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SCHLUSSANTRÄGE DER FRAU GENERALANWALT

CHRISTINE Stix-Hackl

vom 16. März 2006(1)

Rechtssache C-452/04

Fidium Finanz AG

gegen

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main [Deutschland])

„Freier Kapitalverkehr – Dienstleistungsfreiheit – Kreditvergabe durch ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat an Einwohner eines Mitgliedstaats – Erfordernis der vorherigen Erlaubnis in dem Mitgliedstaat, in dem die Leistung erbracht wird – Missbrauch“





I –    Einleitende Bemerkungen

1.     Das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Frage, ob die gewerbsmäßige Vergabe von Krediten durch ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat an Einwohner eines Mitgliedstaats der Europäischen Union der Kapitalverkehrsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit unterliegt. Dabei geht es insbesondere um die Zulässigkeit einer Erlaubnis für eine solche Kreditvergabe durch den betreffenden Mitgliedstaat und die dafür erforderliche Voraussetzung der Niederlassung des Drittstaatsunternehmens in diesem Mitgliedstaat.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

1.      Die einschlägigen Bestimmungen der Kapitalverkehrsfreiheit

2.     Artikel 56 Absatz 1 EG lautet:

„Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.“

3.     Artikel 57 Absatz 1 Satz 1 EG lautet:

„Artikel 56 berührt nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.“

4.     Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG lautet:

„Artikel 56 berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten,

b) die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern, sowie Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen oder Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind.“

5.     Artikel 58 Absatz 3 EG lautet:

„Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen und Verfahren dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 56 darstellen.“

2.      Die Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages(2) (im Folgenden: Richtlinie 88/361)

6.     Die Einleitung der Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 88/361 lautet auszugsweise:

„Der in dieser Nomenklatur genannte Kapitalverkehr umfasst:

–       alle für die Durchführung des Kapitalverkehrs erforderlichen Geschäfte: Abschluss und Ausführung der Transaktion und damit zusammenhängende Transferzahlungen.

–       die Kredit- oder Darlehensrückzahlungen.

Diese Nomenklatur ist keine erschöpfende Aufzählung zur Definition des Begriffes des Kapitalverkehrs; sie enthält nämlich eine Rubrik XIII - F ‚Sonstiger Kapitalverkehr: Verschiedenes‘ ...“

7.     Die Gliederung der Nomenklatur umfasst u. a.:

„VIII. Darlehen und Finanzkredite (soweit nicht unter I, VII und XI erfasst)

A. Darlehen und Kredite von Gebietsfremden an Gebietsansässige“

8.     Die Begriffsbestimmungen umfassen:

„Darlehen und Finanzkredite

Diese Kategorie umfasst auch die Hypothekendarlehen, die Konsumentenkredite, …“

3.      Die Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute(3) (im Folgenden: Richtlinie 2000/12)

9.     Die Bezugnahme betreffend die Rechtsgrundlage lautet:

„… gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 47 Absatz 2 Sätze 1 und 3, …“

10.   Der vierte Erwägungsgrund lautet auszugsweise:

„Diese Richtlinie ist unter dem … Aspekt … des freien Dienstleistungsverkehrs im Bankensektor ein wesentliches Instrument für die Verwirklichung des Binnenmarktes, …“

11.   Der 18. Erwägungsgrund lautet:

„Es besteht eine notwendige Verbindung zwischen der Zielsetzung dieser Richtlinie und der Liberalisierung des Kapitalverkehrs, die aufgrund anderer gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften verwirklicht werden soll. Die Maßnahmen zur Liberalisierung der Banktätigkeiten sollen auf jeden Fall in Einklang mit den Maßnahmen im Bereich der Liberalisierung des Kapitalverkehrs stehen.“

12.   Satz 4 des 19. Erwägungsgrundes lautet:

„Die Zweigstellen von Kreditinstituten mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft kommen nur in dem Mitgliedstaat, in dem sie errichtet sind, nicht jedoch in den anderen Mitgliedstaaten in den Genuss des freien Dienstleistungsverkehrs …“

13.   Der 65. Erwägungsgrund lautet:

„Die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis muss insbesondere dem Schutz der Kunden dieser Institute und der Sicherung der Stabilität des Finanzsystems dienen.“

14.   Artikel 4 Satz 1 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Kreditinstitute vor Aufnahme der Tätigkeit eine Zulassung erhalten müssen.“

15.   Anhang I listet als gegenseitig anzuerkennende Tätigkeiten u. a. „Ausleihungen, insbesondere Konsumentenkredite“ auf.

B –    Nationales Recht

1.      Gesetz über das Kreditwesen(4) (im Folgenden: KWG)

16.   § 32 Absatz 1 Satz 1 KWG lautet:

„Wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will, bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt; …“

17.   § 1 Absatz 1 Satz 1 KWG lautet:

„Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.“

18.   § 1 Absatz 1 Satz 2 KWG lautet auszugsweise:

„Bankgeschäfte sind …

(2) die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten (Kreditgeschäft)“

19.   § 6 Absatz 2 lautet:

„Die Bundesanstalt hat Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.“

20.   § 33 Absatz 1 Satz 1 KWG lautet auszugsweise:

„Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn …

(6) das Institut seine Hauptverwaltung nicht im Inland hat; …“

21.   Im Unterschied zu § 33 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 KWG lässt § 53 KWG die Tätigkeit von Zweigstellen ausländischer Institute ohne Verlegung der Hauptverwaltung zu, wenn die in § 53 Absatz 2 KWG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Für Einlagekreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums sieht § 53 b KWG privilegierte Möglichkeiten eines Marktzugangs in der Bundesrepublik Deutschland vor.

22.   Für Staaten wie die Schweiz macht § 53 c KWG Erleichterungen im Marktzugang von einer Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen abhängig.

23.   § 54 KWG stellt das Betreiben von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen ohne Erlaubnis nach § 32 Absatz 1 KWG unter Strafe.

2.      Hinweise der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) vom 12. April 2003 zur Erlaubnispflicht nach § 32 Absatz 1 KWG

24.   Als erlaubnispflichtig behandelt die BaFin in Änderung ihrer Verwaltungspraxis nunmehr auch bankgeschäftliche Tätigkeiten von Unternehmen mit Sitz im Ausland, wenn diese sich im Inland zielgerichtet an den Markt wenden.

III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

25.   Die Fidium Finanz AG (im Folgenden: Fidium Finanz) ist eine nach Schweizer Recht gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz und Hauptverwaltung in St. Gallen. Sie vergibt im Wesentlichen Kleinkredite im Umfang von 2 500,-- Euro oder 3 500,-- Euro, wobei eine Schufa- (Schutzorganisation für allgemeine Kreditsicherung) Auskunft vor der Kreditvergabe nicht eingeholt wird. Derartiges ist dagegen üblich, wenn in Deutschland niedergelassene Kreditinstitute Kredite vergeben. Über eine Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften nach deutschem Recht verfügte Fidium Finanz im entscheidungserheblichen Zeitraum nicht.

26.   Laut Vorlagebeschluss unterliegt Fidium Finanz in der Schweiz nicht der Aufsicht der Schweizer Bankenkommission. Nach der im Vorlagebeschluss zitierten Auskunft des zuständigen Kantons St. Gallen vom 28. Juni 2004 verfügt Fidium Finanz nicht über eine Bewilligung zur Kreditvergabe nach Schweizer Recht, bedürfe einer solchen aber auch gar nicht, da sie Konsumentenkredite ausschließlich an im Ausland wohnende Personen vergebe.

27.   Anfang des Jahres 2003 wurde die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf die Darlehensvergabe von Fidium Finanz aufmerksam. Von dieser wurden u. a. über das Internet Kredite zu den beiden genannten Beträgen angeboten. Der Internetauftritt war in deutscher Sprache abgefasst. Die Kunden konnten sich die Kreditantragsunterlagen herunterladen, ausfüllen und per Post an Fidium Finanz übersenden, die sodann über die Annahme des Kreditgesuchs entschied. Der Kreditbetrag wurde im Falle der Annahme per Postanweisung an den Kunden übermittelt. Die Laufzeit der Kredite betrug 40 Monate, der Effektivzins lag nach den Angaben von Fidium Finanz im Jahr 2003 bei 13,94 %. Der zweite Weg zu den Kreditangeboten führte über in Deutschland tätige Kreditvermittler, die für Kredite der Fidium Finanz auch im Internet unter Angabe der Firma warben.

28.   Am 12. April 2003 veröffentlichte die BaFin neue Hinweise zur Erlaubnispflicht nach § 32 Absatz 1 KWG von grenzüberschreitend betriebenen Bankgeschäften.

29.   Mit Bescheid vom 22. August 2003 untersagte die BaFin Fidium Finanz, das Kreditgeschäft im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 KWG gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, dadurch zu betreiben, dass sie an in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Kunden, an die sie zielgerichtet herantritt, Gelddarlehen gewährt.

30.   Den gegen diese Verfügung am 1. September 2003 erhobenen Widerspruch wies die BaFin mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2004 zurück. Daraufhin erhob Fidium Finanz am 2. März 2004 Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main und begehrte die Aufhebung des gegen sie ergangenen Bescheides. Sie macht geltend, aufgrund des Sitzes ihrer Firma und der Konzentration der gesamten Verwaltungstätigkeiten auf die Schweiz betreibe sie keine Bankgeschäfte „im Inland“, wie es § 32 Absatz 2 Satz 1 KWG für den Erlaubnistatbestand voraussetze.

31.   Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts hat die Klage nach Maßgabe des nationalen Rechts jedoch keine Aussicht auf Erfolg, da die Fidium Finanz der Erlaubnispflicht des § 32 Absatz 1 KWG unterfalle. Möglicherweise ergebe sich jedoch aufgrund vorrangigen Gemeinschaftsrechts ein anderes Ergebnis.

IV – Vorlagefragen

32.   Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat daher dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Kann sich ein Unternehmen, das in einem Staat außerhalb der Europäischen Union, hier der Schweiz, seinen Sitz hat, für die gewerbsmäßig betriebene Vergabe von Krediten an Einwohner eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, hier der Bundesrepublik Deutschland, gegenüber diesem Mitgliedstaat und gegenüber den Maßnahmen seiner Behörden oder Gerichte auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Artikel 56 EG berufen, oder unterfallen die Anbahnung, Gewährung und Abwicklung derartiger Finanzdienstleistungen allein der Dienstleistungsfreiheit nach Maßgabe der Artikel 49 f. EG?

2.      Kann sich ein Unternehmen mit Sitz in einem Staat außerhalb der Europäischen Union auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Artikel 56 EG berufen, wenn es Kredite gewerbsmäßig oder ganz überwiegend an Einwohner, die innerhalb der Europäischen Union ansässig sind, gewährt und seinen Sitz in einem Land hat, in dem es für die Aufnahme und Durchführung dieser Geschäftstätigkeit weder dem Erfordernis einer vorherigen Erlaubnis durch eine staatliche Behörde dieses Landes noch dem Erfordernis einer laufenden Überwachung seiner Geschäftstätigkeit in einer Art unterliegt, wie sie für Kreditinstitute innerhalb der Europäischen Union und hier insbesondere innerhalb der Bundesrepublik Deutschland üblich ist, oder stellt die Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit in einem solchen Fall einen Rechtsmissbrauch dar?

Kann ein solches Unternehmen im Hinblick auf das Recht der Europäischen Union mit den im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaats ansässigen Personen und Unternehmen hinsichtlich der Erlaubnispflicht gleich behandelt werden, obwohl es seinen Sitz nicht in diesem Mitgliedstaat hat und dort auch keine Zweigstelle unterhält?

3.      Greift eine Regelung in die Kapitalverkehrsfreiheit nach Artikel 56 EG ein, nach der die gewerbsmäßige Gewährung von Krediten durch ein Unternehmen mit Sitz in einem Staat außerhalb der Europäischen Union an Einwohner innerhalb der Europäischen Union davon abhängig gemacht wird, dass zuvor eine Erlaubnis bei einer Behörde des betreffenden Mitgliedstaats der Europäischen Union eingeholt werden muss, in dem die Kreditnehmer ansässig sind?

Kommt es insoweit darauf an, ob die ungenehmigte gewerbsmäßige Kreditvergabe einen Straftatbestand oder nur eine Ordnungswidrigkeit darstellt?

4.      Ist das unter Ziffer 3 dieses Fragenkatalogs genannte Erfordernis der vorherigen Erlaubnis durch Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG gerechtfertigt, insbesondere im Hinblick auf

–       den Schutz der Kreditnehmer vor vertraglichen und finanziellen Verpflichtungen gegenüber Personen, die nicht zuvor auf ihre Zuverlässigkeit geprüft wurden,

–       den Schutz dieses Personenkreises vor nicht ordnungsgemäß arbeitenden Unternehmen oder Personen hinsichtlich ihrer Buchhaltung, der ihnen aufgrund allgemeiner Regelungen obliegenden Beratungs- und Informationspflichten gegenüber den Kunden,

–       den Schutz dieses Personenkreises vor unangemessener oder missbräuchlicher Werbung,

–       die Gewährleistung einer hinreichenden finanziellen Ausstattung des kreditvergebenden Unternehmens,

–       den Schutz des Kapitalmarktes vor einer unkontrollierten Vergabe von Großkrediten,

–       den Schutz des Kapitalmarktes und der Gesellschaft insgesamt vor kriminellen Machenschaften, wie sie insbesondere Gegenstand der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche oder des Terrorismus sind?

5.      Ist die Ausgestaltung eines an sich gemeinschaftsrechtlich zulässigen Erlaubniserfordernisses im Sinne der Ziffer 3 dieses Fragenkatalogs von Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG gedeckt, wonach die Erteilung einer Erlaubnis zwingend voraussetzt, dass das Unternehmen seine Hauptverwaltung oder zumindest eine Zweigstelle in dem betreffenden Mitgliedstaat unterhält, insbesondere um

–       eine Kontrolle der Geschäftsabläufe und ­vorgänge durch die Organe des betreffenden Mitgliedstaats tatsächlich und effektiv, d. h. auch kurzfristig oder unvorhergesehen zu ermöglichen,

–       die Geschäftsabläufe und ­vorgänge anhand der im Mitgliedstaat vorhandenen oder vorzuhaltenden Unterlagen vollständig nachvollziehbar zu machen,

–       auf persönlich Verantwortliche des Unternehmens im Hoheitsbereich des Mitgliedstaats Zugriff zu haben,

–       die Erfüllung finanzieller Ansprüche von Kunden des Unternehmens innerhalb des Mitgliedstaats zu gewährleisten oder zumindest zu erleichtern?

V –    Zur ersten Vorlagefrage

33.   Mit der ersten Vorlagefrage möchte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen wissen, ob sich ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat zur Vergabe von Krediten an Einwohner eines Mitgliedstaats auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann oder ob diese Tätigkeit allein Artikel 49 EG, d. h. der Dienstleistungsfreiheit, unterfällt.

A –    Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

34.   Fidium Finanz sowie die Kommission vertreten die Ansicht, dass die Vergabe von Krediten in den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fällt. Beide weisen dazu auf die Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 88/361 hin.

35.   Nach Ansicht von Fidium Finanz zähle die Kreditvergabe in Rubrik VIII. in Anhang I der Richtlinie 88/361 „Darlehen und Finanzkredite“ ausdrücklich zum Kapitalverkehr. Hieran ändere nach Auffassung der Kommission auch die Formulierung „Kredit- oder Darlehensrückzahlungen“ in der Einleitung zur Nomenklatur nichts, da aufgrund des nicht abschließenden Charakters der Aufzählung auch die Darlehensvergabe erfasst sei.

36.   Fidium Finanz ergänzt, dass zwar hinsichtlich der Vergabe von Krediten eine Verknüpfung mit der Dienstleistungsfreiheit bestehe, diese jedoch nicht die Anwendbarkeit von Artikel 56 EG ausschließe, da der überwiegenden Rechtsprechung des Gerichtshofes im Bereich der Finanzdienstleistungen(5) eine parallele Geltung beider Grundfreiheiten zu entnehmen sei.

37.   Demgegenüber sind die BaFin sowie die deutsche, griechische, italienische, portugiesische und irische Regierung der Auffassung, dass Artikel 56 EG nicht anwendbar ist. Die BaFin und die deutsche Regierung stützen sich dabei zunächst auf den mangelnden Anlage- bzw. Investitionscharakter einer Kreditvergabe(6). Des Weiteren räumen die deutsche und die griechische Regierung sowie die BaFin ein, dass sich die Erlaubnispflicht indirekt auf Kapitalbewegungen, in casu auf die Auszahlung des Darlehensbetrags, auswirken könne, betonen jedoch gleichzeitig, dass sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes(7) ergebe, dass Artikel 56 EG solche Beschränkungen des Kapitalverkehrs nicht untersage, die sich lediglich mittelbar aus Beeinträchtigungen anderer Grundfreiheiten, in concreto der Dienstleistungsfreiheit, ergeben.

38.   Nach Auffassung der irischen Regierung sei zwar nicht mehr auf diese Rechtsprechung abzustellen, doch schließe das Kriterium des „Hauptaspekts“ gleichfalls die Anwendung der Regelungen des Kapitalverkehrs aus.

39.   Zudem führen die italienische, griechische und deutsche Regierung sowie die BaFin die Richtlinie 2000/12 an, welche mittels ihrer Rechtsgrundlage, einiger Erwägungsgründe sowie der Auflistung in ihrem Anhang I die Vergabe von Krediten der Dienstleistungs-, nicht aber der Kapitalverkehrsfreiheit zuweise.

40.   Die deutsche Regierung ergänzt schließlich, dass Artikel 49 EG eine Vorschrift im Sinne von Artikel 57 Absatz 1 EG sei und dass die Kapitalverkehrsfreiheit im Bereich der Finanzdienstleistungen auf die Mitgliedstaaten beschränkt sei, weil die Vergabe von Krediten zumindest auch eine Dienstleistung darstelle.

B –    Würdigung

41.   Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Vergabe von Darlehen aus einem Drittstaat in die Europäische Union den Regelungen des freien Kapitalverkehrs und/oder denjenigen des freien Dienstleistungsverkehrs unterfällt.

42.   Was die Artikel 49 ff. EG, also die Dienstleistungsfreiheit, betrifft, so hat der Gerichtshof in den Rechtssachen Svensson und Gustavsson(8) sowie Parodi(9) Darlehen auch als Dienstleistungen angesehen. Daher ist zwar der sachliche Anwendungsbereich eröffnet, doch kann sich ein Unternehmen wie die Fidium Finanz nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, da sich deren persönlicher Anwendungsbereich nicht auf außerhalb der Gemeinschaft ansässige Personen erstreckt. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft(10).

43.   Hingegen ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 56 Absatz 1 EG („… sowie zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern …“), dass sich auch ein außerhalb der Gemeinschaft ansässiges Unternehmen auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann(11).

44.   Somit muss sich die folgende Untersuchung darauf konzentrieren, ob nicht nur der persönliche, sondern auch der sachliche Anwendungsbereich von Artikel 56 Absatz 1 EG eröffnet ist und die Kreditvergabe dem Kapitalverkehr zuzuordnen ist.

45.   Eine Legaldefinition des Begriffes des Kapitalverkehrs enthält der Vertrag selbst nicht. In ständiger Rechtsprechung(12) zieht der Gerichtshof jedoch die Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 88/361 zur Konkretisierung heran. Ungeachtet dessen, dass diese auf die damals geltenden Artikel 69 und 70 Absatz 1 EWG gestützt ist, behält sie auch nach Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht ihren Hinweischarakter für die Definition des Begriffes des Kapitalverkehrs.

46.   In der Rubrik VIII. der Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 88/361 sind unter A. „Darlehen und Kredite von Gebietsfremden an Gebietsansässige“ aufgeführt. Im Rahmen der „Begriffsbestimmungen“ am Ende der Nomenklatur werden diese als „von Finanzinstitutionen gewährte Finanzierungen aller Art ... auch … Konsumentenkredite ...“ spezifiziert. In einem ersten Schritt lässt sich eine Tätigkeit wie die der Fidium Finanz somit dem Kapitalverkehr zuordnen.

47.   Die Einleitung der Nomenklatur spricht jedoch nur von „Kredit- oder Darlehensrückzahlungen“ als Kapitalverkehr und würde insofern eine Trennung zwischen den Vertragsabschlüssen zur Gewährung einer Finanzdienstleistung, welche der – hier nicht anwendbaren – Dienstleistungsfreiheit unterfielen, und dem Vollzug solcher Geschäfte als Teil der Kapitalverkehrsfreiheit nahe legen.

48.   Dass eine solche Aufspaltung eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs aber nicht intendiert ist, zeigt zum einen der weitere Wortlaut der Einleitung der Nomenklatur, wonach unter den Kapitalverkehr „alle für die Durchführung des Kapitalverkehrs erforderlichen Geschäfte: Abschluss und Ausführung der Transaktion und damit zusammenhängende Transferzahlungen“ fallen.

49.   Zum anderen wird dies auch durch die von Rubrik VIII. abweichende Formulierung der Rubrik X. verdeutlicht. Dort wird nur auf „Transferzahlungen in Erfüllung von Versicherungsverträgen“ Bezug genommen. Daraus könnte man ableiten, dass damit der Kapitalverkehr in diesem Bereich auf die reine Transferleistung unter Ausschluss des ihr zugrunde liegenden Versicherungsgeschäfts begrenzt ist.

50.   Aus der anderen Formulierung in Rubrik VIII. A. ergibt sich jedoch, dass eine rechtliche Aufspaltung eines wirtschaftlichen Vorganges zumindest hinsichtlich von Darlehen vom Gemeinschaftsgesetzgeber nicht gewollt war.

51.   Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes(13), nach der unter Heranziehung des „nicht erschöpfenden Charakters der Nomenklatur“ über die ausdrückliche Auflistung hinaus auch andere Sachverhalte der Kapitalverkehrsfreiheit unterliegen. Die Kapitalverkehrsfreiheit muss dann erst recht für die Vergabe von Krediten gelten, insbesondere weil Kredite von der Nomenklatur in Anhang I ausdrücklich angeführt werden, obgleich in der Einleitung der Nomenklatur nur von der Kredit- und Darlehensrückzahlung die Rede ist.

52.   Diesem Auslegungsergebnis stehen auch die Erwägungen des Gerichtshofes in der Rechtssache Luisi und Carbone(14) nicht entgegen. Ihnen zufolge liegt Kapitalverkehr nur dann vor, wenn es sich „um Finanzgeschäfte handelt, bei denen es in erster Linie um die Anlage oder die Investition des betreffenden Betrages und nicht um die Vergütung einer Dienstleistung geht“. Der Gewährung von Darlehen wohnt aber insofern ein Anlagecharakter inne, als ein solches Geschäft regelmäßig mit Zinsgewinn vorgenommen werden soll(15). Zudem stellt die auf die Gewährung folgende Auszahlung der Valuta auch keine Vergütung einer Dienstleistung im Sinne des freien Zahlungsverkehrs dar, sondern ist selbst Kapitalverkehr.

53.   Es ist nunmehr im Detail zu prüfen, ob die Regelungen des freien Kapitalverkehrs auf die Gewährung von Krediten anwendbar sind. Der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes lassen sich hiefür vier verschiedene Begründungsansätze entnehmen:

54.   Die erste Linie der Rechtsprechung bilden die Rechtssachen Svensson und Gustavsson(16) sowie Parodi(17), die beide die Kreditvergabe durch Banken hindernde Vorschriften betreffen, sowie Kommission/Italien(18). Diesen Urteilen ist eine parallele Anwendung der jetzigen Artikel 49 EG und 56 EG im Bereich der Finanzdienstleistungen zu entnehmen. Somit sind die Regelungen über den freien Kapitalverkehr nach diesen Urteilen neben der Dienstleistungsfreiheit heranziehbar.

55.   Eine andere, zweite Linie verfolgt der Gerichtshof in den Rechtssachen Safir(19) und Ambry(20). In diesen Judikaten wendet er die Dienstleistungsfreiheit als alleinigen Prüfungsmaßstab an. Obwohl sich die Vorlagefragen in beiden Fällen sowohl auf Artikel 49 EG als auch auf Artikel 56 EG bezogen, hat er ausdrücklich dahinstehen lassen, „ob eine solche Regelung auch gegen Artikel 73 b (nunmehr Artikel 56 EG) verstößt“. Hierin könnte auf den ersten Blick eine Ablehnung der Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit gesehen werden(21).

56.   Eine genauere Analyse der Urteile in den Rechtssachen Safir und Ambry (insbesondere des Wortlauts „braucht nicht entschieden zu werden“) zeigt jedoch, dass der Gerichtshof die Anwendung von Artikel 56 EG lediglich zumindest nicht ausschließen wollte(22).

57.   Hinzu kommt in der Rechtssache Safir, dass die Vorlagefrage nach dem jetzigen Artikel 56 EG nur alternativ („oder“)(23) zu den Regelungen des freien Dienstleistungsverkehrs gestellt wurde. Da der Gerichtshof in Auslegung von Artikel 49 EG bereits zu einer Unvereinbarkeit der nationalen Maßnahme mit eben dieser Vorschrift gelangte, bedurfte es keiner weiteren Ausführungen zur Kapitalverkehrsfreiheit. Somit ist dieser Rechtsprechung keine Ablehnung der Anwendbarkeit des Artikels 56 EG zu entnehmen.

58.   Das gilt auch für die Rechtssache Ambry. Hier wurde die Vorlagefrage zwar kumulativ formuliert („und“)(24), jedoch ebenfalls zunächst die Unvereinbarkeit der nationalen Maßnahme mit Artikel 49 EG festgestellt. Somit bedurfte es auch hier zur Entscheidung des ausgesetzten nationalen Rechtsstreits nicht zwingend weiterer Ausführungen des Gerichtshofes.

59.   Folglich sprechen auch die in den vorigen Nummern genannten Urteile nicht gegen die Anwendbarkeit der Regelungen über den freien Kapitalverkehr.

60.   In den Rechtssachen Sandoz(25) (die Behandlung von im Ausland aufgenommenen Darlehen betreffend) und Reisch(26) hat der Gerichtshof ausschließlich den jetzigen Artikel 56 EG ausgelegt und weiter keine Ausführungen zu Artikel 49 EG gemacht, da die Vorlagefragen auf die Vorschriften des freien Kapitalverkehrs beschränkt waren. Auch nach dieser Rechtsprechung ist somit von der Anwendbarkeit der Artikel 56 ff. EG auf die Vergabe von Krediten auszugehen.

61.   Gegen die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit könnten allein das Urteil in der Rechtssache Bachmann(27) sowie einige hieran anknüpfende Schlussanträge(28) sprechen, welche bei potenziellem Zusammentreffen von Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit Letztere nicht heranziehen wollen, wenn ein lediglich mittelbarer Eingriff in Artikel 56 EG vorliegt.

62.   Dazu ist zunächst zu bemerken, dass das Kriterium der mittelbaren Beeinträchtigung bzw. des mittelbaren Eingriffes für die Frage der Zuordnung eines Sachverhalts zu einer Grundfreiheit nicht trennscharf genug und zu unbestimmt ist(29). Dieses Kriterium ist jedoch auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht mehr heranzuziehen, weil der Gerichtshof seit dem Urteil in der Rechtssache Bachmann nicht mehr auf dieses Abgrenzungskriterium abgestellt hat. Das gilt im Übrigen ebenso für das in eine vergleichbare Richtung zielende Kriterium des „Hauptaspektes“. Auch diese Linie der Rechtsprechung steht somit der Heranziehung von Artikel 56 EG zumindest nicht entgegen.

63.   Zur einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ist also abschließend festzuhalten, dass ihr die Anwendbarkeit der Regelungen über den freien Kapitalverkehr auf eine Konstellation wie die des Ausgangsverfahrens zu entnehmen ist.

64.   Es bleibt zu untersuchen, ob der Heranziehung von Artikel 56 EG die Regelungen der Richtlinie 2000/12 entgegenstehen könnten. Diese ist zwar auf den im vorliegenden Verfahren geschilderten Sachverhalt nicht anwendbar(30), jedoch aufgrund der engen Bezüge zu der in Rede stehenden wirtschaftlichen Tätigkeit zu betrachten.

65.   Regelungsgegenstand der Richtlinie sind, wie sich aus deren Anhang I ergibt, u. a. „Ausleihungen, insbesondere Konsumentenkredite“. Wie die Rechtsgrundlage der Richtlinie, nämlich Artikel 47 Absatz 2 EG, sowie der vierte und 19. Erwägungsgrund zeigen, ordnet die Richtlinie Kredite der Dienstleistungsfreiheit zu.

66.   Dieser Umstand ist nun im Hinblick auf eventuelle Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von Artikel 56 EG zu betrachten.

67.   Zwar kann die Wahl der Rechtsgrundlage eines Sekundärrechtsaktes, in der die Zuordnung zu einer Grundfreiheit zum Ausdruck kommt, für die Qualifizierung von Krediten anhand der betreffenden Grundfreiheit von Bedeutung sein, doch gilt das nicht in dem Sinn, dass ein solcher Rechtsakt die Reichweite der betreffenden oder einer anderen Grundfreiheit einschränken könnte.

68.   Dass dies auch nicht der Absicht des Gemeinschaftsgesetzgebers entsprach, zeigt der 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/12 sowie bereits die oben dargestellte Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 88/361. Nach diesen wird die Vergabe von Darlehen sekundärrechtlich durch den Gemeinschaftsgesetzgeber neben der Dienstleistungsfreiheit zusätzlich noch dem Kapitalverkehr zugewiesen. Die Richtlinie 2000/12 spricht also aus zwei Gründen für die Anwendbarkeit von Artikel 56 Absatz 1 EG.

69.   Des Weiteren ist auf die Auffassung einzugehen, wonach die Kapitalverkehrsfreiheit nur auf so genannte „Wertetransaktionen“ oder einen so genannten „Wertetransfer“, welche der wirtschaftlichen Tätigkeit gegenübergestellt werden können, Anwendung findet. Selbst wenn man diese Ansicht teilen sollte, bedeutet das nicht, dass die Vergabe von Krediten automatisch von der Kapitalverkehrsfreiheit ausgeschlossen wäre. Denn die Kreditvergabe hat selbstverständlich eine Transaktion von Werten zum Gegenstand; sie ist, wie auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich vorgetragen wurde, eine Kapitalbewegung. Was sie sonst noch ist, kann angesichts der Spezialität der Kapitalverkehrsfreiheit dahingestellt bleiben. Der Vollständigkeit halber sei freilich darauf hingewiesen, dass es auch Finanzdienstleistungen gibt, die mit keiner Kapitalbewegung verbunden sind, wie etwa reine Beratungstätigkeiten.

70.   In diesem Zusammenhang ist außerdem an eine ausdrückliche Regelung des Primärrechts betreffend das Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit zur Dienstleistungsfreiheit zu erinnern. Nach Artikel 50 EG genießt die Kapitalverkehrsfreiheit Vorrang gegenüber der Dienstleistungsfreiheit. Dieses im Primärrecht zugrunde gelegte Spezialitätsverhältnis kommt gerade in einer Konstellation wie der des Ausgangsverfahrens zum Tragen. Das bedeutet, dass selbst dann, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit von Kreditunternehmen bei isolierter Betrachtung unter die Dienstleistungsfreiheit fallen würde, sie hinsichtlich mancher Gesichtspunkte ausschließlich unter die vorrangig anzuwendende Kapitalverkehrsfreiheit fällt.

71.   Dieses Spezialitätsverhältnis gilt ebenso im Verhältnis zu Drittstaaten. Das ergibt sich daraus, dass der Vertrag hinsichtlich der Beziehungen zu Drittstaaten zwar besondere Regelungen trifft (Artikel 57 EG, 59 EG und 60 EG), dass er aber keine Sondervorschrift zur Spezialitätsregel enthält. Offensichtlich wollten die Mitgliedstaaten als Herren der Verträge diesbezüglich keine Abweichung vorsehen.

72.   An der Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit ist im Übrigen auch dann festzuhalten, wenn man die jeweilige Maßnahme des Mitgliedstaats in den Blick nimmt, weil es nicht auf deren Zielsetzung, sondern auf deren Wirkungen ankommt. Im Ausgangsverfahren erstrecken sich diese aber auch auf die Kreditvergabe. Auf einen bestimmten Grad der Wirkung, etwa eine schwerpunktmäßige Wirkung, oder gar die Unmittelbarkeit der Maßnahme kommt es nicht an.

73.   Im Verfahren wurde des Weiteren vorgebracht, dass die Kapitalverkehrsfreiheit nur objektbezogene Maßnahmen erfasse. Diese enge Auslegung findet im Primärrecht keine Stütze. Im Gegenteil lässt sich dem Vertrag entnehmen, dass auch personenbezogene Maßnahmen, wie etwa die Aufsicht über Finanzinstitute, der Kapitalverkehrsfreiheit unterfallen können. Ansonsten wäre nämlich die Ausnahmeregelung in Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG überflüssig.

74.   Schließlich ergibt sich auch aus Artikel 57 Absatz 1 EG (in der Tatbestandsvariante „gemeinschaftliche Rechtsvorschriften … im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen …“) in Verbindung mit Artikel 49 EG ebenfalls nichts anderes. Wäre die Berufung auf Artikel 56 EG für Drittstaatsunternehmen jedes Mal schon deshalb ausgeschlossen, weil zusätzlich unter sachlichen Gesichtspunkten eine weitere Grundfreiheit betroffen ist, würde dies zu einem Leerlaufen der vom freien Kapitalverkehr erfassten Gewährleistungen führen.

75.   Nach alldem ergibt sich, dass sich ein Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union, und zwar in der Schweizerischen Eidgenossenschaft, für die Vergabe von Krediten an Einwohner eines Mitgliedstaats auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann.

VI – Zur zweiten Vorlagefrage

76.   Mit der zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht erstens wissen, ob die Sitzwahl in einem Drittstaat zur ausschließlichen Vergabe von Krediten an in Mitgliedstaaten ansässige Personen einen Rechtsmissbrauch darstellt, weil das Unternehmen im Drittstaat für diese Geschäftstätigkeit keiner Erlaubnis bedarf. Zweitens geht die Vorlagefrage dahin, ob das einschlägige Gemeinschaftsrecht so auszulegen ist, dass es einer Gleichstellung hinsichtlich der Erlaubnispflicht mit inländischen Unternehmen entgegensteht.

A –    Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

77.   Hinsichtlich des ersten Teils der Vorlagefrage ist ausschließlich Fidium Finanz der Ansicht, nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt zu haben und verweist dazu auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes(31), nach der die Wahl eines Sitzes in einem Staat mit geringeren Anforderungen an die Aufnahme der Geschäftstätigkeit als diejenigen im Zielstaat allein noch keinen Missbrauch, sondern nur die Ausübung einer Grundfreiheit darstellt.

78.   Demgegenüber vertreten die BaFin, die deutsche, die griechische, die irische und die italienische Regierung hilfsweise den Standpunkt, dass unter den im Vorlagebeschluss geschilderten Umständen eine Berufung auf Artikel 56 EG als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei. Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes(32) ergebe sich, dass eine missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht gestattet sei. Ergänzend hierzu weist die italienische Regierung auf den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/12 hin. Der portugiesischen Regierung zufolge liege kein Missbrauch vor, da schon gar kein Recht aus Artikel 56 EG entstanden sei. Die Kommission ist der Auffassung, dass es im Hinblick auf die vierte und fünfte Vorlagefrage einer Beantwortung dieser Frage nicht bedürfe.

79.   Zum zweiten Teil der zweiten Vorlagefrage äußern sich lediglich die BaFin, die italienische und die portugiesische Regierung dahin gehend, dass das Gemeinschaftsrecht einer Gleichbehandlung hinsichtlich der Erlaubnispflicht nicht entgegensteht. Die Kommission verweist auf ihre Ausführungen zur vierten Vorlagefrage.

B –    Würdigung

80.   Im Rahmen des ersten Teils der zweiten Vorlagefrage ist zu untersuchen, ob das Verhalten eines Unternehmens wie das der Fidium Finanz als missbräuchliche Berufung auf Artikel 56 Absatz 1 EG anzusehen ist und, bejahendenfalls, welche Rechtsfolge das Gemeinschaftsrecht an eine solche Qualifizierung knüpft.

81.   Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich, dass die missbräuchliche Berufung auf die Grundfreiheiten, namentlich auf die Niederlassungsfreiheit und auf den freien Dienstleistungsverkehr, nicht gestattet ist(33). Dies gilt ausweislich der zitierten Rechtsprechung auch für die Berufung auf entsprechendes Sekundärrecht.

82.   Die nationalen Gerichte können das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen berücksichtigen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren(34).

83.   Dem Vorlageverfahren liegt der Sachverhalt zugrunde, dass ein Unternehmen zwar in einem Drittstaat ansässig ist, seine Geschäftstätigkeit jedoch nahezu ausschließlich darin besteht, an Einwohner eines bestimmten Mitgliedstaats Kredite zu vergeben. Aufgrund dieser grenzüberschreitenden Orientierung greift nach dem Recht des betreffenden Drittstaats, in casu also der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die nationale behördliche Überwachung des Unternehmens nicht. Unter Berufung auf Artikel 56 EG wird von Fidium Finanz die Erlaubnisbedürftigkeit im Empfangsmitgliedstaat bestritten. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts bestehen ernst zu nehmende Hinweise dafür, dass der Unternehmenssitz gezielt so gewählt wurde, dass weder eine Aufsicht im Sitzstaat noch in jenem Mitgliedstaat gegeben ist, in dem die Geschäftstätigkeit tatsächlich stattfindet. Den Anknüpfungspunkt für ein möglicherweise missbräuchliches Verhalten sieht das vorlegende Gericht mithin in der Umgehung nationaler Vorschriften des Mitgliedstaats.

84.   Fraglich ist, ob dies eine Berufung auf Artikel 56 EG ausschließt. Die Berufung auf Artikel 56 EG hat freilich nur insoweit Erfolg, als die Mitgliedstaaten nicht gerechtfertigte Einschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit treffen (können).

85.   Für den Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs hat der Gerichtshof in den Rechtssachen TV10 SA(35), Versicherungen(36) und Van Binsbergen(37) insofern festgestellt, dass einem Mitgliedstaat nicht das Recht zum Erlass von Vorschriften abgesprochen werden kann, die verhindern sollen, dass ein Dienstleistungserbringer, dessen Tätigkeit ganz oder vorwiegend auf das Gebiet dieses Staates ausgerichtet ist, sich die Dienstleistungsfreiheit zunutze macht, um sich denjenigen Berufsregelungen zu entziehen, die auf ihn Anwendung fänden, wenn er im Gebiet dieses Staates ansässig wäre.

86.   Überträgt man die Rechtsprechung zu Artikel 49 EG auf Artikel 56 EG, könnte somit die Berufung eines Unternehmens in der Situation der Fidium Finanz auf die Kapitalverkehrsfreiheit ausgeschlossen sein.

87.   Jedoch ergibt sich aus der Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit ein anderes Bild. Im Rahmen von Artikel 43 EG hat der Gerichtshof entschieden, dass es für sich allein nicht missbräuchlich ist, eine Gesellschaft in einem ersten Mitgliedstaat mit geringeren Anforderungen an die Tätigkeitsaufnahme nur deshalb zu gründen, um in einem zweiten Mitgliedstaat, in dem strengere Regelungen gelten, unter Berufung auf die Artikel 43 ff. EG eine Zweigniederlassung errichten zu können.

88.   Dies gelte auch dann, wenn die gesamte Geschäftstätigkeit im Land der Zweigstelle entfaltet werden solle und somit die Gründung der Gesellschaft im ersten Mitgliedstaat nur dem Zweck diene, in den Genuss der dortigen – vorteilhafteren – Regelungen zu gelangen und die strengeren Vorschriften im Staat der Zweigniederlassung zu umgehen(38).

89.   Was die erstmalige Errichtung von Gesellschaften anbelangt, stellt die Umgehung nationaler Vorschriften somit keinen Missbrauch dar. In Heranziehung der Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit wäre also eine Berufung auf Artikel 56 EG hier nicht unbedingt ausgeschlossen.

90.   Fraglich ist somit, welche Kriterien für die Bestimmung des Missbrauchs betreffend den freien Kapitalverkehr gelten. Im Unterschied zur Rechtsprechung betreffend die Dienstleistungsfreiheit besteht hier nicht die Gefahr der Umgehung einer anderen Grundfreiheit, dort eben der Niederlassungsfreiheit(39). Im Unterschied zum Urteil in der Rechtssache Centros ist die Umgehung bzw. die Möglichkeit dazu nicht schon in der geltend gemachten Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, dort eben der Niederlassungsfreiheit, selbst angelegt.

91.   Dem Urteil in der Rechtssache Centros lässt sich entnehmen, dass die beiden Linien der Rechtsprechung, also die zur Dienstleistungsfreiheit und die zur Niederlassungsfreiheit, einander nicht widersprechen. Denn der Gerichtshof hat im Rahmen von Artikel 43 EG die Umgehung nationaler Vorschriften nicht generell dem Missbrauchsvorwurf entzogen, sondern nur deshalb, weil es gerade Ziel der Niederlassungsfreiheit sei, Gesellschaften mit Sitz in der Gemeinschaft zu erlauben, mittels einer Zweigniederlassung in anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden(40).

92.   Mit anderen Worten stellt die Umgehung nur dann einen Missbrauch dar, wenn sie außerhalb des Zieles der in Anspruch genommenen Vorschrift liegt(41).

93.   Dieses Kriterium wird auch in zwei neueren Entscheidungen des Gerichtshofes herangezogen und ergänzt. Ihnen zufolge setzt die Annahme eines Missbrauchs zunächst voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Gemeinschaftsregelung nicht erreicht wurde. Zudem setzt Missbrauch ein subjektives Element voraus, nämlich die Absicht, sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden(42) oder die Absicht, sich der Anwendung nationalen Rechts, insbesondere Steuerrechts, zu entziehen(43).

94.   Zu prüfen ist nun, ob jener Teil der Rechtsprechung für das vorliegende Verfahren herangezogen werden kann, der – obwohl – zu sekundärrechtlichen Fragestellungen ergangen ist und die betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht zur Erlangung subjektiver Rechte bzw. missbräuchliche Berufung auf solche Rechte betraf.

95.   Was die Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auf primärrechtliche Sachverhalte anbelangt, ist hier darauf zu verweisen, dass die Ausführungen des Gerichtshofes zwar zum Sekundärrecht ergangen sind, jedoch allgemein formuliert wurden und somit über die jeweiligen Verfahrenskonstellationen hinausweisen(44).

96.   Auch hindert die Behandlung der Thematik im Rahmen einer anderen Fallgruppe des Missbrauchs, nämlich der Erschleichung, die Heranziehbarkeit der Aussagen des Gerichtshofes nicht. Zum einen wohnt der Umgehung einer Norm, mit der eine Verpflichtung auferlegt wird, zugleich auch die Erschleichung eines nicht vorgesehenen Vorteils inne. Zum anderen behandelt der Gerichtshof beide Gruppen gleichermaßen, da er in Fällen der Erschleichung eines subjektiven Rechts auch auf seine Umgehungsrechtsprechung verweist und umgekehrt(45). Diese Fallgruppe behandelt der Gerichtshof wie die vorliegend zu betrachtende Fallgruppe der Umgehung nationaler Regelungen durch Berufung auf das Gemeinschaftsrecht unter dem Oberbegriff des Missbrauchs(46).

97.   Somit können die oben angeführten Entscheidungen des Gerichtshofes im vorliegenden Verfahren herangezogen werden. Zur Annahme eines Missbrauchs bedarf es damit eines objektiven und eines subjektiven Elements.

98.   Im Rahmen der Aufgabenteilung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Artikel 234 EG ist es Sache des nationalen Gerichts, das Vorliegen dieser beiden Elemente festzustellen(47).

99.   Hinsichtlich der in der Rechtssache Centros angelegten objektiven Voraussetzung der Zielverfehlung der in Anspruch genommenen Norm obliegt es dem nationalen Gericht, anhand der konkreten Sachverhaltsumstände zu prüfen, ob eine Gesamtwürdigung ergibt, dass das objektive Verhalten von Fidium Finanz den Schluss zulässt, die Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit zu verwehren. Dabei hat der nationale Richter die Ziele der Kapitalverkehrsfreiheit zu beachten. Ein wesentliches Ziel besteht nun darin, grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen zu ermöglichen.

100. Somit kann es für sich allein noch keine missbräuchliche Ausnutzung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen, wenn unterschiedliche Regelungsniveaus betreffend das Aufsichtsrecht ausgenutzt werden und Kredite aus einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat vergeben werden.

101. Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzung hat der nationale Richter zu prüfen, ob Fidium Finanz die Absicht hatte, sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen worden waren oder Fidium Finanz sich der Anwendung des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats, also insbesondere des deutschen Bankenaufsichtsrechts, entziehen wollte.

102. Der erste Teil der Vorlagefrage ist somit dahin gehend zu beantworten, dass sich ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, in dem es keiner Aufsicht unterliegt, für die Vergabe von Krediten an Einwohner eines Mitgliedstaats dann nicht auf Artikel 56 EG berufen kann, wenn beide kumulativen Voraussetzungen für Missbrauch vorliegen, wobei das vom nationalen Gericht zu beurteilen ist.

103. Wie der Beschluss des vorlegenden Gerichts zeigt, besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Teil der zweiten Vorlagefrage. Mit dem zweiten Teil, der die mögliche Gleichbehandlung betrifft, bezieht sich das vorlegende Gericht auf die im Urteil TV10 SA festgestellte Rechtsfolge einer missbräuchlichen Handlungsweise. Da der zweite Teil der zweiten Vorlagefrage inhaltlich nicht über die erste Teilfrage hinausgeht und die Ebene der Rechtfertigung anspricht, ist dementsprechend auf die Ausführungen zur vierten und zur fünften Vorlagefrage zu verweisen.

VII – Zur dritten Vorlagefrage

104. Mit der dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Erlaubnispflichtigkeit der Kreditgewährung eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt und ob es insofern auf die Art der Sanktion ankommt, mit der eine nicht genehmigte Tätigkeit geahndet wird.

A –    Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

105. Den ersten Teil der dritten Vorlagefrage betreffend sind Fidium Finanz sowie die Kommission der Auffassung, dass das Erfordernis der Erlaubnis die Voraussetzungen der Beschränkung im Sinne von Artikel 56 EG erfüllt, da es die Kreditvergabe aus einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat behindere. Hilfsweise schließt sich auch die BaFin dieser Ansicht an.

106. Die irische, italienische, griechische und portugiesische Regierung hingegen sehen eine Beschränkung als nicht gegeben an. Unter Bezugnahme auf ihre Erklärungen zur ersten Vorlagefrage weisen die irische und die italienische Regierung darauf hin, dass nur die Erbringung der Dienstleistung, nicht jedoch der Kapitaltransfer selbst beschränkt werde.

107. Hinsichtlich des zweiten Teils der Vorlagefrage weisen lediglich Fidium Finanz, die BaFin sowie die Kommission darauf hin, dass es für den Beschränkungscharakter der vorherigen Erlaubnis nicht auf die Qualifikation der unerlaubten Tätigkeit als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit ankomme.

B –    Würdigung

108. Zu klären ist im Rahmen des ersten Teils der dritten Vorlagefrage, ob im Erfordernis der vorherigen Einholung einer Erlaubnis zur Vergabe von Krediten eine Beschränkung im Sinne von Artikel 56 Absatz 1 EG zu sehen ist.

109. Hierzu ist in einem ersten Schritt festzustellen, dass das Erfordernis der Erlaubnis, wie es sich aus den nationalen Vorschriften in Verbindung mit der geänderten Verwaltungspraxis der BaFin ergibt, für in Deutschland ansässige Unternehmen und für solche aus Drittstaaten gleichermaßen gilt. Dies steht jedoch der Annahme eines Eingriffs nicht entgegen. Wie sich nämlich aus dem Wortlaut von Artikel 56 Absatz 1 EG („alle Beschränkungen“) und der Rechtsprechung des Gerichtshofes(48) ergibt, ist der freie Kapitalverkehr über ein bloßes Diskriminierungsverbot hinaus auch als allgemeines Beschränkungsverbot ausgestaltet.

110. In einem zweiten Schritt bleibt somit zu untersuchen, ob inhaltlich eine Beschränkung gegeben ist. Das Erlaubniserfordernis hindert ein in einem Drittstaat ansässiges Unternehmen daran, ohne behördliche Erlaubnis Kredite an in Deutschland lebende Personen zu vergeben. Bereits dies deutet in Anwendung der Rechtsprechung Konle(49), Reisch(50) und Salzmann(51) darauf hin, dass eine Beschränkung vorliegt. In diesen Rechtssachen hat der Gerichtshof das bloße Vorliegen des Erfordernisses einer Erlaubnis bevor überhaupt von der Kapitalverkehrsfreiheit Gebrauch gemacht wird, als Beschränkung qualifiziert.

111. Dieses Ergebnis wird durch das Urteil in der Rechtssache Parodi(52) bestätigt. Dort hat der Gerichtshof das Erfordernis einer Zulassung im Empfängerstaat für die Vergabe von Darlehen aus dem EG-Ausland als Beschränkung der dort einschlägigen Grundfreiheit angesehen. Da auf diesen innergemeinschaftlichen Sachverhalt die den so genannten „Europapass“ einführende Zweite Bankenrichtlinie(53) noch nicht anwendbar war, entspricht er der heutigen Situation zwischen Drittstaaten und Mitgliedstaaten und kann infolgedessen auf solche Konstellationen übertragen werden.

112. Im vorliegenden Verfahren kommt erschwerend hinzu, dass aufgrund der Ausgestaltung des nationalen, also des deutschen Rechts die Erlangung einer Erlaubnis nur bei Vorhandensein einer Hauptverwaltung oder zumindest einer Zweigstelle im Inland möglich ist.

113. Um überhaupt Kredite in Deutschland vergeben zu können, müsste ein Drittstaatsunternehmen somit dort eine physische Präsenz errichten. Dies wäre mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden und könnte die Wirtschaftsteilnehmer davon abhalten, dieser Geschäftstätigkeit nachzugehen. Folglich liegt eine Beschränkung vor.

114. Auf den ersten Teil der dritten Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass das Erlaubniserfordernis eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

115. Der zweite Teil der dritten Vorlagefrage betrifft die Art der Sanktion für eine nicht genehmigte Tätigkeit, also die Qualifizierung des Verstoßes als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat, und die Bedeutung dieser Qualifizierung für deren Beurteilung als Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.

116. Diesbezüglich kann auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes verwiesen werden, wonach selbst dann eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs gegeben ist, wenn mit der Nichtbeachtung einer Erlaubnispflicht keinerlei Sanktionen verbunden sind(54). Dann muss dies erst recht gelten, wenn wie vorliegend, an den Verstoß gegen das Erlaubniserfordernis irgendwelche Sanktionen geknüpft sind. Diese machen die Beeinträchtigung sogar noch schwerwiegender. Die Art der Sanktion, ob Straftat oder Ordnungswidrigkeit, ist somit unerheblich und ändert am Vorliegen einer Beschränkung im Sinne von Artikel 56 EG nichts.

VIII – Zur vierten Vorlagefrage

117. Mit der vierten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Erfordernis der vorherigen Erlaubnis zur Gewährung von Krediten durch ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat an Einwohner eines Mitgliedstaats der Europäischen Union durch Artikel 58 Absatz 1 b EG gerechtfertigt ist.

A –    Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

118. Allein Fidium Finanz ist der Ansicht, dass die durch das geschilderte Erlaubniserfordernis hervorgerufene Beschränkung nicht durch Artikel 58 Absatz 1 b EG gerechtfertigt werden kann. Dazu verweist Fidium Finanz auf die allenfalls heranziehbare Tatbestandsalternative der „Aufsicht über Finanzinstitute“. Solche aufsichtsrechtlichen Vorschriften seien allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn sie in geeigneter und erforderlicher Weise die mit der Bankenaufsicht verfolgten Ziele verwirklichten. Diese Ziele würden durch das Erfordernis der Erlaubnis jedoch nicht in geeigneter Weise verwirklicht.

119. Was das Ziel des Anlegerschutzes betrifft, sei die Aufsicht bereits deshalb nicht gerechtfertigt, weil lediglich Kredite an Kunden vergeben, nicht jedoch Einlagen dieser entgegengenommen würden. Es bestehe somit keine Gefährdung des Anlegervermögens.

120. Hinsichtlich des Zieles der Funktionsfähigkeit des Kreditwesens bestehe zwar eine Gefährdung durch die Vergabe von Darlehen. Diese sei jedoch unabhängig vom Ort der Kreditvergabe, da sie ihren Grund in der Tatsache habe, dass Finanzinstitute, die Darlehen an Privatkunden vergeben, sich oft selbst durch Fremdkapital finanzieren müssten. Fielen nun Schuldner mit der Darlehensrückzahlung in größerem Umfang aus, seien auch die finanzierenden Kreditinstitute betroffen. Deren Sitz sei jedoch häufig nicht identisch mit dem Ort der Kreditvergabe, sodass die Gefahr einen anderen Kapitalmarkt betreffe. Mithin sei die Anknüpfung des Erlaubniserfordernisses an den Ort der Darlehensvergabe kein geeignetes Mittel zur Erreichung des Aufsichtsziels.

121. Darüber hinaus sei die Erlaubnispflicht in keinem Falle zur Erreichung der Ziele erforderlich. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes(55) ergebe sich, dass vorliegend ein Anmeldesystem mit Anzeigepflichten ein milderes, ebenso effektives Mittel zur Gewährleistung der Aufsicht über Finanzinstitute sei.

122. Dagegen vertreten sowohl die BaFin, die deutsche, die italienische, die irische, die griechische und die portugiesische Regierung als auch die Kommission die Auffassung, dass das Erfordernis der Erlaubnis jedenfalls nach Artikel 58 Absatz 1 b EG gerechtfertigt ist. Hierzu verweisen die BaFin sowie die deutsche Regierung zunächst auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes(56), nach der Zulassungserfordernisse für Versicherungsunternehmen gerechtfertigt sein können. Nichts anderes gelte auch für die Vergabe von Krediten.

123. Weiters argumentieren die BaFin, die deutsche Regierung sowie die Kommission mit der Richtlinie 2000/12, die in ihrem Anwendungsbereich die Tätigkeit von Kreditinstituten einer Zulassung durch die Mitgliedstaaten unterwirft. Da die Kreditvergabe durch ein Finanzinstitut wie die Fidium Finanz ähnliche Risiken berge, müssten die Gründe der Zulassungspflicht nach der Richtlinie, nämlich Anlegerschutz und Schutz der Finanzmärkte, auch im vorliegenden Verfahren gelten.

124. Zudem sei der Rechtsprechung des Gerichtshofes(57) zu entnehmen, dass eine bloße Anmeldepflicht als weniger einschneidende Maßnahme im Sinne der Erforderlichkeit den nötigen Rechtsgüterschutz nicht immer gewährleiste. Daher könne nach Ansicht der BaFin und der deutschen Regierung auch eine vorherige Erlaubnis gerechtfertigt sein.

125. Die irische und die griechische Regierung ergänzen, dass in Ermangelung der Anwendbarkeit harmonisierter Gemeinschaftsregelungen der Mitgliedstaat, in dem die Leistung erfolgt, die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen treffen kann, einschließlich des Erfordernisses der vorherigen Erlaubnis.

B –    Würdigung

126. Damit Artikel 58 Absatz 1 b EG überhaupt für eine Rechtfertigung der Erlaubnispflicht in Frage kommt, müsste er auch im Verhältnis zu Drittstaaten gelten. Zwar werden diese in Artikel 58 EG nicht ausdrücklich genannt. Da jedoch dessen Absatz 3 auf Artikel 56 EG verweist und dieser gerade auch „dritte Länder“ erfasst, ist Artikel 58 EG auf Drittstaaten, in casu also die Schweizerische Eidgenossenschaft, anwendbar(58). Andernfalls wären innerhalb der Gemeinschaft weitergehende Beschränkungen zulässig als gegenüber Drittstaaten.

127. Als Rechtfertigungstatbestand kommt die erste Variante von Artikel 58 Absatz 1 b EG in Betracht. Nach dem Wortlaut („unerlässliche Maßnahme …, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet … der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern“), setzt eine Rechtfertigung die Erfüllung von vier Bedingungen voraus. Auf diese ist im Folgenden einzugehen.

128. Da die Regelungen des KWG als nationale Normen innerstaatliche Rechtsvorschriften darstellen, ist die erste Voraussetzung erfüllt. Zweites müssten sie auch der Aufsicht über Finanzinstitute dienen. Wie sich aus den oben aufgeführten §§ 1 Absatz 1 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit 6 Absatz 2 KWG ergibt, zielen die Regelungen des KWG auf die Aufsicht über Finanzinstitute im Sinne des Artikel 58 Absatz 1 b EG ab, sodass auch diese Voraussetzung erfüllt ist. Drittens verlangt Artikel 58 Absatz 1 b EG die Verhinderung von Zuwiderhandlungen. Genau das bezweckt ein Erfordernis der Erlaubnis. Auch die dritte Voraussetzung ist somit gegeben.

129. Zu prüfen bleibt als vierte und letzte Voraussetzung, ob eine Erlaubnispflicht auch als „unerlässliche Maßnahme“ anzusehen ist. Dies wäre sie nur dann, wenn sie geeignet wäre, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen und dieses auch nicht durch Maßnahmen realisiert werden könnte, die den freien Kapitalverkehr weniger einschränken würden.

130. Somit sind an dieser Stelle zunächst die mit der Aufsichtsregelung verfolgten Ziele zu bestimmen.

131. Diese lassen sich der Auflistung des vorlegenden Gerichts im Rahmen der vierten Vorlagefrage entnehmen. Die in den Spiegelstrichen 1 bis 3 aufgelisteten Punkte zielen auf den Schutz des Kreditnehmers ab. Die Spiegelstriche 4 bis 6 dienen dem Schutz des Kapitalmarktes als solchem. Diese beiden Ziele entsprechen damit den typischen Zielsetzungen einer Finanzaufsichtsregelung wie der des KWG(59).

132. Im Folgenden ist daher zunächst auf die Eignung der Erlaubnis zum Schutz der Kreditnehmer einzugehen. Diesbezüglich könnte man die Auffassung vertreten, dass es überhaupt keines Schutzes des Kunden bedarf, weil ein Finanzinstitut wie die Fidium Finanz lediglich Kredite vergibt, nicht jedoch Einlagen von Kunden entgegennimmt und somit fremde Vermögenswerte nicht unmittelbar einer Gefährdung aussetzt. In diese Richtung deutet auch die Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache Parodi(60), im Rahmen derer er bezüglich des Grades der Gefahr für die Kunden zwischen Darlehensvergabe und Geldanlage unterscheidet.

133. Jedoch ergibt sich aus dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, dass mit dem Verzicht auf eine Schufa-Auskunft gezielt finanzschwache Kunden geworben werden, bei denen der störungsfreie Ablauf des Kreditgeschäfts von besonderer Bedeutung ist.

134. Hinzu kommt, dass für die Kunden auch über den unmittelbaren Verlust von Vermögenswerten hinaus Gefahren, wie etwa das Eingehen weiterer finanzieller Verpflichtungen gegenüber dem Kreditinstitut, bestehen. Dies gilt im besonderen Maße dann, wenn ein Teil der Kredite über das Internet vergeben wird und somit keine Personen der nationalen Aufsicht unterliegen, die bei unsachgemäßer Beratung und Information zur Verantwortung gezogen werden könnten. Ein Erfordernis der Erlaubnis stellt hingegen ein geeignetes Mittel dar, um das Ziel des Schutzes der Darlehensnehmer zu verfolgen.

135. Weiterhin müsste auch eine Eignung der Aufsicht bezüglich des zweiten Zieles, des Schutzes des Kapitalmarktes, gegeben sein.

136. Dies könnte auf den ersten Blick deshalb problematisch sein, weil die Gefährdung des Kapitalmarktes u. a. daher rührt, dass kreditvergebende Unternehmen sich selbst bei anderen Finanzinstituten refinanzieren. Fallen nun Schuldner in großem Maße aus, sind auch die Refinanzierer betroffen. Diese können aber auch an anderen Kapitalmärkten wie die Darlehensnehmer tätig sein.

137. Das kann jedoch nicht dazu führen, die Notwendigkeit der Aufsicht im Staat der Darlehensnehmer zu verneinen. Zum einen ist es genauso möglich, dass der betroffene Refinanzierer ebenfalls dort ansässig ist. Zum anderen ist auch im gegenteiligen Fall zumindest das kreditvergebende Institut selbst bei Ausfall vieler Schuldner betroffen. Auch wenn dieses nicht im Staat der Darlehensnehmer ansässig ist, hat dies aufgrund seiner dortigen Geschäftstätigkeit zumindest negative Rückwirkungen. Schließlich ist der Ort der Geschäftstätigkeit der sinnvollste Anknüpfungspunkt für eine Aufsicht. Könnte diese mit dem Argument abgewendet werden, dass eventuell betroffene Refinanzierer andernorts ansässig sind, wäre eine Überwachung gänzlich unmöglich.

138. Hinzu kommt noch, dass Aufsichtsregelungen auch der Verhinderung der Geldwäsche dienen. Bereits der bloße unbeaufsichtigte Betrieb des Kreditgeschäfts birgt die Gefahr der Geldwäsche in sich, da sowohl die Gewährung des Kredits als auch dessen Rückzahlung die Herkunft des Geldes verschleiern können. Das Erlaubniserfordernis stellt somit auch ein geeignetes Mittel zur Verfolgung des Schutzes des Kapitalmarktes dar.

139. Dass das Erfordernis der Erlaubnis und aus ihm resultierend die Möglichkeit der Aufsicht ein geeignetes Mittel zur Verwirklichung der Ziele des Kundenschutzes sowie des Schutzes des Kapitalmarktes ist, zeigen auch die Regelungen der Richtlinie 2000/12.

140. Deren Artikel 4 unterstellt die Aufnahme der Tätigkeit von Kreditinstituten einer vorherigen Zulassung, welche eine Beaufsichtigung dieser Institute nach sich zieht. Im 65. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/12 werden der Schutz der Kunden sowie die Sicherung der Stabilität des Finanzsystems als Gründe für die Beaufsichtigung der Institute genannt.

141. Zwar stellen Institute wie die Fidium Finanz, die lediglich Darlehen vergeben, gemäß Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 2000/12 in Ermangelung der Entgegennahme von Einlagen keine „Kreditinstitute“ im Sinne des Artikel 4 der Richtlinie dar. Die gerade aufgezeigten Gründe der Zulassungspflicht bei Kreditinstituten gelten jedoch aufgrund der vergleichbaren Risiken der reinen Kreditvergabe in einer Konstellation wie der des Ausgangsverfahrens ebenso.

142. Weiterhin müsste aber auch die Erforderlichkeit der Erlaubnispflicht gegeben sein. Über die Geeignetheit hinaus verlangt dies die Abwesenheit eines milderen, gleich effektiven Mittels zur Zielerreichung.

143. Dagegen, dass die Erforderlichkeit im vorliegenden Verfahren gegeben ist, könnte die Rechtsprechung des Gerichtshofes(61) im Bereich des freien Kapitalverkehrs sprechen. Danach ist ein System der Anmeldung einem System der vorherigen Erlaubnis grundsätzlich vorzuziehen, weil es ein Mittel darstellt, das weniger stark in die Kapitalverkehrsfreiheit eingreift.

144. Die Ausfuhr von Devisen betreffend geht der Gerichtshof davon aus, dass ein sachgerechtes System der Anmeldung genügt, da es im Gegensatz zur Erlaubnis nicht die Wirkung hat, die Ausfuhr von Hartgeld, Banknoten usw. auszusetzen(62).

145. Jedoch ist das mildere Mittel nur dann heranzuziehen, wenn es gleich wirksam zur Erreichung des Zieles ist. Dementsprechend hat der Gerichtshof(63) für den kapitalverkehrsrelevanten Bereich des Immobilienerwerbs auch festgestellt, dass ein Anmeldeverfahren allein nicht immer ausreicht, die angestrebten Ziele zu erreichen und mithin auch ein Erlaubnisverfahren erforderlich sein kann.

146. Zu prüfen ist somit, unter welchen Voraussetzungen eine Erlaubnis erforderlich ist. Eine solche scheidet nach der eben zitierten „Immobilien-Rechtsprechung“ jedenfalls dann aus, wenn das zu verwirklichende Ziel, wie bei der Devisenausfuhr, für die nationalen Stellen lediglich in der Beschaffung von Informationen besteht(64).

147. Das Erfordernis einer Erlaubnis zur Vergabe von Krediten geht jedoch über ein bloßes Informationsbedürfnis der nationalen Stellen hinaus und soll diesen die Möglichkeit geben, erforderlichenfalls effektive Maßnahmen gegenüber dem Unternehmen treffen und durchsetzen zu können, wozu in extremis auch die Versagung oder der Entzug der Erlaubnis gehört.

148. Hinsichtlich der Vergabe von Darlehen böte ein nachträgliches Meldesystem nämlich nicht dieselben Sicherheiten wie eine vorherige Erlaubnis. Mit den bis zur Prüfung schon getätigten Darlehensgeschäften könnten bereits schwer nachzuvollziehende Vorgänge und auch Verstöße gegen Rechtsvorschriften stattgefunden haben.

149. Zur Erforderlichkeit der Erlaubnis muss diese nach dem Urteil in der Rechtssache Bordessa weiterhin auch auf objektiven und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, wobei jedem Antragsteller, der von einer solchen Maßnahme betroffen ist, der Rechtsweg offen zu stehen hat(65).

150. Die maßgeblichen Vorschriften des KWG beruhen auf objektiven, vorher bekannten Kriterien. Die im Erlaubnistatbestand des § 32 Absatz 1 KWG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe werden in § 1 KWG definiert. Was das Merkmal „im Inland“ anbelangt, so ergibt sich aus den Hinweisen der BaFin, welcher Personenkreis genau dieses Merkmal erfüllt. Zudem steht die Versagung der Erlaubnis gemäß § 33 Absatz 1 KWG nicht im Ermessen der Behörde, sondern stellt eine gebundene Entscheidung dar („ist zu versagen“). Schließlich besteht auch die Möglichkeit, Rechtsschutz gegen einen ablehnenden Bescheid zu erlangen.

151. Eventuell immer noch bestehende Einzelfallhärten werden durch § 2 Absatz 4 KWG aufgefangen, der die Möglichkeit der Befreiung von der Erlaubnispflicht des § 32 Absatz 1 KWG für Unternehmen vorsieht, die wegen der Art der von ihnen betriebenen Geschäfte der Aufsicht nicht bedürfen.

152. Somit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die Erlaubnispflicht zur Verwirklichung der Ziele des Kundenschutzes und des Schutzes des Kapitalmarktes sowohl als geeignet als auch als erforderlich zu qualifizieren ist. Sie ist mithin „unerlässlich“ im Sinne von Artikel 58 Absatz 1 b EG.

153. Schließlich ist den Akten nicht zu entnehmen, dass im Ausgangsverfahren eine willkürliche Diskriminierung bzw. eine verschleierte Beschränkung im Sinne von Artikel 58 Absatz 3 EG vorliegt. Vielmehr werden Drittstaatsunternehmen durch die Anwendung der Erlaubnispflicht inländischen Unternehmen aufsichtsrechtlich gleichgestellt.

154. Auf die vierte Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass das Erfordernis der vorherigen Erlaubnis zur Gewährung von Krediten durch ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat an Einwohner der Europäischen Union durch Artikel 58 Absatz 1 b EG gerechtfertigt ist.

IX – Zur fünften Vorlagefrage

155. Mit der fünften Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein an sich zulässiges Erlaubniserfordernis der in der dritten Vorlagefrage geschilderten Art auch dann nach Artikel 58 Absatz 1 b EG gerechtfertigt ist, wenn die Erteilung der Erlaubnis voraussetzt, dass das Unternehmen seine Hauptverwaltung oder zumindest eine Zweigstelle im betreffenden Mitgliedstaat unterhält.

A –    Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

156. Fidium Finanz ist der Ansicht, dass es unverhältnismäßig und somit nach Artikel 58 Absatz 1 b EG nicht gerechtfertigt sei, die Erteilung einer Erlaubnis vom Bestehen der Hauptverwaltung bzw. einer Zweigstelle im jeweiligen Mitgliedstaat abhängig zu machen. Zur Bekräftigung seiner Auffassung verweist Fidium Finanz auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Kommission/Italien(66). Durch die geschilderte Ausgestaltung der Erlaubniserteilung sei das beantragende Finanzinstitut gezwungen, zum „Inländer“ zu werden. Dies komme jedoch einer Negierung der Kapitalverkehrsfreiheit gleich. Schließlich sprächen auch die mit der Errichtung einer Niederlassung verbundenen nicht unerheblichen Kosten für die Unverhältnismäßigkeit der Regelung.

157. Die BaFin, die deutsche, irische, italienische, griechische und portugiesische Regierung sowie die Kommission vertreten hingegen den Standpunkt, dass das Erfordernis der dauerhaften physischen Präsenz im betreffenden Mitgliedstaat zur Erlangung einer Erlaubnis durch Artikel 58 Absatz 1 b EG gerechtfertigt sei. Nach Ansicht der BaFin, der deutschen, italienischen und irischen Regierung sei eine wirksame Kontrolle von Unternehmen aus Drittstaaten in Ermangelung dortiger Ermittlungs- bzw. Eingriffsmöglichkeiten nur durch eine physische Präsenz im Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen tätig ist, zu gewährleisten.

158. Auch die Richtlinie 2000/12 gehe nach Auffassung der deutschen und griechischen Regierung davon aus, dass ein Unternehmen über einen Sitz in einem der Mitgliedstaaten verfügen müsse, um eine Zulassung erhalten zu können.

159. Die irische Regierung fügt hinzu, dass eine physische Präsenz im betreffenden Mitgliedstaat zur Kontrolle zwar nicht generell erforderlich sei, jedoch jedenfalls dann, wenn das Unternehmen im Drittstaat keinerlei Aufsicht unterliege.

B –    Würdigung

160. Ähnlich wie im Rahmen der vierten Vorlagefrage ist auch hier eine Rechtfertigung anhand von Artikel 58 Absatz 1 b EG zu prüfen. In Rede steht vorliegend – über die, bereits bejahte, Zulässigkeit der vorherigen Erlaubnis als solche hinaus – deren spezifische Ausgestaltung. Aus den §§ 33 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 und 53 KWG ergibt sich, dass die Erteilung der Erlaubnis zur Vergabe von Krediten zwingend das Vorhandensein der Hauptverwaltung oder zumindest einer Zweigstelle im betreffenden Mitgliedstaat voraussetzt. Ein ausschließlich in einem Drittstaat niedergelassenes Unternehmen wäre also verpflichtet, eine physische Präsenz im Mitgliedstaat zu errichten, um dort tätig werden zu können.

161. Hinsichtlich der grundsätzlichen Anwendbarkeit von Artikel 58 Absatz 1 b EG auf Drittstaaten sowie hinsichtlich der einschlägigen Tatbestandsvariante des Artikel 58 Absatz 1 EG kann auf die Ausführungen zur vierten Vorlagefrage verwiesen werden.

162. Auch das Erfordernis der physischen Präsenz soll der „Verhinderung von Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Aufsicht über Finanzinstitute“ dienen, da es dem gleichen Gesetz wie die Erlaubnispflicht entspringt und diese nur konkretisiert.

163. Zu prüfen ist daher nun, ob die physische Präsenz eine „unerlässliche Maßnahme“ im Sinne von Artikel 58 Absatz 1 b EG ist.

164. An der Geeignetheit zur Zielverwirklichung bestehen hier keine Zweifel. Wie sich aus der Antwort auf die vierte Vorlagefrage ergibt, dient bereits die Erlaubnispflicht selbst dem Kundenschutz sowie dem Schutz des Kapitalmarktes. Dies gilt erst recht für die Notwendigkeit der physischen Präsenz. Denn sie erleichtert dem Mitgliedstaat, auf den die Tätigkeit ausgerichtet ist, die Aufsicht, indem sie beispielsweise kurzfristige oder unvorhergesehene Kontrollen ermöglicht oder die Erfüllung finanzieller Ansprüche von Kunden des Unternehmens besser gewährleistet.

165. Fraglich ist jedoch, ob die Verpflichtung zur Niederlassung auch erforderlich ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es keine weniger einschneidenden, gleich wirksamen Maßnahmen zum Schutz der Kunden bzw. des Kapitalmarktes gäbe. Bereits die vorherige Erlaubnis beeinträchtigt den freien Kapitalverkehr nicht unerheblich. Wie sich aus den Ausführungen zur dritten Vorlagefrage ergibt, wird diese Wirkung durch das Erfordernis der physischen Präsenz noch verstärkt, da Drittstaatsunternehmen zusätzlichen finanziellen Belastungen ausgesetzt wären.

166. Dementsprechend hat der Gerichtshof für den Bereich des freien Kapitalverkehrs in der Rechtssache Ospelt und Schlössle Weissenberg(67) entschieden, dass das an die Erteilung einer vorherigen Erlaubnis für den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke gekoppelte Erfordernis des ständigen Wohnsitzes am Ort des Betriebes unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit über das hinausgeht, was zur Zielerreichung erforderlich ist.

167. Auch im Bereich der Dienstleistungsfreiheit hat der Gerichtshof vergleichbare Entscheidungen gefällt. So ist beispielsweise das der Kontrolle dienende Erfordernis der Niederlassung in einem Mitgliedstaat zur Erlangung einer Erlaubnis für die Erbringung biomedizinischer Analysen aus einem anderen Mitgliedstaat unverhältnismäßig(68). Auch die Verpflichtung zur Ansässigkeit in einem Mitgliedstaat zur dortigen Erbringung von Maklertätigkeiten, welche ebenfalls der Überwachung dient, hat der Gerichtshof als nicht gerechtfertigt angesehen(69).

168. Diese Rechtsprechung zu Artikel 49 EG kann auch für die Beurteilung der Kreditvergabe im Lichte der Kapitalverkehrsfreiheit herangezogen werden, weil die Kreditvergabe, wie oben dargelegt, grundsätzlich eine Dienstleistung darstellt.

169. In einem ersten Schritt ist der zitierten Rechtsprechung somit zu entnehmen, dass die Pflicht zur physischen Präsenz zur Erreichung der mit der Regelung verfolgten Ziele eher nicht erforderlich ist. Für eine abschließende Beurteilung sind jedoch die angeführten Urteile im Hinblick auf die ihnen zugrunde liegenden Konstellationen genauer zu analysieren.

170. Während sich das Urteil in der Rechtssache Ospelt und Schlössle Weissenberg hierfür aufgrund eines in wesentlichen Punkten unterschiedlichen Sachverhalts als wenig ergiebig erweist, lassen sich der zitierten Rechtsprechung zu Artikel 49 EG zwei für die Beantwortung der Vorlagefrage entscheidende Merkmale entnehmen.

171. Zunächst handelte es sich im Unterschied zum vorliegenden Verfahren um innergemeinschaftliche Sachverhalte. Des Weiteren begründete der Gerichtshof die Entscheidungen u. a. damit, dass bereits im Herkunftsmitgliedstaat eine vergleichbare Kontrolle durch die zuständigen Behörden gewährleistet wurde. Im vorliegenden Verfahren ist das jedoch grundlegend anders. Wie bereits dargestellt, unterliegt hier das Unternehmen im Herkunftsstaat, also der Schweizerischen Eidgenossenschaft, keiner entsprechenden Kontrolle.

172. Aufgrund dieser wesentlichen Unterschiede zwischen dem vorliegenden Verfahren und den Verfahren, die der zitierten Rechtsprechung zugrunde liegen, verbietet sich eine automatische Übertragung der in diesen Urteilen getroffenen Beurteilung.

173. Vielmehr ist zu untersuchen, was sich aus der Ansässigkeit in einem Drittstaat, der zudem keine Kontrollen durchführt, für dieses Vorlageverfahren ergibt. Wenn es aufgrund der geschilderten Umstände keine Maßnahmen gäbe, die ohne das Erfordernis der physischen Präsenz eine generelle Aufsicht wirksam gewährleisten würden, spräche das für die Zulässigkeit der deutschen Maßnahmen.

174. Hinsichtlich möglicher Maßnahmen ist generell zwischen einer Prüfung am Sitz des Unternehmens und einer Prüfung im Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, zu unterscheiden.

175. Was die Aufsicht im Sitzstaat anbelangt, sind vorliegend keine wirksamen Methoden ersichtlich. Eine eigene Vor-Ort-Kontrolle durch Behörden der Mitgliedstaaten in der Schweizerischen Eidgenossenschaft kommt mangels entsprechender völkerrechtlicher Vereinbarungen nicht in Betracht. Auch im Wege der Amtshilfe ist nicht mit Kontrollen durch Behörden des Drittstaats zu rechnen, da in diesem für grenzüberschreitende Tätigkeiten in dem für das Verfahren relevanten Zeitraum gerade keine Aufsicht besteht.

176. Was die Aufsicht in dem Mitgliedstaat betrifft, auf den sich die Geschäftstätigkeit erstreckt, also in Deutschland, ist zunächst auf die Erfüllung finanzieller Ansprüche von Kunden gegen das Unternehmen einzugehen. Diesem Auftrag lässt sich ohne physische Präsenz in der Gemeinschaft nachkommen. Denn wie der Gerichtshof in seinem Urteil Kommission/Italien(70) ausgeführt hat, genügt hierfür auch die Abgabe finanzieller Garantien im betroffenen Mitgliedstaat.

177. Zu prüfen bleibt somit, ob auch wirksame Kontrollen im Mitgliedstaat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, ohne eine Niederlassung möglich sind.

178. Zu denken ist in Heranziehung des Urteils Versicherungen(71) an eine Verpflichtung des Unternehmens, der zuständigen Behörde erforderliche Geschäftsunterlagen, Bilanzen, Kontenbücher, Tätigkeitspläne und Ähnliches zur Prüfung vorzulegen.

179. Wie der Gerichtshof in diesem Urteil jedoch weiter ausgeführt hat, sollen diese Unterlagen „von den Behörden des Niederlassungsstaats ordnungsgemäß beglaubigt und den zuständigen Stellen im betreffenden Mitgliedstaat übersandt werden“.

180. Die Annahme des Gerichtshofes, diese Vorlagepflicht sei ein wirksames milderes Mittel zur Aufsicht, setzte in der Rechtssache Versicherungen somit voraus, dass zwischen den Behörden des Sitzstaats und denjenigen des Mitgliedstaats, auf den sich die Tätigkeit tatsächlich erstreckt, ein Mindestmaß an Zusammenarbeit besteht.

181. An einer solchen Zusammenarbeit dürfte es im vorliegenden Verfahren wie bereits mehrfach dargestellt jedoch fehlen. Es wäre mithin Aufgabe des zu überwachenden Unternehmens und nicht der Behörden des Staates der Niederlassung, die zu prüfenden Unterlagen zusammenzustellen und den Behörden des Staates der Tätigkeit vorzulegen.

182. In Ermangelung jeglicher Form von staatlicher Beteiligung im Herkunftsland wäre unter den gegebenen Umständen die Behörde des betreffenden Mitgliedstaats nicht in der Lage, die Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der Unterlagen feststellen zu können, was eine effektive Aufsicht anhand des zur Verfügung gestellten Materials ausschließt.

183. Somit ergibt sich aus der Ansässigkeit des Unternehmens in einem Drittstaat, in dem keinerlei Kontrollen stattfinden, für das vorliegende Verfahren ein anderes Ergebnis als in den oben dargestellten, zu Artikel 49 EG ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofes. Vorliegend stellt etwa eine Pflicht zur Vorlage von Geschäftsunterlagen mithin kein milderes und gleich wirksames Mittel zur Verwirklichung der vom betreffenden Mitgliedstaat verfolgten gesetzgeberischen Ziele dar.

184. Da somit keine milderen, aber gleich wirksamen Aufsichtsmethoden in Betracht kommen, ist festzustellen, dass das Erfordernis der physischen Präsenz als ein geeignetes und erforderliches Mittel zu qualifizieren ist und daher eine „unerlässliche Maßnahme“ im Sinne von Artikel 58 Absatz 1 b EG darstellt.

185. Auf die fünfte Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass die Ausgestaltung eines an sich zulässigen Erlaubniserfordernisses der in der dritten Vorlagefrage geschilderten Art, nach der die Erteilung einer Erlaubnis zwingend voraussetzt, dass das Unternehmen seine Hauptverwaltung oder zumindest eine Zweigstelle in dem betreffenden Mitgliedstaat unterhält, nach Artikel 58 Absatz 1 b EG gerechtfertigt ist.

X –    Ergebnis

186. Nach alldem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen wie folgt zu antworten:

1.         Ein Unternehmen, das in einem Staat außerhalb der Europäischen Union, und zwar in der Schweizerischen Eidgenossenschaft, seinen Sitz hat, kann sich für die gewerbsmäßig betriebene Vergabe von Krediten an Einwohner eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, hier der Bundesrepublik Deutschland, gegenüber diesem Mitgliedstaat und gegenüber den Maßnahmen seiner Behörden oder Gerichte auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Artikel 56 EG berufen.

2.         Ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, in dem es keiner Aufsicht unterliegt, kann sich für die Vergabe von Krediten an Einwohner eines Mitgliedstaats dann nicht auf Artikel 56 EG berufen, wenn die objektive (Nummern 99 und 100 dieser Schlussanträge) und die subjektive Voraussetzung (Nummer 101 dieser Schlussanträge) für einen Missbrauch erfüllt sind. Ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, hat das nationale Gericht zu beurteilen.

3.         Ein Erfordernis der Erlaubnis stellt eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar. Dabei kommt es insoweit nicht darauf an, ob die nicht genehmigte gewerbsmäßige Kreditvergabe als Straftatbestand oder als Ordnungswidrigkeit gilt.

4.         Artikel 58 Absatz 1 b EG ist dahin auszulegen, dass ein Erfordernis der vorherigen Erlaubnis zur Gewährung von Krediten durch ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, in dem es keiner Aufsicht unterliegt, an Einwohner der Europäischen Union zulässig ist und dass die Ausgestaltung eines an sich zulässigen Erlaubniserfordernisses, nach dem die Erteilung einer Erlaubnis zwingend voraussetzt, dass das kreditvergebende Unternehmen seine Hauptverwaltung oder zumindest eine Zweigstelle in dem betreffenden Mitgliedstaat unterhält, gerechtfertigt ist.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – ABl. 1988, L 178, S. 5.


3 – ABl. L 126, S. 1.


4 – BGBl. I S. 2776.


5 – Urteile vom 14. November 1995 in der Rechtssache C-484/93 (Svensson und Gustavsson, Slg. 1995, I-3955, Randnrn. 10 f.) und vom 9. Juli 1997 in der Rechtssache C-222/95 (Parodi, Slg. 1997, I-3899, Randnrn. 14 und 17).


6 – In Anlehnung an das Urteil vom 31. Jänner 1984 in den verbundenen Rechtssachen 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377, Randnr. 21).


7 – Urteil vom 28. Jänner 1992 in der Rechtssache C-204/90 (Bachmann, Slg. 1992, I-249, Randnr. 34).


8 – Urteil in der Rechtssache C-484/93 (zitiert in Fußnote 5), Randnr. 11.


9 – Urteil in der Rechtssache C-222/95 (zitiert in Fußnote 5), Randnr. 17.


10 – Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. L 114 vom 30. April 2002, S. 6).


11 – Siehe hierzu auch Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Band 1, Art. 56, Randnr. 24; Follak, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, F. II, Randnr. 5; Schlussanträge von Generalanwalt Geelhoed vom 10. April 2003 in der Rechtssache C-452/01 (Ospelt und Schlössle Weissenberg, Urteil vom 23. September 2003, Slg. 2003, I-9743, Nrn. 45 bis 47).


12 – Urteile vom 16. März 1999 in der Rechtssache C-222/97 (Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661, Randnr. 21), vom 5. März 2002 in den verbundenen Rechtssachen C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99 (Reisch u. a., Slg. 2002, I-2157, Randnr. 30), vom 4. Juni 2002 in der Rechtssache C-367/98 (Kommission/Portugal, Slg. 2002, I-4731, Randnr. 37), vom 13. Mai 2003 in der Rechtssache C-98/01 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2003, I-4641, Randnr. 39), vom 2. Juni 2005 in der Rechtssache C-174/04 (Kommission/Italien, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 27), vom 5. Juli 2005 in der Rechtssache C-376/03 (D., Slg. 2005, I-0000, Randnr. 24) und vom 19. Jänner 2006 in der Rechtssache C-265/04 (Bouanich, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 29).


13 – Urteile in der Rechtssache C-222/97 (zitiert in Fußnote 12), Randnrn. 22 bis 24, und vom 6. Juni 2000 in der Rechtssache C-35/98 (Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Randnrn. 27 bis 30).


14 – Urteil in den verbundenen Rechtssachen 286/82 und 26/83 (zitiert in Fußnote 6), Randnr. 21.


15 – Vgl. Ohler, „Die Kapitalverkehrsfreiheit und ihre Schranken“, Wertpapiermitteilungen 1996, 1801 (1805).


16 – Urteil in der Rechtssache C-484/93 (zitiert in Fußnote 5), Randnrn. 10 f.


17 – Urteil in der Rechtssache C-222/95 (zitiert in Fußnote 5), Randnrn. 14 und 17.


18 – Urteil vom 7. Februar 2002 in der Rechtssache C-279/00 (Kommission/Italien, Slg. 2002, I-1425, Randnrn. 37 f.).


19 – Urteil vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-118/96 (Safir, Slg. 1998, I-1897, Randnrn. 35 f.).


20 – Urteil vom 1. Dezember 1998 in der Rechtssache C-410/96 (Ambry, Slg. 1998, I-7875, Randnrn. 39 f.).


21 – In diese Richtung Notaro, Revue du marché unique europeén 1998, Nr. 2, S. 268, 269; Rohde, Freier Kapitalverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 101 Fußnote 376.


22 – Vgl. Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Kommentar des EUV/EGV, Art. 56, Randnrn. 30 f.


23 – Urteil in der Rechtssache C-118/96 (zitiert in Fußnote 19), Randnr. 19.


24 – Urteil in der Rechtssache C-410/96 (zitiert in Fußnote 20), Randnr. 18.


25 – Urteil vom 14. Oktober 1999 in der Rechtssache C-439/97 (Sandoz, Slg. 1999, I-7041, Randnr. 38).


26 – Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 40.


27 – Urteil in der Rechtssache C-204/90 (zitiert in Fußnote 7), Randnr. 34.


28 – Siehe z. B. die Schlussanträge von Generalanwalt Elmer vom 17. Mai 1995 in der Rechtssache C-484/93 (Urteil zitiert in Fußnote 5), Nrn. 8 f., von Generalanwalt Tesauro vom 23. September 1997 in der Rechtssache C-118/96 (Urteil zitiert in Fußnote 19), Nr. 17, und von Generalanwalt Geelhoed vom 20. November 2001 in den verbundenen Rechtssachen C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99 (Urteil zitiert in Fußnote 12), Nrn. 62 f.


29 – Zum Beispiel Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Kommentar zu den Art. 56 bis 60 EGV, S. 103, Randnr. 141; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, Europäische Grundfreiheiten, S. 1049, Randnrn. 2784 f.


30 – Der die Beziehungen zu Drittstaaten regelnde Titel IV der Richtlinie enthält keine einschlägigen Bestimmungen für die Vergabe von Darlehen aus Drittländern in einen Mitgliedstaat, ohne durch eine Zweigstelle oder ein Tochterunternehmen in der Gemeinschaft vertreten zu sein.


31 – Urteil vom 9. März 1999 in der Rechtssache C-212/97 (Centros, Slg. 1999, I-1459, Randnrn. 27 ff.).


32 – Urteile in der Rechtssache C-212/97 (zitiert in Fußnote 31), Randnr. 24, und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-23/93 (TV10 SA, Slg. 1994, I-4795, Randnr. 21).


33 – Siehe u. a. die Urteile in der Rechtssache C-212/97 (zitiert in Fußnote 31), Randnr. 24, vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C-367/96 (Kefalas u. a., Slg. 1998, I-2843, Randnr. 20), vom 2. Mai 1996 in der Rechtssache C-206/94 (Paletta, Slg. 1996, I-2357, Randnr. 24) und in der Rechtssache C-23/93 (zitiert in Fußnote 32), Randnr. 21.


34 – Urteile vom 23. März 2000 in der Rechtssache C-373/97 (Diamantis, Slg. 2000, I-1705, Randnr. 34) und in der Rechtssache C-206/94 (zitiert in der Fußnote 33), Randnr. 25.


35 – Urteil in der Rechtssache C-23/93 (zitiert in Fußnote 32), Randnrn. 20 f.


36 – Urteil vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84 (Kommission/Deutschland, „Versicherungen“, Slg. 1986, 3755, Randnr. 22).


37 – Urteil vom 3. Dezember 1974 in der Rechtssache 33/74 (Van Binsbergen, Slg. 1974, 1299, Randnr. 13).


38 – Urteile vom 30. September 2003 in der Rechtssache C-167/01 (Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, Randnrn. 95, 96 und 98) und in der Rechtssache C-212/97 (zitiert in Fußnote 31), Randnrn. 18, 27 und 29.


39 – Siehe dazu die Urteile in der Rechtssache 205/84 (zitiert in Fußnote 36), Randnr. 22, und in der Rechtssache 33/74 (zitiert in Fußnote 37), Randnr. 13.


40 – Urteil in der Rechtssache C-212/97 (zitiert in Fußnote 31), Randnr. 26.


41 – Vgl. auch Karayannis, „L’abus de droits découlant de l’ordre juridique communautaire“, Cahiers de droit européen 1999, Heft 1/2, S. 531.


42 – Urteile vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C-110/99 (Emsland-Stärke GmbH, Slg. 2000, I-11569, Randnrn. 52 f.) und vom 21. Juli 2005 in der Rechtssache C-515/03 (Eichsfelder Schlachtbetrieb GmbH, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 39).


43 – Siehe dazu auch das Urteil vom 13. Dezember 2005 in der Rechtssache C-446/03 (Marks & Spencer, Slg. 2005, I-0000), Randnr. 57 und die dort zitierte Rechtsprechung.


44 – In diese Richtung auch Dennis Weber, Abuse of Law, Legal Issues of Economic Integration, 2004, S. 43, 51 und 54.


45 – Urteile in der Rechtssache C-212/97 (zitiert in Fußnote 31), Randnr. 24, und in der Rechtssache C-367/96 (zitiert in Fußnote 33), Randnr. 20; vgl. auch Zimmermann, Das Rechtsmissbrauchsverbot im Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 185 f.


46 – Zu den unterschiedlichen Fallgruppen des Missbrauchs siehe Lagondet, „L’abus de droit dans la jurisprudence communautaire“, Journal des tribunaux 2003, Nr. 95, S. 8 ff.


47 – Urteile in der Rechtssache C-515/03 (zitiert in Fußnote 42), Randnr. 40, und in der Rechtssache C-110/99 (zitiert in Fußnote 42), Randnr. 54.


48 – Urteile vom 4. Juni 2002 in der Rechtssache C-483/99 (Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-4781, Randnr. 40), vom 13. Mai 2003 in der Rechtssache C-463/00 (Kommission/Spanien, Slg. 2003, I-4581, Randnr. 56) und in der Rechtssache C-98/01 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 43.


49 – Urteil vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-302/97 (Konle, Slg. 1999, I-3099, Randnr. 39).


50 – Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 32.


51 – Urteil vom 15. Mai 2003 in der Rechtssache C-300/01 (Salzmann, Slg. 2003, I-4899, Randnr. 41).


52 – Urteil in der Rechtssache C-222/95 (zitiert in Fußnote 5), Randnr. 19.


53 – Zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG (ABl. 1989, L 386, S. 1).


54 – Urteil vom 14. März 2000 in der Rechtssache C-54/99 (Scientology, Slg. 2000, I-1335, Randnr. 15).


55 – Urteile vom 14. Dezember 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (Sanz de Lera u. a., Slg. 1995, I-4821, Randnr. 27) und in den verbundenen Rechtssachen C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 37.


56 – Urteil in der Rechtssache 205/84 (zitiert in Fußnote 36), Randnr. 46.


57 – Urteil in der Rechtssache C-302/97 (zitiert in Fußnote 49), Randnrn. 45 f.


58 – Vgl. Frenz (zitiert in Fußnote 29), S. 1065, Randnr. 2822; Bröhmer (zitiert in Fußnote 22), Art. 58, Rn. 1.


59 – Vgl. Hübner in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, E. IV, Randnr. 46.


60 – Urteil in der Rechtssache C-222/95 (zitiert in Fußnote 5), Randnr. 29.


61 – Urteile in der Rechtssache C-300/01 (zitiert in Fußnote 51), Randnr. 50, in den verbundenen Rechtssachen C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 37, in der Rechtssache C-302/97 (zitiert in Fußnote 49), Randnr. 44, und in den verbundenen Rechtssachen C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (zitiert in Fußnote 55), Randnr. 27.


62 – Urteil vom 23. Februar 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-358/93 und C-416/93 (Bordessa, Slg. 1995, I-361, Randnr. 27).


63 – Urteile in der Rechtssache C-452/01 (zitiert in Fußnote 11), Randnr. 45, in der Rechtssache C-300/01 (zitiert in Fußnote 51), Randnr. 49, und in der Rechtssache C-302/97 (zitiert in Fußnote 49), Randnr. 46.


64 – Urteil in der Rechtssache C-302/97 (zitiert in Fußnote 49), Randnr. 45.


65 – Urteil in der Rechtssache C-452/01 (zitiert in Fußnote 11), Randnr. 34.


66 – Urteil vom 6. Juni 1996 in der Rechtssache C-101/94 (Slg. 1996, I-2691, Randnrn. 16 ff.).


67 – Urteil in der Rechtssache C-452/01 (zitiert in Fußnote 11), Randnr. 54.


68 – Urteil vom 11. März 2004 in der Rechtssache C-496/01 (Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I-2351, Randnr. 69).


69 – Urteil in der Rechtssache C-101/94 (zitiert in Fußnote 66), Randnrn. 16 ff.


70 – Urteil in der Rechtssache C-101/94 (zitiert in Fußnote 66), Randnr. 23.


71 – Urteil in der Rechtssache 205/84 (zitiert in Fußnote 36), Randnr. 55.