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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 30. Juni 2015(1)

Rechtssache C-276/14

Gmina Wrocław

gegen

Minister Finansów

(Vorabentscheidungsersuchen des Naczelny Sąd Administracyjny [Polen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 9 und 13 – Art. 5 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 2 EUV – Wirtschaftliche Tätigkeiten einer Organisationseinheit der Gemeinde, die ihr nicht im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen – Organisationseinheit der Gemeinde, deren wirtschaftliche Tätigkeiten nicht das Selbständigkeitskriterium erfüllen – Möglichkeit, eine solche Einheit als mehrwertsteuerpflichtig im Sinne der Richtlinie 2006/112 anzusehen“





I –    Einleitung

1.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen des Naczelny Sąd Administracyjny (Oberster Verwaltungsgerichtshof) wird die Frage aufgeworfen, ob eine Organisationseinheit der Gemeinde, deren wirtschaftliche Tätigkeiten nicht das Kriterium der Selbständigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG(2) erfüllen, getrennt von der Gemeinde, zu der sie gehört, für die von ihr für Rechnung der Gemeinde bewirkten wirtschaftlichen Umsätze als mehrwertsteuerpflichtig angesehen werden kann.

2.        Insbesondere fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof, ob diesem Begriff der Selbständigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie sowie von Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 3 EUV, die sich auf die Grundsätze der Subsidiarität und der institutionellen Autonomie beziehen, bei der Einstufung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts wie den im Vorabentscheidungsersuchen genannten haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde als mehrwertsteuerpflichtig Rechnung zu tragen ist.

3.        Die Bedeutung der Rechtssache hängt aus Sicht der Republik Polen mit der Tatsache zusammen, dass die polnischen Gemeinden ihre gemeinwirtschaftlichen Aufgaben selbständig – über zu diesem Zweck eingerichtete Organisationseinheiten, insbesondere haushaltsgebundene Einrichtungen der Gemeinde(3), die bis zum heutigen Tag als von der Gemeinde getrennte Mehrwertsteuerpflichtige angesehen worden sind – wahrnehmen. Mit der vorliegenden Rechtssache wird daher eine Frage nach der Auslegung der Art. 9 und 13 der Richtlinie 2006/112 aufgeworfen, die die Feststellung beinhaltet, wie die Art und Weise zu beurteilen ist, auf die diese Organisationseinheiten, insbesondere die haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde, ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten ausüben.

4.        Die Frage nach den in Art. 5 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 2 EUV festgelegten Grundsätzen der Subsidiarität und der institutionellen Autonomie ist vom vorlegenden Gericht deshalb aufgeworfen worden, weil die Tatsache, dass es nicht möglich ist, haushaltsgebundene Einrichtungen der Gemeinde wie die in der Ausgangsrechtssache genannten getrennt von der Gemeinde als mehrwertsteuerpflichtig anzumelden, seiner Auffassung nach Folgen für das Funktionsmodell der Gebietskörperschaften in Polen haben könnte. Daher ist zu prüfen, ob diese Bestimmungen des Primärrechts insoweit einen Einfluss auf die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 haben.

5.        Wie die Verfahrensbeteiligten, die in der vorliegenden Rechtssache Erklärungen abgegeben haben, hervorgehoben haben, hat die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu diesem Selbständigkeitskriterium dessen Anwendung auf Tätigkeiten natürlicher Personen, die öffentliche Aufgaben erfüllen, und privater Einrichtungen zum Gegenstand gehabt. Daher hat das vorlegende Gericht den Gerichtshof aufgefordert, zu prüfen, ob diese Rechtsprechung auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts gleichermaßen anzuwenden ist.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Richtlinie 2006/112

6.        Die Richtlinie 2006/112 hat die auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer bestehenden Gemeinschaftsvorschriften, insbesondere die Sechste Richtlinie(4), mit Wirkung vom 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt.

7.        Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

8.        Art. 10 der Richtlinie 2006/112 lautet:

„Die selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 schließt Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.“

9.        Art. 13 Abs. 1 der genannten Richtlinie hat folgenden Wortlaut(5):

„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Die Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten in Bezug auf die in Anhang I genannten Tätigkeiten in jedem Fall als Steuerpflichtige, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.“

B –    Polnisches Recht

10.      Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. März 2004 über die Steuer auf Gegenstände und Dienstleistungen(6) setzt Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 in polnisches Recht um und hat folgenden Wortlaut:

„Steuerpflichtig sind juristische Personen, Organisationseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit und natürliche Personen, die eine in Abs. 2 genannte Wirtschaftstätigkeit unabhängig von ihrem Zweck oder Ergebnis selbständig ausüben.“

11.      Gemäß Art. 15 Abs. 6 des nationalen Mehrwertsteuergesetzes gelten die Organe der öffentlichen Gewalt und Ämter, die diese Organe im Bereich der durch besondere Rechtsvorschriften auferlegten Aufgaben unterstützen, zu deren Erfüllung sie bestellt worden sind, ausgenommen die Tätigkeiten, die aufgrund zivilrechtlicher Verträge ausgeübt werden, nicht als steuerpflichtig.

III – Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

12.      Im polnischen Verwaltungssystem erfüllen die Gemeinden die ihnen kraft des Gesetzes über die kommunale Selbstverwaltung vom 8. März 1990(7) auferlegten Aufgaben mit Unterstützung der haushaltsgebundenen Selbstverwaltungsanstalten und der haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde(8). Letztere besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit und dienen grundsätzlich der Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde; ihr Zweck besteht nicht in der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, eine solche Tätigkeit kann höchstens anlässlich einer anderen Tätigkeit erfolgen, bei der es sich um eine Haupttätigkeit handelt. Die Einkünfte und Ausgaben dieser haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde, einschließlich der im Zusammenhang mit ihren mehrwertsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeiten stehenden Einkünfte und Ausgaben, sind Teil des Gemeindehaushalts. Zu den genannten Einrichtungen gehören u. a. Schulen, Kulturzentren, Kreisdienste, Kontrollstellen und Feuerwehren.

13.      Der Ausgangsrechtsstreit zwischen der Gmina Wrocław (Gemeinde Breslau) und dem Minister Finansów (polnischer Finanzminister, im Folgenden: Finanzminister) findet seinen Ursprung in Anträgen dieser Gemeinde auf Auslegung des Steuerrechts.

14.      Die Gemeinde Wrocław stellte dem Finanzminister die Frage, ob eine haushaltsgebundene Einrichtung der Gemeinde für mehrwertsteuerpflichtige Umsätze getrennt von der Gemeinde als Mehrwertsteuerpflichtige angemeldet werden könne oder ob die Gemeinde für von ihrer haushaltsgebundenen Einrichtung bewirkte Umsätze selbst als Mehrwertsteuerpflichtige anzumelden sei. Diese haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde erfüllten nicht das in Art. 15 Abs. 1 und 2 des nationalen Mehrwertsteuergesetzes für die Mehrwertsteuerpflichtigkeit vorgesehene Selbständigkeitskriterium und könnten daher nicht getrennt angemeldet werden. Im Übrigen brächte die Eintragung haushaltsgebundener Einrichtungen der Gemeinde gewisse Nachteile praktischer Natur mit sich(9).

15.      Der Finanzminister vertrat in seinen Einzelfallauslegungen die Auffassung, die aus den Gemeindestrukturen herausgelösten haushaltsgebundenen Einrichtungen seien, wenn sie nach objektiven Kriterien selbständig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten und dabei mehrwertsteuerpflichtige Handlungen vornähmen, als von der Gemeinde getrennte Mehrwertsteuerpflichtige anzusehen.

16.      Die Gemeinde Wrocław erhob beim Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Breslau) Klagen gegen diese Einzelfallauslegungen des Finanzministers. Nachdem dieses Gericht die Klagen abgewiesen hatte, legte die genannte Gemeinde Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht ein.

17.      Mit Beschluss vom 30. Januar 2013 legte der Naczelny Sąd Administracyjny in einfacher Zusammensetzung einem erweitert zusammengesetzten Spruchkörper dieses Gerichts die Frage vor, ob die haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde mehrwertsteuerpflichtig sind. Dieser erweitert zusammengesetzte Spruchkörper befand mit Entscheidung vom 24. Juni 2013, die die Antwort an die einfach zusammengesetzte Kammer dieses Gerichts enthielt, dass die in der erwähnten Rechtssache genannten haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde nicht mehrwertsteuerpflichtig seien, da solche Einrichtungen trotz des Umstands, dass sie in organisatorischer Hinsicht von der Gemeinde getrennt seien, selbständig oder unabhängig von dieser keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten.

18.      Es bleibe allerdings, wie es im Vorabentscheidungsersuchen heißt, weiterhin unklar, inwieweit die Selbständigkeitsvoraussetzung in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 nach dem Unionsrecht auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts anzuwenden sei. Darüber hinaus zweifelt das vorlegende Gericht daran, ob diese Selbständigkeitsvoraussetzung mit den in Art. 5 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 2 EUV festgelegten Grundsätzen der Subsidiarität und der institutionellen Autonomie, wonach die Struktur der Gebietskörperschaften und die Verteilung ihrer Zuständigkeiten in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, vereinbar ist.

19.      Da der Naczelny Sąd Administracyjny Zweifel an der Auslegung der Art. 9 Abs. 1 und 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 hegt, hat er in seiner einfachen Zusammensetzung mit Entscheidung vom 10. Dezember 2013 beschlossen, das Verfahren in der Ausgangsrechtssache auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Kann im Licht von Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 EUV eine Organisationseinheit der Gemeinde (eines lokalen Hoheitsträgers in Polen) als mehrwertsteuerpflichtig angesehen werden, wenn sie andere Tätigkeiten als diejenigen ausübt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt im Sinne von Art. 13 der Richtlinie 2006/112 obliegen, obwohl sie nicht die in Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie aufgestellte Voraussetzung der Selbständigkeit (Unabhängigkeit) erfüllt?

20.      Die Gemeinde Wrocław, der Finanzminister, die polnische und die griechische Regierung sowie die Europäische Kommission, die mit Ausnahme der griechischen Regierung sämtlich in der mündlichen Verhandlung, die am 5. Mai 2015 stattgefunden hat, vertreten gewesen sind, haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

IV – Würdigung

A –    Vorbemerkungen

21.      Die Vorabentscheidungsfrage des vorlegenden Gerichts geht von der Prämisse aus, wonach die in der Ausgangsrechtssache in Rede stehenden gemeindlichen Organisationseinheiten, insbesondere die haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde, nicht das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 vorgesehene Selbständigkeitskriterium erfüllen. Das vorlegende Gericht in erweiterter Zusammensetzung hat diese Tatsache in seiner Antwort an den einfach zusammengesetzten Spruchkörper dieses Gerichts nämlich bereits festgestellt(10).

22.      Zunächst ist klarzustellen, dass in der Ausgangsrechtssache nur die haushaltsgebundenen kommunalen Einrichtungen der Gemeinde Wrocław gemeint sind, auch wenn die Vorlagefrage allgemeiner die Organisationseinheiten der Gemeinde betrifft, die das Selbständigkeitskriterium nicht erfüllen. Die Organisationseinheiten der Gemeinde umfassen mehrere Arten von Einrichtungen, deren Grad an Selbständigkeit bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten variieren kann. Gleichwohl betreffen die vorliegenden Schlussanträge lediglich die in der Ausgangsrechtssache in Rede stehenden haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde.

23.      Die Vorlagefrage geht daher dahin, ob die in der Ausgangsrechtssache in Rede stehenden haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde trotz ihres Mangels an Selbständigkeit bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten als steuerpflichtig anzusehen sind. In diesem Zusammenhang trägt der Finanzminister vor, das Selbständigkeitskriterium könne deshalb nicht auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts angewandt werden, weil bei Einhaltung dieser Bedingung die Gefahr eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die den Mitgliedstaaten zuerkannte institutionelle Autonomie bestünde. Art. 13 der Richtlinie 2006/112 sei im Verhältnis zu Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie als Sondervorschrift zu qualifizieren. Daher sei eine Prüfung der Selbständigkeit in Bezug auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts weder erforderlich noch angemessen.

24.      Die polnische Regierung ihrerseits hat vorgeschlagen, die Vorlagefrage neu zu formulieren und zunächst die Frage zu prüfen, ob die in der Ausgangsrechtssache in Rede stehenden haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde das auf sie anwendbare Selbständigkeitskriterium erfüllen. Die genannten Einrichtungen erfüllten dieses Kriterium. Nur hilfsweise für den Fall, dass der Gerichtshof die Auffassung vertreten sollte, das Selbständigkeitskriterium sei in Bezug auf diese haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde nicht erfüllt, sei die Frage zu prüfen, ob die genannten Einrichtungen gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 gleichwohl als mehrwertsteuerpflichtig angesehen werden könnten.

25.      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort geben zu können, muss die Vorlagefrage meines Erachtens nicht neu formuliert werden; vielmehr ist gerade zu prüfen, ob – und falls ja, auf welche Art und Weise – die Definition des Begriffs „Steuerpflichtiger“ in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112, die das Kriterium der Selbständigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit einschließt, auf die in Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Einrichtungen des öffentlichen Rechts anzuwenden ist. Nach meinem Dafürhalten findet sich die Antwort in der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die ich im Folgenden untersuchen werde. Ich möchte meine Würdigung mit einer Prüfung der Schnittstelle zwischen den Art. 9 und 13 der Richtlinie 2006/112 einerseits und des Begriffs „Steuerpflichtiger“ in Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie andererseits beginnen.

B –    Zum Verhältnis zwischen den Art. 9 und 13 der Richtlinie 2006/112 und zur weiten Definition des Begriffs „Steuerpflichtiger“

26.      Im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem gehören die Art. 9 und 13 der Richtlinie 2006/112 zu deren Titel III („Steuerpflichtiger“). Dieser Titel III enthält Vorschriften über die Steuerpflicht im Allgemeinen sowie Sonderfälle wie Mehrwertsteuergruppen und Vorschriften über Behörden. Insoweit handelt es sich bei diesem Art. 9 um die allgemeine Vorschrift für Mehrwertsteuerpflichtige, während der genannte Art. 13 eine Befreiungsvorschrift darstellt(11).

27.      Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, ist es für eine einheitliche Anwendung der Richtlinie 2006/112 wichtig, dass der Begriff des „Steuerpflichtigen“ autonom und einheitlich ausgelegt wird(12).

28.      Nach der in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen allgemeinen Definition dieses Begriffs gilt als „Steuerpflichtiger“, „wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort […] selbständig ausübt“(13). Dieser sehr weite Ausdruck erfasst alle natürlichen und juristischen Personen, sowohl öffentliche als auch private.

29.      Darüber hinaus ist zu beachten, dass diese weite Definition des Begriffs „Steuerpflichtiger“ sogar auf eine Einrichtung ohne Rechtspersönlichkeit Anwendung finden kann(14). Daher ist die Tatsache, dass die in der Ausgangsrechtssache in Rede stehenden haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde keine Rechtspersönlichkeit besitzen, für die Möglichkeit, sie als von der Gemeinde getrennte Steuerpflichtige anzumelden, unerheblich.

30.      Dagegen setzt die Anwendung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die vorherige Feststellung des wirtschaftlichen Charakters der betrachteten Tätigkeit voraus(15). Wird das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112 festgestellt, ist somit die Anwendbarkeit der in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahme für Einrichtungen des öffentlichen Rechts zu prüfen(16).

31.      Im Urteil Kommission/Spanien(17) hat der Gerichtshof im Rahmen der Prüfung einer möglichen Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats klargestellt, dass erstens zu prüfen ist, ob die betreffenden Tätigkeiten wirtschaftliche Tätigkeiten darstellen, zweitens, ob die genannten Tätigkeiten selbständig ausgeübt werden, und drittens, ob die Mehrwertsteuerbefreiungsvorschrift(18) jedenfalls auf Tätigkeiten angewandt werden kann, die von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts ausgeübt werden und dieser im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen(19).

32.      So hat der Gerichtshof bereits ausdrücklich festgestellt, dass die Beurteilung des selbständigen Charakters der wirtschaftlichen Tätigkeit der Beurteilung vorausgeht, die gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 vorgenommen wird.

33.      Das vorlegende Gericht möchte jedoch wissen, ob diese Rechtsprechung für Einrichtungen des öffentlichen Rechts einschlägig ist, da der Gerichtshof das Kriterium der Selbständigkeit der Tätigkeit bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur in Bezug auf natürliche Personen geprüft habe, die öffentliche Aufgaben wahrnähmen(20). Die Selbständigkeit der Tätigkeit sei, so das vorlegende Gericht, nicht notwendigerweise zu beurteilen, wenn es sich um juristische Personen des öffentlichen Rechts handle. Ich teile diesen Standpunkt des vorlegenden Gerichts nicht.

34.      Aus der Systematik des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112, der keine Einschränkungen enthält(21), und der angeführten Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass die vollständige Definition eines Steuerpflichtigen in diesem Art. 9 einheitlich und kohärent auf jede Person angewandt werden muss(22).

35.      Was die Systematik des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems angeht, ist darauf hinzuweisen, dass die Art. 9 und 13 der Richtlinie 2006/112 der Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweisen. Der Unionsgesetzgeber hat nämlich den Anwendungsbereich der Nichtsteuerpflichtigkeit öffentlich-rechtlicher Einrichtungen einschränken wollen, damit diese allgemeine Regel eingehalten wird(23).

36.      Wenn eine natürliche oder juristische Person die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 genannten Kriterien für eine Einstufung als Steuerpflichtiger, insbesondere die Voraussetzung, dass die wirtschaftliche Tätigkeit „selbständig“ ausgeübt wird, nicht erfüllt, braucht daher nicht geprüft zu werden, ob diese Person gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 von der Mehrwertsteuer befreit werden könnte.

37.      Demzufolge kann nicht angenommen werden, wie der Finanzminister geltend macht, dass es deshalb unnötig sei, die Frage zu prüfen, ob Einrichtungen des öffentlichen Rechts eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 ausübten, weil der Staat das Recht habe, Einheiten die Eigenschaft einer Einrichtung des öffentlichen Rechts zu verleihen. Meines Erachtens ist die Eigenschaft einer Einheit als Einrichtung des öffentlichen Rechts insoweit unerheblich, wenn diese Einrichtung jedenfalls keine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt.

38.      Die Verfahrensbeteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, haben jedoch Zweifel hinsichtlich der Frage geäußert, ob dieses Kriterium der Selbständigkeit der Tätigkeiten auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts und private Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen angewandt werden muss. Daher sind anschließend die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu diesem Kriterium und seine Anwendung auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts zu prüfen.

C –    Zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Kriterium der Selbständigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 und zu seiner Anwendung auf wirtschaftliche Tätigkeiten öffentlich-rechtlicher Einrichtungen

39.      Die selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 wird in Art. 10 dieser Richtlinie negativ definiert. Nach Art. 10 wird die Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt und unterliegt daher nicht der Mehrwertsteuer, wenn zwischen einer Person und ihrem Arbeitgeber ein Unterordnungsverhältnis wie bei einem Arbeitsvertrag vorliegt. Diese Bestimmung nennt drei das Unterordnungsverhältnis betreffende Kriterien, die an eine Abhängigkeit hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie in der Verantwortlichkeit anknüpfen(24).

40.      In Anwendung dieser Kriterien hat der Gerichtshof Gesichtspunkte herausgearbeitet, die bei der Beurteilung der Selbständigkeit einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 zu berücksichtigen sind. So schließen die zu berücksichtigenden Kriterien, die u. a. im Urteil van der Steen(25) aufgezählt werden, die Ausübung von Tätigkeiten durch eine Person im eigenen Namen, für eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung sowie die Tatsache ein, dass sie das mit der Ausübung ihrer Tätigkeiten verbundene wirtschaftliche Risiko trägt(26).

41.      Bei der Feststellung der Selbständigkeit der Tätigkeit hat der Gerichtshof das Fehlen eines Unterordnungsverhältnisses der Wirtschaftsteilnehmer, die nicht in die öffentliche Verwaltung eingegliedert waren, zum Staat sowie die Tatsache berücksichtigt, dass sie für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelten, frei die Modalitäten der Ausübung ihrer Arbeit regelten und selbst das Entgelt vereinnahmten, das ihr Einkommen darstellte(27).

42.      Nach Auffassung des Gerichtshofs stellen auch die Tatsache, dass sich die Wirtschaftsteilnehmer innerhalb der gesetzlich festgelegten Grenzen die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Arbeitskräfte und sachlichen Mittel selbständig verschaffen und sie selbständig organisieren, sowie die Tatsache, dass sie die Haftung, die sich aus den von ihnen in Ausübung ihrer Tätigkeit begründeten vertraglichen Beziehungen ergibt, und die Haftung für die Schäden übernehmen, die sie Dritten verursachen, wenn sie nicht als Beauftragte der öffentlichen Hand tätig wurden, Indizien für die Selbständigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit dar(28).

43.      Die Voraussetzung, die sich auf das wirtschaftliche Risiko bezieht, ist im Urteil FCE Bank(29) behandelt worden, in dem entschieden worden ist, dass die Zweigstelle einer Bank deshalb nicht autonom als Bank ist, weil sie, da sie nicht über Dotationskapital verfügt, nicht selbst die wirtschaftlichen Risiken trägt, die mit ihren Tätigkeiten verbunden sind. Daher ist sie nicht als mehrwertsteuerpflichtig anzusehen(30).

44.      Ich erinnere daran, dass die Anwendung des Begriffs „Steuerpflichtiger“ einheitlich und kohärent sein muss(31). Bei der Voraussetzung der Selbständigkeit handelt es sich letztlich um eine Frage, die die Art der Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeiten betrifft, und um nichts anderes. Die angeführte Rechtsprechung, in der Beurteilungskriterien festgelegt worden sind, die sich auf die Selbständigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit beziehen, betrifft zwar nur natürliche Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, und juristische Personen des Privatrechts. Meines Erachtens deutet jedoch nichts darauf hin, dass diese Beurteilungskriterien nicht auch auf wirtschaftliche Tätigkeiten anwendbar wären, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 ausgeübt werden. Wenn diese Kriterien u. a. auf private Einrichtungen angewandt werden können, deren interne Strukturen und Handelspraktiken oftmals vielfältiger und komplexer sein können als die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, müssen diese Kriterien nach meinem Dafürhalten nämlich gleichermaßen auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts Anwendung finden. Insoweit bezieht sich die Besonderheit der Einrichtungen des öffentlichen Rechts eher auf ihre im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübten Tätigkeiten, die von der in Art. 13 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Befreiungsregelung gesondert berücksichtigt werden.

45.      Die polnische Regierung hat vorgetragen, das Kriterium, das sich auf das wirtschaftliche Risiko beziehe, sei auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts deshalb nicht anzuwenden, weil über die Gemeinde oder ihre haushaltsgebundenen Einrichtungen kein Insolvenzverfahren eröffnet werden könne. Daher setzten sich Einrichtungen des öffentlichen Rechts keinen wirtschaftlichen Risiken aus, die mit denen vergleichbar seien, die wirtschaftliche Tätigkeiten ausübende private Einrichtungen eingingen(32). Würde das Selbständigkeitskriterium, so diese Regierung, auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts und private Einrichtungen gleichermaßen angewandt, hätte dies zur Folge, dass weder die haushaltsgebundenen Einrichtungen noch die Gemeinden selbst die Voraussetzungen für eine Einstufung als „Steuerpflichtige“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 erfüllten.

46.      Meines Erachtens ist das Bestehen eines wirtschaftlichen Risikos weiter zu verstehen als die polnische Regierung vorträgt. Die Verwirklichung des wirtschaftlichen Risikos kann nämlich verschiedene Formen annehmen; die Person, die das Risiko trägt, muss nach meinem Dafürhalten aber über so etwas wie ein Vermögen verfügen, das sie Gefahr läuft, zu verlieren. Beispielsweise kann das wirtschaftliche Risiko für ein Kreditinstitut in der Nichtrückzahlung eines Darlehens durch einen Kunden bestehen(33). Die Feststellung, dass ein Wirtschaftsteilnehmer das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt, kann sich auch aus der Tatsache ergeben, dass der Gewinn, den er aus seiner Tätigkeit zieht, nicht nur von den Beträgen abhängt, die unmittelbar mit dieser Tätigkeit zusammenhängen, sondern u. a. auch von den mit dem Einsatz der für die Arbeit benötigten Arbeitskräfte und sachlichen Mittel verbundenen Ausgaben(34).

47.      Zudem liegt der Richtlinie 2006/112 der Gedanke zugrunde, dass die in Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Einrichtungen des öffentlichen Rechts wie Staaten und Gemeinden mehrwertsteuerpflichtig sein können, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen nicht im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Sie können sogar mehrwertsteuerpflichtig sein, soweit sie die Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, „sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde“(35). Daher ist die Tatsache, dass eine Einrichtung Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sein kann, kein entscheidendes Kriterium für die Prüfung ihrer Steuerpflichtigeneigenschaft gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112.

48.      Nach meinem Dafürhalten hängt die selbständige Natur der wirtschaftlichen Tätigkeiten einer Einrichtung unter dem Gesichtspunkt der Risiken nicht so sehr von der Frage ab, ob diese Einrichtung ein sich aus ihren Tätigkeiten ergebendes wirtschaftliches Risiko trägt, sondern vielmehr von der Frage, ob an ihrer Stelle in Wirklichkeit eine andere Einrichtung mit ihrem Vermögen für das mit den wirtschaftlichen Tätigkeiten der erstgenannten Einrichtung verbundene Risiko einsteht(36).

49.      Im Ergebnis ist die Tatsache, dass eine Einrichtung das wirtschaftliche Risiko trägt, einer der Gesichtspunkte, die bei der Beurteilung der Art und Weise, auf die diese Einrichtung ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt, zu berücksichtigen sind. Die anderen in der Rechtsprechung erwähnten Gesichtspunkte, die berücksichtigt werden können, sind u. a. die Ausübung einer Tätigkeit durch eine Einrichtung in eigenem Namen und für eigene Rechnung, das Vorhandensein eines eigenen Vermögens, die freie Organisation der Modalitäten der Arbeitsausführung, die Arbeitskräfte und sachlichen Mittel sowie die Tatsache, dass die Einrichtung die vertragliche Haftung und die Haftung für Dritten entstandene Schäden trägt. Die Beurteilung der selbständigen Natur einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 ist von Fall zu Fall unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände vorzunehmen.

D –    Zu den in Art. 5 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 2 EUV verankerten Grundsätzen der Subsidiarität und der institutionellen Autonomie

50.      Schließlich ist hervorzuheben, dass die in Art. 9 der Richtlinie 2006/112 genannte Selbständigkeit im Verhältnis zur Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeiten bewertet wird. Die Frage besteht nicht darin, ob eine Einrichtung des öffentlichen Rechts innerhalb der Struktur der Gebietskörperschaften eines Mitgliedstaats unabhängig oder selbständig ist oder welche verwaltungsrechtliche Stellung ihr im innerstaatlichen Bereich zukommt. Folglich wird die institutionelle Autonomie der Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 EUV durch die vorstehenden Feststellungen überhaupt nicht berührt.

51.      Die griechische Regierung hat die Auffassung vertreten, die diesbezügliche Verwirrung in der vorliegenden Rechtssache gehe auf die vom vorlegenden Gericht angesprochenen sprachlichen Abweichungen in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 zurück. Die französische und die englische Sprachfassung, so das vorlegende Gericht, verwendeten den Ausdruck „unabhängig“ (im Französischen „d’une façon indépendante“, im Englischen „independently“), während die polnische Fassung den Ausdruck „selbständig“ („samodzielnie“ im Polnischen(37)) verwende. Ich stelle fest, dass der Ausdruck „selbständig“ auch in mehreren anderen Sprachen verwendet wird(38).

52.      Was die sprachlichen Abweichungen angeht, kann die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nach gefestigter Rechtsprechung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen. Die Bestimmungen des Unionsrechts müssen nämlich – im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Europäischen Union – einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört(39).

53.      Daraus folgt, dass bei der Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 nicht allein auf die in der polnischen Sprachfassung verwendete Formulierung abgestellt werden kann. In den Nrn. 40 bis 43 der vorliegenden Schlussanträge habe ich insoweit bereits auf die Auslegung dieser Vorschrift durch die Rechtsprechung hingewiesen. Jedenfalls lässt sich der Unterschied zwischen einer „unabhängig“ ausgeübten Tätigkeit und einer „selbständig“ ausgeübten Tätigkeit in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu diesem Kriterium meines Erachtens kaum erkennen. Im Übrigen gebe ich zu bedenken, dass der Rechtsstreit nicht den unabhängigen oder selbständigen Charakter der betreffenden Einrichtung zum Gegenstand hat, sondern die Art und Weise, in der ihre wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird.

54.      Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass es sich bei den Kriterien, die sich auf die Mehrwertsteuerschuldnerschaft beziehen und sich aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 ergeben, um objektive Kriterien handelt, die eingehalten werden müssen. Der Mitgliedstaat kann den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/112 nämlich nicht mittels innerstaatlicher Vorschriften über die Organisation der Gemeinden ändern.

55.      Wie auch die Kommission festgestellt hat, können die Mitgliedstaaten die Struktur und die Tätigkeiten ihrer Einrichtungen des öffentlichen Rechts frei organisieren, etwa dadurch, dass sie deren interne Struktur im Verhältnis zu den Mehrwertsteuervorschriften optimieren. Die Entscheidungen eines Mitgliedstaats in Bezug auf die Organisationsstruktur der Einrichtungen des öffentlichen Rechts können sich auf der Ebene der Mehrwertsteuer unterschiedlich auswirken, schränken jedoch nicht die Freiheit ein, über die dieser Mitgliedstaat bei seinen Entscheidungen verfügt. Auch wenn die Mitgliedstaaten die in Art. 4 Abs. 2 EUV erwähnte Wahlfreiheit genießen, sind die Folgen bestimmter Entscheidungen gleichwohl jedoch durch das Unionsrecht vorgegeben(40).

56.      Außerdem ist darauf hinzuweisen, wie die Republik Polen selbst hervorgehoben hat, dass Einrichtungen des öffentlichen Rechts grundsätzlich keine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausüben sollen, soweit ihnen diese Tätigkeiten nicht im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Bei der wirtschaftlichen Tätigkeit, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts möglicherweise ausüben, handelt es sich um eine Nebentätigkeit, die oftmals mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben zusammenhängt. Die Mehrwertsteuerpflichtigkeit öffentlich-rechtlicher Einrichtungen, soweit sie wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, die ihnen nicht im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, ist nur einer der Gesichtspunkte, die die Mitgliedstaaten berücksichtigen können, wenn sie die Organisationsstruktur ihrer Verwaltung festlegen.

57.      Was das Subsidiaritätsprinzip betrifft, geht aus dem Wortlaut des 65. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2006/112(41) eindeutig hervor, dass der Unionsgesetzgeber dieses Prinzip bei Abfassung der erwähnten Richtlinie berücksichtigt hat.

58.      Ich weise darauf hin, dass der erweiterte Spruchkörper des Naczelny Sąd Administracyjny den selbständigen Charakter der Tätigkeiten der im Vorabentscheidungsersuchen genannten haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde nach meinem Dafürhalten bereits beurteilt hat. Unter Berücksichtigung der Art der vorzunehmenden Prüfung und der erforderlichen Kenntnis von den Besonderheiten des Systems der polnischen Lokalverwaltung ist das vorlegende Gericht tatsächlich am besten in der Lage, im Licht der vom Gerichtshof entwickelten Kriterien zu beurteilen(42), ob haushaltsgebundene Einrichtungen einer Gemeinde wie die in der Ausgangsrechtssache genannten ihre Tätigkeiten selbständig ausüben. Da der Gerichtshof nicht über alle erforderlichen Angaben zur polnischen Lokalverwaltung verfügt, um eine solche Beurteilung vornehmen zu können, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, sie durchzuführen.

E –    Zum Antrag auf zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils

59.      Die polnische Regierung, die die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen geltend macht, hat die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils des Gerichtshofs beantragt, falls dieser die Auffassung vertreten sollte, dass haushaltsgebundene Einrichtungen nicht als getrennte Mehrwertsteuerpflichtige anzusehen sind. Eine solche Position, so diese Regierung, beeinträchtige das in Polen bestehende Funktionsmodell der lokalen Regierung nämlich erheblich, was sich auf den gesamten polnischen Sektor der öffentlichen Finanzen negativ auswirken könne. Darüber hinaus sei die Republik Polen gutgläubig davon ausgegangen und gehe weiterhin davon aus, dass haushaltsgebundene Einrichtungen als mehrwertsteuerpflichtig anzusehen seien.

60.      Zu beachten ist, dass sich die Auswirkungen einer solchen Lösung auf das Funktionsmodell der lokalen Regierung, wie die polnische Regierung in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, eher in der Zukunft zeigen würden. Die Rückwirkungen des Urteils ergeben sich lediglich aus der Notwendigkeit, die in den fünf vergangenen Jahren erhobenen Steuern neu zu berechnen(43).

61.      In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um eine Verbrauchsteuer handelt, die Ausgaben für Gegenstände oder Dienstleistungen oder den Endverbrauch solcher Gegenstände oder Dienstleistungen durch natürliche oder juristische Personen trifft. Theoretisch müsste die Mehrwertsteuer zu einer einheitlichen Besteuerung führen, weil die Steuerlast auf einem Gegenstand oder einer Dienstleistung ungeachtet der Zahl der Geschäfte, die auf der vor der Besteuerungsstufe liegenden Stufe getätigt worden sind, genau der Mehrwertsteuer entsprechen müsste, die auf den vom Verbraucher verlangten Verkaufspreis berechnet worden ist. Daher dürfte die Mehrwertsteuer, die auf den Dienstleistungen lastet, die der Öffentlichkeit von haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde erbracht werden, nicht von den Modalitäten der Anmeldung der Gemeinde als Mehrwertsteuerpflichtige, nämlich von der Tatsache, dass sie mit ihren haushaltsgebundenen Einrichtungen als eine einzige Steuerpflichtige angemeldet wird oder die haushaltsgebundenen Einrichtungen im Gegenteil getrennt angemeldet werden, abhängen.

62.      Gleichwohl enthält das Mehrwertsteuersystem, worauf die Gemeinde Wrocław in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts viele Elemente, die die völlige steuerliche Neutralität verringern, wie die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die wirtschaftliche Tätigkeit der kleinen Unternehmen von der Mehrwertsteuer zu befreien(44). Daher ist die Antwort auf die Vorlagefrage in praktischer Hinsicht durchaus erheblich.

63.      Der Gerichtshof kann die für die Betroffenen bestehende Möglichkeit, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen, jedoch nur ganz ausnahmsweise aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit beschränken. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen(45).

64.      Der Gerichtshof hat auf diese Lösung nur unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, namentlich, wenn eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Unionsbestimmungen bestand(46).

65.      Meines Erachtens erfüllt das Vorbringen der polnischen Regierung nicht die genannten Kriterien. Die polnische Regierung ist nämlich in keiner Weise in der Lage gewesen, die Bandbreite etwaiger wirtschaftlicher Auswirkungen zu bewerten. Es ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Rechtssache ausschließlich die in der Ausgangsrechtssache genannten haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde sowie die mögliche Feststellung betrifft, ob die Tätigkeiten dieser Einrichtungen selbständig ausgeübt werden. Jedenfalls fällt die Frage nach den eventuellen Folgen des vom Gerichtshof zu erlassenden Urteils auch in Bezug auf die haushaltsgebundenen staatlichen Einrichtungen und die in der streitigen Auseinandersetzung zwischen den Verfahrensbeteiligten erwähnten haushaltsgebundenen Anstalten unter das einzelstaatliche Recht.

66.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass die Wirkungen des Urteils des Gerichtshofs in der vorliegenden Rechtssache nicht zeitlich beschränkt zu werden brauchen.

V –    Ergebnis

67.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) wie folgt zu beantworten:

Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine Organisationseinheit der Gemeinde nur dann als mehrwertsteuerpflichtig eingestuft werden kann, wenn sie ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig im Sinne dieses Artikels ausübt. Es ist Sache des nationalen Gerichts, im Licht der vom Gerichtshof entwickelten Kriterien zu beurteilen, ob die in der Ausgangsrechtssache in Rede stehenden haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig ausüben.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).


3 – Das polnische System sieht auch andere Arten kommunaler Organisationseinheiten und staatliche Einheiten vor. Beispielsweise sind die haushaltsgebundenen Selbstverwaltungsanstalten den Angaben der Gemeinde Wrocław zufolge durch einen höheren Grad an Unabhängigkeit als die haushaltsgebundenen Einrichtungen der Gemeinde gekennzeichnet.


4 – Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie). Trotz zahlreicher redaktioneller Änderungen sind die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 und die entsprechenden Bestimmungen der Sechsten Richtlinie im Wesentlichen identisch. Vgl. in diesem Sinne Urteil Le Rayon d’Or (C-151/13, EU:C:2014:185, Rn. 6).


5 – Zu den Unterschieden zwischen einigen Sprachfassungen von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 und zur Analyse des Begriffs „sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ vgl. meine Schlussanträge vom 25. Juni 2015 in der Rechtssache Saudaçor (C-174/14, EU:C:2015:430, Nrn. 68 bis 82).


6 – Ustawa z dnia 11 marca 2004 r. o podatku od towarów i usług, Dz. U Nr. 54, Pos. 535 mit Änderungen, im Folgenden: nationales Mehrwertsteuergesetz).


7 – Ustawa z dnia 8 marca r. o samorządzie gminnym, Dz. U von 2001, Nr. 142, Pos. 1591 mit Änderungen, konsolidierte Fassung. Gemäß Art. 9 Abs. 1 dieses Gesetzes kann „die Gemeinde […] zur Erfüllung ihrer Aufgaben Organisationseinheiten einrichten und auch Vereinbarungen mit anderen Einrichtungen, einschließlich NRO [Nichtregierungsorganisationen], abschließen“.


8 – Die Einrichtung haushaltsgebundener Einrichtungen ist im Gesetz über die öffentlichen Finanzen (Ustawa o finansach publicznych, Dz. U von 2013, Pos. 885 mit Änderungen) geregelt.


9 – In der mündlichen Verhandlung hat die Gemeinde Wrocław ausgeführt, welche praktische Bedeutung der Rechtssache aus ihrer Sicht zukommt. Nach ihrer Auffassung wäre es, wenn die Gemeinde mit all ihren haushaltsgebundenen Einrichtungen allein als mehrwertsteuerpflichtig angemeldet würde, einfacher für sie, die gesamte Mehrwertsteuerabwicklung zu kontrollieren, gut über die Tätigkeiten ihrer haushaltsgebundenen Einrichtungen informiert zu sein, eine einheitliche Steuerpolitik innerhalb der Gemeinde anzuwenden sowie Zweifel und Unsicherheiten hinsichtlich der Besteuerung gemeindeinterner Transaktionen zu beseitigen. Umgekehrt verstoße die Aufsplitterung der Gemeinde und ihrer haushaltsgebundenen Einrichtungen in mehrere Mehrwertsteuerpflichtige gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer. Delegiere eine Gemeinde beispielsweise eine Investitionstätigkeit an eine erste haushaltsgebundene Einrichtung, während eine zweite haushaltsgebundene Einrichtung die aus dieser Investition resultierende steuerbare wirtschaftliche Tätigkeit ausübe, sei es trotz der Tatsache, dass beide Einrichtungen zur Organisationsstruktur derselben Gemeinde gehörten, nicht selbstverständlich, dass die erste haushaltsgebundene Einrichtung ein Recht auf Vorsteuerabzug habe.


10 –      Vgl. Nr. 17 der vorliegenden Schlussanträge.


11 –      Zu Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie, dem dieser Art. 13 der Richtlinie 2006/112 gegenwärtig entspricht, vgl. Urteil Kommission/Niederlande (235/85, EU:C:1987:161, Rn. 18).


12 –      Urteile Kommission/Schweden (C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 34) und Skandia America (USA), filial Sverige (C-7/13, EU:C:2014:2225, Rn. 23).


13 – Hervorhebung nur hier.


14 – Vgl. Urteil Heerma (C-23/98, EU:C:2000:46, Rn. 8) und Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache FCE Bank (C-210/04, EU:C:2005:582, Nr. 36). Der in der englischen Sprachfassung dieses Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 verwendete Ausdruck „any person“ sollte daher – wie einige andere Sprachfassungen dieses Artikels – so ausgelegt werden, als bedeute er „any one“ (vgl. insoweit Terra, B., und Kajus, J., A Guide to the European VAT Directives: Introduction to European VAT, IBFD 2015, Bd. 1, S. 469).


15 –      Vgl. in diesem Sinne Urteile T-Mobile Austria u. a. (C-284/04, EU:C:2007:381, Rn. 48), Götz (C-408/06, EU:C:2007:789, Rn. 15), Isle of Wight Council u. a. (C-288/07, EU:C:2008:505, Rn. 28 bis 30) sowie Kommission/Finnland (C-246/08, EU:C:2009:671, Rn. 34 und 39). Diese Prüfungsreihenfolge ist auch für die Urteile Kommission/Frankreich (C-276/97, EU:C:2000:424), Kommission/Irland (C-358/97, EU:C:2000:425) und Kommission/Vereinigtes Königreich (C-359/97, EU:C:2000:426) gewählt worden. In diesen Urteilen ist die Frage der Selbständigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit jedoch nicht aufgeworfen worden.


16 – Beschluss Gmina Wrocław (C-72/13, EU:C:2014:197, Rn. 19).


17 – C-154/08, EU:C:2009:695, Rn. 86.


18 – Der einschlägige Artikel in der genannten Rechtssache war Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie, der dem derzeitigen Art. 13 der Richtlinie 2006/112 entspricht.


19 – Diese Prüfungsreihenfolge ist überdies bereits in den Urteilen Kommission/Niederlande (235/85, EU:C:1987:161) und Ayuntamiento de Sevilla (C-202/90, EU:C:1991:332) gewählt worden. Vgl. in diesem Sinne auch Beschluss Mihal (C-456/07, EU:C:2008:293, Rn. 21 und 22).


20 –      Diese Fallkonstellationen schließen Notare, Gerichtsvollzieher, Steuereinnehmer und die spanischen „registradores-liquidadores“ ein. Vgl. insoweit Nrn. 41 und 42 der vorliegenden Schlussanträge.


21 –      Vgl. insoweit Nr. 28 der vorliegenden Schlussanträge. Aus der Rechtsprechung zu Art. 4 der Sechsten Richtlinie geht hervor, dass die Steuerpflichtigeneigenschaft unter Berücksichtigung des Zwecks dieser Richtlinie, der u. a. darin besteht, ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem auf der Grundlage einer einheitlichen Definition des genannten Begriffs zu schaffen, ausschließlich aufgrund der in Art. 4 der erwähnten Richtlinie genannten Kriterien beurteilt werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile van Tiem, C-186/89, EU:C:1990:429, Rn. 25, BBL, C-8/03, EU:C:2004:650, Rn. 37, und HE, C-25/03, EU:C:2005:241, Rn. 41). Art. 4 der Sechsten Richtlinie umfasste die Artikel, denen gegenwärtig u. a. die Art. 9 und 13 der Richtlinie 2006/112 entsprechen.


22 –      Daher hängt die Einstufung als Steuerpflichtiger nicht von der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Natur der Person ab, die die wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt (Terra, B., und Kajus, J., a. a. O., S. 431).


23 – Urteile Isle of Wight Council u. a. (C-288/07, EU:C:2008:505, Rn. 25 bis 28 und 38), Kommission/Irland (C-554/07, EU:C:2009:464, Rn. 39 bis 41) sowie Kommission/Niederlande (C-79/09, EU:C:2010:171, Rn. 76 und 77).


24 – Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache FCE Bank (C-210/04, EU:C:2005:582, Nr. 39).


25 – C-355/06, EU:C:2007:615.


26 – Urteil van der Steen (C-355/06, EU:C:2007:615, Rn. 21 bis 25). Zu denselben Kriterien vgl. auch Urteil Heerma (C-23/98, EU:C:2000:46, Rn. 18).


27 – Urteil Kommission/Niederlande (235/85, EU:C:1987:161, Rn. 14) und Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache FCE Bank (C-210/04, EU:C:2005:582, Nr. 40). Der Gerichtshof hat im Beschluss Mihal (C-456/07, EU:C:2007:673, Rn. 21) in Bezug auf slowakische Gerichtsvollzieher ebendiese Auslegung gewählt.


28 – Urteil Ayuntamiento de Sevilla (C-202/90, EU:C:1991:332, Rn. 11 bis 15). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil Kommission/Spanien (C-154/08, EU:C:2009:695, Rn. 103 bis 106) in Bezug auf die spanischen „registradores-liquidadores“.


29 – C-210/04, EU:C:2006:196.


30 – Urteil FCE Bank (C-210/04, EU:C:2006:196, Rn. 35 bis 37). Generalanwalt Léger hat in seinen Schlussanträgen in dieser Rechtssache darüber hinaus festgestellt, dass die genannte Zweigstelle nicht für eigene Rechnung tätig werde (Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache FCE Bank, C-210/04, EU:C:2005:582, Nr. 46).


31 – Vgl. Nr. 34 der vorliegenden Schlussanträge.


32 – Zu beachten ist, dass auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen eine implizite unbeschränkte Staatsbürgschaft für ein Unternehmen, das nicht Gegenstand von Sanierungs- und gerichtlichen Abwicklungsverfahren sein kann, als unzulässige staatliche Beihilfe anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Frankreich/Kommission, C-559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 97 und 98). Diese Feststellung ist für die Auslegung der Richtlinie 2006/112 jedoch unerheblich, da sich die Ziele der Mehrwertsteuerregelung von den Zielen unterscheiden, die in anderen Bereichen des Unionsrechts wie den staatlichen Beihilfen oder dem öffentlichen Auftragswesen gelten. Vgl. in diesem Sinne meine Analyse der Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 in meinen Schlussanträgen vom 25. Juni 2015 in der Rechtssache Saudaçor (C-174/14, EU:C:2015:430, Nrn. 61 bis 65).


33 – Urteil FCE Bank (C-210/04, EU:C:2006:196, Rn. 36).


34 – Im Urteil Ayuntamiento de Sevilla trugen die Steuerreinnehmer insofern das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit, als der Gewinn, den sie aus dieser Tätigkeit zogen, nicht nur vom Betrag der eingezogenen Steuern abhing, sondern auch von den mit dem Einsatz der für ihre Arbeit benötigten Arbeitskräfte und sachlichen Mittel verbundenen Ausgaben (Urteil Ayuntamiento de Sevilla, C-202/90, EU:C:1991:332, Rn. 13). Im Urteil Kommission/Spanien hat der Gerichtshof festgestellt, dass die in der genannten Rechtssache in Rede stehenden „registradores-liquidadores“ insofern das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit trugen, als der Gewinn, den sie aus dieser Tätigkeit zogen, vom Betrag der eingezogenen Steuern, von den mit dem Einsatz der für ihre Arbeit benötigten Arbeitskräfte und sachlichen Mittel verbundenen Ausgaben, von der Effizienz der „registradores-liquidadores“ und in einigen Fällen sogar vom Prozentsatz der Sanktionen und der Geldbußen abhing, die in Ausübung der Tätigkeit des „registrador-liquidador“ verhängt und eingezogen wurden (Urteil Kommission/Spanien, C-154/08, EU:C:2009:695, Rn. 107).


35 – Gemäß Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112.


36 – Beispielsweise kann eine Grundschule, deren Schwimmbad abends und am Wochenende von der Öffentlichkeit genutzt wird, zwar den sich aus dieser wirtschaftlichen Tätigkeit ergebenden negativen finanziellen Folgen wie einem Ungleichgewicht zwischen Ausgaben und Einnahmen ausgesetzt sein; letztlich trägt aber die Gemeinde dieses wirtschaftliche Risiko, da sie die etwaigen aus dieser Tätigkeit entstandenen Verluste finanzieren muss.


37 – Dieser polnische Ausdruck lässt sich auch mit „allein“ übersetzen.


38 – Beispielsweise in der dänischen, der deutschen, der spanischen, der italienischen, der maltesischen, der niederländischen, der portugiesischen, der rumänischen, der finnischen und der schwedischen Sprachfassung.


39 – Vgl. u. a. Urteil Ivansson u. a. (C-307/13, EU:C:2014:2058, Rn. 40).


40 – Vgl. in diesem Sinne auch Urteil Kommission/Spanien (C-154/08, EU:C:2009:695, Rn. 120 bis 123). Demnach hindert nichts im Unionsrecht einen Mitgliedstaat oder Länder eines Mitgliedstaats daran, im Einklang mit der für ihn bzw. sie geltenden Regelung auf Einrichtungen wie die in jener Rechtssache in Rede stehenden „registradores-liquidadores“ zurückzugreifen, um Steuern beizutreiben und einzuziehen, die unbestreitbar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Daraus folgt jedoch nicht, dass ein Mitgliedstaat weiterhin frei ist, die von diesen „registradores“ erbrachten Dienstleistungen nicht der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wenn sich herausstellt, dass diese Dienstleistungen in Form einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit erbracht werden.


41 – Im genannten 65. Erwägungsgrund heißt es: „Da die Ziele dieser Richtlinie aus den dargelegten Gründen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zum Erreichen dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.“


42 – Insoweit teile ich die Analyse der polnischen Regierung, wonach das vorlegende Gericht einen Fehler begangen hat, falls es, wie von dieser Regierung behauptet, festgestellt hat, dass die Frage der selbständigen Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit allein auf der Grundlage des polnischen Rechts zu prüfen sei.


43 – Die Gemeinde Wrocław hat in der mündlichen Verhandlung insoweit behauptet, mehrere polnische Gemeinden hätten ihre Interessen bereits seit einer geraumen Zeit dadurch geschützt, dass sie beim Finanzminister Rulings, nämlich endgültige steuerliche Auslegungen, beantragt hätten. Daher könnten diese Gemeinden wählen, ob sie ihre Steuererklärungen nachträglich berichtigen oder den durch die Einzelfallauslegungen gewährten Schutz in Anspruch nehmen wollten. Die Gemeinde Wrocław hat darüber hinaus geltend gemacht, sie könne in organisatorischer Hinsicht eine zentralisierte Mehrwertsteuererklärung abgeben.


44 – Überdies kann die Anmeldung wirtschaftlich zusammenhängender Einheiten als ein einziger Steuerpflichtiger, worauf ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Irland (C-85/11, EU:C:2012:753, Nr. 45) in Bezug auf Mehrwertsteuergruppen hingewiesen habe, insgesamt betrachtet zu Cashflow-Vorteilen führen, weil auf internen Umsätzen zwischen solchen Einheiten keine Mehrwertsteuer lastet.


45 – Urteile Schulz und Egbringhoff (C-359/11 und C-400/11, EU:C:2014:2317, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Balazs und Casa Judeţeană de Pensii Cluj (C-401/13 und C-432/13, EU:C:2015:26, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46 – Urteile Schulz und Egbringhoff (C-359/11 und C-400/11, EU:C:2014:2317, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Balazs und Casa Judeţeană de Pensii Cluj (C-401/13 und C-432/13, EU:C:2015:26, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).