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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61994C0004

Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 26. Januar 1995. - BLP GROUP PLC GEGEN COMMISSIONERS OF CUSTOMS & EXCISE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN'S BENCH DIVISION - VEREINIGTES KOENIGREICH. - MEHRWERTSTEUER - AUSLEGUNG DES ARTIKELS 2 DER RICHTLINIE 67/227/EWG UND DES ARTIKELS 17 ABSATZ 2 DER RICHTLINIE 77/388/EWG - ABZUG DER VORSTEUER AUF GEGENSTAENDE ODER DIENSTLEISTUNGEN, DIE MIT STEUERFREIEN UMSAETZEN IN ZUSAMMENHANG STEHEN. - RECHTSSACHE C-4/94.

Sammlung der Rechtsprechung 1995 Seite I-00983


Schlußanträge des Generalanwalts


++++

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

A ° Einführung

1. Die Queen' s Bench Division des High Court of Justice für England und Wales hat den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Auslegung von Vorschriften der Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967, der Ersten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern(1) (im folgenden: Erste Richtlinie) und der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977, der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ° Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage(2) (im folgenden: Sechste Richtlinie) gebeten.

2. In dem dem High Court unterbreiteten Fall ist ein von der britischen Firma BLP Group Plc (im folgenden: BLP) gestellter Antrag zu beurteilen, von der auf ihre besteuerten Umsätze zu zahlenden Mehrwertsteuer gewisse Mehrwertsteuerbeträge abzuziehen, die auf Dienstleistungshonorare entfallen, die ihr aus Anlaß eines Verkaufs von Gesellschaftsanteilen in Rechnung gestellt worden sind. Die zuständige Steuerverwaltung hatte diesen Antrag abgelehnt, da die Dienstleistungen für einen steuerfreien Umsatz verwendet worden seien, was den Abzug der Vorsteuer ausschließe. Die Vorlagefragen betreffen daher die Voraussetzungen und Modalitäten des Anspruchs auf Vorsteuerabzug.

3. Dieser Anspruch gehört zu den in Artikel 2 der Ersten Richtlinie aufgeführten wesentlichen Merkmalen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. In Absatz 2 dieser Vorschrift heisst es nämlich:

"Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzueglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat."(3)

4. Diese Vorschrift wird durch die Artikel 17 ff. der Sechsten Richtlinie konkretisiert. In Artikel 17 heisst es:

"(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.

(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,

(...)

(5) Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.

Jedoch können die Mitgliedstaaten

(...)

c) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;

(...)."

5. Artikel 19 bestimmt u. a.:

"(1) Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:

° im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzueglich der Mehrwertsteuer;

° im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzueglich der Mehrwertsteuer. Die Mitgliedstaaten können in den Nenner auch die Subventionen einbeziehen, die nicht in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a) genannt sind.

Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet.

(2) In Abweichung von Absatz 1 bleibt der Umsatzbetrag bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs ausser Ansatz, der auf die Lieferung von Investitionsgütern entfällt, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden. Ausser Ansatz bleiben auch die Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücks- und Finanzgeschäfte sowie die in Artikel 13 Teil B Buchstabe d) genannten Umsätze, wenn es sich um Hilfsumsätze handelt. (...)"

6. Aus der Vorlageentscheidung geht ausserdem hervor, daß die BLP und die zuständige Steuerbehörde (Commissioners of Customs and Excise; im folgenden: Commissioners) eine besondere Methode zur Ermittlung des abzugsfähigen Teils der Vorsteuer auf Gegenstände oder Dienstleistungen vereinbart haben, die nicht in vollem Umfang zur Erbringung besteuerter Lieferungen oder Dienstleistungen verwendet worden sind und die nicht in vollem Umfang zur Erbringung steuerfreier Lieferungen oder Dienstleistungen (oder zur Vornahme einer anderen Tätigkeit als der Erbringung besteuerter Lieferungen oder Dienstleistungen) verwendet worden sind. Nach dieser besonderen Methode wird die Vorsteuer auf der Grundlage des Verhältnisses zwischen dem Wert der besteuerten und dem der gesamten Umsätze aufgeteilt. Jedoch wird in dieser Berechnung der Wert von Hilfsumsätzen im Bereich der Finanzgeschäfte ausser acht gelassen und die hierauf entfallende Vorsteuer diesen Umsätzen unmittelbar zugeordnet.

7. Was die Einzelheiten des Ausgangsrechtsstreits angeht, so ergibt sich aus der Vorlageentscheidung folgendes.

8. Die BLP ist als Verwaltungs-/Holdinggesellschaft tätig. Sie übt die Kontrolle über eine Reihe von Handelsgesellschaften aus, die Waren zur Verwendung in der Möbel- und Heimwerkerindustrie herstellen, und erbringt für diese Verwaltungsdienstleistungen.

9. 1989 erwarb die BLP die Anteile(4) an einem deutschen Unternehmen namens Berg Mantelprofilwerk GmbH (im folgenden: Firma Berg).

10. Im Mai 1991 entschieden die Direktoren der BLP angesichts der schlechten finanziellen Situation der Gesellschaft, daß die Anteile an der Firma Berg verkauft werden sollten. Im Juni 1991 veräusserte die BLP 95 % dieser Anteile. Der Erlös aus dem Verkauf wurde zur Tilgung der Bankschulden der BLP verwendet.

11. In ihrer Mehrwertsteuererklärung für den Zeitraum bis 30. September 1991 beanspruchte die BLP einen Abzug von der für ihre Umsätze zu entrichtenden Mehrwertsteuer in Höhe der Mehrwertsteuer, die in drei Rechnungen über Dienstleistungen ihrer Bank, ihrer Rechtsanwälte und ihrer Steuerberater enthalten war. Den drei Rechnungen zufolge wurden die fraglichen Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Veräusserung der Anteile an der Firma Berg erbracht.

12. Die BLP und die Commissioners waren sich darüber einig, daß die Veräusserung der Anteile an der Firma Berg im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne eine steuerfreie Lieferung der BLP darstellte und daß Vorsteuer, die für Dienstleistungen gezahlt wurde, die in vollem Umfang einer steuerfreien Lieferung zuzuordnen sind, nicht abgezogen werden kann.

13. Der Gesamtbetrag, dessen Abzug die BLP als Vorsteuer wegen der empfangenen Dienstleistungen begehrte, belief sich auf 45 975 UKL(5). Die Commissioners gestatteten der BLP den Abzug von 6 120 UKL, die sich auf Dienstleistungen bezögen, die vor der Entscheidung über die Veräusserung der Anteile erbracht worden seien, und die daher zu den allgemeinen Geschäftskosten der BLP gehörten. Die Commissioners verweigerten der BLP den Abzug der verbleibenden 39 845 UKL mit der Begründung, daß sie sich auf Dienstleistungen bezögen, die im Zusammenhang mit der Veräusserung der Anteile erbracht worden seien, und daß die Veräusserung der Anteile mehrwertsteuerrechtlich gesehen eine steuerfreie Lieferung gewesen sei, im Zusammenhang mit der keine Vorsteuer abgezogen werden könne.

14. Gegen die Entscheidung der Commissioners erhob die BLP beim Londoner Valü Added Tax Tribunal (im folgenden: Tribunal) Klage, in der sie sich einerseits auf eine Verletzung der Artikel 17 und 19 der Sechsten Richtlinie und andererseits auf eine Verletzung der besonderen Methode berief. Das Tribunal wies das auf die Artikel 17 und 19 der Sechsten Richtlinie gestützte Vorbringen zurück und entschied im Hinblick auf die besondere Methode, daß die fragliche Veräusserung der Gesellschaftsanteile einen Hilfsumsatz im Bereich der Finanzgeschäfte darstelle. Welche Folgen sich aus der letztgenannten Qualifikation ergaben, ermittelte das Tribunal nicht abschließend.

15. Gegen diese Entscheidung legte die BLP bei dem vorlegenden Gericht Rechtsmittel ein, mit dem sie eine unzutreffende Auslegung der Artikel 17 und 19 der Sechsten Richtlinie durch das Tribunal rügte. Sie räumte ein, daß die im Rechtsmittelverfahren geltend gemachten gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkte allein über dessen Ausgang entscheiden würden.

16. Nach Ansicht der BLP darf bei Anwendung der Artikel 17 und 19 der Sechsten Richtlinie und namentlich bei der Auslegung der Worte "für Zwecke seiner besteuerten Umsätze" in Artikel 17 Absatz 2 nicht auf den unmittelbaren Umsatz abgestellt werden, bei dem die BLP (durch die Veräusserung der Anteile an der Firma Berg) eine steuerfreie Lieferung vorgenommen habe. Vielmehr müsse im Interesse der steuerlichen Neutralität auf den weitergehenden Zweck dieser Lieferung, nämlich die Tilgung der Bankschulden der BLP, abgestellt werden. Die Veräusserung der Gesellschaftsanteile stelle einen Hilfsumsatz im Bereich der Finanzgeschäfte dar, der Teil der Gesamtstrategie der BLP bei der Abwicklung ihres Kerngeschäfts und der Erbringung ihrer steuerpflichtigen Lieferungen oder Dienstleistungen sei.

17. Die Commissioners machten demgegenüber geltend, wenn Dienstleistungen einem Steuerpflichtigen erbracht und wie im vorliegenden Fall für eine steuerfreie Lieferung verwendet würden, sei die Vorsteuer nicht abziehbar. Welchem Zweck die steuerfreie Lieferung diene, sei vor allem deshalb belanglos, weil nur der Mehrwertsteuerbetrag abgezogen werden könne, der die verschiedenen Kostenelemente eines besteuerten Umsatzes im Sinne von Artikel 2 der Ersten Richtlinie unmittelbar belastet habe. Wenn ein Steuerpflichtiger wie im vorliegenden Fall eine steuerfreie Lieferung vornehme, um Geld zur Tilgung seiner Schulden aufzubringen, stelle die Vorsteuer auf Kostenelemente der steuerfreien Lieferung keine Mehrwertsteuer dar, die die Kostenelemente der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen unmittelbar belastet habe.

18. Vor der mündlichen Verhandlung über das Rechtsmittel hatte die BLP eine Vorlage an den Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Artikel 177 des Vertrages beantragt. Der High Court wies diesen Antrag zurück. Hiergegen legte die BLP beim Court of Appeal Rechtsmittel ein, der ihm stattgab und die Angelegenheit an einen anderen Richter des High Court zurückverwies, weil der High Court die Richtlinien für die Anwendung von Artikel 177 EG-Vertrag, die der Court of Appeal in der Rechtssache Bulmer Ltd/Bollinger SA(6) niedergelegt hatte, nicht vollständig beachtet hatte. Der High Court hat uns daraufhin folgende Fragen vorgelegt:

1) Sind im Hinblick auf Artikel 2 der Ersten Richtlinie und Artikel 17 der Sechsten Richtlinie in einem Fall, in dem ein Steuerpflichtiger (A) einem anderen Steuerpflichtigen (B) Dienstleistungen erbringt und diese Dienstleistungen von B für einen steuerfreien Umsatz (Verkauf von Gesellschaftsanteilen) verwendet werden, der als ein "Hilfsumsatz im Bereich der Finanzgeschäfte" behandelt wurde und dessen Zweck und Ergebnis die Aufbringung von Geld zur Tilgung sämtlicher Schulden von B waren, diese von A erbrachten Dienstleistungen

a) Dienstleistungen, die für Zwecke eines steuerfreien Umsatzes verwendet werden, so daß die auf sie entfallende Vorsteuer nicht abgezogen werden kann,

b) Dienstleistungen, die für Zwecke steuerbarer Umsätze verwendet werden (nämlich das Kerngeschäft von B, die Durchführung steuerbarer Lieferungen), so daß die auf sie entfallende Vorsteuer in vollem Umfang abgezogen werden kann, oder

c) Dienstleistungen, die sowohl für steuerfreie als auch für steuerbare Umsätze verwendet werden, so daß die auf sie entfallende Vorsteuer in dem in Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Umfang abgezogen werden kann?

2) Findet für den Fall, daß bei Frage 1 die unter c genannte Alternative zutrifft und daß ein Mitgliedstaat in Ausübung seines Ermessens nach Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie eine besondere, unter Artikel 17 Absatz 5 Buchstabe c fallende Methode zur Ermittlung des abzugsfähigen Vorsteuerbetrags eingeführt hat, Artikel 19 der Sechsten Richtlinie bei der Ermittlung des Betrags der abziehbaren Vorsteuer in irgendeiner Weise Anwendung?

3) Falls die Antwort auf Frage 2 lautet, daß Artikel 19 bei der Ermittlung des Betrags der abziehbaren Vorsteuer Anwendung findet, ermöglicht dann Artikel 19 Absatz 2 den vollständigen Abzug der Vorsteuer, indem der Verkauf der Anteile bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs gemäß Artikel 19 Absatz 1 als "Hilfsumsatz im Bereich der Finanzgeschäfte" ausser Ansatz bleibt?

19. Zu allen oder einzelnen Fragen haben sich die BLP, das Vereinigte Königreich, die Griechische Republik sowie die Kommission schriftlich und mündlich geäussert.

20. Die Kommission hat in ihrem Schriftsatz der eigentlichen Erörterung der Vorlagefragen ausführliche Bemerkungen zu dem Problem vorangestellt, ob die Veräusserung der Gesellschaftsanteile überhaupt in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie falle. Wenn dem nicht so sei, so meint die Kommission, dann stelle sich die Frage der Abzugsfähigkeit nicht. Unterliege der Umsatz dagegen der Sechsten Richtlinie, in dem Sinne, daß die Veräusserung der Gesellschaftsanteile als entgeltliche Dienstleistung zugunsten der Tochtergesellschaften der BLP erscheine, so müsse die Abzugsfähigkeit der Vorsteuer gemäß Artikel 17 dieser Richtlinie beurteilt werden. Welche dieser beiden Möglichkeiten zutreffe, hänge angesichts des Urteils in der Rechtssache Polysar(7) davon ab, ob die BLP die Veräusserung für ihre eigenen Zwecke, nämlich in ihrer Eigenschaft als "Holding"-Gesellschaft, vorgenommen habe oder in ihrer Eigenschaft als "Verwaltungs"-Gesellschaft ("management company"), nämlich im Zusammenhang mit und als Teil der Gesamtheit der Verwaltungs- und anderen Dienstleistungen, die sie ihren Tochtergesellschaften gegen Entgelt erbringe. Dieser Punkt sei anhand der tatsächlichen Umstände und der anwendbaren innerstaatlichen Vorschriften zu prüfen.

21. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission jedoch erklärt, daß sie dieses Problem nur der Vollständigkeit halber aufgeworfen habe. Die Diskussion vor dem Gerichtshof müsse in dem von den Vorlagefragen abgesteckten Rahmen geführt werden. Daher gehe auch sie von der von allen Parteien akzeptierten Prämisse aus, wonach der vorliegende Verkauf von Gesellschaftsanteilen einen steuerfreien Umsatz im Sinne von Artikel 13 der Sechsten Richtlinie darstelle.

22. Auf weitere Einzelheiten der von den Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Argumente werde ich, soweit angebracht, im Rahmen der nachfolgenden Stellungnahme eingehen.

B ° Stellungnahme

Gegenstand der ersten Vorlagefrage

23. Nach Wortlaut und Aufbau der Vorlageentscheidung fällt sowohl das sogenannte Kerngeschäft der BLP als auch der Verkauf der Gesellschaftsanteile in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie. Dieser Ausgangspunkt wird nunmehr, wie sich aus ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung entnehmen lässt, auch von der Kommission nicht mehr in Frage gestellt.

24. Aus der Vorlageentscheidung ist ebenfalls abzuleiten, daß das "Kerngeschäft" der BLP, d. h. ° mit Ausnahme des Verkaufs der Gesellschaftsanteile ° die gesamte Tätigkeit, die diese Firma als Steuerpflichtiger während des in Rede stehenden Zeitraumes entfaltet hat, ausschließlich besteuerte Umsätze betraf, während der Verkauf der Gesellschaftsanteile selbst einen steuerfreien Umsatz darstellt (vgl. Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie).

25. Hiervon ausgehend fragt sich der High Court, ob die Vorsteuer, die auf Dienstleistungen entfällt, welche vom Steuerpflichtigen "für [den] steuerfreien Umsatz verwendet werden", und die bei dieser Zuordnung(8) nach dem in Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie aufgestellten Prinzip vom Abzug ausgeschlossen wären, angesichts der besonderen Situation des Falles gleichwohl abgezogen werden kann. Nach der von der BLP vor dem High Court vertretenen These, die uns dieses Gericht zur Prüfung vorlegt, besteht hier nämlich ein Anspruch auf Vorsteuerabzug, weil zwischen dem steuerfreien Umsatz (dem Verkauf der Gesellschaftsanteile) und den besteuerten Umsätzen (dem Kerngeschäft von der BLP) eine Verbindung besteht: Ersterer, so heisst es hierzu in der ersten Vorlagefrage,

° wurde als ein "Hilfsumsatz im Bereich der Finanzgeschäfte" behandelt,

° dessen Zweck und Ergebnis die Aufbringung von Geld zur Tilgung sämtlicher Schulden des Steuerpflichtigen waren.

26. Im Rahmen der ersten Frage ist daher zu prüfen, wie sich diese Elemente, die von der BLP als Verbindungsbrücken zwischen dem steuerfreien Umsatz und den besteuerten Umsätzen angesehen werden, auf Prinzip und (gegebenenfalls) Umfang des Anspruchs auf Vorsteuerabzug auswirken.

Beantwortung der ersten Vorlagefrage

27. I. Nach dem von der BLP für ihre These vorgetragenen Hauptargument, das sie in ihrem Schriftsatz ausführlich dargestellt hat, ist die in Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie enthaltene Wendung "für Zwecke seiner besteuerten Umsätze" weit auszulegen. Es sei nicht auf den (steuerfreien) Umsatz abzustellen, dem die Dienstleistung unmittelbar gedient hat, sondern auf die hauptsächliche Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen (hier also: die besteuerten Umsätze), wenn, wie hier, die durch den erstgenannten Umsatz herbeigeführte Tilgung der Schulden dieser Tätigkeit zugute komme.

28. a) Für diese Ansicht macht die BLP in erster Linie geltend, die Gemeinschaftsregelung über die Mehrwertsteuer verlange nicht, daß das mit Vorsteuer belastete Kostenelement unmittelbar in das Endprodukt eingeht. Die BLP beruft sich somit auf das System, das die gemeinschaftlichen Mehrwertsteuervorschriften im Hinblick auf den Vorsteuerabzug vorsehen. Daher ist die vorgenannte Erwägung einschließlich der Einzelheiten, die zu ihrer Stützung vorgetragen worden sind, im Rahmen dieses Systems zu prüfen.

29. Nach Artikel 2 Absatz 1 der Ersten Richtlinie beruht das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf dem Grundsatz, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist. Damit nun die "Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden", den Mehrwertsteuerbetrag nicht beeinflusst, der dem Fiskus letztlich anfällt, führt Artikel 2 Absatz 2 der Ersten Richtlinie den Mechanismus des Vorsteuerabzugs ein.

30. Aus einer gemeinsamen Betrachtung dieser Vorschriften ergibt sich, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber, ausgehend von dem Idealbild von "Umsatzketten" ° so der treffende Ausdruck, den der Vertreter des Vereinigten Königreiches in der mündlichen Verhandlung gebraucht hat °, an jeden Umsatz nur soviel an Mehrwertsteuerschuld knüpfen wollte, wie es dem bei diesem Umsatz angefallenen Mehrwert entspricht, so daß von dem Gesamtbetrag die Steuer abzuziehen ist, zu der das vorherige "Kettenglied" Anlaß gegeben hat(9).

31. Was die Frage angeht, ob die an die Steuerpflichtigen gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen, die mit Vorsteuer belastet sind, einem Umsatz des Steuerpflichtigen derart zugeordnet werden können, daß der Vorsteuerabzug gerechtfertigt ist, hat sich der Gemeinschaftsgesetzgeber für ein diesem System entsprechendes Kriterium entschieden: Der Betrag, der als Vorsteuer abgezogen werden soll, muß "die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet" haben.

32. Die Artikel 17 ff. der Sechsten Richtlinie konkretisieren die Regelung des Vorsteuerabzugs, soweit es uns hier interessiert, in zweierlei Hinsicht. Erstens berücksichtigen sie den Umstand, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber in den Artikeln 13 ff. gewisse Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit hat. Die Vorsteuer in bezug auf steuerfreie Umsätze ist aber nach dem System der gemeinsamen Mehrwertsteuerregelung nicht abziehbar, da der Steuerpflichtige in einem solchen Fall mangels Abwälzung der Mehrwertsteuer auf Dritte als Endverbraucher erscheint(10). Zweitens tragen die Artikel 17 ff. dem Rechnung, daß einzelne Gegenstände und Dienstleistungen ihrer Natur nach mehreren Umsätzen des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind, wobei diese Zuordnung gleichzeitig die Gruppe der besteuerten Umsätze und die der steuerfreien Umsätze betreffen kann.

33. Diese Einzelheiten ändern logischerweise nichts daran, daß Vorsteuer nur abgezogen werden kann, soweit die mit ihr belasteten Gegenstände oder Dienstleistungen als "Kostenelemente" eines besteuerten Umsatzes erscheinen. Im Gegenteil wird die Identifikation der Gegenstände und Dienstleistungen als derartige Kostenelemente durch die Einführung der Kategorie der steuerfreien Umsätze um so wichtiger. Denn diese Umsätze berechtigen ebensowenig zum Vorsteuerabzug wie die wirtschaftlichen Vorgänge, die ausserhalb des Mehrwertsteuersystems liegen und daher schon nach der Ersten Richtlinie keinen Anspruch auf Abzug der Vorsteuer verleihen.

34. Daraus folgt, daß vorbehaltlich abweichender Regelungen, namentlich in den Artikeln 17 ff. der Sechsten Richtlinie, eine möglichst klare Trennung zwischen den verschiedenen Arten von Umsätzen des Steuerpflichtigen vorzunehmen ist. Insbesondere können, wie sich aus der aufgezeigten Systematik ergibt, bei Anwendung von Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a Gegenstände oder Dienstleistungen, die als Kostenelemente einer spezifischen, steuerfreien Lieferung oder Dienstleistung identifiziert worden sind, nicht anderen Lieferungen oder Dienstleistungen zugeordnet werden, die der Mehrwertsteuer unterliegen. In diesem Lichte ist der Begriff der "Zwecke" in Artikel 17 Absatz 2 auszulegen. Dieser Begriff gestattet es daher nicht, aufgrund von Überlegungen, die ausserhalb dieser Systematik liegen, die klare Trennung zwischen besteuerten und steuerfreien Umsätzen zu verwischen.

35. Diese Schlußfolgerung wird erstens durch Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie bestätigt. Diese Vorschrift spricht, ohne den Begriff der "Zwecke" zu gebrauchen, lediglich von Gegenständen oder Dienstleistungen, die "für Umsätze verwendet werden ..." Im Rahmen dieser Vorschrift gelten aber, wie könnte es anders sein, dieselben Kriterien für die Zuordnung der mit Vorsteuer belasteten Gegenstände und Dienstleistungen wie in Artikel 17 Absatz 2. Zweitens wird die genannte Schlußfolgerung durch Artikel 17 Absatz 3 bestätigt. Namentlich sieht Buchstabe c dieser Vorschrift von der Regel, daß Umsätze, die (wie hier der Verkauf der Gesellschaftsanteile) gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 5 von der Mehrwertsteuer befreit sind, keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug verleihen, eine genau begrenzte Ausnahme vor. Diese Ausnahme greift nur ein, "wenn der Leistungsempfänger ausserhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit zur Ausfuhr in ein Land ausserhalb der Gemeinschaft bestimmten Gegenständen zusammenhängen".

36. Im Hinblick auf den vorliegenden Fall hat der High Court wie erwähnt festgestellt, daß die in Rede stehenden, mit Vorsteuer belasteten Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen "für [den] steuerfreien Umsatz verwendet" worden sind(11), da diese Dienstleistungen nach den einschlägigen Rechnungen "im Zusammenhang mit der Veräusserung der Anteile an der Firma Berg erbracht" wurden(12). Es steht daher fest, daß diese Dienstleistungen ein Kostenelement gerade der (mit dem Verkauf der Gesellschaftsanteile getätigten) steuerfreien Lieferung bilden.

37. Daran ändert nichts das von der BLP in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argument, daß die Kosten für die mit Vorsteuer belasteten Dienstleistungen (und damit diese Vorsteuer selbst) letztlich auch in den Preis der Gegenstände und Dienstleistungen eingingen, die sie im Wege ihrer besteuerten Umsätze vermarkte. Selbst wenn sich kaufmännisch oder buchhalterisch eine solche Wirkung konstruieren ließe, so würde es sich nur um einen Kaskadeneffekt handeln, der stets eintreten kann, wenn in einem einheitlichen Unternehmen gleichzeitig besteuerte und steuerfreie Umsätze getätigt werden. Dieser Umstand macht die fraglichen Dienstleistungen nicht zum Kostenelement der besteuerten Umsätze und kann daher die vorhin genannte Zuordnung nicht ändern.

38. Aufgrund dieser Zuordnung ist im vorliegenden Fall der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, ohne daß es darauf ankäme, ob der Verkauf von Gesellschaftsanteilen der besteuerten Tätigkeit des Steuerpflichtigen aufgrund der beabsichtigten und bewirkten Tilgung der Schulden zugute gekommen ist.

39. Diese Schlußfolgerung wird bestätigt, wenn man ° gewissermassen zur Kontrolle des bisher Gesagten ° den genannten Vorgang (daß also durch einen Umsatz Geldmittel aufgebracht werden, die der besteuerten Tätigkeit des Betroffenen zugute kommen) in das Mehrwertsteuersystem einordnet. Nach Artikel 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen nur dann der Mehrwertsteuer, wenn sie "gegen Entgelt" erfolgen. Dies setzt voraus, daß eine Gegenleistung (vgl. Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie) vorgesehen ist, die in Geld ausgedrückt werden kann(13). Und in der Realität des Wirtschaftslebens handelt es sich in nahezu allen Fällen um eine Geldleistung. Daher kann praktisch jeder Umsatz, der in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fällt, als Aufbringung von Mitteln verstanden werden, die der Tätigkeit des Steuerpflichtigen und genauer den von ihm gegebenenfalls durchgeführten besteuerten Umsätzen zugute kommt. Diese einem jeden solchen Umsatz anhaftende Eigenschaft ist als solche offenkundig nicht geeignet, die Trennung zwischen besteuerten und steuerfreien Umsätzen zu überbrücken und die aufgrund des vorhin entwickelten Kriteriums vorgenommene Zuordnung in Frage zu stellen.

40. Alle diese Erwägungen gelten unabhängig davon, ob der steuerfreie Umsatz zu dem eigentlichen Gegenstand des Unternehmens des Steuerpflichtigen gehört oder nicht. So sehe ich entgegen dem, was die BLP anscheinend denkt, keinen Unterschied zwischen dem vorliegenden Fall und dem Fall eines Steuerpflichtigen, dessen eigentliche unternehmerische Tätigkeit sowohl steuerfreie als auch besteuerte Umsätze erfasst und der verstärkt steuerfreie Umsätze durchführt, um Mittel für den Teil seiner Tätigkeit aufzubringen, der die besteuerten Umsätze betrifft(14).

41. Bevor ich den vorliegenden Abschnitt, betreffend das System der Mehrwertsteuervorschriften, abschließe, muß ich noch kurz auf ein Argument der BLP eingehen, das sie in Form eines Beispiels vorgebracht hat.

42. Dieses Beispiel ist das eines Fahrradherstellers, der Dienstleistungen der Wirtschaftsprüfung und Rechtsberatung in Anspruch nimmt. Die BLP trägt vor, daß die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers oder Rechtsberaters nicht in das Endprodukt eingehe und nicht zu dessen Herstellung beitrage. Gleichwohl sei die Vorsteuer auf diese Dienstleistungen abziehbar. Dies zeige, daß es nicht erforderlich sei, daß das betreffende Kostenelement unmittelbar in das Endprodukt eingehe.

43. Ich kann mich diesem Argument nicht anschließen. Richtig ist zwar, daß sich in diesem Beispiel die mit Vorsteuer belasteten Dienstleistungen nicht körperlich in dem vom Steuerpflichtigen hergestellten Produkt niedergeschlagen haben. Das Entgelt für diese Dienstleistungen gehört jedoch als Teil der Allgemeinkosten zu den Kostenelementen dieses Produkts und ist daher eindeutig besteuerten Umsätzen des Steuerpflichtigen ° und nur solchen Umsätzen ° zuzuordnen.

44. Aus dem System der Gemeinsamen Mehrwertsteuervorschriften ist daher zu schließen, daß im vorliegenden Fall die in Rede stehende Vorsteuer nicht abgezogen werden kann.

45. b) Zur Stützung ihres Arguments(15) beruft sich die BLP ausserdem auf den Grundsatz der Steuerneutralität, den sie aus den Begründungserwägungen der Ersten Richtlinie(16) und der Rechtsprechung ableitet, namentlich aus den Urteilen Rompelman(17) und Sofitam(18). Mit diesem Grundsatz sei es unvereinbar, die verschiedenen Formen der Aufbringung von Geld steuerlich unterschiedlich zu behandeln. Namentlich weist die BLP auf die Möglichkeit hin, daß sie, statt die Gesellschaftsanteile zu veräussern, ein (langfristiges, durch Bürgschaft abgesichertes) Bankdarlehen hätte aufnehmen können. Die Beratungskosten, die anläßlich der Aufnahme dieses Darlehens entstanden wären, wären voll abziehbar gewesen. Wenn nun in einem Fall wie dem vorliegenden das Abzugsrecht verweigert würde, so führte dies entgegen dem vorgenannten Grundsatz dazu, daß wirtschaftliche Entscheidungen durch steuerliche Faktoren beeinflusst würden.

46. Dieses Argument ist nicht stichhaltig.

47. Die Zielsetzungen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gebieten es keineswegs, alle Formen der Geldbeschaffung gleichzubehandeln. Wenn die mit diesem System eingeführte Harmonisierung einer Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen vorbeugen soll, wie es in den Begründungserwägungen der Ersten Richtlinie zum Ausdruck kommt, so kann dies nur heissen, daß gleichartige Vorgänge gleichzubehandeln sind. Eine Darlehensaufnahme und eine Veräusserung von Gesellschaftsanteilen sind aber keine gleichartigen Vorgänge für die Zwecke des Mehrwertsteuersystems(19), da dieses an Umsätze anknüpft und eine klare Unterscheidung zwischen besteuerten und steuerfreien Umsätzen trifft. Veräussert ein Steuerpflichtiger Gesellschaftsanteile, so tätigt er einen (selbständigen) Umsatz im Sinne der gemeinsamen Mehrwertsteuervorschriften, der als steuerfreier Umsatz die dazugehörige Vorsteuer vom Abzug ausschließt. Nimmt er dagegen ein Darlehen auf, so tätigt er hiermit selbst keinen Umsatz im Sinne dieser Vorschriften. Vielmehr ist er Empfänger einer Dienstleistung, die Gegenstand des Umsatzes eines Dritten ist. Unter diesen Umständen kann die Vorsteuer, die auf die anläßlich der Darlehensaufnahme erbrachten Beratungsdienstleistungen entfällt, abgezogen werden, wenn sie besteuerten Umsätzen zuzuordnen ist.

48. Diese Betrachtungsweise steht im Einklang mit den von der BLP ins Feld geführten Urteilen Rompelman und Sofitam. In dem Urteil Rompelman ging es um die Frage, ob der Erwerb eines Immobiliarrechts als notwendige Voraussetzung für dessen (der Mehrwertsteuer unterliegende) Nutzung bereits zur wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gehört, wenn (zum Zeitpunkt der Beurteilung) diese Nutzung zwar beabsichtigt ist, aber noch nicht eingesetzt hat. Der Gerichtshof hat diese Frage im Prinzip bejaht. In der Rechtssache Sofitam hatte der Gerichtshof zu entscheiden, ob Aktiendividenden eines Unternehmens in den Nenner der Berechnung gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie einzuschließen oder von diesem auszunehmen sind. Der Gerichtshof hat sich für die letztgenannte Möglichkeit entschieden, weil Dividenden nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen und ihr Einschluß in die Berechnung des Artikels 19 diese verfälscht hätte. Angesichts des jeweiligen Sachverhalts und der Rechtsfragen, die in diesen beiden Fällen in Rede standen, bildet keiner von ihnen einen hier einschlägigen Präzedenzfall.

49. Was den in den genannten Urteilen anerkannten allgemeinen Grundsatz der Steuerneutralität angeht, so wird dieser im Zusammenhang mit der Überlegung erwähnt, daß

"der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll"

und daß

"[das] gemeinsame Mehrwertsteuersystem ... daher [gewährleistet], daß alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, sofern sie der Mehrwertsteuer unterliegen, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis in völlig neutraler Weise steuerlich belastet werden".(20)

50. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, daß der Grundsatz der Steuerneutralität nicht unabhängig von dem "gemeinsame[n] Mehrwertsteuersystem" gesehen werden kann und bei seiner Anwendung berücksichtigt werden muß, inwieweit die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen "der Mehrwertsteuer unterliegen".

51. Die hier vertretene Lösung verstösst daher nicht gegen den Grundsatz der Steuerneutralität, so wie er in den Begründungserwägungen der Ersten Richtlinie und der Rechtsprechung verankert ist. Im Gegenteil wird mit dieser Lösung vermieden, daß gleichartige Umsätze unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob der Steuerpflichtige neben steuerfreien Umsätzen auch noch besteuerte Umsätze tätigt. Vielmehr werden unabhängig von solchen Zufälligkeiten alle Umsätze, die dieselben Merkmale aufweisen, gleichbehandelt.

52. II. Vorsorglich ist noch auf die Frage einzugehen, ob die Qualifikation des Verkaufs der Gesellschaftsanteile als "Hilfsumsatz im Bereich der Finanzgeschäfte" zu einem Anspruch auf Abzug der hier in Rede stehenden Vorsteuer führt.

53. Meines Erachtens ist diese Frage zu verneinen.

54. Artikel 17 sieht keine Sonderregel für derartige Umsätze vor. Erwähnung finden sie nur in Artikel 19 Absatz 2. Danach bleiben sie in der Pro-rata -Berechnung ausser Ansatz, die Absatz 1 dieser Vorschrift für den Fall vorsieht, daß Gegenstände und Dienstleistungen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht (Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1). Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht, da die Beratungsdienstleistungen, auf die die hier streitige Vorsteuer entfällt, in vollem Umfang für einen steuerfreien Umsatz verwendet wurden, so daß diese Vorsteuer nach Artikel 17 Absatz 2 nicht abzugsfähig ist. Auf die Auslegung des Artikels 19 Absatz 2 werde ich sogleich im Rahmen der Behandlung der dritten Frage eingehen, da bei dieser Frage davon ausgegangen wird, daß auf den vorliegenden Fall die Artikel 17 Absatz 5 und 19 anwendbar sind.

55. III. Aus allen diesen Gründen ist die erste Vorlagefrage im Sinne der dort unter a) genannten Alternative zu beantworten, da in einem Fall wie dem vorliegenden die Dienstleistungen, auf die die Vorsteuer entfällt, als für Zwecke eines steuerfreien Umsatzes verwendet anzusehen sind, so daß diese Vorsteuer nicht abgezogen werden kann.

56. Für den Fall, daß sich der Gerichtshof dieser Ansicht anschließt, werden die zweite und dritte Frage gegenstandslos. Diese Fragen sind nämlich nur für den Fall gestellt worden, daß die erste Frage im Sinne der dort unter c genannten Alternative zu beantworten ist. Im Gegensatz zu der von mir vorgeschlagenen Lösung würde dies bedeuten, daß die von der BLP in Anspruch genommenen Dienstleistungen als für steuerfreie wie auch für besteuerte Umsätze verwendet angesehen würden, so daß die auf sie entfallende Vorsteuer "in dem in Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Umfang" abgezogen werden könnte.

57. Im folgenden werde ich die zweite und dritte Frage daher nur hilfsweise prüfen.

Zur zweiten Vorlagefrage

58. Mit der zweiten Frage bittet das vorlegende Gericht um Auskunft, ob Artikel 19 der Sechsten Richtlinie bei der Ermittlung des Betrags der abziehbaren Vorsteuer in irgendeiner Weise Anwendung findet, wenn ein Mitgliedstaat aufgrund von Artikel 17 Absatz 5 Buchstabe c eine besondere Methode zur Ermittlung dieses Betrages eingeführt hat.

59. Die Antwort ergibt sich meines Erachtens klar aus dem Wortlaut des Artikels 17 Absatz 5. Während Unterabsatz 2 dieser Vorschrift wegen der Berechnung des abzugsfähigen Betrags als Regel die Anwendung von Artikel 19 vorsieht, gestattet der mit dem Wort "Jedoch" eingeleitete Unterabsatz 3 den Mitgliedstaaten, von dieser Regel Ausnahmen mehr oder minder grosser Tragweite vorzusehen.

60. Soweit eine bestimmte Fallgestaltung einer solchen Ausnahmeregelung unterliegt, ist sie Artikel 19 automatisch entzogen. So ermöglicht der hier in Rede stehende Unterabsatz 3 Buchstabe c es den Mitgliedstaaten, für alle oder einzelne Gegenstände oder Dienstleistungen eine direkte Zuordnung zu gestatten oder vorzuschreiben und damit die Anwendung der Pro-rata-Regel des Artikels 19 Absatz 1 einzuschränken.

61. In diesem Sinne wäre die zweite Vorlagefrage zu beantworten. Ich weise jedoch vorsorglich darauf hin, daß die auf die BLP anwendbare besondere Methode, soweit es hier interessiert, mit Artikel 19 Absätzen 1 und 2 übereinstimmt, so daß diese Antwort lediglich theoretischen Wert hätte.

Zur dritten Vorlagefrage

62. Für den Fall, daß Artikel 19 bei der Ermittlung des Betrags der abziehbaren Vorsteuer Anwendung findet, wirft der High Court die Frage auf, ob Absatz 2 dieser Vorschrift den vollständigen Abzug der Vorsteuer gestattet, indem der Verkauf der Anteile bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs gemäß Artikel 19 Absatz 1 als "Hilfsumsatz im Bereich der Finanzgeschäfte" ausser Ansatz bleibt.

63. Würde man den vorliegenden Fall, ganz im Sinne der ° wie gesagt unrichtigen ° Prämisse, auf der diese Frage beruht, als einen Fall der gemischten Verwendung ansehen, in dem Sinne, daß die in Rede stehenden Beratungskosten (namentlich als Allgemeinkosten) sowohl für besteuerte Umsätze als auch für einen steuerfreien Hilfsumsatz im Bereich der Finanzgeschäfte verwendet wurden, so wäre die Vorsteuer gemäß Artikel 19 Absatz 2 abziehbar.

64. Die letztgenannte Vorschrift ist nämlich vor dem Hintergrund zu sehen, daß die dort erwähnten Hilfsumsätze einen grossen Teil der Gesamtumsätze ausmachen können, ohne jedoch nennenswert zu den Allgemeinkosten beizutragen. Unter diesen Umständen wäre es unangemessen, die Hilfsumsätze in die Pro-rata-Rechnung des Artikels 19 Absatz 1 einzubeziehen. Vielmehr bleiben diese Umsätze gemäß Artikel 19 Absatz 2 "ausser Ansatz". Wenn nun ausser dem betreffenden Hilfsumsatz alle Umsätze des Steuerpflichtigen der Mehrwertsteuer unterliegen, so ergibt sich gemäß Artikel 19 Absatz 1 ein Pro-rata-Satz von 1 : 1. Die Vorsteuer ist dann in vollem Umfang abziehbar. In diesem Sinne wäre die dritte Frage zu beantworten.

C ° Schlussantrag

65. Aus den genannten Gründen schlage ich vor, dem High Court wie folgt zu antworten:

Erbringt ein Steuerpflichtiger einem anderen Steuerpflichtigen Dienstleistungen, die letzterer für einen steuerfreien Umsatz verwendet, in dem Sinne, daß sie im Hinblick auf diesen Umsatz ein Kostenelement darstellen, so ist die Vorsteuer auf diese Dienstleistungen im Sinne von Artikel 17 der Sechsten Richtlinie für Zwecke eines steuerfreien Umsatzes verwendet worden und kann, vorbehaltlich von Ausnahmebestimmungen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, nicht abgezogen werden. Dies gilt selbst dann, wenn der steuerfreie Umsatz als "Hilfsumsatz im Bereich der Finanzgeschäfte" behandelt wurde und er die Aufbringung von Geld zur Tilgung sämtlicher Schulden des anderen Steuerpflichtigen zum Zweck und zum Ergebnis hatte.

(*) Originalsprache: Deutsch.

(1) ° ABl. Nr. 71 vom 14.4.1967, S. 1301.

(2) ° ABl. L 145 vom 13.6.1977, S. 1.

(3) ° Hervorhebung von mir.

(4) ° Im folgenden werde ich, in Anlehnung an die Terminologie der Sechsten Richtlinie (siehe dort Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 5 [zu dessen Bedeutung vgl. unten Nr. 24]), die Begriffe Anteile bzw. Gesellschaftsanteile verwenden. Es handelt sich hierbei um Sammelbegriffe für alle Anteile an Gesellschaften, die nicht Aktiengesellschaften sind. Hierunter fallen somit auch die Anteile an deutschen Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Das Gesetz betreffend diese Gesellschaften (Reichsgesetzblatt 1898, S. 846, mit späteren Änderungen) bezeichnet derartige Anteile als Geschäftsanteile .

(5) ° Alle genannten Zahlen sind der Vorlageentscheidung entnommen. Entgegen der dort vorgenommenen Berechnung beträgt jedoch die Differenz zwischen 45 975 und 6 120 nicht 39 845 sondern 39 855. Wie dem auch sei ° diese Ungenauigkeit spielt für die Beantwortung der Vorlagefragen keine Rolle.

(6) ° Bulmer (HP) Ltd/Bollinger SA [1974] 2 All ER 1226.

(7) ° Urteil vom 20. Juni 1991 in der Rechtssache C-60/90 (Polysar Investments Netherlands, Slg. 1991, I-3111).

(8) ° Siehe auch unten Nrn. 36 und 37.

(9) ° Siehe z. B. das Urteil vom 21. September 1988 in der Rechtssache 50/87 (Kommission/Frankreich, Slg. 1988, 4797, Randnr. 16).

(10) ° Vgl. Urteil vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81 (Becker, Slg. 1982, 53, Randnr. 44).

(11) ° Siehe den Wortlaut der ersten Vorlagefrage und oben Nr. 25.

(12) ° Siehe Nr. 8 des Anhangs zur Vorlageentscheidung sowie oben Nr. 11.

(13) ° Urteil vom 5. Februar 1981 in der Rechtssache 154/80 (Staatssecretaris van Financiën, Slg. 1981, 445, Randnr. 13); Urteil vom 23. November 1988 in der Rechtssache 230/87 (Naturally Yours Cosmetics Ltd, Slg. 1988, 6365, Randnr. 16).

(14) ° Zur Bedeutung, die der Begriff der Hilfsumsätze im Bereich der Finanzgeschäfte in diesem Zusammenhang hat, siehe unten Nrn. 52 bis 54 und 62 bis 64.

(15) ° Siehe oben Nr. 27.

(16) ° Siehe die erste bis dritte und achte Begründungserwägung. Dort ist im wesentlichen davon die Rede, daß angesichts der Mängel der zur Zeit geltenden Mehrwertsteuerregelungen harmonisierte Vorschriften eingeführt werden sollen, die die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälschen.

(17) ° Urteil vom 14. Februar 1985 in der Rechtssache 268/83 (Rompelman, Slg. 1985, 655). Auf dieses Urteil hat sich BLP namentlich vor dem innerstaatlichen Gericht berufen: siehe Nr. 17 des Anhangs zur Vorlageentscheidung.

(18) ° Urteil vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-333/91 (Sofitam, Slg. 1993, I-3513). Auf dieses Urteil hat sich BLP in ihrem Schriftsatz gestützt.

(19) ° Sie sind es übrigens auch nicht im betriebswirtschaftlichen Sinne, da der Erlös aus dem Aktienverkauf zu den Eigenmitteln des Unternehmens gehört, die Darlehenssumme dagegen zu den Fremdmitteln.

(20) ° Randnr. 19 des Urteils Rompelman und Randnr. 10 des Urteils Sofitam.