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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 12. September 2012(1)

Rechtssache C-395/11

BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH

gegen

Finanzamt Lüdenscheid

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs [Bundesrepublik Deutschland])

„Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Recht des Mitgliedstaats, der zur Anwendung einer abweichenden Regelung berechtigt ist, von dieser Ermächtigung nur teilweise Gebrauch zu machen – Begriff der Bauleistungen“





I –    Einleitung

1.        Im vorliegenden Verfahren ersucht der Bundesfinanzhof der Bundesrepublik Deutschland den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Auslegung der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Art. 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung(2).

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

2.        Art. 1 der Entscheidung 2004/290 bestimmt:

„Abweichend von Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe a) der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung des Artikels 28 Buchstabe g) jener Richtlinie wird die Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung vom 1. April 2004 ermächtigt, bei den in Artikel 2 dieser Entscheidung bezeichneten Lieferungen von Gegenständen und Erbringungen von Dienstleistungen den Empfänger als Mehrwertsteuerschuldner zu bestimmen.“

3.        Art. 2 der Entscheidung 2004/290 bestimmt:

„In folgenden Fällen kann der Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen als Mehrwertsteuerschuldner bestimmt werden:

1.      bei der Erbringung von Gebäudereinigungsleistungen an einen Steuerpflichtigen, es sei denn, der Leistungsempfänger vermietet ausschließlich nicht mehr als zwei Wohnungen, oder bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen;

2.      bei der Lieferung von Grundstücken an einen Steuerpflichtigen gemäß Artikel 13 Teil B Buchstaben g) und h), sofern der Lieferer für die Besteuerung des Umsatzes optiert hat.“

4.        Art. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage(3) bestimmte, soweit im vorliegenden Fall von Bedeutung:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1.      Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

2.      die Einfuhr von Gegenständen.“

5.        Art. 5 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 77/388 bestimmte, soweit für die vorliegende Entscheidung maßgeblich:

„(1)      Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

(5)      Als Lieferung im Sinne des Absatzes 1 können die Mitgliedstaaten die Erbringung bestimmter Bauleistungen betrachten.“

6.        Art. 6 der Richtlinie 77/388 bestimmte, soweit hier von Bedeutung:

„Dienstleistungen

(1)      Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes im Sinne des Artikels 5 ist. 

…“

7.        Art. 1 Nr. 7 der Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich bestimmter Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung, zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer sowie zur Aufhebung bestimmter Entscheidungen über die Genehmigung von Ausnahmeregelungen(4) bestimmt:

„7.      In Artikel 21 Absatz 2 in der Fassung von Artikel 28g wird folgender Buchstabe hinzugefügt:

‚c)      Im Falle der nachfolgend genannten Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen können die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass die Steuer von dem steuerpflichtigen Empfänger geschuldet wird:

i)      Bauleistungen, einschließlich Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbruchleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken sowie die aufgrund von Artikel 5 Absatz 5 als Lieferung von Gegenständen betrachtete Erbringung bestimmter Bauleistungen;

…‘.“

8.        Art. 199 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(5) bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den folgende Umsätze bewirkt werden:

a)      Bauleistungen, einschließlich Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbruchleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken sowie die auf Grund des Artikels 14 Absatz 3 als Lieferung von Gegenständen betrachtete Erbringung bestimmter Bauleistungen;

…“

B –    Nationales Recht

9.        § 3 Abs. 1, 4 und 9 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) bestimmt:

„(1)      Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(4)      Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er sich selbst beschafft hat, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(9)      Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. …“

10.      § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG bestimmt in der ab 1. April 2004 geltenden Fassung, die auf der Entscheidung 2004/290/EG beruht, dass in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Unternehmer Steuerschuldner ist.

11.      § 13b Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 2 UStG in der ab 1. April 2004 geltenden Fassung bestimmt:

„(1)      Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats:

4.      Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. …

(2)      … In den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt. …“

12.      § 48 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes definiert den Begriff Bauleistungen als

„… alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen“.

III – Sachverhalt und Vorlagefragen

13.      Die BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH (im Folgenden: BLV), die den Rechtsstreit vor den nationalen Gerichten eingeleitet hat und deren Gegenstand der Erwerb, die Erschließung und die Bebauung von Grundstücken ist, ist Unternehmerin im Sinne des deutschen Umsatzsteuergesetzes 2005 und Steuerpflichtige im Sinne der im Streitjahr geltenden Richtlinie 77/388.

14.      Im September 2004 beauftragte BLV die Rolf & Co. OHG (im Folgenden: Rolf & Co.), als Generalunternehmerin auf einem im Eigentum von BLV stehenden Grundstück ein Wohnhaus mit sechs Wohnungen zu einem Pauschalpreis zu erstellen.

15.      Am 17. November 2005 erteilte Rolf & Co. eine Schlussrechnung ohne Umsatzsteuerausweis, in der sie auf die Steuerschuldnerschaft von BLV als Leistungsempfängerin hinwies.

16.      Da im vorliegenden Fall gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist(6), versteuerte BLV zunächst die von ihr im Steuerjahr 2005 bezogene Leistung.

17.      Später forderte BLV die gezahlte Summe von der zuständigen Behörde (Finanzamt Lüdenscheid) zurück und machte geltend, dass die letztgenannte Vorschrift im konkreten Fall nicht hätte angewandt werden dürfen und daher einziger Steuerschuldner Rolf & Co. sei.

18.      Die Ablehnung des Antrags von BLV durch das Finanzamt gab Anlass zu dem vorliegenden Verfahren, in dem der Bundesfinanzhof wegen eines Problems bei der Auslegung der Entscheidung 2004/290 dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

1.      Umfasst der Begriff der Bauleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Ermächtigung 2004/290/EG neben Dienstleistungen auch Lieferungen?

2.      Falls sich die Ermächtigung zur Bestimmung des Leistungsempfängers als Steuerschuldner auch auf Lieferungen erstreckt:

Ist der ermächtigte Mitgliedstaat berechtigt, die Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben?

3.      Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung berechtigt ist: Bestehen für den Mitgliedstaat Beschränkungen bei der Untergruppenbildung?

4.      Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung allgemein (siehe oben, Frage 2) oder aufgrund nicht beachteter Beschränkungen (siehe oben, Frage 3) nicht berechtigt ist:

a)      Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus einer unzulässigen Untergruppenbildung?

b)      Führt eine unzulässige Untergruppenbildung dazu, dass die Vorschrift des nationalen Rechts nur zugunsten einzelner Steuerpflichtiger oder allgemein nicht anzuwenden ist?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

19.      Die Kommission sowie die deutsche und die finnische Regierung haben schriftliche Erklärungen abgegeben.

V –    Zur ersten Vorlagefrage

20.      Mit der ersten Vorlagefrage fragt der Bundesfinanzhof, ob der Begriff der Bauleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290 neben Dienstleistungen auch Lieferungen umfasst.

21.      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt sich die Wichtigkeit dieser Frage aus dem Umstand, dass nach der deutschen Regelung und Rechtsprechung der in Rede stehende Umsatz (die Errichtung eines Gebäudes durch einen Unternehmer auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück unter Verwendung eigener Stoffe) die Lieferung eines Gegenstands darstellt. Nach den deutschen Rechtsvorschriften findet im vorliegenden Fall das Reverse-charge-Verfahren Anwendung, nach dem Steuerschuldner der Leistungsempfänger (hier BLV) und nicht der Leistungserbringer (Rolf & Co.) ist.

22.      Dieses Verfahren weiche von der Sechsten Richtlinie ab (nach der Steuerschuldner der Leistungserbringer ist) und sei deshalb nur im Rahmen der Anwendbarkeit der Entscheidung 2004/290 zulässig, die Deutschland gemäß Art. 27 der Sechsten Richtlinie ausdrücklich ermächtigt habe, bei Bauleistungen, die an einen Steuerpflichtigen erbracht werden (wie nach deutschem Recht vorliegend der Fall), das Reverse-charge-Verfahren anzuwenden. Bezöge sich also die in der Entscheidung 2004/290 enthaltene Ermächtigung nur auf Dienstleistungen und nicht auch auf Lieferungen von Gegenständen, wäre im vorliegenden Fall die Anwendung des Reverse-charge-Verfahrens unzulässig, da in Deutschland die Errichtung eines Gebäudes auf fremden Boden durch einen Unternehmer, der eigene Stoffe verwende, eine Lieferung von Gegenständen darstelle. Folglich wäre BLV nicht mehr Steuerschuldnerin, da statt des deutschen Rechts das Unionsrecht Anwendung fände, nach dem grundsätzlich der Leistungserbringer Mehrwertsteuerschuldner sei und nicht der Leistungsempfänger.

23.      Für die Beantwortung der Frage müssen zunächst die unionsrechtlichen Begriffe der Lieferung von Gegenständen und der Dienstleistung definiert werden, um sie genau voneinander abzugrenzen; danach ist der Begriff der Bauleistung zu analysieren und mit den ersten beiden Begriffen in Zusammenhang zu bringen.

24.      Zum ersten Gesichtspunkt weise ich darauf hin, dass nach Art. 2 der Richtlinie 77/388 Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer unterliegen(7).

25.      Art. 5 der Richtlinie 77/388 definiert die Lieferung eines Gegenstands als die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

26.      Nach Art. 6 dieser Richtlinie gilt als Dienstleistung jede Leistung, die keine Lieferung ist.

27.      Wie der Gerichtshof im Urteil Shipping and Forwarding Enterprise Safe ausgeführt hat, bezieht sich der Begriff der Lieferung eines Gegenstands „nicht auf die Eigentumsübertragung in den im anwendbaren nationalen Recht vorgesehenen Formen …, sondern … [umfasst] jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei …, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer“(8), auch wenn rechtlich das Eigentum nicht übertragen wird.

28.      Diese Bestimmung des Lieferungsbegriffs erklärt sich aus dem Zweck der Richtlinie, „die unter anderem zum Ziel hat, das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf eine einheitliche Definition der steuerbaren Umsätze zu gründen. Dieses Ziel wäre jedoch möglicherweise gefährdet, wenn die Feststellung, dass eine Lieferung von Gegenständen vorliegt, die einen der drei steuerbaren Umsätze darstellt, von der Erfüllung von Voraussetzungen abhinge, die von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich wären, wie dies bei den Voraussetzungen für die zivilrechtliche Eigentumsübertragung der Fall ist.“(9)

29.      Die Dienstleistung wird dagegen durch einen Auffangtatbestand bestimmt als Leistung, die keine Lieferung von Gegenständen ist.

30.      Aufgrund der Schwierigkeiten bei vielen Leistungen, sie als Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistung einzuordnen, hat der Gerichtshof oft versucht, ein Kriterium für diese Einstufung herauszuarbeiten.

31.      Es ist dem Gerichtshof jedoch nicht gelungen, ein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal anzugeben, da die Zahl der der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätze zu groß und deren Art zu vielfältig ist(10). Er hat daher entschieden, dass sich die Frage „[o]b bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind, nach ihrem Wesen [richtet]. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln.“(11) Dabei muss der in Frage stehende Umsatz im Einzelnen geprüft werden, um seine dominierenden Bestandteile zu bestimmen, indem sie von den unbedeutenden oder nebensächlichen Bestandteilen unterschieden werden(12).

32.      Des Weiteren ist zu beachten, dass die Parteien oft sehr komplexe Umsätze bewirken, die Merkmale aufweisen, die sowohl der Lieferung von Gegenständen als auch der Dienstleistung zugeordnet werden können.

33.      Dieses gleichzeitige Vorhandensein von Elementen unterschiedlicher Natur innerhalb eines einzigen steuerlich relevanten Vorgangs kann sowohl bedeuten, dass mehrere voneinander zu unterscheidende (wenn auch möglicherweise zusammenhängende) Umsätze bewirkt wurden, als auch, dass in Wirklichkeit ein einheitlicher Umsatz vorliegt, der, da er sich aus Bestandteilen unterschiedlicher Natur zusammensetzt, gemischt ist und für die Zwecke der Mehrwertsteuer als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung eingestuft werden muss.

34.      Der Gerichtshof hat sich bereits mit der Unterscheidung zwischen einheitlichen Leistungen, die die typischen Elemente der Lieferung von Gegenständen und der Dienstleistung aufweisen, und getrennten Leistungen befasst und festgestellt, dass „bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen [ist], um zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung“(13).

35.      Dabei ist zu beachten, dass im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie jeder Umsatz „in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist, und … ein Umsatz, der in einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung besteht, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf“(14) und dass, nach Ermittlung der charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes, festzustellen ist, „ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher, wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt“(15).

36.      Auch wenn also grundsätzlich jede formal unterschiedliche Einzelleistung, die getrennt erbracht werden kann, für sich zu einer Besteuerung führen müsste, sind unter bestimmten Umständen mehrere eigene Einzelleistungen als ein einziger Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind(16).

37.      Der Gerichtshof hat klargestellt, dass eine einheitliche Leistung vor allem dann vorliegt, wenn ein oder mehrere Merkmale die Hauptleistung bilden, während die anderen nur Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen; als Nebenleistung ist eine Leistung anzusehen, die für den Empfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen(17).

38.      Eine einheitliche Leistung liegt auch vor, „wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher, wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre“(18).

39.      Nachdem die Unterscheidung zwischen Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen (und zwischen einheitlichen und getrennten Umsätzen) geklärt ist, muss der Begriff der Bauleistungen bestimmt werden, um danach festzustellen, ob diese im Licht der oben angeführten, in der Rechtsprechung des Gerichtshofs herausgearbeiteten Grundsätze und der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts als Lieferungen von Gegenständen oder als Dienstleistungen einzustufen sind.

40.      Zu diesem Zweck ist zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems(19) in Anhang A Nr. 5 einige als „Bauleistungen“ angesehene Tätigkeiten auflistet (ohne jedoch den Begriff allgemein zu definieren), und zwar sind das der Bau von Gebäuden, Brücken, Straßen, Häfen usw. in Durchführung eines Bauvertrags, Erdarbeiten, die Anlage von Gärten, Installationsarbeiten (z. B. Einbau von Zentralheizungen) sowie Reparaturen an Gebäuden und baulichen Anlagen, ausgenommen die laufende Unterhaltung.

41.      Des Weiteren galten nach Art. 6 des späteren Vorschlags einer Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (der in den endgültigen Text der Richtlinie nicht aufgenommen wurde) als „Bauleistungen“ alle Arbeiten an Gebäuden, Brücken, Straßen, Häfen und anderen mit dem Grund und Boden fest verbundenen Bauwerken, wie Abbrucharbeiten, Errichtung von Gebäuden, einschließlich der Fundamente, des Rohbaus und der Fertigstellungsarbeiten, Einbau von beweglichen Gegenständen in ein Gebäude und insbesondere sämtliche Installationsarbeiten, Ausbauten, Umbauten und Erneuerungsarbeiten, Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten mit Ausnahme der laufenden Wartungsmaßnahmen sowie alle Arbeiten der Bodengestaltung, wie Erschließung von Industriegelände oder Wohngebieten, Parzellierung, Bodeneinebnung, Verlegen von Wasser- und Abwasserleitungen, elektrische Installation, Errichtung von Stützmauern, Anlegen von Gärten(20).

42.      Schließlich hat die Bundesrepublik Deutschland in ihrem im August 2003 gestellten Antrag(21) auf Ermächtigung zu abweichenden Regelungen im Fall von „Bauleistungen“ ausdrücklich auf den oben angeführten § 48 des Einkommensteuergesetzes Bezug genommen, der bei der Bestimmung des Begriffs der Bauleistungen klarstellt, dass dies alle Leistungen sind, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

43.      Ich bin der Auffassung, dass die Aufzählungen von „lavori immobiliari“ (Bauleistungen) in der italienischen Fassung der Zweiten Richtlinie und des Vorschlags einer Sechsten Richtlinie, auch wenn sie keinen bindenden Charakter haben, für die Auslegung des in der italienischen Fassung der Entscheidung 2004/290 verwendeten Begriffs „lavori di costruzione“ (Bauleistungen) herangezogen werden sollten, da die „lavori di costruzione“ nichts anderes sind als „lavori immobiliari“, die sich dadurch auszeichnen, dass sie speziell das Baugewerbe betreffen (wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der Entscheidung 2004/290 ergibt(22)), also „lavori immobiliari“ sind, die von Bauunternehmen ausgeführt werden und die Errichtung von Gebäuden betreffen(23).

44.      Es kann daher festgestellt werden, dass im Licht des Inhalts der Zweiten Richtlinie, des Vorschlags einer Sechsten Richtlinie und des vom betreffenden Staat gestellten Antrags, der zum Erlass der Entscheidung 2004/290 geführt hat, „Bauleistungen“ Bauarbeiten der Errichtung von Gebäuden, Instandhaltung, Instandsetzung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken und ähnlichen Strukturen sind (im vorliegenden Fall geht es um die Errichtung eines Gebäudes).

45.      Es ist daher zu prüfen, ob die Gesamtheit der in den Nrn. 43 und 44 aufgeführten Arbeiten als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung einzustufen ist; dazu ist, wie der Gerichtshof klargestellt hat, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die die charakteristischen und wesentlichen Bestandteile der in Rede stehenden Umsätze einbezieht(24).

46.      Unproblematisch ist das dann, wenn bei der Ausführung dieser Arbeiten verschiedene Unternehmer verschiedene Leistungen erbringen, da dann jede dieser Leistungen eigenständig geprüft und, je nach Fall, als Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistung eingestuft wird.

47.      Die vorliegende Frage betrifft jedoch eine Situation, in der die Arbeiten von einem einzigen Steuerpflichtigen ausgeführt wurden, der eine einheitliche gemischte Leistung erbringt, die sich aus Bestandteilen, die als Lieferung von Gegenständen und als Dienstleistung eingestuft werden können, zusammensetzt: In Bezug auf diese Art von Umsätzen muss geprüft werden, ob das Element der Lieferung von Gegenständen oder das der Dienstleistung überwiegt.

48.      Zunächst muss berücksichtigt werden, dass die oben dargelegten Bauleistungen grundsätzlich komplexe Tätigkeiten umfassen, die gewöhnlich durch den Rückgriff auf eine Unternehmensorganisation und hauptsächlich durch die Arbeit des sie Ausführenden verwirklicht werden.

49.      Die in den Nrn. 40 bis 44 verwendeten Formulierungen (Errichtung von Gebäuden, Instandhaltung, Instandsetzung, Änderung, Beseitigung, Gestaltung) machen deutlich, dass im Zentrum dieser Umsätze die auf die Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen gerichtete Tätigkeit des Unternehmers steht, die sich in Dienstleistungen verwirklicht, die normalerweise in der Zurverfügungstellung einer Unternehmensorganisation und jedenfalls von Arbeitskraft bestehen, während das Element der Lieferung von Gegenständen, soweit vorhanden (bei der Beseitigung wird es grundsätzlich nicht gegeben sein), eine untergeordnete Rolle spielt.

50.      Betrachtet man des Weiteren das konkrete Interesse, das durch diese Umsätze verwirklicht werden soll, und die typische Bewertung dieser Umsätze durch die Auftraggeber, wird deutlich, dass Gegenstand der geschlossenen Vereinbarungen hauptsächlich die Tätigkeit des Ausführenden ist (also eine Dienstleistung), während die anderen (als Lieferung von Gegenständen einzustufenden) Aspekte, wie z. B. die Übergabe des fertigen Werks, im Hintergrund bleiben und den abschließenden Moment der komplexen Ausführung der Vereinbarung und nicht deren wesentlichen Kern darstellen.

51.      Diese Überlegungen bestätigen sich bei der Prüfung des Sachverhalts, der Gegenstand des Verfahrens ist, nämlich die Errichtung eines Gebäudes durch einen Auftragnehmer unter Verwendung eigener Stoffe auf einem im Eigentum des Auftraggebers stehenden Grundstück.

52.      Im vorliegenden Fall sind die beiden Bestandteile, die für die Feststellung, welcher innerhalb der einheitlichen Leistung hauptsächlich und welcher nebensächlich ist, zu prüfen sind, die Tätigkeit des Unternehmers, der sich nach dem typischen Schema des Werkvertrags(25) seiner Organisation und der Arbeit seiner Arbeitnehmer (Dienstleistung) bedient, und der Einsatz von Stoffen des Auftragnehmers, die zum Abschluss der Arbeiten Eigentum des Auftraggebers sein werden (Lieferung von Gegenständen).

53.      Es ist offensichtlich, dass die Stoffe im Allgemeinen der nebensächliche Bestandteil sind, und zwar schon aus dem Grund, weil der Vertrag nicht darauf abzielt, sie dem Auftraggeber zu übertragen, sondern sie endgültig umzuwandeln, um ein komplett neues Werk zu erschaffen. Deshalb wäre es widersprüchlich, den Stoffen eine hauptsächliche Bedeutung zuzumessen, da sie nur ein Mittel sind, um die Bautätigkeit ausüben zu können, in deren Folge sie aufhören, eigenständig zu existieren.

54.      Zum selben Ergebnis gelangt man auch unter Betrachtung der Übergabe eines auf einem Grundstück errichteten Gebäudes. Wie in Nr. 50 klargestellt, stellt dies das abschließende und nebensächliche Element eines komplexeren Vorgangs dar, und der Erwerb des entsprechenden Eigentums durch den Auftraggeber erfolgt gewöhnlich, wenn das Bauwerk auf einem im Eigentum des Auftraggebers stehenden Grundstück errichtet wird, ohne einen Übertragungsakt des Auftragnehmers, sondern nach dem Grundsatz des Zuwachses.

55.      Diese Überlegungen setzen natürlich voraus, dass die in den Nrn. 48, 49 und 52 aufgeführten Elemente der Unternehmensorganisation und der Arbeit, die sich in der Erbringung von Dienstleistungen niederschlagen, gegenüber der Lieferung von Gegenständen, die im vorliegenden Fall in der Bereitstellung von Stoffen durch den Auftragnehmer besteht, im konkreten Fall überwiegen.

56.      Überwiegen die Unternehmensorganisation und die Arbeit, was gewöhnlich den Rückgriff auf das typische Schema des Werkvertrags mit sich bringt, ist der Zweck der ausgeführten Leistungen, wie bereits angedeutet, eine materielle Produktionstätigkeit, die zur Verwirklichung eines vorher nicht existierenden Werkes führt; Gegenstand der Tätigkeit wird hauptsächlich ein Tun sein, und nur dann liegt im eigentlichen Sinne ein Umsatz vor, der „Bauleistungen“ betrifft.

57.      Sind dagegen der wesentliche Kern des Vertrags die übertragenen Gegenstände oder jedenfalls nicht die Errichtungstätigkeit, sondern der Erwerb des Eigentums, ist Gegenstand dieses Vertrags ein Geben und nicht ein Tun und wird im Wesentlichen ein Übertragungsakt, gewöhnlich ein Verkauf, vorliegen, der nicht in die Kategorie der „Bauleistungen“ eingeordnet werden kann, sondern in die der Lieferung von Gegenständen.

58.      Die tatsächliche Feststellung, ob eine Dienstleistung oder eine Lieferung von Gegenständen vorliegt, obliegt dem Gericht, das auf eine Reihe von Kriterien zurückgreifen kann, solange es dabei berücksichtigt, dass kein die anderen Kriterien überwiegendes Hauptkriterium vorliegt; im Einzelfall können nämlich unterschiedliche Umstände von Bedeutung sein, die in eine Gesamtbetrachtung einfließen müssen.

59.      Zum Beispiel kann das Gericht a) auf das Überwiegen oder Nichtüberwiegen der Arbeit gegenüber dem Material, im Allgemeinen durch Berücksichtigung des Werts der benutzten Stoffe(26), sowie b) auf den Willen der Parteien abstellen, der dafür Bedeutung erlangt, ob die Lieferung des Materials ein einfaches Mittel zur Herstellung des Werkes und die Arbeit der Zweck des Vertrags ist (wie im Werkvertrag) oder ob die Arbeit das Instrument für die Umwandlung des Materials und dagegen der Eigentumserwerb das Endziel der Vereinbarung ist (was typisch für einen Verkauf wäre)(27); allgemeiner kann es die von den Parteien übernommenen Verpflichtungen und die Modalitäten der Durchführung der Tätigkeit, wie die dafür benötigte Zeit, die Freiheit in der Ausführung der Arbeit und die Art der gewährten Garantien berücksichtigen.

60.      Insbesondere kann der Umstand berücksichtigt werden, ob das erstellte und übergebene Werk ein Produkt mit originellen Merkmalen, also ein neuer Gegenstand ist (dies zeichnet Bauleistungen aus) oder im Gegenteil ein Serienprodukt, z. B. ein Fertighaus.

61.      Zum selben Ergebnis, wie dem in den Nrn. 49 ff. dargelegten, führt auch eine Untersuchung des Wortlauts der Sechsten Richtlinie.

62.      Zunächst findet die These, die die Bauleistungen der Kategorie der Dienstleistungen zuordnet, wie von der finnischen Regierung dargelegt, eine klare formelle Bestätigung in Art. 5 Abs. 5 Buchst. b der Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten die „Ablieferung bestimmter Bauleistungen“ als Lieferung von Gegenständen betrachten können.

63.      Hätte nämlich der Gesetzgeber die Bauleistungen als Lieferung von Gegenständen und nicht als Dienstleistungen angesehen, hätte er keinen Grund gehabt, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu gewähren, die „Ablieferung bestimmter Bauleistungen“ als Lieferungen einzustufen.

64.      Wäre der Gesetzgeber dagegen der Ansicht gewesen, dass diese Umsätze sowohl Lieferungen von Gegenständen als auch Dienstleistungen sein können(28), hätte er logischerweise, anders als er es getan hat, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumen müssen, diese Arbeiten allgemein als Lieferungen von Gegenständen oder als Dienstleistungen zu behandeln.

65.      Die Auffassung der deutschen Regierung, dass Art. 5 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie sich mit der Erwähnung der „Ablieferung bestimmter Bauleistungen“ nur auf solche Bauleistungen beziehe, die nicht schon im Sinne der Sechsten Richtlinie Lieferungen von Gegenständen seien, kann nicht geteilt werden.

66.      Diese Betrachtungsweise beruht nämlich auf der Annahme, dass die Bauleistungen gewöhnlich ihrer Natur nach Lieferungen von Gegenständen nach der allgemeinen Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 seien, berücksichtigt aber, abgesehen von den bereits dargestellten Erwägungen, nicht, dass, wie in den Nrn. 62 bis 64 hervorgehoben, der einzige Grund für eine Vorschrift wie die des Art. 5 Abs. 5 Buchst. b im Gegenteil der ist, dass Bauleistungen(29) im System der Sechsten Richtlinie Dienstleistungen sind(30).

67.      Hätte der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Sechsten Richtlinie der Übergabe neuer Bauwerke (wie dem, das Gegenstand des Verfahrens ist) eigenständige Bedeutung beimessen wollen, hätte er diese im Übrigen ausdrücklich als „Lieferung“ eingestuft, wie z. B. in Art. 4 Abs. 3 Buchst. a, wonach die Mitgliedstaaten auch solche Personen als Steuerpflichtige betrachten können, die gelegentlich „a) die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt“, erbringen(31).

68.      Im Gegensatz dazu wird die Übergabe, die, wie die hier zur Rede stehende, am Ende eines vertraglichen Vorgangs erfolgt, nicht eigenständig betrachtet, sondern als Nebensache eines umfassenderen und komplexeren Umsatzes, der die Voraussetzungen der Dienstleistung erfüllt, so dass auch in der Sechsten Richtlinie der Begriff „Ablieferung“ und nicht „Lieferung“ benutzt wird (etwa in Art. 5 Abs. 5 Buchst. b)(32).

69.      Zu einer Einstufung der Bauleistungen als Dienstleistungen gelangt man im Übrigen wenn man den Text der Richtlinien 2006/69 und 2006/112 des Rates, beide auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, näher betrachtet.

70.      Die Richtlinie 2006/69 sieht in Art. 1 Abs. 7 vor, dass in Art. 21 Abs. 2 in der Fassung von Art. 28g folgender Buchstabe hinzugefügt wird: „c) Im Falle der nachfolgend genannten Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen können die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass die Steuer von dem steuerpflichtigen Empfänger geschuldet wird: i) Bauleistungen[(33)], einschließlich Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbruchleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken sowie die aufgrund von Artikel 5 Absatz 5 als Lieferung von Gegenständen betrachtete Erbringung bestimmter Bauleistungen.“

71.      Die Richtlinie 2006/112 bestimmt in Art. 199: „Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den folgende Umsätze bewirkt werden: a) Bauleistungen[(34)], einschließlich Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbruchleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken sowie die auf Grund des Artikels 14 Absatz 3 als Lieferung von Gegenständen betrachtete Erbringung bestimmter Bauleistungen.“

72.      Auch wenn diese beiden Richtlinien der Sechsten Richtlinie zeitlich nachfolgen und den in Rede stehenden Fall nicht regeln, bin ich doch der Auffassung, dass, wie auch vom vorlegenden Gericht bemerkt(35), die Entscheidung, neben den einzeln in den in den Nrn. 70 und 71 angeführten Artikeln speziell aufgelisteten Umsätzen ausdrücklich auf die Ablieferungen von Bauleistungen, die aufgrund der Art. 5 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie und Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112 von den Mitgliedstaaten als Lieferungen von Gegenständen betrachtet werden(36), Bezug zu nehmen, zeigt, dass die Bauleistungen durch die Union als Dienstleistungen eingestuft werden.

73.      Dass Bauleistungen Dienstleistungen sind, ergibt sich auch aus Art. 2 der Entscheidung 2004/290, der bestimmt, dass der Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen in den in den folgenden Nrn. 1 und 2 genannten Fällen als Mehrwertsteuerschuldner bestimmt werden kann und dabei die Bauleistung unter Nr. 1, zusammen mit den Gebäudereinigungsleistungen, und nicht unter Nr. 2, neben der Lieferung von Grundstücken an einen Steuerpflichtigen gemäß Art. 13 Teil B Buchst. g und h der Sechsten Richtlinie, aufführt.

74.      Die Bauleistungen wurden also im ersten Teil des Art. 2 der Entscheidung 2004/290 aufgeführt, der (wie sich aus der Bezugnahme auf die Reinigungsleistungen ergibt) die Dienstleistungen betrifft, da sie als solche angesehen werden, während die Lieferungen, für die die beantragte Ermächtigung zu abweichenden Regelungen gewährt wurde, in den zweiten Teil desselben Artikels aufgenommen wurden(37).

75.      Zum selben Ergebnis kommt man auch unter Berücksichtigung des Dokuments der Arbeitsgruppe der Kommission vom 10. Juni 2004(38), das, wie von der Kommission angegeben(39), Grundlage der Verhandlungen war, die zur Änderung der Sechsten Richtlinie geführt haben, zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung und zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer sowie zur Aufhebung der hier in Rede stehenden Entscheidung.

76.      Die Kommission stellt unter 4.1 dieses Dokuments klar, dass mit „Arbeiten“ grundsätzlich nur Dienstleistungen gemeint sind(40) und dass die Mitgliedstaaten, die Art. 5 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie umgesetzt haben, in diese Definition auch die Dienstleistungen einbeziehen müssen, die sie als Lieferung von Gegenständen betrachten(41).

77.      Ebenfalls unter 4.1 des Dokuments werden die in der Vergangenheit von einigen Mitgliedstaaten beantragten und vom Rat gewährten Ausnahmeregelungen (wie der in Rede stehenden) zum in der Sechsten Richtlinie vorgesehenen System der Bestimmung des Steuerschuldners aufgelistet, die dazu ermächtigen, die Mehrwertsteuer dem Leistungsempfänger aufzuerlegen; besondere Bedeutung hat dabei die Österreich mit der Entscheidung 2002/880/EG(42) gewährte Ermächtigung.

78.      Dies insoweit, als die Entscheidung 2004/290 in ihrem zweiten Erwägungsgrund auf diese letztgenannte Ausnahmeregelung Bezug nimmt, die ebenfalls Bauleistungen betrifft und unter diese einige im angeführten Arbeitsdokument erwähnte Umsätze einordnet, bei denen das Element der Dienstleistung aufgrund der eingesetzten Unternehmensorganisation deutlich überwiegt, wie z. B. im Fall eines Subunternehmens, das Arbeiten im Bau-, Metallbau- und Schiffbaugewerbe geleistet und Personal an einen Generalunternehmer, ein anderes Subunternehmen oder an ein Unternehmen, das selbst die eigenen Bauleistungen erbringt, verliehen hat.

79.      Ein weiteres Argument für die Ansicht, die die Bauleistungen als Dienstleistungen einstuft, kann aus der Zweiten Richtlinie und dem Vorschlag einer Sechsten Richtlinie, angeführt in den Nrn. 40 und 41, gewonnen werden.

80.      Tatsächlich wurden die Bauleistungen im Laufe der Vorarbeiten in Art. 5 Buchst. e nach der schon in der Zweiten Richtlinie (Art. 5 Abs. 2 Buchst. e) getroffenen Lösung als Lieferungen von Gegenständen eingestuft, diese Lösung wurde jedoch beim Erlass der Sechsten Richtlinie nicht übernommen.

81.      Dies macht deutlich, dass der damalige Gesetzgeber die hier in Rede stehende Problematik klar vor Augen hatte und sich ganz bewusst entschieden hat, seine frühere, in der Zweiten Richtlinie zum Ausdruck gebrachte Meinung, die „Bauleistungen“ als Lieferungen von Gegenständen einstufte, zu ändern.

82.      Für die Auffassung, dass Bauleistungen als Dienstleistungen einzustufen sind, sprechen auch die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-291/92(43), wonach „die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Ablieferung von Bauwerken durch einen Bauunternehmer auf einem Grundstück, das ihm nicht gehört, als Lieferung von Gegenständen (anstatt als Erbringung von Dienstleistungen) zu betrachten, auf einer Sonderregelung in Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe b beruht“, mit der Folge, dass ohne diese Norm und ihre Anwendung die Bauleistungen stets Dienstleistungen seien.

83.      Auch wenn ich mir bewusst bin, dass dieses Argument für die Beantwortung der Vorlagefrage nicht entscheidend ist, weise ich darauf hin, dass Bauleistungen in vielen Mitgliedstaaten(44) grundsätzlich Dienstleistungen sind(45).

84.      Daraus lässt sich im Licht der dargestellten Erwägungen, insbesondere aufgrund des Überwiegens der Unternehmensorganisation und der Arbeit gegenüber dem Element der Lieferung von Stoffen (vgl. Nrn. 55 bis 57), schließen, dass Bauleistungen im Sinne von Art. 5 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie und von Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290 als Dienstleistungen einzustufen sind.

85.      Die deutsche Regierung, unterstützt von der Kommission, ist der Auffassung, dass Bauleistungen im Sinne der Entscheidung 2004/290 sowohl Lieferungen von Gegenständen als auch Dienstleistungen sein können; würden diese nur als Dienstleistungen eingestuft, würde der Entscheidung 2004/290 ihre praktische Wirksamkeit genommen, da viele der in Rede stehenden Arbeiten nicht von der gewährten Ausnahme erfasst würden, da es sich um Lieferungen von Gegenständen handle. Auf diese Art und Weise würde daher der Zweck der betreffenden Entscheidung unterlaufen, der darin bestehe, Steuerhinterziehungen zu verhindern (z. B. könnten betrügerische Unternehmen das Reverse-charge-Verfahren nicht anwenden und den Umsatz als eine Lieferung von Gegenständen ausweisen)(46).

86.      In diesem Zusammenhang halte ich es für angebracht, einige Überlegungen zur einschlägigen deutschen Regelung und der dazu ergangenen Rechtsprechung anzustellen.

87.      Nach § 3 Abs. 4 UStG müssen die in Rede stehenden Umsätze als Lieferungen von Gegenständen angesehen werden, wenn der Unternehmer Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, sofern es sich dabei nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt.

88.      Die Unterscheidung zwischen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen hängt praktisch davon ab, dass die Lieferung von Stoffen durch das Bauunternehmen nicht nur ein nebensächliches, sondern ein hauptsächliches Merkmal ist, und die deutsche Rechtsprechung hat diese Vorschrift dahin ausgelegt, dass eine Lieferung von Gegenständen vorliegt, wenn der Unternehmer selbst beschaffte Stoffe verwendet, um auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude zu errichten.

89.      Dies erklärt, warum die deutsche Regierung zu der Annahme neigt, dass die Auslegung, die den Anwendungsbereich der Entscheidung 2004/290 auf Dienstleistungen beschränkt, zur Folge hätte, dass viele Bauleistungen von ihr nicht erfasst würden.

90.      Tatsächlich ist das bereits in den Nrn. 48 ff. Ausgeführte zu bekräftigen, d. h., dass die Bauleistungen als Dienstleistungen anzusehen sind, da es sich um Leistungen handelt, die durch den Rückgriff auf eine Unternehmensorganisation und jedenfalls unter Vorrang der Arbeit erfüllt werden, die (im vorliegenden Fall) die Durchführung der Bautätigkeit und nicht die Lieferung von Stoffen zum Ziel haben.

91.      Diese Schlussfolgerung setzt voraus, dass die Merkmale, die für eine Dienstleistung charakteristisch sind, gegenüber denen, die typisch für eine Lieferung von Gegenständen sind, überwiegen, da sonst keine Bauleistung vorläge, sondern eine Lieferung von Gegenständen.

92.      Das vom vorlegenden Gericht unterbreitete Problem hat seinen Ursprung in dem Umstand, dass, wie sich aus den angeführten Rechtsvorschriften und der erwähnten Rechtsprechung ergibt, im deutschen Recht bei der Bestimmung, ob ein Umsatz eine Bauleistung und damit eine Dienstleistung oder eine Lieferung von Gegenständen ist, nicht alle Merkmale des Einzelfalls berücksichtigt werden. Im Gegenteil, das Gesetz misst einzig den vom Bauunternehmer beschafften Stoffen und ihrer Wichtigkeit Bedeutung zu, und die Rechtsprechung berücksichtigt keine anderen Kriterien, sondern ordnet Umsätze wie den hier in Rede stehenden automatisch als Lieferung von Gegenständen ein, nur weil der Auftragnehmer eigene Stoffe verwendet hat.

93.      Diese Regelung und diese Rechtsprechung stehen im Übrigen im Widerspruch zu der in Nr. 31 und den Fn. 11 und 12 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, da sie Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen nicht voneinander unterscheiden, indem sie konkret bestimmen, welche der vielfältigen Bestandteile des Falls wesentlich und welche nebensächlich sind, sondern ausschließlich auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von im Eigentum des Bauunternehmens stehenden Stoffen abstellen.

94.      Auch wenn der nationale Gesetzgeber dazu berechtigt ist, den Gerichten die Kriterien für die Unterscheidung zwischen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen vorzugeben, kann er nicht ein einziges dieser Kriterien vorgeben; ebenso wenig kann diese Unterscheidung ohne Prüfung aller sonstigen Aspekte des Einzelfalls automatisch an das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines spezifischen Elements gekoppelt sein.

95.      Im vorliegenden Fall wird daher die praktische Wirksamkeit der Entscheidung 2004/290 nicht beeinträchtigt, wenn Bauleistungen als Dienstleistungen eingestuft werden, da diese Arbeiten alle Bautätigkeiten umfassen, die in der Übergabe eines Bauwerks ihren Abschluss finden und die oben angeführten Merkmale aufweisen, und somit jeden komplexen Umsatz wie den streitgegenständlichen(47), in Bezug auf den sich ein Problem der Steuerhinterziehung stellen kann(48).

96.      Dagegen würde ein Steuerhinterziehungsproblem entstehen, wenn der Ansicht der deutschen Regierung und der Kommission gefolgt würde, die den Anwendungsbereich der Ausnahme einschränken würde.

97.      Art. 199 der Richtlinie 2006/112, der nunmehr das Reverse-charge-Verfahren regelt, sieht nämlich ausdrücklich vor, dass dieses Verfahren auf Umsätze im Bereich der Bauleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken Anwendung findet, diese Bauleistungen werden der aufgrund des Art. 14 Abs. 3 (ex-Art. 5 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie) als Lieferung von Gegenständen betrachteten Erbringung bestimmter Bauleistungen gleichgestellt.

98.      Da dies ein klarer Hinweis darauf ist, dass, wie schon in Nr. 72 dargelegt, die erwähnten Umsätze Dienstleistungen sind, folgt daraus, dass, wenn die Errichtung von Bauwerken und andere ähnliche Umsätze in Deutschland als Lieferung von Gegenständen eingestuft würden, diese heute nicht mehr dem Reverse-charge-Verfahren unterworfen werden könnten und das Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen vereitelt würde(49).

99.      Im Licht der dargestellten Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

–        Der Begriff der Bauleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG umfasst, insbesondere wegen des Überwiegens der Unternehmensorganisation und der Arbeit gegenüber dem Element der Lieferung von Stoffen, nur Dienstleistungen.

–        Bei der Prüfung der Frage, ob ein Umsatz eine Bauleistung und somit eine Dienstleistung oder aber eine Lieferung von Gegenständen ist, hat das Gericht alle im Einzelfall vorliegenden Elemente heranzuziehen.

–        Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften und einer nationalen Rechtsprechung entgegen, die für die Zwecke der in Rede stehenden Unterscheidung ausschließlich auf ein einziges Element, insbesondere den Umstand, dass der Bauunternehmer in seinem Eigentum stehende Stoffe geliefert hat, abstellen und die Unterscheidung zwischen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen automatisch an das Vorliegen dieses Elements koppeln.

–        Der nationale Gesetzgeber kann den Gerichten Kriterien für die Unterscheidung zwischen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen vorgeben, er darf aber nicht ihre Befugnis beschränken, bei dieser Unterscheidung konkret alle Aspekte des Einzelfalls zu prüfen.

100. Aufgrund der Antwort auf die erste Vorlagefrage erübrigt sich die Prüfung der zweiten, der dritten und der vierten Vorlagefrage, da das vorlegende Gericht diese nur für den Fall gestellt hat, dass die Bauleistungen auch Lieferungen von Gegenständen umfassten.

VI – Zur Beschränkung der zeitlichen Wirkung des Urteils

101. Die deutsche Regierung hat den Gerichtshof für den Fall, dass er im Ergebnis feststellen sollte, dass sich die in Frage stehende nationale Regelung nicht auf Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290 stützen lässt, gebeten, die zeitliche Wirkung des Urteils zu beschränken, da sich andernfalls schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen auf den Haushalt Deutschlands ergeben würden und jedenfalls sowohl die nationalen Behörden als auch die steuerpflichtigen Wirtschaftsbeteiligten in gutem Glauben auf die Unionsrechtskonformität der deutschen Regelung vertraut hätten.

102. Hierzu weise ich darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Beschränkung der für die Betroffenen bestehenden Möglichkeit, sich auf die Auslegung, die der Gerichtshof einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen, nur ganz ausnahmsweise in Anwendung des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit möglich ist. Dies ist ausschließlich dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich „guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen“(50).

103. Der Gerichtshof hat auf diese Lösung nur „unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, wenn die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und außerdem wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit der Gemeinschaftsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission … beigetragen hatte“(51).

104. Im Übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einem im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteil für einen Mitgliedstaat ergeben können, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen dieses Urteils rechtfertigen(52).

105. Insoweit bin ich vor allem der Ansicht, dass die in den Erklärungen der deutschen Regierung erwähnten wirtschaftlichen Auswirkungen nicht eintreten werden, oder zumindest nicht in dem angegebenen Ausmaß; da es sich um Bauleistungen handelt, müssten Umsätze wie der streitgegenständliche, nämlich als Dienstleistungen regelmäßig in den Anwendungsbereich der Entscheidung 2004/290 und folglich unter die Anwendung des Reverse-charge-Verfahrens fallen(53). In den wenigen Fällen, in denen das Reverse-charge-Verfahren nicht mehr möglich sein sollte, könnte jedenfalls der Leistungserbringer besteuert werden, wie die finnländische Regierung hervorgehoben hat; diese hat darauf hingewiesen, dass eine Lücke bei der Besteuerung entstehen würde, wenn die Steuer nicht mehr vom Leistungsempfänger gezahlt würde und die Zahlung dann nicht durch den Leistungserbringer erfolgte, denn dann würde der Umsatz überhaupt nicht besteuert und die an ihm Beteiligten kämen in den Genuss eines ungerechtfertigten Vorteils(54).

106. Im Licht der bereits dargelegten Überlegungen, auf die ich mich vollumfänglich beziehe, halte ich im Übrigen den guten Glauben der Behörden und der betroffenen Wirtschaftsbeteiligten für nicht gegeben, da sich bereits aus der Österreich betreffenden Entscheidung 2002/880 des Rates (auf die die Entscheidung 2004/290 ausdrücklich Bezug nimmt)(55) entnehmen lässt, welche Umsätze betroffen sind und, aus ihrer Beschreibung, dass es sich um Dienstleistungen handelt.

107. Auch das spätere Arbeitsdokument der Kommission vom 10. Juni 2004 (Nr. 75 der vorliegenden Schlussanträge), in dem die Kommission klarstellt, dass die zur Rede stehenden Arbeiten grundsätzlich Dienstleistungen seien, muss zumindest ab diesem Zeitpunkt(56) gebührend berücksichtigt werden.

108. Der Wortlaut von Art. 5 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie verbot außerdem offensichtlich, Bauleistungen als Lieferungen von Gegenständen einzustufen, vor allem wenn man berücksichtigt, dass die oben erwähnte Bestimmung der Zweiten Richtlinie und des Vorschlags einer Sechsten Richtlinie, die diese Arbeiten als Leistungen von Gegenständen einstufte, nicht übernommen wurde.

109. Ich bin daher der Auffassung, dass keine überzeugenden Gründe für eine Beschränkung der zeitlichen Wirkungen des Urteils durch den Gerichtshof vorliegen.

VII – Ergebnis

110. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Bundesfinanzhofs wie folgt zu beantworten:

1.      Der Begriff der Bauleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG umfasst, insbesondere wegen des Überwiegens der Unternehmensorganisation und der Arbeit gegenüber dem Element der Lieferung von Stoffen, nur Dienstleistungen.

2.      Bei der Prüfung der Frage, ob ein Umsatz eine Bauleistung und somit eine Dienstleistung oder aber eine Lieferung von Gegenständen ist, hat das Gericht alle im Einzelfall vorliegenden Elemente heranzuziehen.

3.      Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften und einer nationalen Rechtsprechung entgegen, die für die Zwecke der in Rede stehenden Unterscheidung ausschließlich auf ein einziges Element, insbesondere den Umstand, dass der Bauunternehmer in seinem Eigentum stehende Stoffe geliefert hat, abstellen und die Unterscheidung zwischen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen automatisch an das Vorliegen dieses Elements koppeln.

4.      Der nationale Gesetzgeber kann den Gerichten Kriterien für die Unterscheidung zwischen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen vorgeben, er darf aber nicht ihre Befugnis beschränken, bei dieser Unterscheidung konkret alle Aspekte des Einzelfalls zu prüfen.


1 – Originalsprache: Italienisch.


2 – ABl. L 94, S. 59.


3 – ABl. L 145, S. 1.


4 – ABl. L 221, S. 9.


5 – ABl. L 347, S. 1.


6 – Im System der Mehrwertsteuer muss grundsätzlich der Leistungserbringer die Steuer in Rechnung stellen und zahlen. In einigen Branchen (zuvorderst im Baugewerbe, insbesondere in den Beziehungen zwischen Auftragnehmern und Subunternehmern, da die Subunternehmer oft die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen und nicht zahlen) wird immer öfter das sogenannte Reverse-charge-Verfahren angewandt, bei dem der Leistungsempfänger Mehrwertsteuerschuldner ist (im angeführten Beispiel der Auftragnehmer). Nach Art. 27 der Sechsten Richtlinie kann der Rat die Mitgliedstaaten zu Abweichungen von der Richtlinie ermächtigen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen zu vermeiden. Die Entscheidung 2004/290 enthält die Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung des eben beschriebenen Verfahrens in Abweichung von den Vorschriften der Sechsten Richtlinie, nach denen dagegen der Leistungserbringer als Steuerschuldner anzusehen ist.


7 – Außerdem die Einfuhr von Gegenständen, die im vorliegenden Fall nicht relevant ist.


8 – Urteil vom 8. Februar 1990, Shipping and Forwarding Enterprise Safe (C-320/88, Slg. 1990, I-285, Randnr. 7); die gleiche Formulierung findet sich auch in den Urteilen vom 14. Juli 2005, British American Tobacco und Newman Shipping (C-435/03, Slg. 2005, I-7077, Randnr. 35), und vom 6. Februar 2003, Auto Lease Holland (C-185/01, Slg. 2003, I-1317, Randnr. 32).


9 – Urteil Shipping and Forwarding Enterprise Safe (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 8).


10 – Urteil vom 25. Februar 1999, CPP (C-349/96, Slg. 1999, I-973, Randnr. 27).


11 – Urteil vom 2. Mai 1996, Faaborg-Gelting Linien (C-231/94, Slg. 1996, I-2395, Randnr. 12). Ebenfalls in diesem Sinne: Urteile vom 11. Februar 2010, Graphic Procédé (C-88/09, Slg. 2010, I-1049, Randnr. 18), vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen (C-41/04, Slg. 2005, I-9433, Randnrn. 19 und 27), und vom 17. Mai 2001, Finanzamt Burgdorf (C-322/99 und C-323/99, Slg. 2001, I-4049, Randnr. 62).


12 – Urteil Levob Verzekeringen (oben in Fn. 11 angeführt, Randnrn. 27 und 29).


13 – Urteil Levob Verzekeringen (oben in Fn. 11 angeführt, Randnr. 19). So auch Urteil vom 29. März 2007, Aktiebolaget NN (C-111/05, Slg. 2007, I-2697, Randnr. 23).


14 – Urteil Levob Verzekeringen (oben in Fn. 11 angeführt, Randnr. 20).


15 – Urteil Levob Verzekeringen (oben in Fn. 11 angeführt, Randnr. 20).


16 – Urteil vom 21. Februar 2008, Ministero dell’Economia e delle Finanze (C-425/06, Slg. 2008, I-897, Randnr. 51).


17 – Urteil vom 2. Dezember 2010, Everything Everywhere (C-276/09, Slg. 2010, I-12359, Randnr. 25), und Urteile Aktiebolaget NN (oben in Fn. 13 angeführt, Randnr. 28) und CPP (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 30).


18 – Urteil Levob Verzekeringen (oben in Fn. 11 angeführt, Randnr. 22); vgl. auch Urteile vom 6. Mai 2010, Kommission/Frankreich (C-94/09, Slg. 2010, I-4261, Randnr. 15), Graphic Procédé (oben in Fn. 11 angeführt, Randnr. 19), und vom 11. Juni 2009, RLRE Tellmer Property (C-572/07, Slg. 2009, I-4983, Randnrn. 17 bis 19).


19 – ABl. Nr. 71, S. 1303.


20 – Diese Auflistung weicht nicht sehr von denen ab, die von den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet benutzt werden. Zum Beispiel sieht in Frankreich der Conseil d’État (CE, Sect., 17. Dezember 1976, Nr. 94852) als Bauleistungen die Leistungen an, die unmittelbar der Errichtung eines Gebäudes dienen, und die Steuerverwaltung (Instr. vom 4. Januar 2010, BOI 3 a-1-10, 11. Januar 2010, Nrn. 57 ff.) hat klargestellt, dass diese Arbeiten die der Errichtung von Gebäuden, Beseitigung, Instandsetzung, Sanierung, Verbesserung, des Umbaus und der Bebauung von bebauten oder unbebauten Grundstücken (aufgelistet sind die Anlegung von Gärten und das Ausheben von Erde) sind.


21 – Eingereicht als Anlage 1 zu den Erklärungen der deutschen Regierung.


22 – Dieser lautet: „Im Baugewerbe und im Gewerbe der Gebäudereinigung wurden beträchtliche MwSt.-Ausfälle festgestellt, die dadurch entstanden sind, dass die MwSt. in der Rechnung offen ausgewiesen, jedoch nicht an den Fiskus abgeführt wurde, während der Leistungsempfänger sein Vorsteuerabzugsrecht ausübte. …“


23 – Es ist darauf hinzuweisen, dass in der deutschen Sprachfassung der Sechsten Richtlinie und der Entscheidung 2004/290 für die Begriffe „lavori immobiliari“ und „lavori di costruzione“ jeweils der Begriff „Bauleistungen“ steht. Dieser Begriff hat jedoch in den beiden Fällen eine unterschiedliche Nuance, da im Licht des zweiten Erwägungsgrundes der Entscheidung 2004/290 die diesbezüglichen Bauleistungen das Baugewerbe betreffen.


24 – Urteil Aktiebolaget NN (oben in Fn. 13 angeführt, Randnrn. 21 und 27).


25 – Aus der im Vorlagebeschluss enthaltenen Beschreibung geht hervor, dass die Parteien des Rechtsstreits einen Werkvertrag geschlossen haben. Deshalb konzentriert sich die vorliegende Abhandlung auf dieses Vertragsmodell und nicht auf andere potenziell relevante.


26 – Sollte der Wert der eingesetzten Stoffe wesentlich den der Arbeit übersteigen und eine bedeutende Komponente der komplexen Leistung darstellen, könnte statt einer Bauleistung ein Verkauf dieser Stoffe vorliegen.


27 – Das Gericht wird prüfen, ob die Parteien das Bauwerk als solches oder als Produkt einer Tätigkeit vereinbart haben; im ersten Fall läge eine Leistung des Gebens vor, im zweiten eine des Tuns.


28 – Was natürlich im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung hätte festgestellt werden müssen.


29 – [Die Fußnote betrifft nur die italienische Sprachfassung der Schlussanträge.]


30 – Der Grund dafür, weshalb eine Bestimmung wie Art. 5 Abs. 5 Buchst. b eingeführt wurde, ist der, dass Bauleistungen häufig dadurch gekennzeichnet sind, dass eine Unternehmensorganisation vorhanden ist, die darauf ausgerichtet ist, Dienstleistungen zu erbringen, die vor allem im Baugewerbe mit der Lieferung von Stoffen und der Übergabe eines Bauwerks, mit dem dazugehörigen Grund und Boden verbunden oder nicht, einhergehen. Es ist also folgerichtig, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt wurde, diese komplexen Umsätze, die einheitlich betrachtet als Dienstleistungen angesehen werden müssten, als Lieferung von Gegenständen einzustufen.


31 – Dieser Artikel nimmt mit dem Ausdruck „vor dem Erstbezug“ auf die Errichtung von Neubauten Bezug, vgl. Urteil vom 8. Juli 1986, Kerrutt (73/85, Slg. 1986, 2219, Randnr. 16).


32 – Diese terminologische Unterscheidung findet sich in verschiedenen Sprachfassungen der Sechsten Richtlinie wieder, so in der französischen, wo von „livraison d’un bâtiment“ (Art. 4 Abs. 3 Buchst. a) und „délivrance de certains travaux immobiliers“ (Art. 5 Abs. 5 Buchst. b) die Rede ist, in der englischen, die zwischen „supply before first occupation of buildings“ (Art. 4 Abs. 3 Buchst. a) und „the handing over of certain works of construction“ (Art. 5 Abs. 5 Buchst. b) unterscheidet, der deutschen, die die Ausdrücke „die Lieferung von Gebäuden“ (Art. 4 Abs. 3 Buchst. a) und „die Ablieferung bestimmter Bauleistungen“ (Art. 5 Abs. 5 Buchst. b) verwendet, der holländischen, die „de levering van een gebouw“ (Art. 4 Abs. 3 Buchst. a) und „de oplevering van een werk in onroerende staat“ erwähnt, und der italienischen, die „la cessione, effettuata anteriormente alla prima occupazione, di un fabbricato“ (Art. 4 Abs. 3 Buchst. a) und „la consegna di taluni lavori immobiliari“ (Art. 5 Abs. 5 Buchst. b) gegenüberstellt.


33 – Ich bemerke, dass in der englischen und französischen Sprachfassung die Begriffe „work“ und „travaux“ verwendet werden, in der italienischen „prestazioni di servizi“ (Dienstleistungen).


34 – Auch in diesem Fall werden in der englischen und französischen Sprachfassung die Begriffe „work“ und „travaux“ verwendet und in der italienischen der Begriff „prestazioni di servizi“ (Dienstleistungen).


35 – Punkt b Unterpunkt cc der Begründung des Vorlagebeschlusses zur ersten Vorlagefrage.


36 – Die ohne diese ausdrückliche Einstufung Dienstleistungen wären.


37 – Die deutsche Regierung ist der Auffassung, dass Art. 2 der Entscheidung 2004/290 in Wirklichkeit nicht so ausgelegt werden könne, da sich Art. 1 allgemein ohne Beschränkungen auf die in Art. 2 der Entscheidung angeführten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen bezöge. Ich weise darauf hin, dass Art. 2 eine Spezifizierung von Art. 1 ist und sich darauf beschränkt, die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die Gegenstand der zur Rede stehenden Ermächtigung sind, im Einzelnen aufzuführen und sie dabei durch die jeweilige Zuordnung unter Nr. 1 und Nr. 2 unterscheidet. Art. 2 beachtet somit die Bestimmung des Art. 1, die dagegen abstrakt auf die beiden allgemeinen Kategorien, die hier in Frage stehen, Bezug nimmt. Auch die Bewertung durch die deutsche Regierung des Umstands, dass im Laufe des Verfahrens zum Erlass der Entscheidung 2004/290 die damit befasste Ratsarbeitsgruppe in Art. 1 nicht nur den Begriff Dienstleistungen, sondern auch den der Gegenstände aufgenommen habe, kann nicht geteilt werden. Dies erklärt sich nämlich dadurch, dass in Art. 2 Abs. 2 als Lieferung von Gegenständen einzustufende Umsätze aufgeführt sind.


38 – Anhang 1 der Erklärungen der Kommission.


39 – Erklärungen der Kommission, S. 4.


40 – [Betrifft nur die italienische Sprachfassung dieser Schlussanträge.]


41 – [Betrifft nur die italienische Sprachfassung dieser Schlussanträge.]


42 – ABl. L 306, S. 24. Es handelt sich um die Entscheidung des Rates vom 5. November 2002 zur Ermächtigung Österreichs zur Anwendung einer von Artikel 21 der Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung.


43 – Es handelt sich um Nr. 15 der zweiten Schlussanträge in der Rechtssache Armbrecht (C-291/92, Urteil vom 4. Oktober 1995, Slg. 1995, I-2775).


44 – Zum Beispiel in Bulgarien, Finnland, Frankreich, Italien, Polen, dem Vereinigten Königreich, Rumänien und Schweden. Dagegen haben die Niederlande und Ungarn von der in der Sechsten Richtlinie (Art. 5 Abs. 5 Buchst. b) ausdrücklich vorgesehenen und durch die Richtlinie 2006/112 (Art. 14 Abs. 3) bestätigten Befugnis Gebrauch gemacht, Bauleistungen als Lieferung von Gegenständen zu betrachten; Spanien stuft die Bauleistungen als Dienstleistungen ein, es sei denn, der Wert der eingesetzten Stoffe übersteigt die Schwelle von 33 % der gesetzlich festgelegten Steuerbemessungsgrundlage, womit auch Spanien von der Befugnis des Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112 Gebrauch macht. Die Entscheidung der Niederlande, Ungarns und Spaniens, von der in Art. 5 Abs. 5 Buchst. b der Sechsten Richtlinie und Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Befugnis Gebrauch zu machen, um Bauleistungen als Lieferungen von Gegenständen einzustufen, beweist, dass auch in diesen Ländern diese Umsätze ohne diese Ausnahmeregelung Dienstleistungen wären.


45 – Irland, Griechenland, Portugal und die Slowakei verfolgen offenbar einen anderen Weg. Irland wendet die sogenannte Zwei-Drittel-Regel an, nach der eine Vereinbarung dann für die Zwecke der Mehrwertsteuer als Lieferung von Gegenständen angesehen wird, wenn der Wert der aufgrund eines Dienstleistungsvertrags gelieferten Gegenstände zwei Drittel des Gesamtvolumens des Auftrags übersteigt. Griechenland stuft Arbeiten an Gebäuden aufgrund eines Werkvertrags als Lieferung von Gegenständen ein. Portugal stuft dagegen den in Rede stehenden Umsatz als Lieferung von Gegenständen ein, wenn der Bauunternehmer sämtliche Stoffe liefert bzw. die vom Auftraggeber gelieferten Stoffe zu vernachlässigen sind. Die Slowakei stuft schließlich die Bauleistungen als Dienstleistungen ein, unterscheidet von diesen aber die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen aufgrund eines Bauvertrags oder eines ähnlichen Vertrags, mit anderen Worten, wenn der Unternehmer das Bauwerk in seiner Gesamtheit liefert und nicht spezifische Dienstleistungen. Unter diesen Lösungen steht die slowakische mit der durch Art. 5 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie und Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112 gewährten Möglichkeit, in einem System, in dem diese Arbeiten Dienstleistungen sind, von einer Ausnahmeregelung Gebrauch zu machen, im Einklang; die irische und die portugiesische Lösung führt dagegen eine Unterscheidung zwischen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen ein, die sich auf die automatische Anwendung eines einzigen Kriteriums (Wert der Lieferungen), auf das im Folgenden in den Nrn. 92 bis 94 noch eingegangen wird, gründet, während nur die griechische Lösung in eine andere als die aus den einschlägigen Richtlinien ableitbare Richtung geht.


46 – Im Übrigen ist zu bemerken, dass weder die deutsche Regierung noch die Kommission konkret aufgezeigt haben, welche Bauleistungen ihrem Wesen nach als Lieferung von Gegenständen betrachtet werden müssten (abgesehen von der streitgegenständlichen Situation).


47 – Der nach Prüfung allein der dem Vorlagebeschluss zu entnehmenden Merkmale unter die Dienstleistungen zu fallen scheint, da er auf den ersten Blick einen auf die Errichtung eines Gebäudes gerichteten Auftrag betrifft.


48 – Ich teile die Feststellung der Kommission nicht, dass unter Bauleistungen Leistungen fallen, die nach den Begriffsbestimmungen der Sechsten Richtlinie als Lieferungen von Gegenständen einzustufen wären, da sie auf der abzulehnenden Annahme beruht, dass Umsätze wie der in Rede stehende immer Lieferungen von Gegenständen sind.


49 – In diesem Zusammenhang sei nochmals bekräftigt, dass das Vorbringen der deutschen Regierung, dass es Lieferungen von Gegenständen gebe, die nicht unter Art. 14 Abs. 3 fielen und dennoch vom Begriff der Bauleistungen umfasst seien, nicht geteilt werden kann. Wäre diese Auffassung begründet, hätte nämlich die ausdrückliche Bezugnahme auf den letztgenannten Artikel in Art. 199 der Richtlinie 2006/112 keinen Sinn.


50 – Urteile vom 3. Juni 2010, Regionalna Mitnicheska Direktsia – Plovdiv (C-2/09, Slg. 2010, I-4939, Randnr. 50), vom 10. Januar 2006, Skov und Bilka (C-402/03, Slg. 2006, I-199, Randnr. 51), und vom 28. September 1994, Vroege (C-57/93, Slg. 1994, I-4541, Randnr. 21).


51 – Urteil vom 27. April 2006, Richards (C-423/04, Slg. 2006, I-3585, Randnr. 42).


52 – Urteile Regionalna Mitnicheska Direktsia – Plovdiv (oben in Fn. 50 angeführt, Randnr. 52), und vom 15. März 2005, Bidar (C-209/03, Slg. 2005, I-2119, Randnr. 68).


53 – Natürlich bleibt die Möglichkeit, dass das Gericht nach Prüfung aller Umstände des Falls zu dem Schluss kommt, dass keine Bauleistungen vorliegen; ich bin aber der Meinung, dass in fast allen Fällen, die Umsätze, die bisher dem Reverse-charge-Verfahren unterworfen waren, es weiterhin bleiben, ohne dass steuerliche Änderungsanträge auftreten.


54 – Ich glaube nicht, dass den Leistungserbringern die von der deutschen Regierung dargelegten Schäden entstehen würden. Abgesehen davon, dass dies im Wesentlichen eine theoretische Fallkonstellation ist, weise ich darauf hin, dass jedenfalls das allgemeine System der Mehrwertbesteuerung, denen die Unternehmen gewöhnlich unterworfen sind, Anwendung finden würde. Etwaige Streitigkeiten könnten durch die Parteien mühelos gerichtlich geklärt werden, ohne Auswirkungen für den Fiskus.


55 – Siehe Nrn. 77 f.


56 – Die Entscheidung 2004/290 ist vom 30. März 2004.