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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 28. Juni 2017 ( 1 )

Rechtssache C-262/16

Shields & Sons Partnership

gegen

The Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs

(Vorabentscheidungsersuchen des Upper Tribunal [Tax and Chancery Chamber] [Oberverwaltungsgericht (Kammer für – u. a. – Steuersachen), Vereinigtes Königreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuern – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 296 Abs. 2 und Art. 299 – Gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger – Ausschluss landwirtschaftlicher Erzeuger von der Pauschalregelung – Voraussetzungen“

Einleitung

1.

Die Erhebung der Mehrwertsteuer ist mit einer Reihe von verwaltungstechnischen Pflichten verbunden, die auf den Steuerpflichtigen lasten. Die Erfüllung dieser Pflichten kann einigen von ihnen übermäßige Schwierigkeiten bereiten, insbesondere wenn sie nur eine relativ geringfügige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Daher wurden in die Vorschriften über die Mehrwertsteuer vereinfachte Regelungen für manche Gruppen von Steuerpflichtigen aufgenommen. Dazu zählen u. a. landwirtschaftliche Erzeuger, für die eine Pauschalregelung geschaffen wurde. Die Anwendung dieser Pauschalregelung ist für die Mitgliedstaaten fakultativ. Wenn sie sich aber entschließen, diese Regelung einzuführen, ist ihr diesbezüglicher Gestaltungsspielraum beschränkt. In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof die Gelegenheit haben, die grundlegenden Prinzipien in diesem Bereich zu klären.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

2.

Art. 296 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ( 2 ) bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der Sonderregelung des Kapitels 1 auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Kapitel anwenden.

(2)   Jeder Mitgliedstaat kann bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger sowie diejenigen landwirtschaftlichen Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Bestimmungen des Artikels 281 keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten mit sich bringt, von der Pauschalregelung ausnehmen.

…“

3.

Art. 297 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 lautet:

„Die Mitgliedstaaten legen bei Bedarf Pauschalausgleich-Prozentsätze fest. Sie können die Höhe der Pauschalausgleich-Prozentsätze für die Forstwirtschaft, die einzelnen Teilbereiche der Landwirtschaft und die Fischwirtschaft unterschiedlich festlegen.“

4.

Art. 298 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Pauschalausgleich-Prozentsätze werden anhand der allein für die Pauschallandwirte geltenden makroökonomischen Daten der letzten drei Jahre bestimmt.“

5.

Schließlich bestimmt Art. 299 der Richtlinie 2006/112:

„Die Pauschalausgleich-Prozentsätze dürfen nicht dazu führen, dass die Pauschallandwirte insgesamt Erstattungen erhalten, die über die Mehrwertsteuer-Vorbelastung hinausgehen.“

Recht des Vereinigten Königreichs

6.

Die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger wurde durch Section 54 des Value Added Tax Act (Mehrwertsteuergesetz) 1994 in das Recht des Vereinigten Königreichs aufgenommen. In der Value Added Tax (Flat-rate Scheme for Farmers) (Percentage Addition) Order (Verordnung über die Mehrwertsteuer [Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger] [Prozentualer Aufschlag]) 1992, SI 1992/3221, wird der Pauschalausgleichssatz auf 4 % festgelegt. Dieser Wert gilt für alle Landwirte, die an der Pauschalregelung teilnehmen. Regulation 206 der Value Added Tax Regulations (Mehrwertsteuerverordnung) 1995, die sich in dem gemäß Section 54 des Mehrwertsteuergesetzes 1994 erlassenen Abschnitt XXIV dieser Verordnung befindet, benennt die Umstände, unter denen die Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs) die einem landwirtschaftlichen Betrieb erteilte Genehmigung zur Teilnahme an der Pauschalregelung aufheben können. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Steuerbehörde die Aufhebung der Genehmigung zum Schutz der Steuereinnahmen für erforderlich erachtet.

7.

Die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs veröffentlichen Merkblätter für die Steuerpflichtigen, die die Auslegung der Vorschriften über die Mehrwertsteuer betreffen (VAT Notices). Nach den in dem Vorabentscheidungsersuchen enthaltenen Angaben haben diese zwar keine Bindungswirkung, dennoch berufen sich die Steuerbehörden in der Praxis im Verhältnis zu den Steuerpflichtigen darauf. In der Entscheidung, die den Gegenstand des Ausgangsverfahrens bildet, berief sich die Steuerbehörde auf die VAT Notice 700/46, die die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger betrifft. Gemäß Nr. 7.2 dieses Merkblatts muss der Landwirt aus der Regelung ausscheiden, wenn er „erheblich mehr erstattet bekomm[t], als wenn [er] normal für die Mehrwertsteuer registriert [wäre]“.

Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

8.

Das Unternehmen Shields & Sons Partnership (im Folgenden: Shields & Sons) unterhält einen landwirtschaftlichen Betrieb in Castlewellan (Vereinigtes Königreich). Der Betrieb ist auf die Viehhaltung ausgerichtet, also eine Tätigkeit, die im Vereinigten Königreich der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger unterfällt.

9.

Shields & Sons unterlag seit dem Steuerjahr 2004/2005 der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger. In jenem Steuerjahr entsprach die Erstattung, die Shields & Sons aufgrund des Pauschalausgleichs erhielt, der Höhe nach im Großen und Ganzen der Mehrwertsteuer, zu deren Erstattung das Unternehmen als nach der normalen Regelung tätiger Steuerpflichtiger berechtigt gewesen wäre. In den Folgejahren begannen diese Beträge jedoch stark voneinander abzuweichen, so dass der kumulierte Überschuss der Erstattung sich für die Steuerjahre 2004/2005 bis 2011/2012 auf 374884,23 GBP belief ( 3 ).

10.

Bei dieser Sachlage hob die Steuerbehörde mit Entscheidung vom 15. Oktober 2012 die Genehmigung von Shields & Sons zur Anwendung der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger auf und berief sich dabei auf den Umstand, dass dieses Unternehmen als Pauschallandwirt eine erheblich höhere Erstattung erhalte als die, die es bei einer Registrierung für die Mehrwertsteuer nach der normalen Regelung erhielte. Diese Entscheidung wurde mit Entscheidung vom 21. Dezember 2012 aufrechterhalten.

11.

Mit Urteil vom 8. Oktober 2014 wies das First-tier Tribunal (Tax Chamber) (Erstinstanzliches Gericht [Kammer für Steuersachen], Vereinigtes Königreich) die von Shields & Sons gegen diese Entscheidung erhobene Klage ab. Shields & Sons legte beim Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Oberverwaltungsgericht [Kammer für – u. a. – Steuersachen], Vereinigtes Königreich), dem in dieser Rechtssache vorlegenden Gericht, Berufung gegen dieses Urteil ein.

12.

Nach den Feststellungen dieses Gerichts streiten die Parteien des Ausgangsverfahrens über die richtige Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 über die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger. Unter diesen Umständen hat das Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Oberverwaltungsgericht [Kammer für – u. a. – Steuersachen]) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist im Rahmen der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger in Kapitel 2 von Titel XII der Richtlinie 2006/112 ihr Art. 296 Abs. 2 dahin auszulegen, dass er abschließend regelt, wann ein Mitgliedstaat einen landwirtschaftlichen Erzeuger von der gemeinsamen Pauschalregelung ausnehmen kann? Insbesondere:

1.1

Kann ein Mitgliedstaat landwirtschaftliche Erzeuger nur nach Art. 296 Abs. 2 von der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger ausnehmen?

1.2

Kann ein Mitgliedstaat einen landwirtschaftlichen Erzeuger auch unter Rückgriff auf Art. 299 von der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger ausnehmen?

1.3

Berechtigt der Grundsatz der steuerlichen Neutralität einen Mitgliedstaat dazu, einen landwirtschaftlichen Erzeuger von der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger auszunehmen?

1.4

Sind die Mitgliedstaaten befugt, landwirtschaftliche Erzeuger aus anderen Gründen von der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger auszunehmen?

2.

Wie ist der Begriff „Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger“ in Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 auszulegen? Insbesondere:

2.1

Muss eine Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne dieser Vorschrift anhand objektiver Merkmale bestimmbar sein?

2.2

Kann eine Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne dieser Vorschrift anhand wirtschaftlicher Erwägungen bestimmbar sein?

2.3

Welcher Grad an Genauigkeit ist bei der Bestimmung einer Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger erforderlich, die ein Mitgliedstaat auszunehmen beabsichtigte?

2.4

Erlaubt dieser Begriff einem Mitgliedstaat, „landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen festgestellt wird, dass sie als Teilnehmer an der Pauschalregelung erheblich mehr erstattet bekommen als im Fall ihrer Registrierung für die Mehrwertsteuer“ als Gruppe im Sinne dieser Vorschrift zu behandeln?

13.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 12. Mai 2016 beim Gerichtshof eingegangen. Schriftliche Erklärungen haben Shields & Sons, die Regierungen des Vereinigten Königreichs und Frankreichs sowie die Europäische Kommission abgegeben. Shields & Sons, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission waren in der Verhandlung am 15. März 2017 vertreten.

Würdigung

14.

Mit seinem Vorabentscheidungsersuchen in der vorliegenden Rechtssache möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob und auf welcher Grundlage ein Mitgliedstaat einen Landwirt von der gemeinsamen Pauschalregelung ausnehmen kann, der die Regelung in Anspruch nimmt und über den Pauschalausgleich eine Erstattung erhält, die erheblich über der Vorsteuer liegt, die er hätte erstattet bekommen können, wenn er der normalen Regelung unterläge. Zu Beginn der Würdigung der Vorlagefragen möchte ich kurz an die charakteristischen Merkmale der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger erinnern.

Gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger

15.

Der Mehrwertsteuer unterliegen grundsätzlich, mit Ausnahme von einigen davon befreiten Tätigkeiten, alle von den Steuerpflichtigen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeführten Umsätze. Die Erhebung der Mehrwertsteuer ist jedoch mit einer Reihe von verwaltungstechnischen Pflichten verbunden, die den Steuerpflichtigen auferlegt werden, insbesondere im Bereich der Buchhaltung. Dies ist zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Erhebung der Mehrwertsteuer erforderlich, da diese in erheblichem Maße auf der Aufzeichnung und der Kontrolle der steuerlichen Verpflichtungen durch die Steuerpflichtigen selbst beruht. Aus diesem Grund sind allerdings einige Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern, insbesondere solche, die nur eine geringfügige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, nicht in der Lage, diesen verwaltungstechnischen Pflichten nachzukommen, oder haben wegen dieser Pflichten mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Daher sieht die Richtlinie 2006/112 vereinfachte Regelungen der Abrechnung der Mehrwertsteuer vor.

16.

Eine der Gruppen von Steuerpflichtigen, für die eine solche vereinfachte Regelung vorgesehen wurde, sind die Landwirte. Die Richtlinie 2006/112 führt in den Art. 295 bis 305 eine gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger ein. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Landwirt (der in Art. 295 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2006/112 als Pauschallandwirt bezeichnet wird) im Rahmen dieser Regelung weder verpflichtet ist, die geschuldete Mehrwertsteuer an den Fiskus abzuführen, noch berechtigt ist, die Vorsteuer auf die für die Zwecke seiner Tätigkeit erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen. Je nach den Bestimmungen, die in den einzelnen Mitgliedstaaten eingeführt wurden, kann er jedoch einen Pauschalausgleich auf den Preis der von ihm an andere Wirtschaftsteilnehmer gelieferten Gegenstände und erbrachten Dienstleistungen aufschlagen, dessen Satz der Mitgliedstaat gemäß Art. 297 der Richtlinie 2006/112 festlegt. Im Vereinigten Königreich beträgt dieser Satz 4 %. Die Erwerber dieser Gegenstände und Dienstleistungen behandeln diesen Pauschalausgleich wie eine Vorsteuer und sind berechtigt, ihn von der geschuldeten Steuer abzuziehen. Der Ausgleich kann auch unmittelbar vom Fiskus an die Pauschallandwirte ausgezahlt werden.

17.

Mit der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger werden zwei Ziele verfolgt ( 4 ). Erstens sollen die verwaltungstechnischen Anforderungen an die Pauschallandwirte vereinfacht werden. Wenn die Pflicht zur Abführung der geschuldeten Mehrwertsteuer an den Fiskus entfällt und zugleich die Vorsteuer nicht abgezogen werden kann, können die Pauschallandwirte von einer Reihe von verwaltungstechnischen Pflichten entbunden werden. Dazu gehören etwa die Aufzeichnung der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen, die Führung der Buchhaltung, die Ausstellung von Rechnungen usw.

18.

Zweitens soll diese Regelung einen Ausgleich für die von den Pauschallandwirten beim Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen für die Zwecke der von ihnen ausgeübten Tätigkeit bezahlte Mehrwertsteuer schaffen. Ohne diesen Ausgleich hätten sie die ganze Last dieser Steuer zu tragen, was dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer für die Steuerpflichtigen widerspräche, nach dem diese Steuerlast von den Verbrauchern zu tragen ist. Da der Ausgleichssatz aber global, in Bezug auf die Gesamtheit der Pauschallandwirte berechnet wird, ist auch die Neutralität der Steuer nur global gewahrt. Das bedeutet, dass der Ausgleich im Fall eines konkreten Pauschallandwirts tatsächlich höher oder geringer ausfallen kann als der Betrag der Mehrwertsteuer, der in dem betreffenden Steuerjahr bezahlt worden ist.

19.

Die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger stellt eine Ausnahme von der normalen Regelung der Richtlinie 2006/112 dar und darf daher nur insoweit angewandt werden, als dies zur Erreichung der oben genannten Ziele erforderlich ist ( 5 ). Daraus folgt erstens, dass sie nicht auf Landwirte angewandt werden darf, bei denen die Anwendung der normalen Regelung oder eventuell der Sonderregelung für Kleinunternehmen ( 6 ) keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten mit sich brächte. Zweitens darf die Anwendung der Pauschalregelung nicht dazu führen, dass die Erstattung aufgrund der Ausgleichspauschale in Bezug auf die Gesamtheit der Pauschallandwirte in dem betreffenden Mitgliedstaat höher ausfällt als der Mehrwertsteuerbetrag, der diesen Landwirten bei der Anwendung der normalen Regelung erstattet würde.

20.

Die in der vorliegenden Rechtssache zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen sind im Licht der obigen Erwägungen zu prüfen.

Zur ersten Vorlagefrage

21.

Die erste Vorlagefrage betrifft die Möglichkeit, einen Landwirt von der Pauschalregelung auszunehmen. Das vorlegende Gericht möchte klären, ob dies nur auf der Grundlage der in Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 aufgestellten Voraussetzungen möglich ist oder auch aus anderen Gründen erfolgen kann, insbesondere gemäß Art. 299 dieser Richtlinie oder im Zusammenhang mit einer Verletzung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer.

22.

Es sei daran erinnert, dass Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 zwei Fallgestaltungen vorsieht, in denen ein Landwirt von der Pauschalregelung ausgenommen werden kann. Die erste betrifft einen generellen Ausschluss bestimmter Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger durch einen Mitgliedstaat. Die Art und Weise, wie ein Mitgliedstaat diese Gruppen definieren kann, ist Gegenstand der zweiten Vorlagefrage in der vorliegenden Rechtssache, daher werde ich erst im weiteren Verlauf dieser Schlussanträge darauf eingehen.

23.

Der zweite Fall, in dem Landwirte von der Regelung ausgenommen werden können, betrifft Landwirte, bei denen die Anwendung der normalen Regelung oder der vereinfachten Bestimmungen keine Schwierigkeiten mit sich brächte. Dieser Ausschluss knüpft für gewöhnlich an die Größe des landwirtschaftlichen Betriebs oder an die Höhe der von ihm getätigten Umsätze an ( 7 ) und beruht auf der Vermutung, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb von einer gewissen Größe in der Lage ist, den verwaltungstechnischen Pflichten eines Mehrwertsteuerpflichtigen nachzukommen.

24.

Wie es scheint, betreffen die oben genannten Kriterien grundsätzlich einen Ausschluss ex ante, d. h., dass Landwirte, die zu einer Gruppe gehören, die vom Anwendungsbereich der Pauschalregelung ausgenommen ist, von dieser Regelung auch nicht erfasst werden können. Ein Ausschluss ex post in dem Sinne, dass ein Landwirt, der die Pauschalregelung bisher genutzt hat, nunmehr davon ausgenommen wird, kann sich daraus ergeben, dass der Landwirt aus einer von der Pauschalregelung erfassten Gruppe ausscheidet und sich einer davon nicht erfassten Gruppe anschließt, z. B. durch eine Erweiterung seiner Tätigkeit oder eine Änderung des Produktionsprofils. In diesem Fall erfüllt der Landwirt nicht mehr die Kriterien der Zugehörigkeit zur Pauschalregelung, was seinen Ausschluss von dieser Regelung rechtfertigt.

25.

Ich denke hingegen nicht, dass ein Pauschallandwirt auf einer anderen Grundlage, insbesondere aus den von dem vorlegenden Gericht in der ersten Vorlagefrage aufgezeigten Gründen, von der Regelung ausgenommen werden kann. Ich teile insoweit die von Shields & Sons, der französischen Regierung sowie der Kommission in ihren Erklärungen in der vorliegenden Rechtssache vertretenen Auffassungen.

26.

Was den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer anbelangt, so habe ich bereits darauf hingewiesen, dass der Unionsgesetzgeber der gemeinsamen Pauschalregelung bewusst eine gewisse Verallgemeinerung zugrunde gelegt hat. Um die verwaltungstechnischen Pflichten zu vereinfachen, hat der Gesetzgeber auf eine völlige Neutralität der Steuer in Bezug auf jeden konkreten Pauschallandwirt verzichtet, und zwar zugunsten einer globalen Neutralität des Systems in Bezug auf die Gesamtheit dieser Landwirte. Das hat zur Folge, dass im Rahmen der Pauschalregelung bestimmte Landwirte einen Ausgleich erhalten können, der den Betrag der Vorsteuer übersteigt oder dahinter zurückbleibt, was aber nicht im Widerspruch zur Neutralität der Mehrwertsteuer steht bzw., wie die Kommission in ihren Erklärungen darlegt, eine bewusste Abweichung des Gesetzgebers von diesem Grundsatz darstellt ( 8 ).

27.

Was hingegen Art. 299 der Richtlinie 2006/112 betrifft, so stellt diese Vorschrift eine Leitlinie dar, die für die Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Pauschalausgleichssatzes gilt. Diese muss so erfolgen, dass der Ausgleich global gesehen die Mehrwertsteuer-Vorbelastung nicht überschreitet. Gemäß Art. 298 Abs. 1 der Richtlinie wird der Pauschalausgleichssatz anhand der für die Gesamtheit der Pauschallandwirte geltenden makroökonomischen Daten bestimmt. Art. 299 der Richtlinie kann also nicht als Grundlage für den Erlass von individuellen Entscheidungen dienen, die einzelne Pauschallandwirte betreffen. Die Regelungen, die sich auf die Art und Weise der Bestimmung des Pauschalausgleichssatzes beziehen, betreffen nämlich die Gesamtheit der Pauschallandwirte und nicht individuell jeden einzelnen von ihnen. Zudem wird in Art. 295 Abs. 1 Nr. 6 der Richtlinie, wie die Kommission zutreffend angeführt hat, für die Zwecke der Anwendung der Bestimmungen über die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger die Mehrwertsteuer-Vorbelastung als der Gesamtbetrag der Mehrwertsteuer definiert, die von der Gesamtheit der Pauschallandwirte auf den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen für die Zwecke der Ausübung ihrer Tätigkeit bezahlt worden ist. Dieser Artikel verbietet es somit nicht, dass einzelne Pauschallandwirte einen Pauschalausgleich erhalten, der die von ihnen tatsächlich bezahlte Mehrwertsteuer übersteigt.

28.

Wie Shields & Sons in ihren Erklärungen in der vorliegenden Rechtssache zutreffend vorbringt, steht den Mitgliedstaaten eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, mit denen sich sicherstellen lässt, dass die Pauschallandwirte wegen ihrer Teilnahme an der betreffenden Regelung keinen Ausgleich erhalten, der die Mehrwertsteuer übersteigt, zu deren Erstattung sie nach der normalen Regelung berechtigt wären. Ich möchte hinzufügen, dass die Mitgliedstaaten meiner Ansicht nach diese Instrumente nicht nur nutzen können, sondern vielmehr dazu verpflichtet sind. Ein solcher übermäßiger Ausgleich steht nämlich im Widerspruch zum Charakter der Pauschalregelung als Ausnahme von der normalen Regelung sowie im Widerspruch zur ausdrücklichen Regelung in Art. 299 der Richtlinie 2006/112; zudem kann er eine Beihilfe für (manche) Pauschallandwirte darstellen ( 9 ).

29.

Die Mitgliedstaaten können die Pauschalregelung also erstens nur auf landwirtschaftliche Erzeuger anwenden, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Bestimmungen auf verwaltungstechnische Schwierigkeiten stoßen würde (Art. 296 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112). Daher können Landwirte von dieser Regelung ausgenommen werden, bei denen, z. B. wegen des Umfangs ihrer Tätigkeit, derartige Schwierigkeiten nicht oder nicht mehr auftreten. Zweitens kann ein Mitgliedstaat bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger im Voraus von der Pauschalregelung ausnehmen (ebenda). Drittens kann ein Mitgliedstaat die Höhe des Pauschalausgleichssatzes für die einzelnen Teilbereiche der Landwirtschaft unterschiedlich festlegen (Art. 297 Abs. 1 Satz 2). Eine solche Differenzierung kann insbesondere dann angezeigt sein, wenn wegen eines erheblichen Unterschieds zwischen dem Mehrwert der landwirtschaftlichen Erzeugung und dem Wert der für die Zwecke dieser Erzeugung erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen ein erhebliches Missverhältnis in Bezug auf den von den Landwirten, die in den einzelnen Teilbereichen der Landwirtschaft tätig sind, tatsächlich empfangenen Ausgleich auftritt. Viertens schließlich bestimmen die Mitgliedstaaten den Pauschalausgleichssatz anhand der makroökonomischen Daten der letzten drei Jahre (Art. 298 Abs. 1), was auch bedeutet, dass er korrigiert werden kann, wenn die makroökonomischen Daten auf einen übermäßigen Ausgleich schließen lassen.

30.

Im Licht der obigen Erwägungen drängt sich auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Vorschriften über die Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger im Recht des Vereinigten Königreichs auf. Wie nämlich aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts hervorgeht, erhält infolge der Anwendung dieser Vorschriften ein landwirtschaftlicher Betrieb mit einem ausgesprochen hohen Produktionsumfang ( 10 ), der eine detaillierte Buchhaltung führt ( 11 ), im Rahmen dieser Pauschalregelung einen Ausgleich, der dreimal so hoch ist wie die Vorsteuer, zu deren Erstattung er nach der normalen Regelung berechtigt wäre. Wenn sich herausstellen sollte, dass derartige Zustände die Regel darstellen, müssten die Vorschriften über die Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger im Recht des Vereinigten Königreichs als strukturell mit den Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 unvereinbar eingestuft werden.

31.

Ein Mitgliedstaat kann die negativen Folgen seines Handelns (oder Unterlassens) auf makroökonomischer Ebene aber nicht dadurch ausgleichen, dass er Maßnahmen gegen einzelne Wirtschaftsteilnehmer ergreift. An dieser Einschätzung ändert auch der fakultative Charakter der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger nichts, auf den ich in meinen letzten Schlussanträgen zu diesem Thema hingewiesen habe ( 12 ).

32.

Wenn sich ein Mitgliedstaat für die Einführung der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger entschieden und sie ordnungsgemäß gestaltet hat – d. h., dass diese Regelung ausschließlich für Landwirte bestimmt ist, bei denen die Anwendung der normalen Regelung oder der vereinfachten Bestimmungen Schwierigkeiten mit sich bringen würde, und der Pauschalausgleichssatz in angemessener Höhe festgesetzt worden ist –, dann kann ein Landwirt, der die Kriterien für die Teilnahme an der Regelung erfüllt, nämlich berechtigterweise erwarten, dass er der Regelung wird beitreten und darin verbleiben können, unabhängig von den konkreten finanziellen Ergebnissen dieser Teilnahme in den einzelnen Steuerjahren. Andernfalls könnte das Ziel der Pauschalregelung, d. h. die Vereinfachung und Reduzierung der verwaltungstechnischen Pflichten für Wirtschaftsteilnehmer, bei denen die Anwendung der normalen Besteuerungsregelung Schwierigkeiten verursachen würde, nicht erreicht werden.

33.

Angesichts dessen schlage ich vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 295 bis 305 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen sind, dass ein Pauschallandwirt nach diesen Bestimmungen ausschließlich dann von der gemeinsamen Pauschalregelung ausgenommen werden kann, wenn die Voraussetzungen von Art. 296 Abs. 2 dieser Richtlinie erfüllt sind.

Zur zweiten Vorlagefrage

34.

Mit der zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Mitgliedstaat auf der Grundlage von Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 eine Gruppe von landwirtschaftlichen Erzeugern von der Pauschalregelung ausnehmen kann, „bei denen festgestellt wird, dass sie als Teilnehmer an der Pauschalregelung erheblich mehr erstattet bekommen als im Fall ihrer Registrierung für die Mehrwertsteuer“.

35.

Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund des von der Steuerbehörde im Ausgangsverfahren vorgetragenen Standpunkts – der vom Vereinigten Königreich in seinen Erklärungen in der vorliegenden Rechtssache aufrechterhalten worden ist –, dass eine solche Gruppe von Landwirten im Recht des Vereinigten Königreichs definiert und gemäß Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 von der Pauschalregelung ausgenommen worden sei.

36.

Wie ich bereits dargelegt habe ( 13 ), erlaubt Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 es den Mitgliedstaaten, manche Gruppen von Landwirten von der Pauschalregelung auszunehmen. Diese Bestimmung ist eine Leitlinie für die Mitgliedstaaten, wie sie die Pauschalregelung in ihrem innerstaatlichen Recht zu gestalten haben. Der Ausschluss, von dem hier die Rede ist, muss daher als Konstruktionselement dieser Regelung ex ante in dem Sinne gelten, dass die Gruppe, die von der Regelung ausgenommen ist, im Voraus und abstrakt bestimmt werden muss, so dass ein Landwirt vor der Entscheidung über eine mögliche Teilnahme an der Regelung in der Lage ist, zu beurteilen, ob er der ausgeschlossenen Gruppe angehört und ihr möglicherweise auch künftig angehören wird. Dies erfordern die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

37.

Es ergibt sich auch aus der Struktur von Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112, in dem an dieser Stelle der Begriff „Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger“ verwendet wird, während es im weiteren Verlauf dieser Bestimmung heißt, dass diejenigen „landwirtschaftlichen Erzeuger“, bei denen die Anwendung der normalen Regelung oder der vereinfachten Bestimmungen keine Schwierigkeiten mit sich bringt, von der Pauschalregelung ausgenommen werden können. Während also in der zweiten Fallgestaltung eine individuelle Prüfung der Lage der einzelnen Landwirte zulässig ist, geht es im ersten Fall klar um eine in abstracto und a priori definierte Gruppe.

38.

Es kann natürlich vorkommen, dass ein Landwirt, der anfangs nicht der ausgeschlossenen Gruppe angehört, später in diese Gruppe fällt. Dies kann z. B. dann passieren, wenn sich der Umfang seiner Tätigkeit oder ihr Charakter ändert. Diese Umstände hängen von einer Entscheidung des Beteiligten ab, der in der Lage ist, die Auswirkungen seiner Entscheidungen auf seine Stellung als Pauschallandwirt vorauszusehen. Dagegen scheint es mir der Logik der Pauschalregelung zu widersprechen, wenn allein die Teilnahme an dieser Regelung automatisch einen Ausschluss nach sich ziehen kann, wenn der betreffende Landwirt einen finanziellen Vorteil aus seiner Teilnahme zieht.

39.

Zudem erfolgt dieser Ausschluss aufgrund eines bestimmten Verhältnisses zwischen dem Betrag des Pauschalausgleichs und dem Betrag der Mehrwertsteuer, zu deren Erstattung der Beteiligte theoretisch berechtigt wäre, wenn er als Steuerpflichtiger nach der normalen Regelung tätig wäre. Dieses Verhältnis ist aber erstens in erheblichem Maße nicht von einer Entscheidung des Beteiligten abhängig, da die Höhe des erzielten Umsatzes (von dem der als ein bestimmter Prozentsatz des Umsatzes ausgedrückte Ausgleichsbetrag abhängt) nur zum Teil vom Wert der für die Zwecke der Tätigkeit erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen – und damit vom Betrag der bezahlten Mehrwertsteuer – abhängig ist.

40.

Zweitens ist der Pauschallandwirt unter normalen Umständen gar nicht in der Lage, die Erfüllung dieser Voraussetzung für einen Ausschluss von der Pauschalregelung vorauszusehen bzw. festzustellen. Zu bedenken ist nämlich, dass die Pauschalregelung für Landwirte bestimmt ist, bei denen die Anwendung der normalen Regelung verwaltungstechnische Schwierigkeiten mit sich bringen würde. Aus diesem Grund sind die Pauschallandwirte von einer Reihe von Pflichten befreit, insbesondere was die Erstellung von Aufzeichnungen und die Buchführung anbelangt. Der Pauschallandwirt ist also nicht in der Lage, den Betrag der Mehrwertsteuer zu berechnen, zu dessen Erstattung er nach der normalen Regelung berechtigt wäre, da die Pauschalregelung gerade dazu dient, ihn von der Pflicht zur Durchführung solcher Berechnungen zu befreien. Wenn der Pauschallandwirt jedoch, wie im Ausgangsverfahren, eine Buchhaltung führt, die ihm diese Daten zur Verfügung stellt, folgt daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Pauschalregelung in einer Weise angewandt wird, die über das hinausgeht, was zur Erreichung ihrer Ziele notwendig ist.

41.

Aus diesen Gründen denke ich, dass selbst dann, wenn angenommen würde, dass das Recht des Vereinigten Königreichs von der Pauschalregelung eine Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger ausnimmt, die so definiert wird, wie es in der zweiten Vorlagefrage dargelegt wird, die Zusammenstellung dieser Gruppe im Widerspruch zur Logik dieser Regelung steht und die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe nicht als Grundlage für einen Ausschluss von der Pauschalregelung dienen kann.

42.

Darüber hinaus weist die Kommission in ihren Erklärungen zutreffend darauf hin, dass es der Art und Weise, wie die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs sich auf den Ausschluss der oben genannten Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger von der Pauschalregelung berufen, an der Klarheit und der Genauigkeit fehlt, die bei der Umsetzung von Rechtsakten der Union in innerstaatliches Recht geboten sind.

43.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 14 ) erfordert die Inanspruchnahme einer durch eine Richtlinie vorgesehenen fakultativen Befugnis durch einen Mitgliedstaat nämlich aus Gründen der Rechtssicherheit, dass eine ausdrückliche Regelung erlassen wird und dass die Kriterien der Konkretheit, der Bestimmtheit und der Klarheit erfüllt sind und damit eine gerichtliche Kontrolle ermöglicht wird.

44.

Die Abgrenzung der Gruppe von Landwirten, die dem Ausschluss von der Pauschalregelung unterliegen, auf den sich die Steuerbehörde beruft, ergibt sich jedoch nicht aus den Rechtsvorschriften, da diese ( 15 ) sich darauf beschränken, die Steuerbehörden zu ermächtigen, einen Pauschallandwirt von der Regelung auszunehmen, wenn dies nach ihrem Dafürhalten zum Schutz der Steuereinnahmen erforderlich ist. Der Hinweis, dass es hierbei um Landwirte geht, die im Rahmen der Pauschalregelung einen Ausgleich erhalten, der weit über die Mehrwertsteuer hinausgeht, zu deren Erstattung sie nach der normalen Regelung berechtigt wären, taucht lediglich in einem unverbindlichen Merkblatt für die Steuerpflichtigen auf ( 16 ). Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, hat dieses Merkblatt keine Gesetzeskraft, es handelt sich dabei vielmehr um eine Erläuterung der Verwaltungspraxis der Steuerbehörden.

45.

Shields & Sons trägt daher in ihren Erklärungen in der vorliegenden Rechtssache zutreffend vor, dass in dem Ausschluss von Landwirten, die im Rahmen der Pauschalregelung einen Ausgleich erhalten, der weit über die Mehrwertsteuer hinausgeht, zu deren Erstattung sie nach der normalen Regelung berechtigt wären, eher eine Befugnis der Steuerbehörden, bestimmte Landwirte auszunehmen, als ein systematischer Ausschluss einer im Voraus und abstrakt bestimmten Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne von Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 zu sehen ist.

46.

Aus diesen Gründen schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass eine Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger, bei denen festgestellt wird, dass sie als Teilnehmer an der Pauschalregelung erheblich mehr erstattet bekommen als im Fall ihrer Registrierung für die Mehrwertsteuer, keine für die Zwecke der Anwendung dieser Bestimmung ordnungsgemäß gebildete Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger darstellt.

Ergebnis

47.

Nach alledem schlage ich vor, auf die vom Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Oberverwaltungsgericht [Kammer für – u. a. – Steuersachen], Vereinigtes Königreich) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1.

Die Art. 295 bis 305 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass ein Pauschallandwirt nach diesen Bestimmungen ausschließlich dann von der gemeinsamen Pauschalregelung ausgenommen werden kann, wenn die Voraussetzungen von Art. 296 Abs. 2 dieser Richtlinie erfüllt sind.

2.

Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nicht dazu ermächtigt, von der Pauschalregelung eine Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger auszunehmen, die als die Landwirte definiert wird, bei denen festgestellt wird, dass sie als Teilnehmer an dieser Regelung erheblich mehr erstattet bekommen als im Fall ihrer Registrierung für die Mehrwertsteuer.


( 1 ) Originalsprache: Polnisch.

( 2 ) ABl. 2006, L 347, S. 1.

( 3 ) Diese Angaben sind unstreitig. Nach den Berechnungen der Buchhaltung von Shields & Sons überstieg insbesondere in den Steuerjahren 2008/2009 bis 2011/2012 die Erstattung ungefähr um das Dreifache die Mehrwertsteuer, zu deren Erstattung das Unternehmen nach der normalen Regelung berechtigt gewesen wäre.

( 4 ) Vgl. Urteil vom 12. Oktober 2016, Nigl (C-340/15, EU:C:2016:764, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 5 ) Vgl. Urteil vom 12. Oktober 2016, Nigl (C-340/15, EU:C:2016:764, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 6 ) Die in den Art. 281 bis 292 der Richtlinie 2006/112 niedergelegt ist.

( 7 ) So z. B. im französischen Recht und mittelbar (durch die sich aus anderen Bestimmungen ergebende Verpflichtung zur Buchführung) auch im polnischen und im österreichischen Recht.

( 8 ) Eine solche Abweichung ist, wie es scheint, möglich, da der Neutralitätsgrundsatz, im Gegensatz etwa zum Gleichbehandlungsgrundsatz, dessen Konkretisierung er auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer darstellt, keinen Verfassungsrang hat (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2009, NCC Construction Danmark, C-174/08, EU:C:2009:669, Rn. 42 und 43).

( 9 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kommission/Portugal (C-524/10, EU:C:2011:613, Nr. 36).

( 10 ) Wie unmittelbar aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, erhielt Shields & Sons im Steuerjahr 2011/2012 im Rahmen des Pauschalausgleichs eine Erstattung in Höhe von über 200000 GBP, was bei einem Satz von 4 % auf Umsätze in Höhe von 5000000 GBP schließen lässt.

( 11 ) Die obigen Angaben gehen nämlich aus Datensätzen hervor, die von der Buchhaltung von Shields & Sons erstellt worden sind.

( 12 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Nigl (C-340/15, EU:C:2016:505, Nr. 49).

( 13 ) Siehe Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge.

( 14 ) Urteil vom 4. Juni 2009, SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft (C-102/08, EU:C:2009:345, Rn. 51 bis 58).

( 15 ) Konkret Regulation 206 der Mehrwertsteuerverordnung 1995 (siehe Nr. 6 der vorliegenden Schlussanträge).

( 16 ) VAT Notice 700/46, Nr. 7.2 (siehe Nr. 7 der vorliegenden Schlussanträge).