbares Dokument) seines Wohnsitzes außerhalb der Union, dass es sich um eine natürliche Person handelt.

Das Erfordernis, dass der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Reisenden außerhalb der Union liegt, bedeutet, dass auf seine Eigenschaft als Nichtwirtschaftsteilnehmer abgestellt wird (in erster Linie, aber nicht ausschließlich, ein Tourist) ( 38 ).

Diese Vorstellung (von einem gelegentlich Reisenden) wird dadurch bestätigt, dass vorgesehen ist, dass der Reisende sich innerhalb der Union bewegen kann ( 39 ), sowie durch die Frist von maximal drei Monaten, nach deren Ablauf kein Anspruch auf Steuerbefreiung mehr besteht ( 40 ).

Die Gegenstände müssen von begrenztem Umfang und begrenzter Menge sein, da der Reisende sie auf seinen Reisen innerhalb des Gebiets der Union bis zu seiner Ausreise mit sich führen muss, wenn er die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen will.

Der Gesamtwert der Gegenstände muss einen bestimmten Betrag übersteigen (den die Mitgliedstaaten jedoch herabsetzen können). Der geringe Betrag, der in der Richtlinie 2006/112 festgelegt ist, sowie die Tatsache, dass er überhaupt festgelegt wird ( 41 ), untermauern, dass die Ausfuhr nicht zu gewerblichen Zwecken erfolgen darf.

65.

Dies wird auch durch den Zeitpunkt und die Art und Weise, wie die Steuerbefreiung vorgenommen wird, bestätigt. Gerade weil für Art. 147 der Fall typisch ist, dass die Gegenstände für den eigenen Gebrauch des Reisenden und nicht zu gewerblichen Zwecken bestimmt sind, ist nicht auszuschließen, dass der Reisende die Gegenstände während seines Aufenthalts in der Union verbraucht, mit der Folge, dass er dort Mehrwertsteuer zahlen muss. Aus diesem Grund kommt die Steuerbefreiung nicht beim Erwerb des Gegenstands, sondern erst später in Form einer Mehrwertsteuererstattung unter der Bedingung des Nachweises, dass der Gegenstand das Gebiet der Union verlassen hat, zur Anwendung.

2.   Teleologische Auslegung

66.

Art. 147 entspricht der den Steuerbefreiungen bei der Ausfuhr gemeinsamen theoretischen Grundlage: Da es sich bei der Mehrwertsteuer um eine Steuer auf den Verbrauch innerhalb des Steuergebiets handelt und die ausgeführten Gegenstände außerhalb dieses Gebiets verbraucht werden, wird auf ihre Lieferung keine Mehrwertsteuer erhoben ( 42 ). Auf diese Weise wird eine Doppelbesteuerung verhindert.

67.

Darüber hinaus verfolgt Art. 147 der Richtlinie 2006/112 einen weiteren spezifischen Zweck, der mit der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit zusammenhängt, Lieferungen von Gegenständen, deren Gesamtwert unter dem in diesem Artikel angegebenen Wert liegt, von der Steuer zu befreien.

68.

So ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, bei Anschaffungen von geringem Wert auf die Erhebung der Mehrwertsteuer zu verzichten und auf diese Weise den Kauf von Produkten zu fördern, indem sie die Auswahl der Produkte erweitern, die für eine Mehrwertsteuererstattung in Frage kommen.

69.

Da diese Maßnahme üblicherweise mit der Förderung des Tourismus verbunden ist, spricht dies für das Argument, dass das „persönliche Gepäck von Reisenden“ im Sinne von Art. 147 der Richtlinie 2006/112 nicht für Ausfuhren gilt, die für gewerbliche Zwecke bestimmt sind.

70.

Eine abweichende Auslegung, nach der die Steuerbefreiung bei Lieferungen von Gegenständen zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden auch für die Ausfuhr dieser Gegenstände mit dem Ziel des anschließenden Weiterverkaufs gilt, würde den eigentlichen Grund für die in Art. 147 der Richtlinie 2006/112 verankerte Sonderregelung in Frage stellen.

71.

Dass die Steuerbefreiung bei Lieferungen von im persönlichen Gepäck von Reisenden beförderten Gegenständen in einer gesonderten Bestimmung geregelt ist, beruht auf einer bewussten Entscheidung des Unionsgesetzgebers, der die Elemente dieser Regelung nicht mit der Regelung der normalen Ausfuhr zu gewerblichen Zwecken gleichsetzen, sondern davon unterscheiden wollte. Beide Regelungen beruhen auf unterschiedlichen Zielen.

72.

Bei einer gegenteiligen Auslegung würden Art. 146 Abs. 1 Buchst. b und Art. 147 der Richtlinie 2006/112 außerdem Alternativen darstellen, was Folgen für den Nachweis der Ausfuhr der Gegenstände aus dem Gebiet der Union und für die Ausfuhrkontrolle hätte.

73.

Schließlich schlage ich vor, bei der Prüfung des gewerblichen Charakters im Rahmen der Steuerbefreiung (sinngemäß) auf das in Art. 6 der Richtlinie 2007/74 verankerte Kriterium für die Steuerbefreiung von Einfuhren durch Reisende aus Drittstaaten zurückzugreifen. Danach hätte die gelegentliche Ausfuhr von Gegenständen für den persönlichen Gebrauch des Reisenden oder seiner Angehörigen oder als Geschenk keinen gewerblichen Charakter. Art oder Menge der Waren dürfen nicht darauf schließen lassen, dass die Ausfuhr aus gewerblichen Gründen erfolgt.

V. Ergebnis

74.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste und die zweite Vorlagefrage des Szegedi Törvényszék (Gerichtshof Szeged, Ungarn) wie folgt zu beantworten:

Der Begriff „persönliches Gepäck von Reisenden“ im Sinne von Art. 147 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist nicht ausschließlich nach seinem allgemeinen Wortsinn auszulegen, sondern auch unter Berücksichtigung des Kontexts, in dem er verwendet wird, und des mit der entsprechenden Steuervorschrift verfolgten Ziels.

Das am 4. Juni 1954 in New York geschlossene Abkommen über die Zollerleichterungen im Touristenverkehr und das Zusatzprotokoll zu diesem Abkommen sowie Art. 1 Nr. 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union stellen keinen hermeneutischen Kontext von Art. 147 der Richtlinie 2006/112 dar.

Eine Mehrwertsteuerbefreiung der Lieferung von Gegenständen, die im persönlichen Gepäck von Reisenden nach Orten außerhalb der Europäischen Union befördert werden sollen, im Sinne von Art. 147 der Richtlinie 2006/112 setzt u. a. voraus, dass die Ausfuhr nicht zu gewerblichen Zwecken erfolgt.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

( 3 ) Der Gerichtshof hat diese Frage in früheren Rechtssachen aus anderen Blickwinkeln betrachtet: Urteile vom 9. Juni 1992, Kommission/Spanien (C-96/91, EU:C:1992:253), vom 21. Februar 2008, Netto Supermarkt (C-271/06, EU:C:2008:105), und vom 28. Februar 2018, Pieńkowski (C-307/16, EU:C:2018:124).

( 4 ) Gesetz Nr. CXXVII von 2007 über die allgemeine Umsatzsteuer, im Folgenden: Umsatzsteuergesetz.

( 5 ) In seinen Erklärungen stellt Bakati Plus diesen Sachverhalt in Frage und ergänzt ihn durch zusätzliche Elemente. Der Gerichtshof weist jedoch in seinem Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany (C-567/18, EU:C:2020:267, Rn. 22), auf Folgendes hin: „Da allein das vorlegende Gericht für die Feststellung und die Würdigung des Sachverhalts des ihm vorliegenden Rechtsstreits zuständig ist, hat der Gerichtshof seine Prüfung grundsätzlich auf die Beurteilungsfaktoren zu beschränken, die ihm das innerstaatliche Gericht vorgelegt hat, und sich somit an die Lage zu halten, die dieses Gericht als feststehend ansieht …“

( 6 ) Verwaltungs- und Arbeitsgericht Szeged, Ungarn.

( 7 ) ABl. 2015, L 343, S. 1, im Folgenden: Delegierte Verordnung.

( 8 ) Nach Art. 131 der Richtlinie 2006/112 gilt: „Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 [von Titel IX] werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.“ Hervorhebung nur hier.

( 9 ) Urteil vom 18. Oktober 2007, Navicom (C-97/06, EU:C:2007:609, Rn. 20). In diesem Urteil hat der Gerichtshof die Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977, Sechste Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) geprüft, die die unmittelbare Vorgängerin der aktuellen Richtlinie war und deren Auslegung übernommen werden kann (mit Ausnahmen, die hier nicht von Bedeutung sind). Zum Verhältnis zwischen den beiden Richtlinien im Allgemeinen vgl. die Erwägungsgründe 1 und 3 der Richtlinie 2006/112.

( 10 ) Ebd., Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 11 ) Urteil vom 26. Mai 2016, Envirotec Denmark (C-550/14, EU:C:2016:354, Rn. 27).

( 12 ) Ebd.

( 13 ) Dieser Auslegungsansatz wird im Wesentlichen von der Kommission vorgeschlagen, während das vorlegende Gericht Zweifel daran hegt.

( 14 ) Zum Begriff „Reisegepäck“ vgl. unten, Fn. 22.

( 15 ) Rn. 45 ff. ihrer Erklärungen. Die ungarische Regierung vertritt diesen Standpunkt ebenfalls, wenn auch vorsichtiger.

( 16 ) Im Folgenden: New Yorker Abkommen von 1954. Das Abkommen ist für Ungarn verbindlich. Nach Art. 2 des Abkommens umfasst der Begriff „persönliches Reisegut“„alle Bekleidungsstücke und anderen Gegenstände, neu oder gebraucht, die ein Tourist unter Berücksichtigung aller Umstände seiner Reise in angemessenem Umfang persönlich benötigt; alle zu Handelszwecken eingeführten Waren sind jedoch ausgeschlossen“.

( 17 ) Nach Art. 1 Abs. 5 der Delegierten Verordnung sind „Gepäck“„alle auf einer Reise von einer natürlichen Person auf beliebige Weise mitgeführte[n] Waren“.

( 18 ) Beschluss 93/329/EWG über den Abschluss des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung und über die Annahme seiner Anlagen (ABl. 1993, L 130, S. 1).

( 19 ) Urteil vom 21. Februar 2008, Netto Supermarkt (C-271/06, EU:C:2008:105, Rn. 28). Auf diese Dualität der Regelungen habe ich in den Schlussanträgen vom 12. Januar 2016 in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig (C-226/14 und C-228/14, EU:C:2016:1, Nr. 91) sowie in den Schlussanträgen vom 13. Dezember 2016 in der Rechtssache Wallenborn Transports (C-571/15, EU:C:2016:944, Nr. 66) hingewiesen.

( 20 ) Dies ist der Fall in Bezug auf den zollrechtlichen Status (Art. 119 Abs. 3 Buchst. f der Delegierten Verordnung) bzw. die Überführung der Waren in ein bestimmtes Zollanmeldeverfahren (Art. 135 Abs. 1 Buchst. b und Art. 137 Abs. 1 Buchst. b der Delegierten Verordnung).

( 21 ) Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 2007 über die Befreiung der von aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführten Waren von der Mehrwertsteuer und den Verbrauchsteuern (ABl. 2007, L 346, S. 6, im Folgenden: Richtlinie 2007/74).

( 22 ) Dies schließt nicht aus, dass der Begriff „persönliches Gepäck“ gemäß Art. 5 dieser Richtlinie die Gepäckstücke umfasst, die der Reisende der Zollstelle vorlegt. Nach diesem Artikel „gelten als persönliches Gepäck sämtliche Gepäckstücke, die der Reisende der Zollstelle bei seiner Ankunft gestellen kann, sowie die Gepäckstücke, die er derselben Zollstelle später gestellt, wobei er nachweisen muss, dass sie bei seiner Abreise bei der Gesellschaft, die ihn befördert hat, als Reisegepäck aufgegeben wurden“.

( 23 ) Dies bedeutet jedoch nicht, dass bestimmte Elemente der Zollvorschriften nicht geltend gemacht werden können, um die Auslegung der Mehrwertsteuervorschriften zu bestätigen, wenn das Ergebnis mit der Auslegung der Zollvorschriften übereinstimmt.

( 24 ) Urteil vom 18. Oktober 2007, Navicom (C-97/06, EU:C:2007:609, Rn. 20).

( 25 ) Richtlinie des Rates vom 28. Mai 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (ABl. 1969, L 133, S. 6).

( 26 ) Erster Erwägungsgrund.

( 27 ) Zweiter Erwägungsgrund.

( 28 ) Vierter Erwägungsgrund.

( 29 ) Art. 1 Abs. 1 für Reisende aus Drittstaaten und Art. 2 Abs. 1 für den Reiseverkehr zwischen den Mitgliedstaaten.

( 30 ) So wird es im Urteil vom 9. Juni 1992, Kommission/Spanien (C-96/91, EU:C:1992:253, Rn. 5), erläutert.

( 31 ) Richtlinie des Rates vom 12. Juni 1972, Zweite Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die im grenzüberschreitenden Reiseverkehr geltende Regelung für die Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern (ABl. 1972, L 139, S. 28).

( 32 ) Richtlinie des Rates vom 14. Dezember 1992 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung von Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer (ABl. 1992, L 384 S. 47).

( 33 ) Richtlinie des Rates vom 10. April 1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer (ABl. 1995, L 102, S. 18).

( 34 ) Und zwar auf 175 ECU. Diese Parallele besteht heute nicht mehr, da die Obergrenze für die Steuerbefreiung bei der Einfuhr nach Art. 7 der Richtlinie 2007/74 bei 300 Euro (bzw. je nach Transportmittel 430 Euro) liegt, während für die Steuerbefreiung bei der Ausfuhr nach Art. 147 der Richtlinie 2006/112 eine Untergrenze des Gesamtwerts der Lieferungen von 175 Euro gilt. Die Mitgliedstaaten können auch einen niedrigeren Betrag festsetzen.

( 35 ) Siehe Entsprechungstabelle der Richtlinie 2006/112.

( 36 ) Anders als bei den direkten Ausfuhren nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. a, bei denen die Gegenstände vom Veräußerer oder einem in seinem Namen handelnden Dritten versandt oder transportiert werden, erfolgt hier der Versand bzw. der Transport durch den Erwerber der Waren oder einen in seinem Namen handelnden Dritten.

( 37 ) Im Einklang mit meinen vorstehenden Ausführungen zum Verhältnis zwischen der geltenden und der vorhergehenden Richtlinie: siehe oben, Fn. 9.

( 38 ) Weitere Beispiele wären Mitglieder der Besatzung eines Flugzeugs oder eines Kreuzfahrtschiffs, Studenten oder Einwanderer aus einem Drittstaat in Bezug auf Waren, die sie in den drei Monaten vor dem Verlassen der Union erworben haben.

( 39 ) Der letzte Unterabsatz von Art. 147 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist, wie ich bereits erwähnt habe, auf die Änderung der Sechsten Richtlinie durch die Richtlinie 95/7 zurückzuführen. In einem Dokument vom 2. März 1992 erläuterte die Kommission den Zweck dieses Unterabsatzes: die Erleichterung der Zollabfertigung von Reisenden, die in einem Mitgliedstaat einen Gegenstand erworben haben und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat das Gebiet der Gemeinschaft verlassen, wo sie auch die für die Erstattung der Mehrwertsteuer erforderlichen Formalitäten erledigen. In dem eine Woche später im Amtsblatt veröffentlichten Vorschlag (KOM[94] 58 endg., ABl. 1994, C 107, S. 7) fehlt diese Erklärung jedoch.

( 40 ) Ein Mindestzeitraum ist nicht vorgeschrieben. Der Gerichtshof hat entschieden, dass im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung bei der Einfuhr eine sehr kurze Reisedauer unerheblich und damit nicht a priori zwischen „echten“ Reisenden und „Steuerreisenden“ zu unterscheiden ist (Urteil vom 12. Juni 1990, Kommission/Irland, C-158/88, EU:C:1990:242). Ich bin der Überzeugung, dass dies auch für die im Ausgangsverfahren streitige Steuerbefreiung gilt.

( 41 ) Fällt der Zweck der Verhinderung der Nichtbesteuerung durch Angleichung der Höchstgrenze der Mehrwertsteuerbefreiung bei der Einfuhr und dem erforderlichen Mindestbetrag für die Steuerbefreiung bei der Ausfuhr (siehe oben, Fn. 34) weg, liegt der Grund für die Festlegung eines Mindestbetrags in der Vereinfachung der Verwaltung. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Kosten der Steuerverwaltung in einem Missverhältnis zur Höhe der Steuer stehen. Vgl. entsprechend Urteil vom 2. Juli 2009, Har Vaessen Douane Service (C-7/08, EU:C:2009:417, Rn. 35).

( 42 ) Vgl. u. a. die Urteile vom 28. März 2019, Vinš (C-275/18, EU:C:2019:265, Rn. 23), und vom 17. Oktober 2019, Unitel (C-653/18, EU:C:2019:876, Rn. 20).