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Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 24. Februar 2022(1)

Rechtssache C-637/20

Skatteverket

gegen

DSAB Destination Stockholm AB

(Vorabentscheidungsersuchen des Högsta förvaltningsdomstol [Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Steuerbare Umsätze – Stadtkarte – Richtlinie (EU) 2016/1065 – Begriff ‚Gutschein‘“






I.      Einleitung

1.        Gutscheine unterschiedlicher Arten sind heutzutage auf dem Markt sehr gebräuchlich (z. B. Geschenkgutscheine und Guthabenkarten, die bei unterschiedlichen Verkaufsstellen verwendet werden können). Obwohl ihre Verwendung für den Verbraucher relativ einfach ist, haben sich Gutscheine jedoch, was ihre mehrwertsteuerliche Behandlung anbelangt, als komplexe Instrumente erwiesen(2). Im Jahr 2016 hat der Unionsgesetzgeber daher Änderungen(3) der Richtlinie 2006/112 (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie)(4) mit dem Ziel erlassen, die Anwendung der Mehrwertsteuer auf Gutscheine zu klären(5). In der vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof aufgerufen, diese legislativen Klärungen zu präzisieren.

2.        Mit seiner Vorlage zur Vorabentscheidung ersucht der Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden) um Klärung der Bedeutung des Begriffs „Gutschein“ im Sinne von Art. 30a der Mehrwertsteuerrichtlinie. Dies soll es diesem Gericht erlauben, über die steuerliche Behandlung der Stadtkarte zu entscheiden, die Besuchern der Stadt Stockholm angeboten wird.

II.    Rechtlicher Rahmen

3.        Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG(6) des Rates wurde zum 1. Januar 2007 durch die Mehrwertsteuerrichtlinie aufgehoben.

4.        Der Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie ist in deren Art. 2 Abs. 1 geregelt. Buchst. c dieses Artikels sieht vor, dass „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“, der Mehrwertsteuer unterliegen.

5.        In Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie wird die „Lieferung von Gegenständen“ definiert als „die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“, während nach Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie als „Dienstleistung“ „jeder Umsatz [gilt], der keine Lieferung von Gegenständen ist“.

6.        Art. 30a Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie definiert „Gutschein“ als ein Instrument, bei dem die Verpflichtung besteht, es als Gegenleistung oder Teil einer solchen für eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von Dienstleistungen anzunehmen, und bei dem die zu liefernden Gegenstände oder zu erbringenden Dienstleistungen oder die Identität der möglichen Lieferer oder Dienstleistungserbringer entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.

7.        Nach Art. 30a Nr. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist ein „Einzweck-Gutschein“ ein Gutschein, bei dem der Ort der Lieferung der Gegenstände oder der Erbringung der Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Gegenstände oder Dienstleistungen geschuldete Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen. Demgegenüber heißt es in Art. 30a Nr. 3 dieser Richtlinie, dass ein „Mehrzweck-Gutschein“ ein Gutschein ist, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt.

8.        Art. 30b Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor, dass die tatsächliche Übergabe der Gegenstände oder die tatsächliche Erbringung der Dienstleistungen, für die der Lieferer der Gegenstände oder Erbringer der Dienstleistungen einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleistung oder Teil einer solchen annimmt, der Mehrwertsteuer gemäß Art. 2 unterliegt, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Mehrwertsteuer unterliegt. In Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 2 wird betont: „Wird ein Mehrzweck-Gutschein von einem anderen Steuerpflichtigen als dem Steuerpflichtigen, der den gemäß Unterabsatz 1 der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsatz erbringt, übertragen, so unterliegen alle bestimmbaren Dienstleistungen wie etwa Vertriebs- oder Absatzförderungsleistungen der Mehrwertsteuer“.

9.        Nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie umfasst die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

10.      Art. 73a dieser Richtlinie sieht vor, dass bei der Lieferung von Gegenständen oder bei der Erbringung von Dienstleistungen, die in Bezug auf einen Mehrzweck-Gutschein erfolgt, die Steuerbemessungsgrundlage unbeschadet des Art. 73 der für den Gutschein gezahlten Gegenleistung oder, in Ermangelung von Informationen über diese Gegenleistung, dem auf dem Mehrzweck-Gutschein selbst oder in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert entspricht, abzüglich des Betrags der auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen erhobenen Mehrwertsteuer.

11.      Die Art. 30a, 30b und 73a der Mehrwertsteuerrichtlinie wurden durch die Richtlinie von 2016 eingeführt. Die einschlägigen Erwägungsgründe dieser Richtlinie lauten wie folgt:

„(1)      Die [Mehrwertsteuerrichtlinie] regelt Zeitpunkt und Ort der Lieferung von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen, die Steuerbemessungsgrundlage, den Steueranspruch und das Recht auf Vorsteuerabzug. Diese Vorschriften sind jedoch nicht hinreichend klar oder umfassend, um eine einheitliche steuerliche Behandlung von Gutscheine betreffenden Umsätzen zu gewährleisten, so dass das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt wird.

(2)      Um eine bestimmte, einheitliche Behandlung zu gewährleisten, um den Grundsätzen einer allgemeinen, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionalen Verbrauchsteuer Rechnung zu tragen, um Inkohärenzen, Wettbewerbsverzerrungen, Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung zu vermeiden und die Gefahr von Steuerumgehung zu vermindern werden für die mehrwertsteuerliche Behandlung von Gutscheinen spezielle Vorschriften benötigt.

(3)      Angesichts der seit dem 1. Januar 2015 anwendbaren neuen Vorschriften über den Ort der Dienstleistung für Telekommunikations- und Rundfunkdienstleistungen sowie elektronisch erbrachte Dienstleistungen ist eine gemeinsame Lösung für Gutscheine erforderlich, um sicherzustellen, dass keine Diskrepanzen in Bezug auf zwischen den Mitgliedstaaten gelieferte Gutscheine entstehen. Dazu ist es unabdingbar, Vorschriften zur Klärung der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen festzulegen.

(4)      Diese Vorschriften sollten nur Gutscheine betreffen, die zur Einlösung gegen Gegenstände oder Dienstleistungen verwendet werden können. Sie sollten dagegen nicht für Instrumente gelten, die den Inhaber zu einem Preisnachlass beim Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen berechtigen, aber nicht das Recht verleihen, solche Gegenstände oder Dienstleistungen zu erhalten.

(5)      Die Bestimmungen über Gutscheine sollten keine Änderung der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Fahrscheinen, Eintrittskarten für Kinos und Museen, Briefmarken und Ähnlichem zur Folge haben.

(6)      Um eindeutig zu bestimmen, was einen Gutschein für mehrwertsteuerliche Zwecke ausmacht, und um Gutscheine von Zahlungsinstrumenten zu unterscheiden, müssen Gutscheine – die gegenständlich sein oder eine elektronische Form haben können – definiert werden, so dass ihre wesentlichen Merkmale und insbesondere die Art des durch einen Gutschein verkörperten Rechts und der Pflicht, ihn als Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen anzunehmen, erfasst werden.“

III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

12.      DSAB Destination Stockholm, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, stellt Stadtkarten aus und verkauft diese an Besucher der Stadt Stockholm (Schweden).

13.      Dem Vorlagebeschluss zufolge gibt diese Karte den Karteninhabern während eines begrenzten Zeitraums und bis zu einem bestimmten Wert das Recht auf Zugang zu rund 60 Attraktionen, wie Sehenswürdigkeiten und Museen. Karteninhaber haben während der Gültigkeit der Karte auch unbeschränkten Zugang zu Beförderungsdienstleistungen sowie die Möglichkeit, an Sightseeing-Touren teilzunehmen, die von verschiedenen Hop-on-Hop-off-Bussen oder -Booten angeboten werden.

14.      Die von der Karte umfassten Dienstleistungen unterliegen entweder der Steuer, wobei unterschiedliche Steuersätze Anwendung finden können, oder sie sind von der Steuer befreit. Der Karteninhaber verwendet die Karte, indem er sie zum Einlesen vor ein besonderes Kartenlesegerät hält, ohne eine zusätzliche Zahlung zu leisten. Gemäß einer mit dem Kartenaussteller geschlossenen Vereinbarung erhält der Dienstleister die Gegenleistung für jeden Eintritt oder jede Nutzung von dem Aussteller. Mit Ausnahme der Beförderungsdienstleistungen, die unbeschränkt sind, ist der Dienstleister nicht verpflichtet, dem Karteninhaber mehr als einmal Zugang zu gewähren. Der Aussteller garantiert keine Mindestanzahl an Besuchern. Wird die Wertgrenze erreicht, verliert die Karte ihre Gültigkeit.

15.      Es gibt verschiedene Versionen der Stadtkarte von Stockholm, die sich in Geltungsdauer und Wertgrenzen unterscheiden. Eine Erwachsenenkarte mit einer Geltungsdauer von 24 Stunden kostet 669 SEK (ca. 65 Euro). Während der Geltungsdauer kann der Karteninhaber mit der Karte Dienstleistungen im Wert von bis zu 1 800 SEK (ca. 175 Euro) bezahlen. Die Geltungsdauer beginnt mit der ersten Nutzung der Karte, und die Karte muss nach dem Kauf binnen eines Jahres verwendet werden.

16.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens beantragte beim Skatterättsnämnd (Steuerrechtsausschuss, Schweden) einen Vorbescheid mit der Bestätigung, dass eine solche Stadtkarte einen Mehrzweck-Gutschein darstelle.

17.      Der Steuerrechtsausschuss stellte jedoch fest, dass dies nicht der Fall sei. Er schloss aus der Definition des „Gutscheins“ in Verbindung mit den Bestimmungen über die Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage, dass ein Gutschein einen bestimmten Nennwert haben oder bestimmte spezifische Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen betreffen müsse. Diesem Ausschuss zufolge muss sich aus einem Gutschein klar ergeben, was als Gegenleistung für diesen Gutschein erhalten werden könne, selbst wenn – bei einem Mehrzweck-Gutschein – Unsicherheit hinsichtlich z. B. des Steuersatzes oder des Landes bestehen könne, in dem die Steuer zu entrichten sei.

18.      Der diesen Vorbescheid betreffende Rechtsstreit zwischen dem Skatteverk (Finanzbehörde, Schweden) und DSAB Destination Stockholm ist nun vor dem Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht) anhängig.

19.      Die Parteien sind vor allem unterschiedlicher Meinung darüber, ob die Stadtkarte überhaupt als Gutschein anzusehen ist. Auf der einen Seite ist die Finanzbehörde der Auffassung, die in Rede stehende Karte sei kein Gutschein, da ihr eine hohe Wertgrenze und eine kurze Geltungsdauer eigen seien, was sicherstelle, dass ein durchschnittlicher Verbraucher die Karte nicht in vollem Umfang nutzen werde.

20.      Auf der anderen Seite vertritt DSAB Destination Stockholm die Ansicht, die Karte stelle einen Gutschein dar, da Dienstleister verpflichtet seien, sie als Gegenleistung anzunehmen.

21.      Das vorlegende Gericht weist erstens darauf hin, dass die Gutscheine betreffenden Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie relativ neu und auf Gutscheine anzuwenden seien, die nach dem 31. Dezember 2018 ausgestellt worden seien(7). Zweitens erläutert es, die Frage, wie Stadtkarten zu behandeln seien, sei Thema von Erörterungen im Mehrwertsteuerausschuss der Union(8) gewesen, jedoch sei in dieser Hinsicht kein Einvernehmen erzielt worden(9). Schließlich merkt das vorlegende Gericht an, der Gerichtshof habe noch nicht die Gelegenheit gehabt, zur Auslegung der Begriffe „Gutschein“ und „Mehrzweck-Gutschein“ Stellung zu nehmen.

22.      Unter diesen Umständen hat der Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 30a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass es sich bei einer Karte wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die den Karteninhaber berechtigt, verschiedene Dienstleistungen an einem bestimmten Ort für einen begrenzten Zeitraum und bis zu einem bestimmten Wert in Anspruch zu nehmen, um einen Gutschein handelt, und stellt er in diesem Fall einen Mehrzweck-Gutschein dar?

23.      Schriftliche Erklärungen wurden beim Gerichtshof von DSAB Destination Stockholm, der Finanzbehörde, der italienischen Regierung und der Europäischen Kommission eingereicht.

IV.    Analyse

24.      Das vorlegende Gericht ersucht in erster Linie um Hinweise zur Auslegung des Begriffs „Gutschein“, der durch die Richtlinie von 2016 in die Mehrwertsteuerrichtlinie eingefügt wurde. Diese Auslegung ist erforderlich, um dem vorlegenden Gericht die Entscheidung zu ermöglichen, ob die Stadtkarte von Stockholm in den Anwendungsbereich dieses Begriffs fällt. Für den Fall, dass die Karte in der Tat einen Gutschein darstellt, ersucht das vorlegende Gericht um Klärung des Begriffs „Mehrzweck-Gutschein“.

25.      Zur Beantwortung dieser Fragen werde ich wie folgt vorgehen. Erstens werde ich zur Erläuterung, warum sich die Frage überhaupt stellt, einen historischen Rückblick auf die Behandlung von Stadtkarten für die Zwecke der Mehrwertsteuer vor dem Erlass der Richtlinie von 2016 geben. Sodann werde ich den legislativen Kontext und die daraus entstandenen Regelungen prüfen, die mit den Änderungen in die Mehrwertsteuerrichtlinie eingeführt wurden, um zu bestimmen, was unter dem Begriff „Gutschein“ zu verstehen ist. Schließlich werde ich die Frage beantworten, ob Stadtkarten für die Zwecke der Mehrwertsteuer als Gutscheine einzustufen sind.

A.      Die mehrwertsteuerliche Behandlung von Stadtkarten vor der Richtlinie von 2016

26.      Obwohl der Gerichtshof nie ersucht worden ist, über die mehrwertsteuerliche Behandlung von Stadtkarten zu entscheiden, bedeutet dies nicht, dass das Unionsrecht weder von den Steuerbehörden noch von den Gerichten der Mitgliedstaaten auf die mehrwertsteuerliche Behandlung solcher Karten angewandt worden wäre. Berichte über innerstaatliche Fälle, die in der Fachliteratur beschrieben werden(10), und Dokumente des Mehrwertsteuerausschusses(11) deuten jedoch darauf hin, dass das Unionsrecht auf unterschiedliche Weise angewandt wurde.

27.      Aus den Berichten des Mehrwertsteuerausschusses(12) ergibt sich, dass es hauptsächlich drei Arten und Weisen gibt, auf die Stadtkarten für die Zwecke der Mehrwertsteuer behandelt wurden. Die erste bestand darin, Stadtkarten von der Mehrwertsteuer zu befreien. Der Umsatz zwischen der ausstellenden Organisation und dem Karteninhaber war auf der Grundlage von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie (nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie) befreit, indem er als Kreditgewährung eingestuft wurde. Der Umsatz zwischen Kartenausstellern und Dienstleistungserbringern war beruhend auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Sechsten Richtlinie (nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie), der Zahlungsgarantien betrifft, ebenso befreit. Selbst wenn Staaten die Umsätze mit Stadtkarten als Kredit und Zahlungsgarantien verstanden, hatten sie gleichwohl nach Art. 13 Teil C Buchst. b der Sechsten Richtlinie (nunmehr Art. 137 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie) die Möglichkeit, Steuerpflichtigen das Recht einzuräumen, sich bei diesen ansonsten steuerbefreiten Umsätzen für die Unterwerfung unter die Mehrwertsteuer zu entscheiden(13).

28.      Somit scheint die Steuerbefreiung verbunden mit der Möglichkeit der Wiedereingliederung in den Anwendungsbereich der steuerbaren Umsätze die erste Art und Weise gewesen zu sein, in der Stadtkarten für die Zwecke der Mehrwertsteuer eingestuft wurden(14). Diese Möglichkeit werde ich die „Steuerbefreiungs“-Möglichkeit nennen.

29.      Nach der zweiten Möglichkeit, die ich die Möglichkeit der „vollen Besteuerung“ nennen werde, unterliegen Umsätze mit einer Stadtkarte der Mehrwertsteuer. Der Aussteller einer Stadtkarte stellt für den Verkauf der Karte Mehrwertsteuer auf der Grundlage des gesamten auf der Karte angegebenen Nominalbetrags in Rechnung(15). Auch alle Einzeldienstleistungen, die gemäß der Karte erbracht werden, unterliegen der Mehrwertsteuer. Es liegen Belege dafür vor, dass das vorlegende Gericht Stadtkarten in seiner Rechtsprechung auf diese Art und Weise behandelt hat(16), bevor die Richtlinie von 2016 anwendbar wurde(17). Die Berichte des Mehrwertsteuerausschusses legen nahe, dass eine solche Einstufung von Stadtkarten in der Praxis einiger anderer Mitgliedstaaten erfolgt ist(18).

30.      Auch nach der dritten Möglichkeit, die ich als „Handelsspannen“-Möglichkeit bezeichnen werde, unterliegen die Umsätze mit einer Stadtkarte der Mehrwertsteuer. Wie bei der zweiten Möglichkeit wird die Mehrwertsteuer auch bei der Lieferung der Stadtkarte durch den Aussteller in Rechnung gestellt; die Steuerbemessungsgrundlage ist jedoch nicht der gesamte Nominalwert der Karte, sondern lediglich der Betrag, der nach Abzug des Wertes verbleibt, der als Gegenleistung für die tatsächlich erbrachten Dienstleistungen gezahlt wird, die sogenannte Handelsspanne(19). Konkret sammelt die ausstellende Organisation, nachdem die Karte verwendet worden ist, Informationen von den verschiedenen Dienstleistern und zahlt die Gegenleistung für die tatsächlich erbrachten Dienstleistungen. Diese Gegenleistung enthält Mehrwertsteuer und diese ist nicht als Vorsteuer abzugsfähig. Anschließend berechnet der Kartenaussteller die Mehrwertsteuer auf den Unterschied zwischen der für die Karte erhaltenen Gegenleistung und der von ihm für die tatsächlich ausgeführten Umsätze gezahlten Gegenleistung.

31.      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Stadtkarten für die Zwecke der Mehrwertsteuer auf mindestens drei unterschiedliche Arten und Weisen behandelt wurden.

32.      Wie zu zeigen sein wird, findet, wenn Stadtkarten als Gutscheine behandelt werden, nur die dritte „Handelspannen“-Möglichkeit als ordnungsgemäße Methode der Mehrwertbesteuerung von Stadtkarten Anwendung, zumindest für solche Stadtkarten, die als Mehrzweck-Gutscheine konzipiert worden sind. Die erste Möglichkeit der „Steuerbefreiung“, die Stadtkarten Zahlungsinstrumenten gleichstellt, würde dem Zweck der Richtlinie von 2016 zuwiderlaufen, die, wie in ihrem sechsten Erwägungsgrund angeführt, auf eine bessere Unterscheidung von Gutscheinen von Zahlungsmitteln abzielt(20). Die zweite Möglichkeit der „vollen Besteuerung“ wäre nicht mit dem auf Gutscheine anwendbaren Steuersystem vereinbar, unabhängig davon, ob ein Einzweck-Gutschein oder ein Mehrzweck-Gutschein in Rede steht. Obwohl diese Möglichkeit, was die Steuererhebung angeht, möglicherweise die effizienteste Besteuerung darstellt, lässt sie das Risiko der Doppelbesteuerung oder der Besteuerung von Gegenständen oder Dienstleistungen entstehen, die ansonsten von der Steuer befreit sind (wie z. B. der Museumseintritt). Auch diese Möglichkeit der Besteuerung würde daher dem Ziel der Richtlinie von 2016 zuwiderlaufen, das in der Vermeidung der Doppel- oder der Nichtbesteuerung durch die Klarstellung der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen besteht. Die „Handelsspannen“-Möglichkeit vermeidet erfolgreich die Doppelbesteuerung, selbst wenn ihre Umsetzung etwas komplizierter ist. Gleichwohl stellt sich die Durchführung dessen, was einem Außenseiter gelegentlich auf den ersten Blick als schwierig erscheinen mag, den mit einem solchen Steuersystem vertrauten Unternehmern insgesamt letztendlich als nicht so kompliziert dar(21).

B.      Die Richtlinie von 2016

33.      Was die Methoden der Gesetzesauslegung angeht, stellt die Absicht des Gesetzgebers, soweit sie dem Wortlaut selbst oder der Entstehungsgeschichte und den Materialien entnommen werden kann, einen Faktor dar, der zu berücksichtigen ist(22). Daher ist es erforderlich, den Zweck und den Aufbau der Richtlinie von 2016 zu betrachten und den Wortlaut zu prüfen, der den Inhalt des Begriffs eines Gutscheins bestimmt.

1.      Zweck und Aufbau der Richtlinie von 2016

34.      Die Erwägungsgründe von Gesetzgebungsakten dienen häufig dem Verständnis der Motive des Gesetzgebers für die in dem jeweiligen Gesetz enthaltenen Regelungen. Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie von 2016 wird erläutert, dass der Grund für die Änderungsvorschläge in der mangelnden Klarheit darüber lag, wie die bestehenden Mehrwertsteuerregelungen auf Gutscheine anzuwenden waren. Daher war eine Klarstellung erforderlich, um eine einheitliche steuerliche Behandlung von Gutscheine betreffenden Umsätzen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Dies wird durch den zweiten und den dritten Erwägungsgrund gestützt, wonach der Gesetzgeber eine größere Bestimmtheit und Einheitlichkeit bei der Behandlung von Gutscheinen erreichen wollte. In den einleitenden Erwägungsgründen wird auch die Absicht geäußert, zu gewährleisten, dass die Behandlung von Gutscheinen mit dem Grundsatz vereinbar ist, der erfordert, dass eine allgemeine Verbrauchsteuer zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportional ist, und dargelegt, dass eine solche Klarstellung zur Vermeidung von Inkohärenzen, Wettbewerbsverzerrungen, Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung und zur Verminderung der Gefahr von Steuerumgehung beitragen sollte.

35.      Nichts deutet daher darauf hin, dass der Gesetzgeber eine neue besondere Behandlung für Gutscheine einführen wollte, die von der allgemeinen mehrwertsteuerlichen Behandlung der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen abweicht(23). Sein Ziel war lediglich, klarzustellen, was die bestehende „allgemeine“ Behandlung bereits erfordert, wenn sie auf Gutscheine angewandt wird.

36.      Angesichts dessen, dass die neuen Regelungen für Gutscheine somit keine Ausnahme von den allgemeinen Unionsregeln über die Besteuerung darstellen, teile ich nicht die Ansicht der Finanzbehörde und der italienischen Regierung, dass diese Regelungen eng auszulegen seien.

37.      Zur Klarstellung des Mehrwertsteuersystems für Gutscheine wurden mit der Richtlinie von 2016 die Art. 30a, 30b und 73a in die allgemeine Mehrwertsteuerrichtlinie eingefügt. Die Stellen, an der die neuen Bestimmungen in die Systematik der allgemeinen Mehrwertsteuerrichtlinie eingefügt wurden, sprechen ebenfalls dafür, diese Änderungen als bloße Neuformulierung des für die Anwendung auf Gutscheine bereits geltenden Rechts anzusehen.

38.      Die Art. 30a und 30b wurden als neues Kapitel 5 („Gemeinsame Bestimmungen zu den Kapiteln 1 und 3“) in den Teil der Mehrwertsteuerrichtlinie eingefügt, der den „Steuerbaren Umsatz“ behandelt. Art. 73a wurde in den Teil der Richtlinie eingefügt, der die „Steuerbemessungsgrundlage“ behandelt. In dieser Bestimmung heißt es, dass sie „unbeschadet des Artikels 73“ gilt. Sie folgt somit dem allgemeinen System, das sie jedoch im Hinblick auf Mehrzweck-Gutscheine ausführlicher erläutert.

2.      Die Definition des „Gutscheins“ in der Mehrwertsteuerrichtlinie

39.      Art. 30a Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie definiert einen Gutschein als ein Instrument, bei dem die Verpflichtung besteht, es als Gegenleistung oder Teil einer solchen für eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von Dienstleistungen anzunehmen, und das Informationen über die Gegenstände oder Dienstleistungen, für die der Gutschein als Gegenleistung verwendet werden kann, oder alternativ Informationen über die möglichen Lieferer oder Dienstleistungserbringer enthält.

40.      Beachtenswert ist, dass diese Definition nicht alle Instrumente umfasst, die gemeinhin als Gutscheine bezeichnet werden(24). Eines dieser Instrumente ist der „Rabattgutschein“. Er ist von der Definition in der Mehrwertsteuerrichtlinie ausgenommen, selbst wenn er im ursprünglichen Vorschlag für die Richtlinie von 2016 vorgesehen war(25). Wie es im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie von 2016 heißt, bestand der Grund für den Ausschluss der Rabattgutscheine darin, dass solche Instrumente dem Inhaber lediglich die Möglichkeit verschaffen, beim Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen einen Preisnachlass zu erhalten, sie als solche jedoch nicht als Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen verwendet werden können. Jedenfalls kann die Stadtkarte nicht lediglich deshalb als Gutschein angesehen werden, weil sie gemeinhin als solcher bezeichnet wird. Um als Gutschein angesehen zu werden, muss sie die beiden in Art. 30a der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgestellten Voraussetzungen erfüllen.

41.      Die beiden in Art. 30a Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen sind kumulativ.

42.      Die erste Voraussetzung besteht darin, dass das Instrument eine Verpflichtung der Lieferer von Gegenständen oder der Erbringer von Dienstleistungen umfassen muss, es als Gegenleistung oder Teil einer solchen für eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von Dienstleistungen anzunehmen.

43.      DSAB Destination Stockholm besteht in ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof darauf, das entscheidende Kriterium für die Feststellung, ob ein Instrument als Gutschein einzustufen sei, liege gerade in dieser Voraussetzung. Die italienische Regierung trägt jedoch vor, das entscheidende Merkmal eines Gutscheins sei, dass er den Inhaber berechtige, von vorherbestimmten Lieferern oder Dienstleistungserbringern Gegenstände oder Dienstleistungen zu erhalten, deren Anzahl und Qualität bestimmt sei.

44.      Obwohl die Berechtigung, durch die Nutzung des Gutscheins Gegenstände oder Dienstleistungen zu erhalten, üblicherweise Teil solcher Instrumente ist, wurde dieses Merkmal für seine Definition nicht als entscheidend angesehen. Im ursprünglichen Vorschlag sah Art. 30a vor, dass als „‚Gutschein‘ … ein Instrument [gilt], das ein Recht auf die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen … verkörpert …“(26). Der endgültige Wortlaut dieser Bestimmung erwähnt jedoch das Recht auf die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen nicht als ein Tatbestandsmerkmal eines Gutscheins, sondern legt den Schwerpunkt vielmehr auf die Verpflichtung des Lieferers, dieses Instrument als Gegenleistung zu anzunehmen(27). Daher kann dem Vorbringen der italienischen Regierung, das Recht auf Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen stelle ein wesentliches Merkmal eines Gutscheins dar, nicht gefolgt werden.

45.      Die zweite Voraussetzung dafür, dass ein Instrument einen Gutschein darstellt, ist, dass die zu liefernden Gegenstände oder zu erbringenden Dienstleistungen oder die Identität der möglichen Lieferer oder Dienstleistungserbringer entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen angegeben sind. Es ist allgemein anerkannt, dass solche Merkmale Gutscheine von konventionellen Zahlungsinstrumenten unterscheiden(28).

46.      Diese Voraussetzung ist alternativ formuliert, so dass es für die Qualifikation eines Instruments als Gutschein ausreicht, dass klar ist, für welche Gegenstände oder Dienstleistungen es als Gegenleistung genutzt werden kann. Werden Gegenstände oder Dienstleistungen nicht genannt, reicht es aus, dass die Lieferer der Gegenstände oder die Erbringer der Dienstleistungen bekannt sind, die verpflichtet sind, den Gutschein als Gegenleistung anzunehmen.

47.      Die Definition des Gutscheins in der Mehrwertsteuerrichtlinie macht daher die Feststellung, dass ein Instrument einen Gutschein darstellt, davon abhängig, dass es die beiden vorstehend dargelegten Voraussetzungen erfüllt. Der Wortlaut beantwortet jedoch nicht die Frage, ob jedes Instrument, das diese beiden Voraussetzungen erfüllt, notwendigerweise als Gutschein zu behandeln ist. Ich werde die Antwort auf diese Frage in Verbindung mit der Prüfung vorschlagen, ob Stadtkarten die beiden in Art. 30a Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegten Voraussetzungen erfüllen.

C.      Steuerliche Behandlung von Stadtkarten

48.      Die Vielfalt der verfügbaren Stadtkarten(29) bedeutet nicht, dass alle Stadtkarten automatisch als Gutscheine angesehen werden. Dies ist vielmehr in jedem Einzelfall zu entscheiden. Nur solche Karten, die die kumulativen Voraussetzungen nach Art. 30a der Mehrwertsteuerrichtlinie erfüllen, sind Gutscheine(30).

49.      Andererseits stellt sich angesichts bestimmter, in den schriftlichen Erklärungen der Beteiligten vorgetragener Argumente die Frage, ob die Stadtkarten, die die beiden in der Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegten Voraussetzungen tatsächlich erfüllen, notwendigerweise Gutscheine sind. Mit anderen Worten, bestehen Gründe dafür, ein Instrument, das alle Kriterien für die Einstufung als Gutschein erfüllt, von der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen auszuschließen, und, wenn ja, welche Gründe sind dies?

1.      Stadtkarten als Gutscheine

50.      Man kann, glaube ich, sicher feststellen, dass die Mehrheit der Stadtkarten eine Verpflichtung der an dem System teilnehmenden Lieferer oder Dienstleistungserbringer mit sich bringt, diese als Gegenleistung anzunehmen. Daher erfüllen sie üblicherweise die erste Voraussetzung. Im Fall der Stadtkarte von Stockholm ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass die Wirtschaftsteilnehmer, die Museen oder andere Sehenswürdigkeiten betreiben und sich an dem Kartensystem beteiligen, verpflichtet sind, die Karte für die Erbringung von Dienstleistungen anzunehmen. Dies trifft jedoch nur während der Geltungsdauer und bis zum Höchstwert der Karte zu (der viel höher ist als der Preis der Karte).

51.      In dieser Hinsicht scheint es mir keinen Unterschied zu machen, ob der Dienstleister die Karte nur einmal als Gegenleistung anzunehmen hat, oder jedes Mal, wenn der Karteninhaber sie für dieselbe Dienstleistung nutzen möchte. Es ist wichtig, dass die Karte mindestens einmal anzunehmen ist. Daher läuft die Regelung, nach der sich der Dienstleister wie bei der Stadtkarte von Stockholm weigern kann, den Karteninhaber öfter als einmal zuzulassen (aber ihn freiwillig öfter als einmal zulassen kann), nicht der ersten Voraussetzung zuwider, da der Dienstleister an die Verpflichtung gebunden bleibt, die Karte mindestens einmal anzunehmen.

52.      Die Finanzbehörde bringt zwei weitere Gründe vor, aus denen die Stadtkarte von Stockholm nicht als Gutschein angesehen werden sollte. Erstens lege die Karte die sukzessive Wertminderung nicht in Geld offen, was dazu führe, dass dem Karteninhaber nicht nach jeder Nutzung der verbleibende Wert der Karte bekannt sei, und zweitens stelle die unbeschränkte Nutzung für Beförderungsdienstleistungen, die von dieser Karte umfasst werde, ein Abonnement und keinen Gutschein dar.

53.      Eine Karte, deren Wert sich nach jeder Nutzung mindert, ist konzeptionell einem Zahlungsinstrument vergleichbar. Gleichwohl zielt die Richtlinie von 2016 darauf ab, Gutscheine von Zahlungsinstrumenten zu unterscheiden(31). Es ist daher nicht erforderlich oder steht tatsächlich sogar dem Ziel dieser Richtlinie entgegen, zur Bestimmung von Gutscheinen eine Voraussetzung einzuführen, die sich an Merkmalen von Zahlungsmitteln orientiert. Dies bedeutet nicht, dass Instrumente, deren Wert mit jeder Nutzung abnimmt, nicht als Gutscheine eingestuft werden können. Dies kann jedoch nicht als Voraussetzung angesehen werden. Es reicht aus, dass der Gutschein bis zum Höchstwert als Gegenleistung für die davon erfassten Dienstleistungen anzunehmen ist. Daher steht der Umstand, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Stadtkarte dem Karteninhaber nicht das verbleibende Kartenguthaben anzeigt, ihrer Einstufung als Gutschein nicht entgegen.

54.      Der zweite von der Finanzbehörde vorgebrachte Einwand besteht darin, dass einige Aspekte der Karte einem Abonnement glichen, was bedeute, dass die Karte nicht als Gutschein behandelt werden könne. Bei Abonnements (für ein Fitnessstudio oder für die Nutzung von Beförderungsdienstleistungen für einen Tag, einen Monat oder vergleichbare Zeitrahmen) wird bereits im Moment der Zahlung der Abonnementsgebühren das Geschäft abgeschlossen und der steuerbare Umsatz bestimmt. Dies ist bei Stadtkarten, die als Gutscheine genutzt werden, nicht der Fall. Eine Stadtkarte gewährt dem Karteninhaber lediglich die Möglichkeit, ein Abonnement für Beförderungsdienstleistungen zu erwerben. Daher wird der steuerbare Umsatz erst bewirkt, wenn (und falls) die betreffende Karte für die öffentliche Beförderung genutzt wird. Außerdem stellt bei aufeinanderfolgenden Verträgen über Leistungen die Leistung keinen steuerbaren Umsatz im Sinne von Art. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dar. Eine Stadtkarte ändert dies nicht. Bedienen sich Karteninhaber der durch die Stadtkarte eingeräumten Möglichkeit, ein Abonnement zu erwerben, wird die Bereitstellung dieses Abonnements besteuert, nicht jedoch die nachfolgende fortgesetzte Erbringung der Dienstleistungen (z. B. jede Busfahrt).

55.      Der Umstand, dass eine Stadtkarte es dem Karteninhaber ermöglicht, sie als Gegenleistung für ein Abonnement zu nutzen, das eine Dienstleistung mit ihren eigenen mehrwertsteuerlichen Regeln darstellt, steht daher weder ihrer Einstufung als Gutschein entgegen, noch steht er im Widerspruch zur für Abonnements geltenden Steuerregelung.

56.      Was die zweite in Art. 30a der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgestellte Voraussetzung angeht, dass die zu liefernden Gegenstände oder die zu erbringenden Dienstleistungen oder die Identität der möglichen Lieferer oder Dienstleistungserbringer bekannt sein müssen, wird im Vorlagebeschluss auch darauf hingewiesen, dass auf der Karte und in den damit zusammenhängenden Unterlagen die teilnehmenden Dienstleister sowie die Dienstleistungen, für die sie eingelöst werden kann, ausdrücklich aufgeführt werden.

57.      Die Finanzbehörde argumentiert gleichwohl, die Stadtkarte könne nicht als Gutschein eingestuft werden, da es einem durchschnittlichen Verbraucher aufgrund der beschränkten Nutzungsdauer unmöglich sei, alle von der Karte erfassten Dienstleistungen zu nutzen. Nichts in der Definition des „Gutscheins“ verlangt jedoch, dass ein Instrument für alle relevanten Dienstleistungen (oder Gegenstände) einzulösen ist, damit es als Gutschein angesehen werden kann. Instrumente, die ihre Einlösung für alle aufgeführten Gegenstände und Dienstleistungen gestatten (wie z. B. Gutscheine für Einzelhandelsverkaufsstellen), stellen in der Tat Gutscheine dar, wenn sie als Gegenleistung anzunehmen sind. Allerdings stellt das Erfordernis, dass es gegen alle Güter oder Dienstleistungen einzulösen ist, keine Voraussetzung dar, die ein Instrument zu einem Gutschein macht(32). Ganz im Gegenteil, wie oben erläutert(33): Der Teil der Definition eines „Gutscheins“, in dem es hieß, dass er das Recht auf die Lieferung der aufgeführten Gegenstände oder Dienstleistungen umfasse, wurde nicht in die endgültige Fassung der Richtlinie von 2016 aufgenommen. Dies stellt ein zusätzliches Argument für die Auslegung dar, dass der Gesetzgeber eine Erschöpfung aller Dienstleistungen nicht als Voraussetzung für die Behandlung des betreffenden Instruments als Gutschein anordnen wollte. Daher ändert der Umstand, dass die kurze Geltungsdauer von Stadtkarten die Karteninhaber üblicherweise nicht in die Lage versetzt, alle aufgeführten Dienstleistungen zu nutzen, nichts an der Feststellung, dass eine Stadtkarte für die Zwecke der Mehrwertsteuer einen Gutschein darstellt.

58.      Der Unterschied zwischen dem gesamten Wert aller von der Karte erfassten Dienstleistungen und ihrem Nominalwert ist verständlich, wenn die Dimension der Absatzförderung der meisten Gutscheine im Allgemeinen(34) und der Stadtkarten im Besonderen berücksichtigt wird(35). Die italienische Regierung hat Bedenken zum Ausdruck gebracht, dass die kurze Geltungsdauer der Karte nicht die Nutzung aller Dienstleistungen gestatte und ihre Attraktivität für Besucher beeinträchtigen könnte(36). Dies ändert jedoch nichts an der mehrwertsteuerlichen Behandlung solcher Karten.

59.      Da dieser Punkt vor dem vorlegenden Gericht und in mehreren von den Beteiligten beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen vorgebracht wurde, erachte ich es auch als erforderlich, den Einfluss des fünften Erwägungsgrundes der Richtlinie von 2016 auf die Einstufung von Stadtkarten als Gutscheine zu prüfen. In diesem Erwägungsgrund heißt es, dass „[d]ie Bestimmungen über Gutscheine … keine Änderung der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Fahrscheinen, Eintrittskarten für Kinos und Museen, Briefmarken und Ähnlichem zur Folge haben [sollten]“.

60.      Meines Erachtens liegt der Zweck dieses Erwägungsgrundes darin, klarzustellen, dass die Möglichkeit, Tickets (Fahrscheine oder Eintrittskarten), Briefmarken oder Ähnliches durch einen Gutschein zu erwerben, nicht den dafür geltenden Mehrwertsteuersatz ändert, wobei einige steuerbefreit sind, während andere von ermäßigten Steuersätzen profitieren(37). Gutscheine schaffen nur eine Möglichkeit, ein Ticket zu erwerben, und die Verpflichtung des Lieferers eines solchen Tickets, Gutscheine als Gegenleistung anzunehmen. Sie ändern in keiner Weise die für solche Tickets geltende Mehrwertsteuerregelung. Ist ein Ticket von der Mehrwertsteuer befreit, wird keine Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt, unabhängig davon, ob der Dienstleistungserbringer als Gegenleistung Geld, ein anderes Zahlungsinstrument oder einen Gutschein annimmt.

61.      Ein Instrument, das die beiden in der Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegten Voraussetzungen erfüllt, sollte meiner Auffassung nach aus einem einzigen Grund nicht als Gutschein behandelt werden: wenn es der Anwendung einer besonderen mehrwertsteuerlichen Behandlung einer Dienstleistung entgegensteht, für deren Erbringung es als Gegenleistung anzunehmen ist. Wie ich im letzten Teil meiner Schlussanträge darlegen werde, ändert, wenn eine Stadtkarte als Mehrzweck-Gutschein der Besteuerung nach der „Handelsspannen“-Möglichkeit unterliegt, ihre Behandlung als Gutschein nicht die spezifische mehrwertsteuerliche Behandlung von von einem solchen Gutschein erfassten Dienstleistungen, die für die Zwecke der Mehrwertsteuer von einer anderen Behandlung profitieren.

62.      Im Licht des Vorstehenden bin ich der Auffassung, dass eine Stadtkarte wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende beide Voraussetzungen nach Art. 30a der Mehrwertsteuerrichtlinie erfüllt und demzufolge für die Zwecke der Mehrwertsteuer als Gutschein anzusehen ist.

2.      Stadtkarten als „Mehrzweck-Gutscheine“

63.      Für den Fall, dass eine Stadtkarte als Gutschein eingestuft wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sie einen Einzweck- oder einen Mehrzweck-Gutschein darstellt.

64.      Art. 30a der Mehrwertsteuerrichtlinie unterscheidet zwei Gutscheinarten: „Einzweck-“ und „Mehrzweck-Gutscheine“. Ein Mehrzweck-Gutschein ist negativ als Gutschein definiert, der nicht als „Einzweck-Gutschein“ eingestuft werden kann.

65.      Gemäß Art. 30a Nr. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist ein „Einzweck-Gutschein“ ein Gutschein, bei dem der Ort der Lieferung der Gegenstände oder der Erbringung der Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Gegenstände oder Dienstleistungen geschuldete Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen(38). Aus diesen Angaben ergibt sich, dass diese Voraussetzungen kumulativ sind und, vor allem, dass sie bedeuten, dass die mehrwertsteuerliche Behandlung eines Einzweck-Gutscheins zum Zeitpunkt seiner Ausstellung feststehen muss.

66.      Bei Stadtkarten – oder zumindest Stadtkarten der Art, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen – ist klar, dass die Dienstleistungen, die tatsächlich erbracht werden, zum Zeitpunkt des Kartenerwerbs nicht bekannt sind. Zu diesem Zeitpunkt ist daher auch nicht bekannt, welcher Mehrwertsteuersatz zur Anwendung kommen wird. Eine solche Stadtkarte ist daher kein Einzweck-Gutschein. Da die Karte jedoch ein Gutschein ist, muss sie als Mehrzweckgutschein eingestuft werden.

3.      Die Besteuerung von Stadtkarten als Mehrzweck-Gutscheine

67.      Es bleibt zu erläutern, wie Umsätze, die unter Nutzung der Stadtkarte erfolgen, abgerechnet werden und von wem.

68.      Die Art und Weise, in der die Mehrwertsteuer bei Mehrzweck-Gutscheinen wie Stadtkarten anzuwenden ist, wird in den Art. 30b und 73a der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelt.

69.      Bei Stadtkarten ist es besonders hilfreich, die konkrete Anwendung der Mehrwertsteuerregeln für Gutscheine durchzugehen. Daher werde ich prüfen, welche der von dem System umfassten Umsätze steuerbar sind und zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Steuerbemessungsgrundlage, wobei Letztere eines der Elemente darstellt, die vom Steuerrechtsausschuss bei der Feststellung berücksichtigt wurden, dass Stadtkarten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht in den Anwendungsbereich des Begriffs „Gutschein“ fielen.

70.      Gemäß Art. 30b Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie findet die Mehrwertsteuer bei Mehrzweck-Gutscheinen zum Zeitpunkt der tatsächlichen Lieferung der fraglichen Gegenstände oder der tatsächlichen Erbringung der fraglichen Dienstleistung Anwendung, so dass die Steuer bei Übertragungen einer solchen Karte, die ihrer Einlösung vorausgehen, nicht in Rechnung gestellt wird. Der Grund dafür ist, dass zum Zeitpunkt des Erwerbs einer Stadtkarte nicht alle für die Zwecke der Mehrwertsteuer relevanten Informationen bekannt sind(39). Angesichts dessen, dass die Mehrwertsteuer eine Steuer auf die tatsächliche Lieferung von Gegenständen und die tatsächliche Erbringung von Dienstleistungen darstellt, ist es bei Mehrzweck-Gutscheinen nicht möglich, zu wissen, welche der von einem solchen Gutschein erfassten Gegenstände und Dienstleistungen tatsächlich geliefert und erbracht werden.

71.      Stadtkarten werden gemeinhin von einem Steuerpflichtigen ausgestellt, der nicht der Erbringer der Dienstleistungen ist, für die die Karte als Gegenleistung anzunehmen ist. Da der Kartenaussteller von dem Karteninhaber für die Übertragung eines Gutscheins eine Gegenleistung erhält, stellt sich die Frage, ob dieser Umsatz als eine gesonderte Dienstleistung zu besteuern ist. Andernfalls könnten einige der in das System einbezogenen Umsätze unbesteuert bleiben. Wie ich aufzeigen werde, gestattet die Anwendung der in Nr. 32 der vorliegenden Schlussanträge als „Handelsspannen“-Möglichkeit beschriebenen Besteuerungsmöglichkeit die Besteuerung aller betroffenen Umsätze und vermeidet jede Doppelbesteuerung.

72.      Das Erfordernis der Anwendung eines solchen Systems ergibt sich meines Erachtens aus der Zusammenschau von Art. 30b Abs. 2 und Art. 73a der Mehrwertsteuerrichtlinie. In der erstgenannten Bestimmung heißt es: „Wird ein Mehrzweck-Gutschein von einem anderen Steuerpflichtigen als dem Steuerpflichtigen, der den gemäß Unterabsatz 1 der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsatz erbringt, übertragen, so unterliegen alle bestimmbaren Dienstleistungen wie etwa Vertriebs- oder Absatzförderungsleistungen der Mehrwertsteuer“. Die letztgenannte Bestimmung sieht vor, dass „[b]ei der Lieferung von Gegenständen oder bei der Erbringung von Dienstleistungen, die in Bezug auf einen Mehrzweck-Gutschein erfolgt, … die Steuerbemessungsgrundlage … der für den Gutschein gezahlten Gegenleistung [entspricht]“.

73.      Ein System, nach dem die Mehrwertsteuer für jede Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen berechnet wird, würde dem Erfordernis genügen, dass die Steuerbemessungsgrundlage der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung entspricht, wenn der Wert der Gegenstände und Dienstleistungen, für die er tatsächlich eingelöst wird, den für den Gutschein gezahlten Preis erreicht(40). Wenn jedoch der Wert aller Dienstleistungen, für die der Gutschein tatsächlich eingelöst worden ist, unter dem für den Gutschein gezahlten Preis bleibt, muss auch die Differenz der Mehrwertsteuer unterliegen. Dieser Betrag ist gemäß Art. 30b Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie als Gegenleistung für den Vertrieb oder die Absatzförderung von Dienstleistungen anerkannt, und die Mehrwertsteuer auf diese Handelsspanne ist vom Aussteller der Karte zu berechnen.

74.      Ein derartiges System ist im Rahmen der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht neu. Es gilt z. B. für die Besteuerung der Reisebüros (nach den Art. 306 ff. der Mehrwertsteuerrichtlinie)(41), bei denen die Steuerbemessungsgrundlage auf der Handelsspanne des Reisebüros beruht (Art. 308 der Mehrwertsteuerrichtlinie).

75.      Indem Stadtkarten als Mehrzweck-Gutscheine behandelt werden, erfordert die Mehrwertsteuerrichtlinie daher, dass sie entsprechend der Handelsspannen-Möglichkeit besteuert werden, da dieses Steuersystem den Grundprinzipien der Mehrwertsteuer entspricht. Es vermeidet sowohl die Doppel- als auch jede Nichtbesteuerung. Dies ist ein weiterer Grund, der eine Auslegung rechtfertigt, nach der Stadtkarten Mehrzweck-Gutscheine sind. Diese Lösung erfüllt die Ziele der Richtlinie von 2016, da sie den ordnungsgemäßen Weg der Besteuerung von Stadtkarten klarstellt, indem sie alle in der Praxis genutzten Möglichkeiten außer einer einzigen verwirft. Auch Praktiker im Bereich der Mehrwertsteuer scheinen einer solchen Lösung zuzustimmen(42).

76.      Wollte man jedoch dem von der italienischen Regierung vorgebrachten Vorschlag folgen, der der Rechtsprechung des vorlegenden Gerichts vor dem Erlass der Richtlinie von 2016 entspricht(43), in der eine parallele Besteuerung der gesamten für die Stadtkarte erhaltenen Gegenleistung und jeder tatsächlichen Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungserbringung angewandt wurde, könnte dies zu einer Doppelbesteuerung führen(44). Diese Möglichkeit der „vollen Besteuerung“(45) könnte entsprechend dem Vorbringen der Kommission die mehrwertsteuerliche Behandlung von Fahrscheinen oder Eintrittskarten verfälschen. Genau dies wollte der Gesetzgeber vermeiden(46).

77.      Stadtkarten als Mehrzweck-Gutscheine anzusehen und sie auf der Grundlage des Handelsspannen-Steuersystems zu besteuern, wann immer der Aussteller ein anderer ist als der Lieferer der Gegenstände und der Erbringer der Dienstleistungen, bietet abschließend ein umfassendes, einheitliches, transparentes und neutrales Steuersystem. Angesichts dessen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Stadtkarte beide in der Mehrwertsteuerrichtlinie für die Behandlung eines Instruments als Gutschein aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, sollte sie für die Zwecke der Mehrwertsteuer als Mehrzweck-Gutschein behandelt werden.

V.      Ergebnis

78.      Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefragen des Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden) zu antworten:

Eine Karte, die Lieferer oder Dienstleistungserbringer an einem vorgegebenen Ort, während einer beschränkten Dauer und bis zu einem bestimmten Wert als Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen, die von der Karte erfasst werden, an die Karteninhaber anzunehmen verpflichtet sind, fällt in den Anwendungsbereich des Begriffs „Gutschein“ im Sinne von Art. 30a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. Dies gilt auch dann, wenn von einem durchschnittlichen Verbraucher nicht alle von einer solchen Karte erfassten Dienstleistungen binnen einer vorgegebenen Zeit genutzt werden können. Eine solche Karte ist ein „Mehrzweck-Gutschein“ im Sinne dieser Bestimmung, wann immer die Steuer auf die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen, für die sie als Gegenleistung anzunehmen ist, zum Zeitpunkt der Übertragung dieser Karte nicht bekannt ist.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Wie in meinen Schlussanträgen vom 27. Januar 2022 in der Rechtssache GE Aircraft Engine Services (C-607/20, EU:C:2022:63) aufgezeigt.


3      Vgl. Richtlinie 2016/1065 vom 27. Juni 2016 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen (ABl. 2016, L 177, S. 9) (im Folgenden: Richtlinie von 2016).


4      Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).


5      Vgl. in diesem Sinne erster, dritter und achter Erwägungsgrund der Richtlinie von 2016.


6      Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) (im Folgenden: Sechste Richtlinie).


7      Zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens ist unstreitig, dass die Frage die Verwendung von Stadtkarten im Zeitraum nach dem 1. Januar 2019 betrifft, und die Vorlage enthält keine gegenteiligen Hinweise.


8      Art. 398 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet wie folgt: „Es wird ein Beratender Ausschuss für die Mehrwertsteuer (nachstehend ‚Mehrwertsteuerausschuss‘ genannt) eingesetzt.“


9      Mehrwertsteuerausschuss, „VAT Treatment of ‚city cards‘“, Information Paper, 3. April 2019; „Working Paper No 983, New Legislation“, 13. November 2019; „Working Paper No 987, Minutes“, 2. Dezember 2019.


10      Amand, C., „EU Value Added Tax: The Directive on Vouchers in the Light of the General Value Added Tax Rules“, Intertax, Vol. 45(2), 2017, S. 150.


11      Mehrwertsteuerausschuss, „VAT Treatment of ‚city cards‘“, Information Paper, 3. April 2019.


12      Ebenda.


13      Mehrwertsteuerausschuss, Leitlinien aus der 10. Sitzung vom 23.-24. Oktober 1980, XV/353/80 (1/2).


14      Mehrwertsteuerausschuss, „VAT Treatment of ‚city cards‘“, Information Paper, 3. April 2019, S. 4.


15      Ebenda, S. 6.


16      Högsta förvaltningsdomstolen (Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden), Strömma Turism & Sjöfart AB, 18. Oktober 2018, Rechtssachen-Nummer 1980-18; eine englische Zusammenfassung ist unter dem Titel „Supply of City Card – Entrance to attractions – Supply of a service or not“ in der IBFD-Datenbank verfügbar.


17      In Art. 2 dieser Richtlinie heißt es, dass ihre Bestimmungen ab dem 1. Januar 2019 anwendbar sind.


18      Mehrwertsteuerausschuss, „VAT Treatment of ‚city cards‘“, Information Paper, 3. April 2019, S. 8.


19      Ebenda, S. 5.


20      Für eine weitere Erörterung der Unterscheidung zwischen Gutscheinen und Zahlungsmitteln vgl. Nrn. 45 und 53 der vorliegenden Schlussanträge.


21      Für einen solchen Bericht vgl. Amand, C., „Vouchers: une directive TVA européenne applicable à partir de 2019“, La semaine fiscale, Nr. 277, 20.-26. März 2017, S. 2.


22      Vgl. in diesem Sinne in jüngerer Zeit Urteil vom 9. November 2021, Bundesrepublik Deutschland (Wahrung des Familienverbands) (C-91/20, EU:C:2021:898, Rn. 49 und 52).


23      Amand, C., „EU Value Added Tax: The Directive on Vouchers in the Light of the General Value Added Tax Rules“, S. 156, vgl. oben, Fn. 10.


24      Amand, C., „EU Value Added Tax: The Directive on Vouchers in the Light of the General Value Added Tax Rules“, vgl. oben, Fn. 10; Bijl, J. B. O, The EU Vat Treatment of Vouchers in the Context of Promotional Activities, Deventer, Wolters Kluwer, 2019, S. 276.


25      Der ursprüngliche Vorschlag enthielt indessen zusätzlich zu dem „Einzweck-Gutschein“ und dem „Mehrzweck-Gutschein“ die besondere Kategorie des „Rabattgutscheins“. Vgl. den fünften Erwägungsgrund sowie Art. 25 Buchst. e und Art. 30a Abs. 1 des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen (COM[2012] 206 final – 2012/0102 [CNS]).


26      Ebenda.


27      Für eine vergleichbare Auslegung des Ergebnisses des Gesetzgebungsverfahrens vgl. Terra, B. J. M., Kajus, J., Commentary on EU VAT, 2020, „7.3.1.5.1.1. Definition of a voucher“.


28      Terra, B. J. M., Terra, E. T., „The value of the voucher directive on the EU VAT treatment of vouchers“, World Journal of VAT/GST Law, 2017, 27 bis 34, S. 28.


29      Für eine nicht erschöpfende Aufstellung der europäischen Städte, die solche Karten anbieten, und deren Inhalt vgl. https://welovecitycards.com/.


30      Dies wird durch den Umstand gestützt, dass der Mehrwertsteuerausschuss zu dem Thema der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Stadtkarten kein Gesamtergebnis erzielen konnte. Mehrwertsteuerausschuss, Working Paper No 987, Minutes’, 2. Dezember 2019, S. 5.


31      Sechster Erwägungsgrund der Richtlinie von 2016.


32      Wenn der Gutschein überhaupt nicht eingelöst wird, d. h., wenn der Inhaber innerhalb des Zeitraums, während dessen mit seiner Nutzung begonnen werden kann, überhaupt nicht beginnt, ihn zu verwenden, dann finden die Bestimmungen über Gutscheine keine Anwendung. Dies ergibt sich aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie von 2016, der lautet: „Diese Richtlinie zielt nicht auf die Situationen ab, in denen ein Mehrzweck-Gutschein nicht während seiner Gültigkeitsdauer vom Endverbraucher eingelöst wird, und der Verkäufer die für diesen Gutschein erhaltene Gegenleistung einbehält.“


33      Vgl. Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge.


34      Bijl, J. B. O, The EU Vat Treatment of Vouchers in the Context of Promotional Activities, vgl. oben, Fn. 24.


35      Drozdowska, M., Duda-Seifert, M., und Faron, A., „Model of a city destination card as a marketing tool of selected European cities“, Management Sciences, 2018, Band 23, Nr. 2, S. 19 bis 28.


36      Ebenda, S. 27.


37      Tickets könnten möglicherweise selbst als Gutscheine angesehen werden. Einige Literaturstimmen erkennen an, dass es schwierig sei, einen Einzweck-Gutschein von einem Ticket zu unterscheiden (Amand, C., „EU Value Added Tax: The Directive on Vouchers in the Light of the General Value Added Tax Rules“, S. 154, vgl. oben, Fn. 10, und Terra, B. J. M., Terra, E. T., „The value of the voucher directive on the EU VAT treatment of vouchers“, World Journal of VAT/GST Law, 2017, S. 30). Dieselben Autoren vertreten, im Wesentlichen dem Urteil des Gerichtshofs vom 23. Dezember 2015, Air France-KLM und Hop!-Brit Air (C-250/14 und C-289/14, EU:C:2015:841), und dem Wortlaut des fünften Erwägungsgrunds der Richtlinie von 2016 folgend, den Standpunkt, dass Tickets keine Gutscheine seien. Dies ist jedoch für die vorliegende Rechtssache nicht relevant.


38      Hervorhebung nur hier.


39      van Doesum, A., van Kesteren, H., van Norden, G., Fundamentals of EU VAT Law, Alphen aan den Rijn, Wolters Kluwer, 2016, S. 246.


40      Der Kartenaussteller zahlt für jede tatsächliche Lieferung von Gegenständen und jede tatsächliche Erbringung von Dienstleistungen, und der Preis dieser Leistungen enthält auch Mehrwertsteuer (es sei denn, die Dienstleistung ist steuerbefreit). Der Aussteller kann die in diesem Preis enthaltene Mehrwertsteuer nicht als seine Vorsteuer abziehen.


41      Diese weist meines Erachtens viele Ähnlichkeiten mit dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens auf. Vgl. dazu Urteil vom 13. Oktober 2005, ISt (C-200/04, EU:C:2005:608).


42      Vgl. Nr. 32 der vorliegenden Schlussanträge und die dort angeführte Literatur.


43      Vgl. insoweit Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge.


44      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache GE Aircraft Engine Services, (Rechtssache C-607/20, EU:C:2022:63, verlesen am 27. Januar 2022, Nr. 53).


45      Vgl. Nrn. 29 und 32 der vorliegenden Schlussanträge.


46      Fünfter Erwägungsgrund der Richtlinie von 2016.