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Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 2. Februar 2023(1)

Rechtssache C-615/21

Napfény-Toll Kft.

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága

(Vorabentscheidungsersuchen des Szegedi Törvényszék [Gerichtshof Szeged, Ungarn])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Nationales Besteuerungsverfahren – Mehrwertsteuer – Nationale Regelung, die die Möglichkeit vorsieht, die Verjährungsfrist für das Steuerrecht im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung, unabhängig von der Zahl der wiederholten Steuerverfahren, zeitlich unbegrenzt zu hemmen – Grundsätze der Rechtssicherheit und der Effektivität des Unionsrechts“






 Einleitung

1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Effektivität des Unionsrechts im Zusammenhang mit der Anwendung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(2) (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Napfény-Toll Kft. (im Folgenden: Klägerin) und der ungarischen Steuerverwaltung über Mehrwertsteuerbeträge, die das Unternehmen als Vorsteuer auf verschiedene zum Vorsteuerabzug berechtigende Erwerbe von Gegenständen, die es im Juni 2010 und zwischen November 2010 und September 2011 getätigt hatte, abgezogen hatte.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3.        Art. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften(3) bestimmt:

„(1)      Zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in [B]ezug auf das Gemeinschaftsrecht getroffen.

(2)      Der Tatbestand der Unregelmäßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe.“

4.        Art. 3 dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel 1 Absatz 1. …

Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. …

Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem.

Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat; ausgenommen sind die Fälle, in denen das Verwaltungsverfahren gemäß Artikel 6 Absatz 1 ausgesetzt worden ist.

(2)      Die Frist für die Vollstreckung der Entscheidung, mit der eine verwaltungsrechtliche Sanktion verhängt wird, beträgt drei Jahre. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Entscheidung rechtskräftig wird.

Die Fälle der Unterbrechung und der Aussetzung werden durch die einschlägigen Bestimmungen des einzelstaatlichen Rechts geregelt.

(3)      Die Mitgliedstaaten behalten die Möglichkeit, eine längere Frist als die in Absatz 1 bzw. Absatz 2 vorgesehene Frist anzuwenden.“

5.        In Art. 4 Abs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 2988/95 heißt es:

„(1)      Jede Unregelmäßigkeit bewirkt in der Regel den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils

–        durch Verpflichtung zur Zahlung des geschuldeten oder Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrags;

(4)      Die in diesem Artikel vorgesehenen Maßnahmen stellen keine Sanktionen dar.“

6.        Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:

„Unbeschadet der verwaltungsrechtlichen Sanktionen der Gemeinschaft … kann die Verhängung von finanziellen Sanktionen wie Geldbußen durch Beschluss der zuständigen Behörde ausgesetzt werden, wenn gegen die betreffende Person ein Strafverfahren eingeleitet worden ist, das dieselbe Tat betrifft. Die Aussetzung des Verwaltungsverfahrens hat eine Unterbrechung der Verjährungsfrist nach Artikel 3 zur Folge.“

 Ungarisches Recht

7.        § 164 des Adózás rendjéről szóló 2003. évi XCII. törvény (Gesetz Nr. XCII von 2003 über die Besteuerungsordnung)(4) in der zum Zeitpunkt der streitigen Steuerprüfung geltenden Fassung (im Folgenden: alte Besteuerungsordnung) lautet:

„(1)      Die Steuerfestsetzungsbefugnis verjährt fünf Jahre nach dem letzten Tag des Kalenderjahrs, in dem die Erklärung oder Mitteilung über diese Steuer hätte abgegeben werden müssen oder, in Ermangelung einer solchen Erklärung oder Mitteilung, in dem die Steuer hätte entrichtet werden müssen.

(5)      Im Fall einer gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung der Steuerbehörde wird die Frist für die Verjährung des Steueranspruchs von dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung der zweitinstanzlichen Steuerbehörde endgültig wird, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Gerichtsentscheidung rechtskräftig wird, oder im Fall eines Rechtsmittels bis zu dem Zeitpunkt, zu dem über dieses entschieden wird, gehemmt.“

8.        Die alte Besteuerungsordnung wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2018 aufgehoben und ersetzt durch die Bestimmungen des Az adóigazgatási rendtartásról szóló 2017. évi CLI. törvény (Gesetz CLI von 2017 über die Steuerverwaltungsordnung, im Folgenden: Steuerverwaltungsordnung)(5) und des Az adózás rendjéről szóló 2017. évi CL. törvény (Gesetz CL von 2017 über die Besteuerungsordnung, im Folgenden: neue Besteuerungsordnung)(6).

9.        § 203 Abs. 3 der neuen Besteuerungsordnung übernimmt im Wesentlichen den Inhalt von § 164 der alten Besteuerungsordnung. Nach dieser Bestimmung wird, wenn der Steuerpflichtige eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen die Entscheidung der Steuerbehörde erhoben hat, die Frist für die Verjährung des Steueranspruchs von dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung der zweitinstanzlichen Steuerbehörde bindend wird, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Gerichtsentscheidung rechtskräftig wird, oder im Fall eines Rechtsmittels bis zu dem Zeitpunkt, zu dem über dieses entschieden wird, gehemmt.

10.      Nach § 203 Abs. 7 Buchst. c der neuen Besteuerungsordnung verlängert sich die Verjährungsfrist für den Steueranspruch um zwölf Monate, wenn das Gericht im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen die Entscheidung der Steuerbehörde die Durchführung eines neuen Verfahrens anordnet.

11.      Gemäß § 271 Abs. 1 der neuen Besteuerungsordnung, dessen Wortlaut mit dem von § 139 Abs. 1 der Steuerverwaltungsordnung übereinstimmt, sind die Bestimmungen dieses Gesetzes und damit auch § 203 Abs. 7 Buchst. c der neuen Besteuerungsordnung auf Verfahren anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten eingeleitet oder wiederholt werden.

I.      Ausgangsrechtsverfahren, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

12.      Die Klägerin zog von ihrer Steuerschuld den auf die von ihr im Juni 2010 sowie im Zeitraum von November 2010 bis September 2011 erworbenen Gegenstände entfallenden Mehrwertsteuerbetrag ab.

13.      Im Dezember 2011 leitete die Nemzeti Adó – és Vámhivatal Dél-budapesti Igazgatósága (Nationale Steuer- und Zollverwaltung – Steuer- und Zolldirektion Süd-Budapest, Ungarn, im Folgenden: beklagte Steuerverwaltung) als erstinstanzliche Steuerbehörde eine Prüfung ein, die der Klägerin am 13. Dezember 2011 mitgeteilt wurde.

14.      Nach Abschluss dieser Prüfung war die Steuerverwaltung der Ansicht, dass ein Teil der abgezogenen Mehrwertsteuer nicht hätte abgezogen werden dürfen, da ein Teil der fraglichen Rechnungen mit keinem tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgang in Verbindung habe gebracht werden können und ein anderer Teil auf einem Steuerbetrug beruhe, von dem die Klägerin Kenntnis gehabt habe. Folglich stellte die beklagte Steuerverwaltung mit Entscheidung vom 8. Oktober 2015 Steuerrückstände der Klägerin in Höhe von insgesamt 144 785 000 ungarischen Forint (HUF) (etwa 464 581 Euro) fest und verhängte gegen sie eine Steuergeldbuße in Höhe von 108 588 000 HUF (etwa 348 433 Euro) sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 46 080 000 HUF (etwa 147 860 Euro).

 Die erste zweitinstanzliche Verwaltungsentscheidung

15.      Mit Entscheidung vom 11. November 2015, am 14. Dezember 2015 zugestellt, änderte die Nemzeti Adó – és Vámhivatal Közép-magyarországi Regionális Adó Főigazgatósága (nationale Steuer- und Zollverwaltung – Generaldirektion Steuern für die Region Mittelungarn, Ungarn), die Vorgängerin der beklagten Steuerverwaltung, auf einen Rechtsbehelf der Klägerin hin, die erstinstanzliche Entscheidung in Bezug auf den Säumniszuschlag ab und erhielt sie im Übrigen aufrecht. Dagegen reichte die Klägerin Klage ein.

16.      Mit Urteil vom 2. März 2018, das am selben Tag rechtskräftig wurde, hob das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn) die zweitinstanzliche Entscheidung auf und ordnete die Durchführung eines neuen Verfahrens an. Zur Begründung seines Urteils führte dieses Gericht an, dass es festgestellt habe, dass diese Entscheidung mit einer widersprüchlichen Begründung behaftet sei. Obwohl in der zweitinstanzlichen Entscheidung von einem anderen Sachverhalt ausgegangen werde als in der erstinstanzlichen Entscheidung, werde in der zweitinstanzlichen Entscheidung befunden, dass die erstinstanzliche Steuerbehörde den Sachverhalt zutreffend festgestellt habe.

 Die zweite zweitinstanzliche Verwaltungsentscheidung

17.      Mit Entscheidung vom 5. März 2018, die der Klägerin am 7. März 2018 zugestellt wurde, erließ die beklagte Steuerverwaltung eine zweite zweitinstanzliche Verwaltungsentscheidung, mit der die erstinstanzliche Entscheidung im Wesentlichen bestätigt wurde. Mit dieser Entscheidung wurde jedoch der Betrag des Säumniszuschlags herabgesetzt.

18.      Auf eine Klage der Klägerin hin erklärte das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest) mit Urteil vom 5. Juli 2018, das am selben Tag rechtskräftig wurde, die Entscheidung der beklagten Steuerverwaltung für nichtig und verpflichtete diese, ein neues Verfahren durchzuführen. In den Gründen dieses Urteils wird beanstandet, dass einerseits die zweite zweitinstanzliche Entscheidung, die am ersten Werktag nach der Verkündung des Urteils vom 2. März 2008 ergangen sei, die erste zweitinstanzliche Entscheidung weitgehend wörtlich übernehme, ohne darzulegen, inwieweit sie die von der erstinstanzlichen Steuerbehörde getroffenen Feststellungen abändere. Folglich sei die Steuerbehörde den ihr vom Gericht auferlegten Verpflichtungen nur formal nachgekommen. Zum anderen enthalte die zweite zweitinstanzliche Entscheidung weiterhin widersprüchliche und sich gegenseitig ausschließende Feststellungen dazu, ob die betreffenden Umsätze tatsächlich getätigt worden seien.

19.      Auf das Rechtsmittel der Steuerbehörde hin bestätigte die Kúria (Oberstes Gericht, Ungarn) mit Urteil vom 30. Januar 2020 das Urteil in der Sache vom 5. Juli 2018. Zum einen habe das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht) zu Recht festgestellt, dass sich die beklagte Steuerverwaltung nicht an die im Urteil vom 2. März 2018 zwingend festgelegten Vorgaben gehalten habe, da die zweite zweitinstanzliche Entscheidung die Begründung der ersten zweitinstanzlichen Entscheidung wiederhole. Zwar habe die Steuerbehörde, wie sie geltend gemacht habe, nur über kurze Zeit verfügt, bevor der Steueranspruch und damit der zu entrichtende Mehrwertsteuerbetrag verjährt wäre, doch befreie dieser Umstand sie nicht von der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten. Außerdem sei die zweite zweitinstanzliche Entscheidung sehr wohl mit einer widersprüchlichen Begründung behaftet gewesen, wie das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht) festgestellt habe.

 Die dritte zweitinstanzliche Verwaltungsentscheidung

20.      Am 6. April 2020 erließ die beklagte Steuerverwaltung einen neuen Bescheid, mit der sie die erstinstanzliche Entscheidung unter Abänderung des Säumniszuschlags aufrechterhielt. Zur Begründung führte sie an, dass sie keinen anderen Sachverhalt festgestellt habe als die erstinstanzliche Steuerbehörde in ihrer Entscheidung. Die erstinstanzliche Steuerbehörde sei ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts nachgekommen.

21.      Die Klägerin legte gegen diese dritte Entscheidung beim Szegedi Törvényszék (Gerichtshof Szeged, Ungarn), dem vorlegenden Gericht, Rechtsmittel ein, u. a. mit der Begründung, dass gemäß § 164 Abs. 1 und 5 der alten Besteuerungsordnung, das Recht der Steuerbehörde, die abzuführenden Mehrwertsteuerbeträge festzusetzen, fünf Jahre nach dem letzten Tag des Kalenderjahrs verjähre, in dem die Steuererklärung oder -mitteilung abzugeben bzw. mangels Erklärung oder Mitteilung die Steuer zu entrichten gewesen sei. Das Recht der Steuerbehörde, die für die fraglichen Zeiträume abzuführenden Mehrwertsteuerbeträge festzusetzen, sei vor dem Zeitpunkt der dritten zweitinstanzlichen Entscheidung (d. h. dem 6. April 2020) erloschen. Der wiederholte Erlass von Entscheidungen verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den die Verjährung schützen solle. Dies gelte umso mehr im Ausgangsverfahren, als das zweite wiederholte Verfahren stattgefunden habe, weil die Steuerbehörde die in der ersten Gerichtsentscheidung enthaltenen Vorgaben nicht beachtet habe. Es sei also auf das Verschulden der Steuerbehörde zurückzuführen, dass sich das Verfahren über fast zehn Jahre ab Beginn der Prüfung erstreckt habe.

22.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass § 164 Abs. 5 der alten Besteuerungsordnung keine Obergrenze für die Anzahl der wiederholten Verfahren, die die Steuerbehörde führen könne, oder die Gesamtdauer der Hemmung festlege. Laut der Rechtsprechung der Kúria (Oberstes Gericht) wird die Verjährung während der gesamten gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung der Steuerverwaltung gehemmt. Folglich gebe es keine zeitliche Grenze für die Hemmung der Verjährungsfrist im Fall einer gerichtlichen Überprüfung, so dass sich die Verjährungsfrist für das Recht, die abzuführenden Mehrwertsteuerbeträge festzusetzen, um mehrere Jahre oder in extremen Fällen sogar um Jahrzehnte verlängern könne. Aus diesem Grund äußert das vorlegende Gericht Zweifel, ob die betreffenden nationalen Rechtsvorschriften und die dazu ergangene Rechtsprechung mit den Unionsgrundsätzen der Rechtssicherheit und der Effektivität vereinbar seien.

23.      Vor diesem Hintergrund hat der Szegedi Törvényszék (Gerichtshof Szeged) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind der Grundsatz der Rechtssicherheit und der Grundsatz der Effektivität, die Teil des Unionsrechts sind, dahin auszulegen, dass sie einer mitgliedstaatlichen Regelung wie § 164 Abs. 5 der alten Besteuerungsordnung, die dem Gericht keinen Entscheidungsspielraum lässt, und der auf dieser Regelung beruhenden Praxis nicht entgegenstehen, nach denen im Bereich der Mehrwertsteuer die Frist für die Verjährung des Steueranspruchs der Steuerverwaltung während der gesamten Dauer gerichtlicher Überprüfungen unabhängig von der Anzahl der wiederholten Steuerverwaltungsverfahren und ohne zeitliche Obergrenze im Fall mehrerer aufeinanderfolgender gerichtlicher Überprüfungen gehemmt wird, und zwar auch dann, wenn das Gericht, das mit einer Entscheidung befasst ist, die die Steuerbehörde im Rahmen eines wiederholten Verfahrens erlassen hat und mit der sie einer früheren Gerichtsentscheidung nachkommt, feststellt, dass die Steuerbehörde die in dieser Gerichtsentscheidung enthaltenen Vorgaben nicht beachtet hat, d. h., wenn das neue Gerichtsverfahren auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist?

24.      Nach Einreichung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof mit Schreiben vom 3. Mai 2022 eine Kopie der Entscheidung des Alkotmánybíróság (Verfassungsgerichtshof, Ungarn) vom 25. Januar 2022, mit der dieser die Bezugnahme auf wiederholte Verfahren nach § 271 Abs. 1 der neuen Besteuerungsordnung für nichtig erklärt hat, sowie eine Kopie einer zweiten Entscheidung des Alkotmánybíróság (Verfassungsgerichtshof) vom 26. April 2022, die ebenfalls in diesem Sinne ergangen ist, übermittelt.

25.      Mit Schreiben vom 30. Juni 2022 ist das vorlegende Gericht vom Gerichtshof mit einem Auskunftsersuchen aufgefordert worden, unter Berücksichtigung bestimmter ursprünglich gemachter Angaben zu bestätigen, dass das Ausgangsverfahren nach der Entscheidung des Alkotmánybíróság (Verfassungsgerichtshof), den Verweis auf wiederholte Verfahren in § 271 Abs. 1 der neuen Besteuerungsordnung für nichtig zu erklären, jedenfalls nicht verjährt sei.

26.      Mit Schreiben vom 7. Juli 2022 hat das vorlegende Gericht im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des Alkotmánybíróság (Verfassungsgerichtshof) lediglich bewirkt habe, dass das Recht der Steuerverwaltung auf Festsetzung des für den geprüften Zeitraum im Jahr 2010 abzuführenden Mehrwertsteuerbetrags verjährt sei. Für das Steuerjahr 2011 hingegen hänge die Frage, ob das Handeln der Steuerverwaltung verjährt sei, von der Antwort des Gerichtshofs ab.

27.      Die Klägerin, die ungarische und die spanische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Parteien äußerten sich darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2022.

 Prüfung

 Vorbemerkungen

28.      Zunächst ist festzustellen, dass es im Ausgangsverfahren nicht darum geht, ob die Verjährungsfrist, innerhalb deren der Steuerpflichtige sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben oder die Steuerverwaltung die von einem Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärungen in Frage stellen kann, als solche mit dem Unionsrecht vereinbar ist, sondern darum, ob die Hemmung einer solchen Frist im Fall von Gerichtsverfahren, und zwar unabhängig von den Gründen, aus denen die Gerichtsverfahren gegebenenfalls wiederholt werden mussten, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

29.      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich die vorliegende Rechtssache in einen besonderen Kontext einfügt, in dem im Rahmen desselben Steuerstreits mehrere Verwaltungs- und Gerichtsverfahren aufeinanderfolgten, ohne dass diese Rechtssache aus Gründen, die nach Ansicht des vorlegenden Gerichts der Steuerverwaltung zuzurechnen sind, endgültig entschieden werden konnte und ohne dass die in Rede stehende Steuerregelung einen solchen Fall vorsieht und Abhilfe schaffen kann.

30.      Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass nach der in Rede stehenden mitgliedstaatlichen Praxis, wenn mehrere gerichtliche Kontrollen aufeinanderfolgten, die Gesamtdauer der Hemmung nicht begrenzt sei, auch wenn das Gericht, das über eine auf eine frühere Gerichtsentscheidung hin im Rahmen eines neuen Verfahrens ergangene Entscheidung der Steuerbehörde entscheide, feststelle, dass die Steuerbehörde den in der vorausgegangenen gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Vorgaben nicht nachgekommen und dass das neue Gerichtsverfahren durch das Verschulden dieser Behörde zustande gekommen sei.

31.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob in einem solchen Fall die ungarische Gesetzgebung und Praxis im Bereich der im Wesentlichen unbegrenzten Hemmung von Verjährungsfristen mit dem Unionsrecht vereinbar sind und inwieweit diese die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Effektivität beeinträchtigen können. Dieses Gericht stellt im Übrigen fest, dass sich die Ausübung des in der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Rechts auf Vorsteuerabzug insbesondere in Fällen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als übermäßig schwierig erweisen könnte, in denen die Steuerverwaltung neue Entscheidungen erlässt, ohne früheren Entscheidungen der zuständigen Gerichte nachzukommen, und zwar innerhalb kurzer Zeit nach den Entscheidungen, mit denen neue Verfahren angeordnet werden, so dass die Verjährungsfrist für das Recht auf Steuerfestsetzung aufgrund der Hemmung der Verjährung bei der gerichtlichen Überprüfung erheblich verlängert werden könnte.

32.      In einem solchen Kontext, in dem es nicht offensichtlich erscheint, dass die fragliche Situation nicht nur (und unmittelbar) auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften, sondern vielmehr auf das Verhalten oder gar ein Verschulden der Steuerverwaltung sowie potenziell der nationalen Gerichte zurückgeführt werden kann, halte ich es für angebracht, diese beiden Aspekte im Rahmen der vorliegenden Schlussanträge getrennt zu prüfen.

 Zur Vereinbarkeit der Regelung über die Hemmung der Verjährungsfrist mit dem Unionsrecht

33.      Bevor die Vereinbarkeit der ungarischen Rechtsvorschriften mit den Grundsätzen der Effektivität und der Rechtssicherheit des Unionsrechts, wie vom vorlegenden Gericht erbeten, geprüft wird, ist zu untersuchen, ob diese Regelung in den Anwendungsbereich spezifischer Vorschriften des Unionsrechts im Steuerbereich fällt.

 Zur Anwendbarkeit der Mehrwertsteuerrichtlinie

34.      Einleitend ist festzuhalten, dass ungeachtet der Tatsache, dass die vorliegende Rechtssache Teil eines Mehrwertsteuerrechtsstreits ist, die Vorlagefrage nicht die Auslegung einer Bestimmung der Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft. Insoweit beschränkt sich diese Richtlinie darauf, die materiellen und formellen Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug(7) festzulegen, ohne eine Frist vorzusehen, innerhalb deren Steuerpflichtige einen Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer stellen können oder innerhalb derer die Erstattung erfolgen muss, sobald feststeht, dass ein Anspruch auf Erstattung(8) eines bestimmten gezahlten Steuerbetrags besteht.

 Zur Anwendbarkeit der Verordnung Nr.°2988/95

35.      Erstens ist festzustellen, dass die Verordnung Nr.°2988/95 nach ihrem Anwendungsbereich alle von der Verwaltung festgestellten „Unregelmäßigkeiten“ und „jeden Verstoß gegen eine [Unions-]bestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers“ erfasst, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan und die Eigenmittel der [Union] bewirken würde.

36.      Der Gerichtshof urteilte jedoch, dass die Eigenmittel der Union insbesondere die Einnahmen umfassen, die sich aus der Anwendung eines einheitlichen Satzes auf die nach den Unionsvorschriften bestimmte einheitliche Mehrwertsteuer-Eigenmittelbemessungsgrundlage ergeben, und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einerseits der Erhebung der Mehrwertsteuereinnahmen unter Beachtung des einschlägigen Unionsrechts und andererseits der Zurverfügungstellung geeigneter Mehrwertsteuermittel für den Haushalt der Union besteht, da jedes Versäumnis bei der Erhebung Ersterer potenziell zu einer Verringerung Letzterer führt(9). Daraus könnte abgeleitet werden, dass die Verjährungsfrist, innerhalb derer die nationalen Steuerverwaltungen den korrekten Betrag der für einen bestimmten Zeitraum abzuführenden Mehrwertsteuer ermitteln können, unter die Verordnung Nr.°2988/95 fällt.

37.      Was zweitens die Verjährungsfristen betrifft, sieht Art.°3 Abs.°1 der Verordnung Nr.°2988/95 in Bezug auf die von dieser Verordnung erfassten „Unregelmäßigkeiten“ eine Verjährungsfrist von vier Jahren für die Verfolgung vor. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erstreckt sich die in diesem Artikel vorgesehene Verjährungsfrist sowohl auf Unregelmäßigkeiten, die zur Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion im Sinne von Art.°5 der Verordnung führen, als auch auf solche, die Gegenstand einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme im Sinne von Art.°4 dieser Verordnung sind, die den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils zum Gegenstand hat, ohne jedoch Sanktionscharakter zu haben(10).

38.      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Verordnung Nr.°2988/95, insbesondere ihres Art.°3 Abs.°1 Unterabs.°1, nur eine Mindestfrist festlegen wollte, die in allen Mitgliedstaaten anzuwenden ist. Gemäß Art.°3 Abs.°3 dieser Verordnung können die Mitgliedstaaten nämlich längere Verjährungsfristen als die in Art.°3 Abs.°1 dieser Verordnung festgelegte Frist von vier Jahren anwenden(11). Da diese Möglichkeit implizit, aber notwendigerweise an die Bedingung geknüpft ist, dass die gewählten Fristen angemessen sind, muss jede längere Dauer daher nach denselben Grundsätzen geprüft werden, die auch für Fristen gelten, die nicht unter diese Verordnung fallen(12).

39.      Drittens ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr.°2988/95 in ihrem Art.°3 Abs.°1 Unterabs.°1 Regeln für die Berechnung von Fristen aufstellt. Zum einen sieht nämlich Art.°3 Abs.°1 Unterabs.°3 dieser Verordnung vor, dass die Verfolgungsverjährung, wobei die Rechtsprechung der Verfolgung im weiteren Sinne jede Form von Maßnahmen seitens der Verwaltung gleichsetzt, durch jede Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung unterbrochen wird. Zum anderen besagt Art.°3 Abs.°1 Unterabs.°4 der Verordnung, dass die Verjährung spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat; diese Bestimmung ist vom Gerichtshof so ausgelegt worden, dass sie eine absolute Grenze(13) festlegt, wobei als einzige Ausnahme ausdrücklich die Aussetzung im Fall eines Strafverfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 anerkannt wird. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall offenbar nicht der Fall, wie sich sowohl aus dem Vorabentscheidungsersuchen als auch aus der diesbezüglichen Antwort der ungarischen Regierung in der mündlichen Verhandlung ergibt.

40.      Darüber hinaus deckt diese Verordnung nur Verwaltungsverfahren ab, und keine ihrer Bestimmungen erstreckt sich auf die Dauer von Gerichtsverfahren, die von einer Partei eingeleitet werden, gegen die eine Verwaltungssanktion verhängt wurde, oder auf die Hemmung von Verjährungsfristen im Fall einer gerichtlichen Überprüfung.

41.      Aus dem Vorstehenden folgt, dass, selbst wenn die Verordnung Nr.°2988/95 auf nationale Vorschriften zur Festlegung der Verjährungsfrist, innerhalb derer die nationalen Steuerbehörden die Steuer festsetzen können, Anwendung finden kann, eine Regelung wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende, die eine Hemmung der Verjährungsfrist für die Festsetzung des Mehrwertsteuerbetrags während des gesamten Zeitraums der gerichtlichen Überprüfungen vorsieht, von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen ist.

 Zur Prüfung der in Rede stehenden Regelung anhand der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts

42.      In Ermangelung einer einschlägigen Unionsregelung und da weder die Mehrwertsteuerrichtlinie noch die Verordnung Nr.°2988/95 spezifische Vorschriften enthalten, die eine Antwort auf die vorgelegte Vorlagefrage ermöglichen, obliegt es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, die Vorschriften über die Verjährung von Gerichtsverfahren und die Hemmung dieser Fristen im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten und insbesondere den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität festzulegen, wobei diese Staaten ihre Befugnisse unter Beachtung des Unionsrechts ausüben müssen(14).

43.      Insoweit hat sich das vorlegende Gericht in der Formulierung seiner Vorlagefrage zwar nur auf den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz der Effektivität bezogen, doch hindert dieser Umstand nicht daran, sowohl im Rahmen der vorliegenden Prüfung als auch bei der vom Gerichtshof vorzunehmenden Prüfung andere allgemeine Grundsätze des Unionsrechts zu berücksichtigen, die im Rahmen der vorliegenden Rechtssache relevant sein können.

44.      Was erstens den Äquivalenzgrundsatz betrifft, so verlangt dieser, dass die im nationalen Recht vorgesehenen Verfahrensmodalitäten für die Durchführung des Unionsrechts nicht restriktiver sind als die zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts, das einen ähnlichen Gegenstand oder Rechtsgrund hat. Im Fall von Verjährungsvorschriften setzt seine Einhaltung voraus, dass es neben der fraglichen Verjährungsvorschrift eine auf innerstaatliche Sachverhalte anwendbare Verjährungsvorschrift gibt, die unter Berücksichtigung ihres Gegenstands und ihrer wesentlichen Elemente als gleichartig angesehen werden kann(15).

45.      Insoweit ist festzustellen, dass weder aus dem vom vorlegenden Gericht geschilderten Sachverhalt noch aus den schriftlichen Erklärungen der Parteien oder den in der mündlichen Verhandlung gemachten Ausführungen hervorgeht, dass die in der ungarischen Besteuerungsordnung (einschließlich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung) enthaltene Verfahrensregelung in Bezug auf die Verjährungsfristen weniger günstig ist als die für innerstaatliche Sachverhalte geltende Regelung und dass diese Regelung sowohl auf Klagen, die auf einen Verstoß gegen das Unionsrecht gestützt werden, als auch auf gleichartige Klagen, die auf einen Verstoß gegen das innerstaatliche Recht gestützt werden, anwendbar ist.

46.      Was zweitens den Grundsatz der Effektivität betrifft, so bedeutet dieser, dass die Bestimmungen, die das nationale Verfahren regeln, die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen(16).

47.      Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen der Mehrwertsteuerrichtlinie einer doppelten Verpflichtung unterliegen. So müssen sie einerseits dafür sorgen, dass Steuerpflichtige ihr Recht auf Vorsteuerabzug tatsächlich ausüben können, ohne durch verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Vorschriften daran gehindert zu werden, die mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar sind. Andererseits sind sie verpflichtet, alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die geeignet sind, die Erhebung der gesamten in ihrem Hoheitsgebiet geschuldeten Mehrwertsteuer zu gewährleisten und Steuerhinterziehung und -umgehung zu bekämpfen(17).

48.      Während die Klägerin im vorliegenden Fall jedoch geltend macht, dass ihr Recht auf Vorsteuerabzug eingeschränkt worden sei, geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Steuerbehörde das Vorliegen eines Steuerbetrugs festgestellt hat und diese Einschätzung in den bisherigen Urteilen im Ausgangsverfahren noch nicht in Frage gestellt worden zu sein scheint. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Mitgliedstaat die Erstattung der Mehrwertsteuer grundsätzlich aussetzen kann, bis der Rechtsstreit im Rahmen eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens endgültig beigelegt wurde, da die Verweigerung des Rechts auf Vorsteuerabzug stets dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen muss(18), was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

49.      Des Weiteren ist das Bestehen einer Verjährungsfrist in Steuersachen sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Steuerverwaltung von Interesse, da die Festlegung angemessener Fristen sowohl den Steuerpflichtigen als auch die Steuerverwaltung schützen soll, wobei die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird.

50.      In diesem Zusammenhang ist einerseits zwischen der Frist, innerhalb deren Steuerpflichtige ihr Recht auf Vorsteuerabzug ausüben können, und andererseits der Verjährungsfrist, innerhalb deren die Steuerverwaltung handeln kann, zu unterscheiden(19). So hat der Gerichtshof in einigen Urteilen zugelassen, dass für das Handeln der Verwaltung andere Fristen als für Privatpersonen gelten können(20). In Bezug auf die Verjährungsfrist, die für die Steuerverwaltung gilt, hatte der Gerichtshof bereits Gelegenheit zu entscheiden, dass eine Frist von fünf Jahren, die mit dem Datum beginnt, an dem die Erklärung grundsätzlich abgegeben werden muss, dem Grundsatz der Effektivität entspricht(21).

51.      Es ist jedoch klarzustellen, dass die Problematik einer möglichen Beschränkung der Ausübung des Rechts der Klägerin auf Vorsteuerabzug in der vorliegenden Rechtssache zwar hervorgehoben wird, diese aber nicht unmittelbar die Vereinbarkeit der für dieses Recht geltenden Verfahrensregeln mit dem Unionsrecht betrifft, sondern die nationale Regelung, nach der sich die Verjährungsfrist für das Handeln der Steuerverwaltung bestimmt.

52.      Was schließlich die Hemmung der Verjährung während des Gerichtsverfahrens betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Vorhandensein von Gründen, die die Verjährungsfrist unterbrechen, gerade die Einhaltung des Grundsatzes der Effektivität gewährleisten soll, indem sichergestellt wird, dass die Verjährungsfrist während des Gerichtsverfahrens nicht abläuft, obwohl die durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte durch den Steuerpflichtigen ausgeübt werden. Außerdem soll die Hemmung der Verjährung während des Gerichtsverfahrens der Steuerbehörde die Möglichkeit geben, das Ergebnis der gerichtlichen Überprüfung zu berücksichtigen. Ohne eine solche Regelung könnte das Recht, einen Rechtsbehelf einzulegen, missbraucht werden, da die Steuerverwaltung bei Eintritt der Verjährung während eines etwaigen Gerichtsverfahrens (dessen Dauer grundsätzlich nicht genau festgelegt ist und jedenfalls nicht von den Maßnahmen der Steuerbehörden, sondern vom Gerichtsverfahren abhängt) nicht in der Lage wäre, Feststellungen zu treffen, selbst wenn ihre Entscheidung sich im Übrigen sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig erweisen sollte.

53.      Was drittens den Grundsatz der Rechtssicherheit betrifft, so ist daran zu erinnern, dass Verjährungsfristen generell die Funktion erfüllen, Rechtssicherheit zu gewährleisten, und dass die Regeln, die diese Fristen vorsehen, um diese Funktion zu erfüllen, im Voraus festgelegt und hinreichend klar und präzise sein müssen, um die Vorhersehbarkeit von Situationen und Rechtsverhältnissen zu gewährleisten (22). Im Übrigen sollen die Vorschriften über die Verjährungsfristen im Steuerrecht sicherstellen, dass die steuerliche Situation eines Steuerpflichtigen gegenüber der Steuerverwaltung nicht unbegrenzt lange offenbleiben kann(23).

54.      Im vorliegenden Fall wird jedoch nicht bestritten, dass die Vorschriften über die Verjährung und die Unterbrechung von Fristen den Steuerpflichtigen bekannt sind, die wissen, dass die Inanspruchnahme der ihnen zustehenden Garantien, wie z. B. das Recht, einen Rechtsbehelf einzulegen, zur Hemmung der Verjährung führen kann.

55.      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften über rechtsvernichtende Verjährung gerade verhindern sollen, dass eine Rechtslage unbegrenzt lange offenbleiben kann. Der Mechanismus der rechtsvernichtenden Verjährung zielt nämlich darauf ab, die Rechte nicht auf unbestimmte Zeit ungewiss zu lassen und ihre Aufgabe durch ihren Inhaber zu sanktionieren. Dieser Mechanismus muss jedoch Gründe für die Unterbrechung der Verjährungsfrist vorsehen, insbesondere im Fall der Ausübung der Rechte durch ihre Inhaber, genauer gesagt der Einlegung von Rechtsbehelfen, da dieser Mechanismus gerade darauf beruht, dass die Rechtsinhaber ihre Rechte nicht ausüben oder dass, wenn sie beschließen, von ihnen Gebrauch zu machen, eine solche Entscheidung eine Verzögerung des Verfahrens bedeutet. Daraus folgt, dass die Hemmung der Verjährung, wenn ein Steuerpflichtiger diese Rechte ausübt, grundsätzlich nicht als ein Umstand angesehen werden kann, der diese Rechte (unbestimmt lange) offenlässt, da diese Hemmung an die Einleitung eines neuen Verfahrens geknüpft ist, das sich vom Verwaltungsverfahren unterscheidet, nämlich des Verfahrens der gerichtlichen Überprüfung, für das andere Regeln, einschließlich eigener Verfahrensfristen, gelten(24).

56.      Der Gerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit einer Praxis der nationalen Steuerbehörden nicht entgegensteht, wonach diese eine Entscheidung, mit der sie das Recht eines Steuerpflichtigen auf Abzug der Mehrwertsteuer anerkannt haben, innerhalb der Ausschlussfrist zurücknehmen und im Anschluss an eine erneute Prüfung die Zahlung dieser Steuer nebst Säumniszuschlag von ihm fordern(25). Wenn eine solche Praxis der Steuerverwaltung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens (und ohne Eingreifen eines Gerichtsurteils) dahin beurteilt wurde, dass sie die steuerliche Situation des Steuerpflichtigen nicht unbegrenzt in Frage stellt, besteht kein Zweifel daran, dass die Tatsache, dass die Steuerverwaltung neue Entscheidungen erlässt, um die ergangenen Urteile umzusetzen, an sich keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit darstellen kann.

57.      Nach alledem stehen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Effektivität einer nationalen Regelung nicht entgegen, die vorsieht, dass die Verjährung im Fall der Ausübung des Rechts auf Einlegung eines Rechtsbehelfs durch den Steuerpflichtigen während der gesamten Dauer des gerichtlichen Verfahrens gehemmt wird und dass sie verlängert wird, wenn die Steuerverwaltung zur Durchführung eines neuen Verfahrens verurteilt wird. Andernfalls könnte die Verjährung auch während des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere auch während des Verfahrens im Zusammenhang mit dem Vorabentscheidungsersuchen, eintreten (und zwar auch dann, wenn die Entscheidung der Steuerverwaltung vollkommen begründet ist), wodurch dieses Verfahren gegenstandslos würde, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit genommen würde, von seinem Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs Gebrauch zu machen, und die Steuerverwaltung im Übrigen daran gehindert würde, sich in Umsetzung der Entscheidung des nationalen Gerichts zur steuerlichen Situation des Steuerpflichtigen zu äußern.

 Zur Praxis der ungarischen Verwaltung hinsichtlich der Hemmung der Verjährung

58.      Aus den vom vorlegenden Gericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass die Verzögerung des Verfahrens teilweise der Steuerverwaltung zuzurechnen ist, da diese die in der einschlägigen Gerichtsentscheidung enthaltenen Hinweise nicht beachtet hat, als sie eine neue Entscheidung erließ. Wird das Steuerverfahren, in dem die finanziellen und materiellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug geprüft werden, ungerechtfertigt auf unabsehbare Zeit verzögert, führt dies nach Auffassung des vorlegenden Gerichts dazu, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug (der Mehrwertsteuer) übermäßig erschwert wird(26).

59.      Vor diesem Hintergrund und obwohl das vorlegende Gericht keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, stellt sich erstens die Frage, ob der Grundsatz der guten Verwaltung im vorliegenden Fall relevant ist.

60.      Der Gerichtshof hat nämlich in seiner Rechtsprechung bereits festgestellt, dass, sobald ein Mitgliedstaat das Unionsrecht umsetzt, die Anforderungen, die sich aus dem Recht auf eine gute Verwaltung ergeben, das einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts widerspiegelt, und insbesondere das Recht jeder Person, dass ihre Angelegenheiten unparteiisch und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden, im Rahmen eines Steuerprüfungsverfahrens Anwendung finden müssen(27). Der Gerichtshof stellte auch fest, dass dieser Grundsatz der guten Verwaltung von einer Verwaltungsbehörde wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerverwaltung verlangt, im Rahmen der ihr obliegenden Prüfungspflichten eine sorgfältige und unparteiische Prüfung aller relevanten Aspekte vorzunehmen, um sicherzustellen, dass sie beim Erlass der endgültigen Entscheidung über möglichst vollständige und verlässliche Informationen verfügt(28).

61.      Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts (dem allein alle Umstände des Ausgangsverfahrens bekannt sind), festzustellen, ob die Komplexität dieses Falles zu einer Verzögerung des Verfahrens geführt haben könnte oder ob die Wiederholung der Steuerverfahren und die mehrfache Hemmung der Verjährung auf ein Versäumnis der Steuerverwaltung zurückgeführt werden können und inwieweit dieses Vorgehen der Klägerin einen Schaden verursacht haben könnte. Nicht jeder Fehler oder jeder erfolglose Versuch der Steuerverwaltung, einer gerichtlichen Entscheidung nachzukommen, stellt jedoch als solcher ein Verschulden dieser Verwaltung dar, das geeignet ist, die Bestimmungen über die Hemmung der Verjährung in Frage zu stellen, selbst wenn dies mehr als nur einmal vorgekommen sein sollte.

62.      Zweitens ist festzustellen, dass die ungarische Regierung in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass die nationalen Gerichte über die erforderlichen Mittel verfügten, die es ihnen grundsätzlich ermöglichten, einer Situation wie der vorliegenden abzuhelfen. Sollte die Steuerverwaltung den von einem nationalen Gericht an sie gerichteten Anordnungen nicht nachkommen (aus Gründen, die ihr unmittelbar zuzurechnen sind), könnte das Gericht nach Ansicht dieser Regierung den ihm vorgelegten Fall „an sich ziehen“ und darüber entscheiden, indem es eine von der Steuerverwaltung erlassene Entscheidung ändert und damit den Rechtsstreit endgültig abschließt.

63.      Ιn diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union u. a. vorsieht, dass jede Person ein Recht darauf hat, dass über ihre Sache innerhalb einer angemessenen Frist entschieden wird. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Angemessenheit der Urteilsfrist anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache und insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens des Klägers und der zuständigen Behörden zu beurteilen(29).

64.      Das nationale Gericht muss daher auch prüfen, inwiefern die Verzögerung des Verfahrens den nationalen Gerichten angelastet werden könnte, wenn sich herausstellen sollte, dass diese, obwohl sie über Mittel verfügen, um eine solche Situation zu beheben, diese nicht genutzt haben. In einem solchen Fall ist es Sache des zuständigen nationalen Gerichts, zu prüfen, ob der Klägerin ein Schadensersatz wegen einer Verzögerung oder eines Versäumnisses zuzusprechen ist, die nicht nur den Steuerbehörden, sondern auch den nationalen Gerichten zuzurechnen ist.

65.      Aus dem Vorstehenden folgt, dass es Sache des zuständigen nationalen Gerichts ist, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wie der Komplexität der Rechtssache, zu beurteilen, ob die Wiederholung des Steuerverfahrens und die betreffenden gerichtlichen Prüfungen hauptsächlich aufgrund von Versäumnissen der Steuerverwaltung durchgeführt wurden oder ob diese Verzögerung den nationalen Gerichten angelastet werden kann, und daraus die erforderlichen Schlussfolgerungen zu ziehen, einschließlich des Bestehens eines etwaigen Anspruchs auf Schadensersatz zugunsten des betreffenden Steuerpflichtigen.

 Ergebnis

66.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage des Szegedi Törvényszék (Gerichtshof Szeged, Ungarn) wie folgt zu antworten:

Die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Effektivität des Unionsrechts sind dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der im Bereich der Mehrwertsteuer die Verjährungsfrist für die Steuerfestsetzungsbefugnis der Steuerbehörde während der gesamten Dauer der betreffenden gerichtlichen Überprüfung gehemmt ist, auch wenn sich diese Überprüfung gegen aufeinanderfolgende Entscheidungen einer Steuerbehörde richtet, die sich auf dieselbe Steuer beziehen.

Es ist jedoch Sache des zuständigen nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wie der Komplexität der Rechtssache, zu beurteilen, ob die Wiederholung des Steuerverfahrens und die betreffenden gerichtlichen Prüfungen hauptsächlich aufgrund von Versäumnissen der Steuerverwaltung erfolgt sind oder ob diese Verzögerung den nationalen Gerichten zugerechnet werden kann, und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen, einschließlich des Bestehens eines etwaigen Anspruchs auf Schadensersatz zugunsten des betreffenden Steuerpflichtigen.


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2006, L 347, S. 1.


3      ABl. 1995, L 312, S. 1.


4      Magyar Közlöny 2003/131, 14. November 2003, S. 9990.


5      Magyar Közlöny 2017/192, 22. November 2017, S. 31694.


6      Magyar Közlöny 2017/192, 22. November 2017, S. 31586.


7      Die Mehrwertsteuerrichtlinie regelt diese materiellen und formellen Voraussetzungen in Titel X Kapitel 1 („Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug“, Art.°168 ff.) und Kapitel 4 („Einzelheiten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug“, Art. 178 ff.).


8      Urteil vom 14.°Februar 2019, Nestrade (C-562/17, EU:C:2019:115, Rn. 35).


9      Urteile vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C-617/10, EU:C:2013:105, Rn. 26), und vom 8.°September 2015, Taricco u. a. (C-105/14, EU:C:2015:555, Rn. 38).


10      Urteile vom 24.°Juni 2004, Handlbauer (C-278/02, EU:C:2004:388, Rn.°33 und 34), und vom 17.°September 2014, Cruz & Companhia (C-341/13, EU:C:2014:2230, Rn.°45).


11      Vgl. Urteil vom 7.°April 2022, IFAP (C-447/20 und C-448/20, EU:C:2022:265, Rn.°48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2014, Cruz & Companhia (C-341/13, EU:C:2014:2230, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).


13      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 2017, Glencore Céréales France (C-584/15, EU:C:2017:160, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14      Urteil vom 28.°Juli 2016, Astone (C-332/15, EU:C:2016:614, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15      Urteil vom 20.°Dezember 2017, Caterpillar Financial Services (C-500/16, EU:C:2017:996, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16      Urteil vom 15.°März 2017, Aquino (C-3/16, EU:C:2017:209, Rn. 52).


17      Vgl. Art.°273 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Urteil vom 26.°Februar 2013, Åkerberg Fransson (C-617/10, EU:C:2013:105, Rn. 25 und 26).


18      Urteil vom 18.°Dezember 1997, Molenheide u.°a. (C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96, EU:C:1997:623, Rn. 54 und 55).


19      Einerseits ermöglicht das Bestehen einer Verjährungsfrist dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Ausübung seiner Rechte, die Entscheidungen der Steuerverwaltung anzufechten, um die Erstattung von Zahlungen zu beantragen und gegebenenfalls zu erhalten, die zu Unrecht geleistet wurden oder in den spezifischen Regelungen für jede Steuer vorgesehen sind. Andererseits ermöglicht die Verjährungsfrist den Steuerbehörden, die notwendigen Kontrollen durchzuführen, um die steuerliche Situation eines Steuerpflichtigen zu bestimmen sowie Unregelmäßigkeiten und Missbrauch, die möglicherweise aufgetreten sind, und deren Folgen zu identifizieren, um einen Verlust von Mehrwertsteuereinnahmen zu vermeiden.


20      Vgl. u. a. Urteil vom 8. Mai 2008, Ecotrade (C-95/07 und C-96/07, EU:C:2008:267, Rn. 49 bis 54), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass der Effektivitätsgrundsatz im Fall einer nationalen Verjährungsfrist, die für die Steuerverwaltung angeblich günstiger ist als diejenige, die den Einzelnen entgegengehalten werden kann, nicht verletzt wird.


21      Urteile vom 8. September 2011, Q-Beef und Bosschaert (C-89/10 und C-96/10, EU:C:2011:555, Rn. 37), und vom 20. Dezember 2017, Caterpillar Financial Services (C-500/16, EU:C:2017:996, Rn. 43).


22      Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar (C-349/17, EU:C:2019:172, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Urteil vom 20. Mai 2021, BTA Baltic Insurance Company (C-230/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:410, Rn. 46).


24      Die für das Gerichtsverfahren, dessen Einleitung die Hemmung der Verjährung bewirkt, geltende Frist richtet sich nämlich nicht nach dem Steuerrecht, sondern nach den Vorschriften für Gerichtsverfahren.


25      Vgl. z. B. Urteil vom 9. Juli 2015, Salomie und Oltean (C-183/14, EU:C:2015:454, Rn. 40 und 41).


26      Diese Feststellung wird auch von der Klägerin geteilt, die geltend macht, dass die Langsamkeit des Verfahrens auf Mängel bei der Prüfung des Sachverhalts durch die Steuerverwaltung zurückzuführen sei, die letztlich zu Unterbrechungen der Verjährungsfrist geführt hätten.


27      Urteil vom 14. Mai 2020, Agrobet CZ (C-446/18, EU:C:2020:369, Rn. 43).


28      Urteil vom 14. Mai 2020, Agrobet CZ (C-446/18, EU:C:2020:369, Rn. 44).


29      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission (C-120/06 P und C-121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 212 und die dort angeführte Rechtsprechung).