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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 29. September 2011(1)

Rechtssache C-318/10

SIAT SA

gegen

Belgischer Staat

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Belgien])

„Freier Dienstleistungsverkehr – Art. 49 EG – Direkte Besteuerung – Einkommensteuer – Regelung über den Abzug von Betriebsausgaben – Nichtabzugsfähigkeit der Vergütung für Dienstleistungen von Personen mit Sitz in Mitgliedstaaten, deren Besteuerung erheblich vorteilhafter ist als die des Besteuerungsmitgliedstaats – Abzugsfähigkeit, die von dem Nachweis abhängig ist, dass die Leistungen tatsächlich erbracht und ehrlich sind und die mit ihnen verbundene Vergütung üblich ist – Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs – Rechtfertigungsgründe – Bekämpfung der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung – Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung – Verhältnismäßigkeit“





1.        Der Gerichtshof hatte in den letzten Jahren mehrfach Gelegenheit, nationale Steuervorschriften, die unterschiedliche Regelungen über den Abzug von der Einkommensteuer natürlicher und juristischer Personen mit grenzüberschreitenden Wirkungen enthalten, auf ihre Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit(2) oder über den freien Kapitalverkehr(3), seltener jedoch, wie im Fall des Ausgangsverfahrens(4), mit denen über den freien Dienstleistungsverkehr(5) zu prüfen.

2.        Die Fälle, die mit dem Ausgangsverfahren am ehesten vergleichbar sind, betrafen miteinander verflochtene Gesellschaften(6) oder die Besteuerung von Gebietsfremden als steuerpflichtige Personen im Vergleich zur Besteuerung der Gebietsansässigen(7).

3.        Im Rahmen der vorliegenden Rechtssache hat sich der Gerichtshof speziell zu einer Bestimmung des belgischen Code des impôts sur les revenus 1992 (Einkommensteuergesetzbuch von 1992)(8) zu äußern, die, wie wir sehen werden, in der Regelung der Abzugsfähigkeit der Betriebsausgaben von der Einkommensteuer für den belgischen Steuerpflichtigen deutlich danach unterscheidet, ob der Dienstleister, an den diese Betriebsausgaben gezahlt werden, in einem Mitgliedstaat mit einer erheblich vorteilhafteren Besteuerung als in Belgien ansässig ist (Art. 54 CIR 1992) oder nicht (Art. 49 CIR 1992), wobei jede Verflechtung zwischen dem genannten Steuerpflichtigen und dem genannten Dienstleister vollständig außer Betracht bleibt(9).

4.        Der Gerichtshof hat daher zu beurteilen, ob die sich aus der unterschiedlichen Behandlung ergebende Beschränkung rechtmäßig und verhältnismäßig ist.

I –    Rechtlicher Rahmen

5.        Art. 49 CIR 1992 bestimmt:

„Als Werbungskosten sind Kosten abzugsfähig, die der Steuerpflichtige während des Besteuerungszeitraums gemacht oder getragen hat, um steuerpflichtige Einkünfte zu erwerben oder zu behalten, und deren Echtheit und Betrag er durch Belege nachweist oder, wenn das nicht möglich ist, durch alle anderen im allgemeinen Recht zugelassenen Beweismittel außer dem Eid.

Als während des Besteuerungszeitraums gemacht oder getragen gelten Kosten, die während dieses Zeitraums tatsächlich gezahlt oder getragen werden oder die die Beschaffenheit erwiesener und feststehender Schulden oder Verluste erhalten haben und als solche gebucht werden.“

6.        Art. 53 CIR 1992 sieht vor:

„Keine Werbungskosten sind:

10. alle Kosten, soweit sie den beruflichen Bedarf unangemessen übersteigen …“

7.        Art. 54 CIR 1992 bestimmt:

„… Vergütungen für Leistungen oder Dienstleistungen gelten nicht als Werbungskosten, wenn sie direkt oder indirekt einem in Art. 227 erwähnten Steuerpflichtigen oder einer ausländischen Niederlassung gezahlt oder zuerkannt werden, die aufgrund der Rechtsvorschriften des Landes, in dem sie ansässig sind, dort keiner Einkommensteuer oder für solche Einkünfte einem erheblich vorteilhafteren Besteuerungssystem unterliegen als dem, dem diese Einkünfte in Belgien unterliegen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist mit allen rechtlichen Mitteln nach, dass sie sich auf tatsächliche und ehrliche Geschäfte beziehen und die normalen Grenzen nicht überschreiten.“

II – Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits

8.        Die belgische Gesellschaft Société d’investissement pour l’agriculture tropicale (SIAT) gründete 1991 mit der nigerianischen Gruppe Presco International Limited (PINL) eine gemeinsame Tochtergesellschaft, Presco Industries Limited (PIL), zur Bewirtschaftung von Palmenhainen, um Palmöl zu produzieren.

9.        Die Vereinbarungen zwischen den Beteiligten sahen vor, dass SIAT zum einen Dienstleistungen gegen Entgelt erbringt und der gemeinsamen Tochtergesellschaft Ausrüstungsmaterial verkauft, sie zum anderen aber einen Teil der Gewinne, die sie daraus erzielt, als Provision an die Dachgesellschaft der PINL-Gruppe, die luxemburgische Gesellschaft Megatrade International (MISA), überträgt.

10.      Im Jahr 1997 beendeten die Parteien ihre Partnerschaft, da sie sich nicht über die genaue Höhe der von SIAT geschuldeten Provision einigen konnten. Mit einer ersten Vereinbarung vom 3. Dezember 1997 kaufte SIAT der PINL-Gruppe ihre Beteiligung an PIL ab. Mit einer zweiten Vereinbarung vom selben Tag verpflichtete sich SIAT dazu, MISA eine Entschädigung von 2 Mio. USD zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche zu zahlen.

11.      Nach der Vereinbarung vom 3. Dezember 1997 wies SIAT in ihren Büchern zum 31. Dezember 1997 als Verbindlichkeit einen Betrag von 28 402 251 BEF aus, der der zum Ende des Jahres 1997 aufgrund der Vereinbarung von 1991 geschuldeten Provision entsprach.

12.      Die belgische Finanzverwaltung stellte fest, dass MISA den Status einer Holdinggesellschaft nach dem luxemburgischem Gesetz vom 31. Juli 1929 über die Besteuerung der Holdinggesellschaften habe und daher keiner der belgischen Steuer für Gesellschaften entsprechenden Steuer unterworfen sei, und stellte SIAT gemäß Art. 54 CIR 1992 einen Berichtigungsbescheid zur Steuererklärung für das Jahr 1998 (Einkünfte aus 1997) zu, in dem der Abzug von 28 402 251 BEF als Betriebsausgaben abgelehnt wurde.

13.      Die von SIAT gegen die Ablehnung des Abzugs als Betriebsausgabe erhobene Klage wurde zunächst im ersten Rechtszug und sodann mit Urteil der Cour d’appel Brüssel vom 12. März 2008 abgewiesen, wobei die Gerichte die Auffassung vertraten, dass die fragliche Provision in den Anwendungsbereich des Art. 54 CIR 1992 falle.

III – Vorlagefrage

14.      Die mit einem von SIAT gegen das Urteil der Cour d'appel Brüssel vom 12. März 2008 eingelegten Rechtsbehelf befasste Cour de cassation hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 49 des EG-Vertrags in seiner im vorliegenden Fall anwendbaren Fassung – der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt hat sich vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 ereignet – dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach Vergütungen für Leistungen oder Dienstleistungen nicht als abzugsfähige Betriebsausgaben gelten, wenn sie direkt oder indirekt einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen oder einer ausländischen Niederlassung gezahlt oder zuerkannt werden, die aufgrund der Rechtsvorschriften des Landes, in dem sie ansässig sind, dort keiner Einkommensteuer oder für solche Einkünfte einem erheblich vorteilhafteren Besteuerungssystem unterliegen als dem, dem diese Einkünfte in dem Mitgliedstaat, dessen nationale Regelung in Frage steht, unterlägen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist mit allen rechtlichen Mitteln nach, dass sich diese Vergütungen auf tatsächliche und ehrliche Geschäfte beziehen und die normalen Grenzen nicht überschreiten, während ein solcher Nachweis nicht erforderlich ist, um Vergütungen für Leistungen oder Dienstleistungen abziehen zu können, die an einen in diesem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen gezahlt wurden, selbst wenn dieser Steuerpflichtige keiner Einkommensteuer oder einem erheblich vorteilhafteren Besteuerungssystem als der allgemeinrechtlichen Regelung dieses Staates unterliegt?

IV – Erklärungen der Verfahrensbeteiligten

15.      SIAT, die belgische, die französische und die portugiesische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. SIAT, die belgische Regierung sowie die Kommission haben in der öffentlichen Sitzung vom 16. Juni 2011 auch mündliche Erklärungen abgegeben.

16.      Die Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, sowie die Kommission machen ganz allgemein geltend, dass die belgischen Rechtsvorschriften mit Art. 49 EG nicht unvereinbar seien, da sie durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses, wie die Notwendigkeit, die Steuerumgehung zu bekämpfen, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten, gerechtfertigt und in Bezug auf die damit verfolgten Ziele verhältnismäßig seien. SIAT ist dagegen der Ansicht, dass die belgischen Rechtsvorschriften ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr darstellten und durch die von der belgischen Regierung geltend gemachten zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses nicht gerechtfertigt werden könnten.

V –    Würdigung

A –    Vorbemerkungen

1.      Zu dem vom vorlegenden Gericht vorgeschlagenen Vergleich

17.      Gleich zu Beginn möchte ich auf das tertium comparationis eingehen, das das vorlegende Gericht im Rahmen der Beurteilung der Regelung des Art. 54 CIR 1992 vorschlägt. Mit seiner Vorlagefrage weist das Gericht, wie wir gesehen haben, auf die unterschiedliche Behandlung hin, die sich aus der genannten Vorschrift ergibt; es stellt vor allem den Gegensatz heraus, der zwischen der steuerlichen Behandlung des belgischen Steuerpflichtigen besteht, je danach, ob er Betriebsausgaben tätigt, die ein Dienstleister mit Sitz in Belgien oder ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiger Dienstleister empfängt, wenn der eine wie der andere, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, steuerlich erheblich vorteilhafter behandelt wird als nach der sogenannten „allgemeinrechtlichen“ belgischen Steuerregelung. Im ersten Fall unterliegt der Steuerpflichtige der Vorschrift des Art. 49 CIR 1992, im zweiten Fall der des Art. 54 CIR 1992, wobei der einzige Unterschied im Ort der Niederlassung des Dienstleisters liegt.

18.      Diese Art, die unterschiedliche Behandlung herauszustellen, die sich aus den beiden in Rede stehenden nationalen Vorschriften ergibt, ist meines Erachtens unnötig gekünstelt, und sei es auch nur, weil es nach nationalem Recht möglich sein muss, im Rahmen innerstaatlicher Geschäfte angefallene Betriebsausgaben, zumindest gelegentlich, steuerlich erheblich vorteilhafter zu behandeln, was nicht bestätigt ist.

19.      Es liegt meines Erachtens jedoch auf der Hand, dass sich die in Rede stehende unterschiedliche Behandlung aus dem Gegensatz zwischen der Sonderregelung des Art. 54 CIR 1992, die speziell die Steuerpflichtigen erfasst, die Zahlungen an Dienstleister mit Sitz in Mitgliedstaaten mit erheblich vorteilhafterer Einkommensbesteuerung als der belgischen Besteuerung erbracht haben, und der allgemeinen Regelung des Art. 49 CIR 1992 ergibt, die die sonstigen Steuerpflichtigen sowie – was zu betonen ist – diejenigen erfasst, die Zahlungen an Dienstleister mit Sitz in Mitgliedstaaten erbracht haben, deren Besteuerung nicht erheblich vorteilhafter als die belgische Besteuerung ist.

20.      Bei diesem Unterschied geht es gewiss nicht allein um die Frage des Aufenthaltsorts. Es ist jedoch klar, dass Art. 54 CIR 1992 nur im Fall einer grenzüberschreitenden Dienstleistung Anwendung findet, auch wenn dieser Umstand für sich genommen nicht ausreichend ist.

21.      Ich werde daher die Frage ausgehend von dem Gegensatz prüfen, der zwischen der die Ausnahme regelnden Bestimmung des Art. 54 CIR 1992 und der Bestimmung besteht, die die Regel der Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben vorsieht, im Wesentlichen also Art. 49 CIR 1992.

2.      Ein Argument, das vorab zurückzuweisen ist

22.      Eine letzte Vorbemerkung ist noch geboten. Die belgische Regierung trägt vor, Art. 54 CIR 1992 finde auf Zahlungen innerhalb der Union keine Anwendung mehr. Nach dem Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung(10) müssten nämlich die vom allgemeinen Recht abweichenden Steuerregelungen der Mitgliedstaaten, die bestimmte Einkunftsarten nicht oder praktisch nicht besteuerten (was insbesondere für die luxemburgische Regelung für Holdinggesellschaften gilt), bis spätestens zum 31. Dezember 2010 vollständig zurückgenommen werden. SIAT hat dagegen in ihren Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen geltend gemacht, die Regelung des Art. 54 CIR 1992, die aus dem Jahr 1954 stamme(11), begründe eine allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung, die im Rahmen der Europäischen Union nicht mehr statthaft sei.

23.      Ohne dass über die Stichhaltigkeit der Ausführungen der belgischen Regierung befunden zu werden braucht, genügt insoweit der Hinweis, dass der genannte Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits keinerlei Bedeutung haben kann, da, wie es im letzten Erwägungsgrund der Entschließung vom 1. Dezember 1997 heißt, der Verhaltenskodex eine politische Verpflichtung darstellt, die die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten und die jeweiligen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft nicht berührt.

B –    Zum Inhalt der nationalen Rechtsvorschriften

24.      In seiner Vorlageentscheidung qualifiziert das vorlegende Gericht die belgischen Rechtsvorschriften als „Vermutung der Nichtabzugsfähigkeit von Betriebsausgaben“. SIAT ist der Ansicht, Art. 54 CIR 1992 begründe eine „allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung“. Nach Auffassung der belgischen Regierung schließlich begründen die nationalen Rechtsvorschriften die „gesetzliche Vermutung einer Scheingestaltung“(12). Wie auch immer die genannte Bestimmung einzuordnen sein mag, vor allem anderen sind die Hauptmerkmale der Vorschrift deutlich herauszuarbeiten.

1.      Zu den Hauptmerkmalen der belgischen Rechtsvorschriften

25.      Bevor die Unterschiede zwischen den beiden Steuerregelungen, nämlich der des Art. 49 CIR 1992 und der des Art. 54 CIR 1992, dargestellt werden, sind zwei Bemerkungen angebracht. Erstens ist von der ratio auszugehen, die der gesamten in Rede stehenden nationalen Bestimmung zugrunde liegt, nämlich, wie ausgeführt, der Koexistenz von erheblich unterschiedlichen Regelungen der Einkommensbesteuerung innerhalb der Union, die keineswegs nur eine mögliche, sondern eine häufig anzutreffende Realität ist. Demgemäß nimmt die in Rede stehende nationale Bestimmung ohne nähere Erläuterungen auf ein in den anderen Mitgliedstaaten anzutreffendes „erheblich vorteilhafteres Besteuerungssystem“ als das belgische System Bezug (Art. 54 CIR 1992). Das vorlegende Gericht hat hierzu keine ergänzenden Hinweise gegeben. Die belgische Regierung, die in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt befragt worden ist, hat ausgeführt, dass zwar Listen über „Steuerparadiese“(13) innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft existierten, dass insoweit jedoch die Steuerverwaltung im Einzelfall entscheiden müsse und dabei der Kontrolle durch die zuständigen nationalen Gerichte unterliege. Es kann schon jetzt vermerkt werden, dass die Rechtssicherheit der belgischen Steuerpflichtigen bei der Wahl ihrer Geschäftsstrategien lückenhaft ist, was nicht unerhebliche Auswirkungen auf den freien Dienstleistungsverkehr hat.

26.      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die belgischen Rechtsvorschriften alle Betriebsausgaben des Steuerpflichtigen, denen Geschäfte mit Dienstleistern zugrunde liegen, die in Mitgliedstaaten mit erheblich vorteilhafterer Besteuerung ansässig sind, als prima facie suspekt betrachten. Auf dieses Merkmal des Art. 54 CIR 1992 ist kurz einzugehen. Anders als in den Fallkonstellationen, die der Gerichtshof bisher geprüft hat und auf die bereits hingewiesen wurde(14), abstrahieren die belgischen Rechtsvorschriften von jeder Verflechtung zwischen dem Steuerpflichtigen, der den Abzug der Betriebsausgaben geltend macht, und dem Dienstleister, der die die Betriebsausgaben darstellende Vergütung erhält.

27.      Die bloße Tatsache, dass der in Rede stehende Dienstleister einer Besteuerung unterliegt, die erheblich vorteilhafter als die belgische Besteuerung ist, ist für den belgischen Gesetzgeber ein hinreichender Grund, um alle Betriebsausgaben, die ein belgischer Steuerpflichtiger zugunsten des genannten Dienstleisters tätigt, verdächtig erscheinen zu lassen mit der Folge, dass der Letztgenannte dem Grundsatz der Nichtabzugsfähigkeit unterworfen wird. In diesem Sinne kann festgestellt werden, dass der belgische Gesetzgeber eine allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung bei allen Betriebsausgaben aufgestellt hat, die ein belgischer Steuerpflichtiger zugunsten eines gebietsfremden Dienstleisters tätigt, nur weil er seinen Sitz in einem Mitgliedstaat hat, der die Einkommen erheblich geringer besteuert als Belgien.

2.      Zu den Unterschieden zwischen den Regelungen über die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben: der Gegensatz zwischen Art. 54 CIR 1992 und Art. 49 CIR 1992

a)      Der Grundsatz

28.      Während Art. 49 CIR 1992 als Regel den Grundsatz der Abzugsfähigkeit von aus innerstaatlichen Geschäften resultierenden Betriebsausgaben aufstellt – allerdings unter Bedingungen, die als normal angesehen werden können –, stellt Art. 54 CIR 1992 den Grundsatz der Nichtabzugsfähigkeit von Betriebsausgaben auf, wenn sie zugunsten von Dienstleistern getätigt werden, die unter den oben dargelegten Umständen ihren Sitz in Mitgliedstaaten haben.

29.      Hieraus ergibt sich ein erster Unterschied, der als eine Umkehrung des Grundsatzes angesehen werden kann, eine Umkehrung, die je nach der Herkunft der angeforderten Dienstleistungen die betreffenden Steuerpflichtigen in eine deutlich unterschiedliche Lage versetzt. Wie ich sogleich im Folgenden zeigen werde, ist der Grundsatz der Abzugsfähigkeit ebenso wie der Grundsatz der Nichtabzugsfähigkeit „qualifiziert“: Die Abzugsfähigkeit gilt nicht uneingeschränkt, und die Nichtabzugsfähigkeit gilt mit Ausnahmen, über deren Vorliegen im Einzelfall entschieden wird. Allein aus diesem Grund jedoch ist bereits hier eine unterschiedliche Behandlung festzustellen: Es ist schon unter dem rein verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt deutlich schwieriger, bei der Verwaltung eine Ausnahme vom Grundsatz zu erwirken, als die in der Regel aufgestellten Voraussetzungen zu erfüllen.

b)      Die Voraussetzungen

30.      Es überrascht daher nicht, dass die Voraussetzungen, von denen die Abzugsfähigkeit der Betriebskosten abhängt, je nach Lage des Falles sachlich unterschiedlich sind. Den beiden Bestimmungen ist zwar gemeinsam, dass sie vom Steuerpflichtigen den Nachweis verlangen, dass die Geschäfte, die der als Betriebsausgabe abzugsfähigen Vergütung zugrunde liegen, „tatsächlich“ stattgefunden haben, doch bezieht Art. 54 CIR 1992 zwei zusätzliche und kumulative Voraussetzungen ein(15). Zum einen müssen die Leistungen „ehrlich“ sein, und zum anderen darf die Vergütung für diese Leistungen „die normalen Grenzen“ nicht überschreiten. Zu prüfen ist, welche Tragweite diese beiden zusätzlichen Voraussetzungen haben können.

31.      Zum einen ist nicht klar auszumachen, was die Voraussetzung der „Ehrlichkeit” zusätzlich zur Voraussetzung der „Tatsächlichkeit“ verlangt. Es gibt indessen einige Anhaltspunkte, die den Inhalt dieser Voraussetzung verständlich machen. Aus der Entstehungsgeschichte der belgischen Rechtsvorschriften, auf die die Vorlageentscheidung hinweist, ergibt sich nämlich, dass der Nachweis der „Tatsächlichkeit“ und der „Ehrlichkeit“ der Leistungen von den Steuerpflichtigen den Beweis verlangt, dass die entsprechenden Aufwendungen „im normalen Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit erfolgen“, dass sie „gewerblich, geschäftlich oder finanziell notwendig sind und dass sie normalerweise innerhalb der Unternehmenstätigkeit einen Gegenwert finden oder finden sollen“(16). Der Grundgedanke ist somit, dass die in Rede stehenden Leistungen einem tatsächlichen Bedarf entsprechen müssen.

32.      Zum anderen legen weder die belgischen Rechtsvorschriften noch der Kommentar zum Code des impôts sur les revenus genau fest, was unter der Pflicht, nachzuweisen, dass die Betriebsausgaben die normalen Grenzen nicht überschreiten, exakt zu verstehen ist. Die belgische Regierung, die in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt befragt worden ist, hat lediglich ausgeführt, dass die durchzuführende Prüfung einen Vergleich des betreffenden Geschäfts mit dem üblichen Geschäftsgebaren der Wirtschaftsteilnehmer auf dem Markt umfasse. Art. 54 CIR 1992 verlangt somit vom Steuerpflichtigen den Nachweis, dass die Vergütung der Dienstleistung, die er als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen will, im Vergleich zur üblichen Praxis nicht ungewöhnlich ist.

33.      Um den Unterschied zwischen den beiden Regelungen deutlich zu machen, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Art. 53 Nr. 10 CIR 1992(17) im Hinblick auf den – wenn man so will – gewöhnlichen Steuerabzug vorsieht, dass „alle Kosten, soweit sie den beruflichen Bedarf unangemessen übersteigen“, keine Betriebskosten sind.

34.      Mit dieser Formulierung wollte der belgische Gesetzgeber dem Anschein nach die Abzugsfähigkeit der Betriebsausgaben ausschließen, die sowohl unter dem Gesichtspunkt ihrer Notwendigkeit („Bedarf“) als auch – was nicht ganz auszuschließen ist – unter dem Gesichtspunkt ihrer Höhe („übersteigen“) unangemessen sind. Unter diesem Gesichtspunkt folgt die Regelung des Art. 53 Nr. 10 CIR 1992 letztlich derselben Logik wie die Regelung des Art. 54 CIR 1992. Dennoch sind die quantitativen Unterschiede offensichtlich: Art. 53 Nr. 10 CIR 1992 schließt den Abzug nur der Kosten aus, die „unangemessen“ sind, während Art. 54 CIR 1992 positiv einen Nachweis sowohl der Notwendigkeit („Ehrlichkeit“) der den Ausgaben zugrunde liegenden Leistung als auch der Üblichkeit des den genannten Ausgaben entsprechenden Preises verlangt.

c)      Die Beweismittel

35.      Die beiden Bestimmungen unterscheiden sich schließlich in Bezug auf die zulässigen Beweismittel. Art. 49 CIR 1992 verlangt lediglich „Belege“ oder ersatz- und hilfsweise „alle anderen im allgemeinen Recht zugelassenen Beweismittel“ außer dem Eid. Art. 54 CIR 1992 dagegen bezieht sich offenbar weiter gehend auf „alle rechtlichen Mittel“, ohne dabei irgendein Beweismittel ausdrücklich auszuschließen. Art. 54 CIR 1992 scheint also großzügiger zu sein. Dennoch lädt der Kontext dieses Unterschieds zu einem gewissen Misstrauen gegenüber jeder vorschnellen Schlussfolgerung ein. Der Kommentar zum Code des impôts weist insoweit darauf hin, dass „sich der Steuerbeamte hinreichend überzeugen muss, dass es sich bei den Geschäften, die zu den im Gesetz genannten Ausgaben geführt haben, um tatsächliche und ehrliche Geschäfte handelt“(18). Es zeigt sich hier ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der Beweiskraft der verschiedenen Beweismittel, auf den an dieser Stelle nur hingewiesen werden soll.

36.      Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Art. 54 CIR 1992 deutliche Behandlungsunterschiede einführt. Kurz gesagt, kehrt er, indem er den Grundsatz eines Rechts auf Steuerabzug umkehrt, in gewisser Weise die Beweislast um, die sich zudem von Fall zu Fall ändert, und erschwert dabei letztlich diese Beweislast. In Anbetracht dessen ist zu prüfen, ob diese unterschiedliche Behandlung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 49 EG ist(19).

C –    Zum Vorliegen einer Beschränkung oder Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs

37.      Nach den vorstehenden Ausführungen ist es nicht schwer, zu belegen, dass die beschriebene unterschiedliche Behandlung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs ist. In allgemeinen Worten: Art. 49 EG steht der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, die die Möglichkeit für einen Dienstleistungserbringer, von dieser Freiheit tatsächlich Gebrauch zu machen, ohne objektive Rechtfertigung beschränkt(20).

38.      Der Gerichtshof hat im Einzelnen wiederholt entschieden, dass diese Bestimmung die Anwendung einer nationalen Regelung ausschließt, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen allein innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert(21). Außerdem verleiht Art. 49 EG nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dem Erbringer von Dienstleistungen selbst Rechte, sondern auch dem Empfänger dieser Dienstleistungen(22).

39.      Die Regelung über die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben, mit denen Dienstleistungen von Personen mit Sitz im Mitgliedstaat der Besteuerung vergütet werden, ist im vorliegenden Fall günstiger als die Regelung, die auf Betriebsausgaben angewandt wird, mit denen Dienstleistungen von Personen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat vergütet werden, sofern die Besteuerung in dem anderen Mitgliedstaat als erheblich vorteilhafter als die belgische Besteuerung angesehen wird.

40.      Die belgischen Steuerpflichtigen, die Dienstleistungen von Personen mit Sitz in Mitgliedstaaten mit erheblich vorteilhafterer Besteuerung als in Belgien in Anspruch nehmen und damit ihr Recht auf passive Dienstleistungsfreiheit ausüben, befinden sich folglich in einer weniger vorteilhaften Lage als die Steuerpflichtigen, die von dieser Freiheit keinen Gebrauch gemacht und ihre Tätigkeit auf das Gebiet des Mitgliedstaats der Besteuerung beschränkt haben. Die in Rede stehenden belgischen Rechtsvorschriften wirken daher auf sie abschreckend. Sie sind auch geeignet, das Dienstleistungsangebot zu beschränken, das von Personen in anderen Mitgliedstaaten mit einer vorteilhafteren Besteuerung als in Belgien stammt und an die in Belgien ansässigen Steuerpflichtigen gerichtet ist(23).

41.      Der Umstand schließlich, dass sich die unterschiedliche Behandlung eher auf verfahrensrechtliche Gesichtspunkte (wie eine strengere Beweislast) als auf materielle Gesichtspunkte (wie eine unterschiedliche Besteuerungsgrundlage oder Steuersätze) bezieht, kann diese Beurteilung selbstverständlich nicht in Frage stellen. Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass verfahrensrechtliche Differenzierungen Beschränkungen oder Behinderungen einer Freiheit darstellen können(24).

42.      Es ist jedoch eingewandt worden(25), dass die in Rede stehende unterschiedliche Behandlung nicht diskriminierend sei, da die gebietsansässigen Dienstleister und die gebietsfremden Dienstleister in Anbetracht der den Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der Steuerprüfung obliegenden Verpflichtungen objektiv nicht in der gleichen Lage seien(26).

43.      Die Dienstleister mit Sitz in einem Mitgliedstaat unterlägen nämlich der Kontrolle der Steuerverwaltung dieses Mitgliedstaats. Diese könne somit unmittelbar prüfen, ob sich die Aufwendungen, die der Steuerpflichtige als Betriebsausgaben abgesetzt habe, auf tatsächliche Geschäfte bezögen. Würden dagegen die zum Abzug berechtigenden Geschäfte von Dienstleistern mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat vorgenommen, sei für die Prüfung, ob das Geschäft tatsächlich erfolgt sei, die Unterstützung der Verwaltung des genannten Mitgliedstaats erforderlich. Es sei daher normal, dass der Steuerpflichtige den Nachweis zu führen habe, dass die von ihm ausgewiesenen Aufwendungen tatsächlich angefallen seien.

44.      Um diesen gewissermaßen grundsätzlichen Einwänden zu begegnen, genügt der Hinweis, dass die Einwände im Rahmen des nachfolgenden Prüfungsabschnitts zu beantworten sind, d. h. bei den möglichen Rechtfertigungen einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, namentlich bei der Rechtfertigung mit der Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu wahren.

45.      Die belgischen Rechtsvorschriften stellten somit eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 49 EG dar. Eine einschränkende nationale Rechtsvorschrift kann jedoch zulässig sein, sofern mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird, sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, sie geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist(27).

D –    Zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können

46.      Zu den Rechtfertigungen der in Rede stehenden Beschränkung tragen die belgische, die französische und die portugiesische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission vor, die Beschränkung sei aus Gründen der Notwendigkeit, die Steuerumgehung zu bekämpfen, bei einer Gesamtbetrachtung mit der Notwendigkeit, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, gerechtfertigt(28). Darüber hinaus sind die französische und die portugiesische Regierung der Auffassung, die belgischen Rechtsvorschriften seien auch durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung sicherzustellen.

47.      Angesichts dieser Vielzahl von möglichen Rechtfertigungsgründen, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sämtlich zulässig sind, ist so weit wie möglich das Ziel zu bestimmen, von dem sich der belgische Gesetzgeber bei der Abfassung der in Rede stehenden Vorschrift leiten ließ.

48.      Der Gerichtshof hat anerkannt, dass die Notwendigkeit, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten(29) oder die Aufteilung der Steuerhoheit(30) zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, ein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein kann, der geeignet ist, eine Behinderung der Freiheiten zu rechtfertigen(31). Dieser Rechtfertigungsgrund kann u. a. dann anerkannt werden, wenn mit der betreffenden Steuerregelung Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden(32). Er ist jedoch, wie der Gerichtshof selbst hervorgehoben hat(33), nur in Verbindung mit anderen Rechtfertigungsgründen angenommen worden(34).

49.      Aus diesem Grund hat die belgische Regierung insoweit unter Bezugnahme auf das Urteil Oy AA(35) ganz konkret geltend gemacht, dass Art. 54 CIR 1992 durch die Notwendigkeit, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, bei einer Gesamtbetrachtung mit der Notwendigkeit, die Steuerumgehung zu bekämpfen, gerechtfertigt sei(36). Die Rechtfertigung durch die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis kann jedoch im Fall des Ausgangsverfahrens nicht durchgreifen.

50.      Zumindest seinem Wortlaut nach bezweckt Art. 54 CIR 1992 nämlich nicht, dass sich Belgien Steuereinnahmen sichern kann, die ihm zu entgehen drohen. Es darf nicht vergessen werden, dass die genannte Bestimmung für Personen gilt und nur gelten kann, die in Belgien steuerpflichtig sind, und lediglich sicherstellen soll, dass die Steuerabzüge von ihren Einkünften gerechtfertigt sind. Sie bewirkt daher keine Aufteilung der Besteuerungsbefugnis der betreffenden Mitgliedstaaten in Bezug auf die diesen Vergütungen entsprechenden Gewinne(37). Dies schließt freilich nicht aus, dass die Wirkung dieser Bestimmung mittelbar darin bestehen kann, die belgischen Steuerpflichtigen davon abzuhalten, Dienstleister mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen, und damit letztlich die Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen den genannten Mitgliedstaaten und Belgien in Frage stellt. Diese mögliche mittelbare Folge lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die belgischen Rechtsvorschriften durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sind, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

51.      Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die bloße Wahrnehmung der passiven Dienstleistungsfreiheit(38) seitens der belgischen Steuerpflichtigen einem Verhalten gleichstehen kann, das geeignet ist, Belgiens Recht auf Ausübung seiner Besteuerungszuständigkeit zu gefährden, da anderenfalls diese Freiheit ausgehöhlt würde(39).

52.      Es bleibt zu prüfen, ob die belgischen Rechtsvorschriften durch die Notwendigkeit gerechtfertigt werden können, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu wahren und Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch zu bekämpfen.

53.      Der Gerichtshof hat zwar anerkannt, dass die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu wahren, als solche ein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein kann(40), der geeignet ist, eine Beschränkung der Freiheiten zu rechtfertigen. Es ist jedoch klar, dass Art. 54 CIR 1992 die von der Verwaltung durchgeführte Kontrolle der Betriebsausgaben, die von der Einkommensteuer abgezogen werden können, verstärkt.

54.      Ziel des Art. 54 CIR 1992 ist jedoch in erster Linie die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch und insbesondere der Schutz des belgischen Staates vor einer Praxis, bei der tatsächlich nicht angefallene, nicht ehrliche und nicht übliche Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Der belgische Gesetzgeber führt diesen Kampf offensichtlich mit den Mitteln einer verstärkten Kontrolle der Abzüge und, abgesehen, sogar mit einem Abzugsverbot. Die belgischen Rechtsvorschriften sind jedoch im Wesentlichen als ein Regelwerk zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung durch die belgischen Steuerpflichtigen auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen(41).

55.      Im vorliegenden Fall kann anerkannt werden, dass die belgischen Rechtsvorschriften durch die Notwendigkeit gerechtfertigt werden können, bestimmte Formen von Steuerumgehung zu bekämpfen und, ganz konkret, Praktiken aufzudecken, die die Form von Vergütungen für fiktive Leistungen oder von nicht üblichen Vergütungen für tatsächliche Leistungen annehmen, die, da sie als Betriebsausgaben ausgewiesen werden und als solche von der Einkommensteuer in Belgien abgezogen werden können, geeignet sind, aufgrund ihrer Missbräuchlichkeit mittelbar die Ausübung der Besteuerungszuständigkeit durch den betreffenden Mitgliedstaat in Bezug auf die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu beeinträchtigen.

56.      Die Bekämpfung von Steuerumgehung, Steuerhinterziehung und Missbrauch bildet somit den Schwerpunkt der spezifischen Regelung des Art. 54 CIR 1992 und ist folglich die Rechtfertigung, in deren Licht die Verhältnismäßigkeit der belgischen Rechtsvorschriften - oder auch die Voraussetzungen ihrer konkreten und tatsächlichen Anwendung - zu prüfen sind.

57.      Der Gerichtshof hat insoweit wiederholt entschieden, dass eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein kann, die Gefahr einer Steuerumgehung zu bekämpfen(42) und darüber hinaus die missbräuchlichen Praktiken zu verhüten(43), sofern allerdings das Kriterium der Spezifität erfüllt ist.

58.      Eine einschränkende nationale Rechtsvorschrift erfüllt die Voraussetzung der Spezifität, wenn sie sich speziell auf rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen bezieht, deren einziger Zweck darin besteht, einen Steuervorteil zu erlangen, der Steuer zu entgehen oder aber das nationale Steuerrecht zu umgehen oder sich ihm zu entziehen(44), oder wenn sie speziell bezweckt, nur zur Steuerflucht geschaffene Sachverhalte von einem Steuervorteil auszuschließen(45).

59.      Wie oben im Rahmen der Merkmale der belgischen Rechtsvorschriften ausgeführt, verpflichteten diese alle Steuerpflichtigen, den Nachweis zu erbringen, dass die Geschäfte, deren Vergütungen als Betriebsausgaben von der Einkommensteuer abgezogen werden können, tatsächlich stattgefunden haben. Dieses Erfordernis, das als Grundvoraussetzung für die Erlangung eines Steuervorteils gleich welcher Art gelten kann und somit für sich allein geeignet ist, die Erreichung der verfolgten Ziele zu gewährleisten, steht im Ausgangsverfahren jedoch nicht zur Debatte.

60.      Die Frage, die die belgischen Rechtsvorschriften aufwerfen, geht dahin, ob die Verpflichtung gerechtfertigt ist, die für die belgischen Steuerpflichtigen besteht, die die Vergütungen für Dienstleistungen von Personen mit Sitz in Mitgliedstaaten mit erheblich vorteilhafterer Besteuerung als in Belgien als Betriebsausgaben von der Einkommensteuer abziehen wollen, nämlich den Nachweis zu erbringen, dass die Geschäfte ehrlich und die mit diesen Geschäften zusammenhängenden Vergütungen üblich sind, und ob diese Verpflichtung – ihre Eignung zur Erreichung der so definierten Ziele unterstellt – nicht über das hinausgeht, was zu diesem Zweck erforderlich ist.

61.      Die beiden Erfordernisse des Art. 54 CIR 1992, d. h. der Nachweis der Ehrlichkeit der Geschäfte und der Normalität der mit ihnen zusammenhängenden Vergütungen, können grundsätzlich als geeignet angesehen werden, die genannten Ziele der Bekämpfung von Steuerumgehung, Steuerhinterziehung und Missbrauch zu erreichen.

62.      Wird nämlich von den Steuerpflichtigen, die einen Steuervorteil wie den Abzug der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Betriebsausgaben erlangen wollen, verlangt, dass sie Belege zum Nachweis dafür beibringen, dass sich die genannten Betriebsausgaben auf ehrliche Geschäfte beziehen und sich innerhalb normaler Grenzen halten, hat dies unbestreitbar den Zweck, zu verhindern, dass die genannten Steuerpflichtigen ihr zu versteuerndes Einkommen durch Vorlage fiktiver oder ungewöhnlich hoher Rechnungen verringern(46).

63.      Diese Erfordernisse können daher unbestreitbar zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch beitragen. Wie die portugiesische Regierung in ihren Erklärungen ausgeführt hat, sind diese Erfordernisse darüber hinaus geeignet, die Steuerpflichtigen davon abzuhalten, durch Vortäuschung oder Überbewertung, durch Angabe fiktiver oder preislich überhöhter Geschäfte, ein betrügerisches Verhalten zu praktizieren.

64.      Es bleibt allerdings zu prüfen, ob die Erfordernisse letztlich nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zwecks erforderlich ist.

E –    Zur Verhältnismäßigkeit der belgischen Rechtsvorschriften

65.      Um die Verhältnismäßigkeit der belgischen Rechtsvorschriften insgesamt beurteilen zu können, werde ich zwischen den einzelnen Voraussetzungen des Art. 54 CIR 1992 unterscheiden. Diese Voraussetzungen können in zwei Gruppen unterteilt werden, wobei die erste Gruppe die Voraussetzungen umfasst, die von der belgischen Steuerverwaltung unter der Aufsicht der zuständigen nationalen Gerichte im Einklang mit den Erfordernissen des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 49 EG ausgelegt und angewandt werden können, und die zweite Gruppe die Voraussetzungen, die nicht im Einklang mit den genannten Erfordernissen ausgelegt und angewandt werden können.

66.      Zunächst stellt Art. 54 CIR 1992, indem er den Steuerpflichtigen verpflichtet, die Ehrlichkeit der grenzüberschreitenden Dienstleistungen und die Üblichkeit der mit diesen Leistungen verbundenen Vergütung nachzuweisen, zusätzlich zu den Voraussetzungen des Art. 49 CIR 1992, der die Regelung des allgemeinen Rechts enthält, zwei weitere Voraussetzungen auf. Diese Voraussetzungen sind jedoch als solche in Bezug auf das verfolgte Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung nicht unvertretbar, sofern sie von der Steuerverwaltung und den nationalen Gerichten tatsächlich maßvoll ausgelegt und angewandt werden, selbst wenn sie sich von den Voraussetzungen insbesondere der Bestimmungen des Art. 53 Nr. 10 CIR 1992 unterscheiden.

67.      Sodann garantiert Art. 54 CIR 1992 zwar nicht ausdrücklich(47), dass, wenn feststeht, dass die Vergütung im Zusammenhang mit einer grenzüberschreitenden Leistung nicht üblich ist, das Abzugsrecht nur für den Teil versagt wird, der über das hinausgeht, was unter normalen Wettbewerbsbedingungen(48) vereinbart worden wäre, doch hat es den Anschein, als habe sich die Praxis der Gerichte dahin entwickelt(49). Auch insoweit könnten die belgischen Rechtsvorschriften somit durchaus als mit Art. 49 EG vereinbar angesehen werden, sofern die Steuerverwaltung und die nationalen Gerichte den Abzug nur innerhalb der von der oben angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegten Grenzen versagen(50).

68.      Dem gleichen Gedankengang folgend könnte schließlich auch davon ausgegangen werden, dass das vorlegende Gericht darauf zu achten hat, dass die dem Steuerpflichtigen obliegende Verpflichtung, den Steuerbeamten davon zu überzeugen, dass die betreffenden Leistungen tatsächlich erfolgt und ehrlich sind, gegebenenfalls durch Vorgaben für die Ermessensausübung maßvoll gehandhabt wird. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, muss die Prüfung durch die Verwaltung, ob die Geschäfte tatsächlich erfolgt und ehrlich sind, ihre Grenzen insoweit im Verbot jeder Einmischung in die Unternehmensführung finden.

69.      Wenn sich die durch Art. 54 CIR 1992 aufgeworfenen Schwierigkeiten auf diese drei Gesichtspunkte beschränken ließen, könnte vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht in Bezug auf Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts im Licht des Unionsrechts vorzunehmenden Prüfungen daher davon ausgegangen werden, dass die belgischen Rechtsvorschriften gemessen am verfolgten Hauptziel verhältnismäßig sind. Die Bestimmungen des Art. 54 CIR 1992 werfen jedoch zusätzliche Schwierigkeiten auf, die nicht außer Acht gelassen werden können.

70.      Das Hauptproblem, das Art. 54 CIR 1992 im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 49 EG aufwirft, liegt in seiner fehlenden Spezifität oder, anders ausgedrückt, in der Universalität seines Anwendungsbereichs.

71.      Wie oben ausgeführt, verlangt Art. 54 CIR 1992 nämlich von dem belgischen Steuerpflichtigen, der die Vergütung für Dienstleistungen von Wirtschaftsteilnehmern mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten mit erheblich vorteilhafterer Besteuerung als in Belgien als Betriebsausgaben abziehen will, systematisch den Nachweis, dass alle diese Dienstleistungen ehrlich und alle mit ihnen verbundenen Vergütungen üblich sind, ohne dass ein objektiver Verdacht auf Steuerhinterziehung oder Missbrauch besteht. Damit befreit Art. 54 CIR 1992 die belgische Steuerverwaltung von jeder Verpflichtung, auch nur ein Indiz für Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch beizubringen, und geht von einem allgemeinen Verdacht der Steuerhinterziehung(51), einer allgemeinen Vermutung der Steuerhinterziehung, der Steuerumgehung und missbräuchlicher Praktiken(52) aus.

72.      Es liegt insoweit auf der Hand, dass, wenn Art. 54 CIR 1992 nur unter spezifischen Umständen anwendbar wäre wie z. B. in den Fällen, in denen eine Verflechtung(53) zwischen dem belgischen Steuerpflichtigen und dem Dienstleister mit Sitz in einem Mitgliedstaat mit erheblich vorteilhafterer Besteuerung als in Belgien vorliegt, leichter festgestellt werden könnte, dass die Vorschrift nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des von ihr rechtmäßigerweise verfolgten Hauptziels erforderlich ist(54). Es liegt auch auf der Hand, dass Art. 54 CIR 1992 unter solchen Umständen anwendbar ist, was das vorlegende Gericht festzustellen hat. Jedoch ist das Bestehen einer Verflechtung eben nur ein Umstand, dessen etwaiges Vorliegen in einem konkreten Fall es nicht erlaubt, die Universalität des Anwendungsbereichs des Art. 54 CIR 1992, seine fehlende Spezifität, zu relativieren.

73.      Die Lage der belgischen Steuerpflichtigen wird ferner dadurch erschwert, dass ihnen keine Informationen darüber zur Verfügung stehen, was einen Mitgliedstaat mit einer erheblich vorteilhafteren Besteuerung als der belgischen ausmacht. Will er die Dienstleistungen einer Person mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch nehmen, ist er somit gezwungen, selbst herauszufinden, ob die Besteuerung dieses Mitgliedstaats erheblich vorteilhafter als die belgische Besteuerung ist, um festzustellen, welcher Regelung über den Abzug von Betriebsausgaben er unterliegen wird, was ihn in eine Situation der Rechtsunsicherheit bringt. Hinzu kommt, dass es besonders schwierig ist, genau die Fälle zu bestimmen, die mit dem Adverb „erheblich“ erfasst werden sollen. Zwar könnte die Schwierigkeit, die sich aus dieser Rechtsunsicherheit ergibt, beseitigt werden, wenn die belgische Steuerverwaltung eine Liste mit den Steuerregelungen aufstellen könnte, die erheblich vorteilhafter als die belgische Regelung sind und in den Anwendungsbereich des Art. 54 CIR 1992 fallen können. Dies entspricht jedoch nicht der herrschenden Praxis. Außerdem ist es dem Anschein nach besonders schwierig, jede mögliche Anwendung einer solchen Bestimmung vorherzusehen.

74.      Im Ergebnis bin ich der Meinung, dass die genannte Vorschrift, selbst wenn bestimmte Spezifitäten der in Rede stehenden belgischen Rechtsvorschriften einer Konformitätserklärung unterliegen könnten, in ihrer Gesamtheit eine unverhältnismäßige und damit nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs schafft.

VI – Ergebnis

75.      Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, auf die von der Cour de cassation gestellte Vorlagefrage wie folgt zu antworten:

Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er der Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats, wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art. 54 des Code belge des impôts sur les revenus 1992, entgegensteht, wonach die Betriebsausgaben von der Einkommensteuer nicht abgezogen werden können, wenn sie die Vergütung für Dienstleistungen einer Person mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat darstellen, in dem die genannte Person keiner Einkommensteuer oder einem erheblich vorteilhafteren Besteuerungssystem unterliegt als dem des Mitgliedstaats der Besteuerung, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass die Vergütung sich auf tatsächliche und ehrliche Geschäfte bezieht und nicht die normalen Grenzen überschreitet, während die Betriebsausgaben von der Einkommensteuer grundsätzlich abgezogen werden können, wenn die genannten Umstände nicht gegeben sind.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Vgl. Urteile vom 14. Dezember 2000, AMID (C-141/99, Slg. 2000, I-11619), vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer (C-446/03, Slg. 2005, I-10837), vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation (C-446/04, Slg. 2006, I-11753), vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C-524/04, Slg. 2007, I-2107), vom 29. März 2007, Rewe Zentralfinanz (C-347/04, Slg. 2007, I-2647), vom 18. Juli 2007, Oy AA (C-231/05, Slg. 2007, I-6373), vom 28. Februar 2008, Deutsche Shell (C-293/06, Slg. 2008, I-1129), vom 15. Mai 2008, Lidl Belgium (C-414/06, Slg. 2008, I-3601), vom 23. Oktober 2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt (C-157/07, Slg. 2008, I-8061), vom 19. November 2009, Filipiak (C-314/08, Slg. 2009, I-11049), und vom 18. März 2010, Gielen (C-440/08, Slg. 2010, I-2323).


3 – Vgl. insbesondere Urteile vom 22. Januar 2009, STEKO Industriemontage (C-377/07, Slg. 2009, I-299), vom 27. Januar 2009, Persche (C-318/07, Slg. 2009, I-359), vom 15. Oktober 2009, Busley und Cibrian Fernandez, (C-35/08, Slg. 2009, I-9807), vom 31. März 2011, Schröder (C-450/09, Slg. 2011, I-2497), und vom 16. Juni 2011, Kommission/Österreich (C-10/10, Slg. 2011, I-5389).


4 – Sogar über die Unionsbürgerschaft, vgl. Urteil vom 23. April 2009, Rüffler (C-544/07, Slg. 2009, I-3389).


5 – Vgl. insbesondere Urteile vom 28. Oktober 1999, Vestergaard (C-55/98, Slg. 1999, I-7641), vom 12. Juni 2003, Gerritse (C-234/01, Slg. 2003, I-5933), vom 3. Oktober 2006, FKP Scorpio Konzertproduktionen (C-290/04, Slg. 2006, I-9461), vom 11. September 2007, Kommission/Deutschland (C-318/05, Slg. 2007, I-6957), sowie vom 13. März 2008, Kommission/Spanien (C-248/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).


6 – Vgl. z. B. Urteile Marks & Spencer, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Rewe Zentralfinanz und Oy AA sowie vom 21. Januar 2010, SGI (C-311/08, Slg. 2010, I-487).


7 – Vgl. insbesondere Urteil FKP Scorpio Konzertproduktionen.


8 – Im Folgenden: CIR 1992.


9 – Hierzu kann allenfalls das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Vestergaard einige unmittelbar sachdienliche Hinweise geben.


10 – Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 1. Dezember 1997 (ABl. 1998, C 2, S. 1).


11 – Die belgische Regierung bezieht sich in ihren schriftlichen Erklärungen insoweit auf die Begründung des Gesetzes, mit dem die genannte Bestimmung in das CIR eingefügt wurde und das das Parlament in der Sitzungsperiode 1953/1954 verabschiedet hat.


12 – Dies entspricht im Übrigen der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, wie sich aus der Überschrift der Nr. 54/26 des Kommentars zum Code des impôts sur les revenus 1992 ergibt (http://fiscus.fgov.be/interfaoiffr/publicaties/lijst_aoif.htm).


13 – Diesen Begriff hat der Bevollmächtigte der belgischen Regierung in der mündlichen Verhandlung verwendet.


14 – Ich denke vor allem an die Rechtsprechung über die beherrschten ausländischen Gesellschaften und im weiteren Sinne über die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften, zu der die oben in Fn. 6 angeführte Rechtsprechung gehört.


15 – So Nr. 54/28 des Kommentars zum Code des impôts sur les revenus 1992 unter Bezugnahme auf das Urteil der Cour de cassation vom 10. November 1964, SA Anc. Éts. Paul Auerbach (Bull. 423, S. 151). Die Kommission weist auf „strenge Verfahrensvoraussetzungen“ hin.


16 – Der Kommentar zum Code des impôts sur les revenus 1992 übernimmt übrigens in Nr. 54/28 diese Formulierungen.


17 – Diese von der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen angeführte Bestimmung wurde weder vom vorliegenden Gericht in seiner Vorlageentscheidung noch von der belgischen Regierung in ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen angesprochen.


18 – Vgl. Nr. 54/29 des Kommentars zum Code des impôts sur les revenus 1992.


19 – Es ist hier klarzustellen, dass das vorlegende Gericht dem Gerichtshof ausdrücklich eine Frage nach der Auslegung des Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV) über den freien Dienstleistungsverkehr stellt. Angesichts der Art der Beziehungen, die zwischen den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften bestehen (gemeinsame Tochtergesellschaft), stellt sich indessen die Frage, ob nach dem Urteil vom 13. April 2000, Baars (C-251/98, Slg. 2000, I-2787), andere Vertragsbestimmungen, insbesondere Art. 43 EG (Art. 49 AEUV) und Art. 48 EG (Art. 54 AEUV) betreffend die Niederlassungsfreiheit, Anwendung finden können; vgl. insoweit auch Urteil SGI (Randnrn. 23 bis 37). In Anbetracht der oben dargelegten Merkmale der belgischen Rechtsvorschrift jedoch und weil diese Frage nicht Gegenstand der Erörterungen war, werde ich die genannte Vorschrift anhand der Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr prüfen. Vgl. entsprechend insbesondere Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Randnr. 33).


20–      Vgl. Urteile vom 25. Juli 1991, Collectieve Antennevoorziening Gouda (C-288/89, Slg. 1991, I-4007, Randnr. 12), und vom 5. Oktober 1994, Kommission/Frankreich (C-381/93, Slg. 1994, I-5145, Randnr. 16).


21 – Vgl. insbesondere Urteile Kommission/Frankreich (Randnr. 17), vom 28. April 1998, Safir (C-118/96, Slg. 1998, I-1897, Randnr. 23) und Kohll (C-158/96, Slg. 1998, I-1931, Randnr. 33), vom 12. Juli 2001, Smits und Peerbooms (C-157/99, Slg. 2001, I-5473, Randnr. 61), sowie vom 11. September 2007, Schwarz und Gootjes-Schwarz (C-76/05, Slg. 2007, I-6849, Randnr. 67).


22 – Vgl. u. a. Urteile vom 31. Januar 1984, Luisi und Carbone (286/82 und 26/83, Slg. 1984, 377), vom 26. Oktober 1999, Eurowings Luftverkehr (C-294/97, Slg. 1999, I-7447, Randnr. 34), FKP Scorpio Konzertproduktionen (Randnr. 32) sowie vom 1. Juli 2010, Dijkman und Dijkman-Lavaleije (C-233/09, Slg. 2010, I-6649, Randnr. 24).


23 – In diesem Sinne Urteile Schwarz und Gootjes-Schwarz (Randnr. 66), Kommission/Deutschland (Randnr. 80) und vom 20. Mai 2010, Zanotti (C-56/09, Slg. 2010, I-4517, Randnr. 41).


24 – Urteil vom 11. Juni 2009, X und Passenheim-van Schoot (C-155/08 und C-157/08, Slg. 2009, I-5093), wegen einer verlängerten Nachforderungsfrist für außerhalb des Mitgliedstaats der Besteuerung befindliche Guthaben.


25 –      Dies ist das erste Argument der portugiesischen Regierung und auch die Auffassung der belgischen Regierung.


26 – Dies ist der Vortrag der französischen und der portugiesischen Regierung.


27 – Vgl. u. a. Urteile vom 31. März 1993, Kraus (C-19/92, Slg. 1993, I-1663, Randnr. 32), vom 5. Juli 2007, Kommission/Belgien (C-522/04, Slg. 2007, I-5701, Randnr. 47), und vom 4. Dezember 2008, Jobra (C-330/07, Slg. 2008, I-9099, Randnr. 27).


28 –      Gemäß dem Urteil SGI (Randnrn. 66 und 69).


29 – Vgl. Urteile vom 12. Mai 1998, Gilly (C-336/96, Slg. 1998, I-2793, Randnrn. 24 und 30), vom 21. September 1999, Saint-Gobain ZN (C-307/97, Slg. 1999, I-6161, Randnr. 57), und vom 27. November 2008, Papillon (C-418/07, Slg. 2008, I-8947, Randnrn. 34 bis 40).


30 – Vgl. Urteil vom 26. Juni 2008, Burda (C-284/06, Slg. 2008, I-4571, Randnr. 87).


31 – Der Gerichtshof hat diese Rechtfertigung bisher nur in fünf Fällen anerkannt: vgl. Urteile Oy AA, Lidl Belgium und SGI sowie Urteile vom 17. September 2009, Glaxo Wellcome (C-182/08, Slg. 2009, I-8591), und vom 25. Februar 2010, X Holding (C-337/08, Slg. 2010, I-1215).


      Wegen ablehnender Entscheidungen im Bereich der Niederlassungsfreiheit vgl. Urteile Saint-Gobain ZN, Rewe Zentralfinanz und vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha (C-303/07, Slg. 2009, I-5145), im Bereich des freien Kapitalverkehrs Urteile vom 8. November 2007, Amurta (C-379/05, Slg. 2007, I-9569), vom 19. November 2009, Kommission/Italien (C-540/07, Slg. 2009, I-10983), sowie vom 3. Juni 2010, Kommission/Spanien (C-487/08, Slg. 2010, I-4843), im Bereich der Dienstleistungsfreiheit Urteil Jobra.


32 – Urteil Oy AA (Randnr. 54) unter Bezugnahme auf das Urteil Rewe Zentralfinanz (Randnr. 42), dieses wiederum unter Bezugnahme auf die Urteile Marks & Spencer (Randnr. 46) sowie Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (Randnrn. 55 und 56).


33 – Vgl. Urteile Rewe Zentralfinanz (Randnr. 41) und Oy AA (Randnr. 51).


34–      Vgl. Urteil Marks & Spencer (Randnrn. 43 und 51).


35 – Randnrn. 51 ff.


36 – Vgl. Urteil SGI (Randnr. 66).


37 – Vgl. Urteile Rewe Zentralfinanz (Randnr. 42) und Jobra (Randnr. 33).


38 – Nach der Terminologie, die u. a. die Generalanwältinnen Stix-Hackl in Nr. 53 ihrer Schlussanträge in der Rechtssache Lindmann (Urteil vom 13. November 2003, C-42/02, Slg. 2003, I-13519) und Kokott in Nr. 35 ihrer Schlussanträge in der Rechtssache Presidente del Consiglio dei Ministri (Urteil vom 17. November 2009, C-169/08, Slg. 2009, I-10821) verwendet haben.


39 – Vgl. Urteil Rewe Zentralfinanz (Randnr. 43).


40 – Vgl. u. a. Urteile vom 20. Februar 1979, Rewe-Zentral, „Cassis de Dijon“, (120/78, Slg. 1979, 649, Randnr. 8), vom 15. Mai 1997, Futura Participations und Singer (C-250/95, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 31), vom 8. Juli 1999, Baxter u. a. (C-254/97, Slg. 1999, I-4809, Randnr. 18), vom 10. März 2005, Laboratoires Fournier (C-39/04, Slg. 2005, I-2057, Randnr. 24), vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer (C-386/04, Slg. 2006, I-8203, Randnr. 47), vom 26. Oktober 2010, Schmelz (C-97/09, Slg. 2010, I-10465, Randnr. 57), und vom 30. Juni 2011, Meilicke u. a. (C-262/09, Slg. 2011, I-5669, Randnr. 41).


41 – Das vorlegende Gericht hat in seiner Vorlageentscheidung auch die Frage nach den Auswirkungen der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) auf die Beurteilung der Rechtfertigung der belgischen Rechtsvorschriften aufgeworfen. Es ist jedoch, ohne hier in eine eingehende Prüfung der Frage eintreten zu wollen, nicht sicher, dass die Richtlinie 77/799 angesichts ihrer Art. 2 und 8 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens eindeutig Anwendung findet. Vgl. insbesondere Urteile Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (Randnrn. 70 und 71), X und Passenheim-van Schoot (Randnrn. 65 bis 67) und Persche (Randnrn. 61 ff.). Vgl. auch Urteil vom 27. September 2007, Twoh International (C-184/05, Slg. 2007, I-7897, Randnr. 32).


42 –      Vgl. Urteile vom 16. Juli 1998, ICI (C-264/96, Slg. 1998, I-4695, Randnr. 26), vom 12. Dezember 2002, Lankhorst-Hohorst (C-324/00, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 37), und vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant (C-9/02, Slg. 2004, I-2409, Randnr. 50).


43 – Vgl. Urteile Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (Randnrn. 51 und 55), Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (Randnr. 74), Jobra (Randnr. 35) und vom 22. Dezember 2010, Tankreederei I (C-287/10, Slg. 2010, I-14233, Randnr. 28).


44 –      Vgl. u. a. Urteile Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (Randnr. 55), Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (Randnr. 74), Jobra (Randnr. 35), Aberdeen Property Fininvest Alpha (Randnr. 64), Glaxo Wellcome (Randnr. 89), Tankreederei I (Randnr. 28) und vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen (C-436/08 und C-437/08, Slg. 2011, I-305, Randnr. 165).


45 – Vgl. u. a. Urteile ICI (Randnr. 26), Lankhorst-Hohorst (Randnr. 37), de Lasteyrie du Saillant (Randnr. 50), Marks & Spencer (Randnr. 57), Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (Randnr. 79) und vom 21. November 2002, X und Y (C-436/00, Slg. 2002, I-10829, Randnr. 61).


46 – Wie die Kommission und die belgische Regierung in ihren Erklärungen vorgetragen haben, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Art. 54 CIR 1992, dass mit dieser Bestimmung den Manövern entgegengetreten werden sollte, durch die die belgischen Gesellschaften ihre Besteuerungsgrundlage fiktiv verkürzten, indem sie Dienstleistungen von Gesellschaften mit privilegiertem Steuersystem vergüteten, die nicht erbracht worden waren.


47 – Es ergibt sich insbesondere aus Nr. 54/28 des oben angeführten Kommentars zum Code des impôts sur les revenus 1992, wo ein älteres Urteil angeführt wird (Cour de cassation, 12. Februar 1963, SA Oftri, Bull. 411, S. 1758), dass, wenn der außergewöhnliche Charakter einer Aufwendung feststeht, die Aufwendungen insgesamt zurückgewiesen werden müssen und nicht nur der Teil der Gemeinkosten, der die normalen Grenzen überschreitet.


48 – Der Fremdvergleichsgrundsatz stellt nämlich einen geeigneten Maßstab dar, um künstliche Konstruktionen von realen wirtschaftlichen Vorgängen abzugrenzen, um den von Generalanwalt Geelhoed in Nr. 66 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation und von Generalanwältin Kokott in Nr. 68 ihrer Schlussanträge in der Rechtssache SGI verwendeten Ausdruck aufzunehmen. Zur Anwendung dieses Grundsatzes vgl. insbesondere Urteil SGI (Randnrn. 71 und 72). Vgl. auch die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 10. Dezember 2007, Anwendung von Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung im Bereich der direkten Steuern (innerhalb der EU und im Hinblick auf Drittländer) (KOM[2007] 785 endg., S. 5 und 6).


49 – Hierauf beruft sich die Kommission unter Hinweis auf ein Urteil der Cour de cassation vom 27. November 1966, in dem auf die Entscheidung im Urteil vom 12. Februar 1963 Bezug genommen worden sei.


50 – Wegen eines konkreten Beispiels für den Auslegungsvorbehalt vgl. insbesondere Urteil SGI (Randnr. 75).


51 – Vgl. Urteil vom 9. Juli 2009, Kommission/Spanien (C-397/07, Slg. 2009, I-6029, Randnr. 30).


52 – Vgl. u. a. Urteile Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (Randnr. 50), ICI (Randnr. 26), X und Y (Randnr. 62) und vom 11. Oktober 2007, ELISA (C-451/05, Slg. 2007, I-8251, Randnr. 91).


53 – Im vorliegenden Fall ergibt sich aus Nr. 54/26 des Kommentars zum Code des impôts sur les revenus 1992, dass, wie SIAT in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, Art. 54 CIR 1992 ungeachtet eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem Dienstleister und dem Dienstleistungsempfänger anwendbar ist.


54 – Wie die Kommission in ihrer Mitteilung vom 10. Dezember 2007 hervorgehoben hat, „[können] nationale Missbrauchsvorschriften ‚safe harbour‘-Kriterien umfassen …, um die Situationen zu erfassen, in denen das Auftreten von Missbrauch am wahrscheinlichsten ist“. Sie fügt hinzu, dass „die Aufstellung bestimmter sachgerechter Kriterien zu einer ausgeglichenen Anwendung der nationalen Missbrauchsbekämpfungsmaßnahmen führt, da sie für die Steuerpflichtigen im Interesse der Rechtssicherheit und für die Steuerverwaltung im Interesse der Praktikabilität liegt“. Wie die Kommission sodann feststellt, dürfen die Missbrauchsvorschriften jedoch nicht zu weit gefasst werden, damit sie im Gegenteil nur Situationen ohne kommerzielle Grundlage erfassen.